20 1 Die Finanzwirtschaft
stellen, welches Investitionsobjekt zu realisieren ist, wenn Mittel in genügend großer Höhe
zur Verfügung stehen. Andererseits ist Ausgangsfrage der Finanzierung, wie eine Investition, die zwingend benötigt wird, optimal finanziert werden sollte. Diese Fragestellungen
lassen u. U. vermuten, jeweils einer der Teilbereiche sei fix, während der andere zu optimieren sei. Tatsächlich können aber in der Praxis beide Teilbereiche gestaltet werden. Daraus
ergibt sich die Notwendigkeit der gemeinsamen Planung von Investition und Finanzierung. Es gilt folgender Zusammenhang: Jede Mittelverwendung hat eine Mittelbeschaffung
zur Voraussetzung. Der beste Investitionsplan ist bedeutungslos, wenn keine Mittel zur
Beschaffung der Investition zur Verfügung stehen. Umgekehrt ist die Beschaffung finanzieller Mittel unsinnig, wenn für sie keine ertragbringende Verwendung gefunden werden kann.
Daher muss Mittelbeschaffung stets eine Mittelverwendung nach sich ziehen.47
1.3 Die Bestandteile der Finanzwirtschaft
1.3.1 Die Investition
Der Investor verfolgt mit einer zum gegenwärtigen Zeitpunkt erfolgenden Geldauszahlung
für bestimmte Vermögensgegenstände oder Dienstleistungen das Ziel, dadurch in späteren
Perioden höhere Geldeinzahlungen oder Minderauszahlungen zu erwirtschaften.
Charakteristische Merkmale von Investitionen sind demnach die Transformation eines gegenwärtigen Zahlungsmittelbestandes in materielle, immaterielle oder finanzielle Güter,
sowie das Ziel, dadurch auf direkte bzw. indirekte Weise zusätzliche Einzahlungen oder
geringere Auszahlungen zu erreichen.48 Es lässt sich also eine enge Verknüpfung zwischen
der güter- bzw. leistungswirtschaftlichen und finanzwirtschaftlichen Ebene einer Unternehmung erkennen. Jedoch kann bei der Beratung, Beurteilung und Entscheidung über
eine Investition prinzipiell eine Trennung zwischen leistungswirtschaftlichen und finanzwirtschaftlichen Aspekten vorgenommen werden.
Stehen die technischen und kapazitätsorientierten Eigenschaften der Investitionsobjekte und
damit der leistungswirtschaftliche Aspekt im Vordergrund, so lassen sich die zu beschaffenden Vermögensgegenstände ihrer Art nach gemäß Abbildung 8 (Seite 21) unterscheiden.
Auf den leistungswirtschaftlichen Aspekt wird auch abgezielt, wenn in einer Wirtschaftsperiode die Unterteilung der Gesamt- oder Bruttoinvestitionen eines Betriebes in Ersatz- oder
Reinvestitionen (Ersatzbeschaffung wirtschaftlich verbrauchter Güter) und in Erweiterungs- oder Nettoinvestitionen (Vergrößerung der Kapazität) erfolgt. Dieser Kapazitätseffekt der Investitionen erfährt i. d. R. allerdings keine Berücksichtigung im Rahmen des
Themengebiets „Investitionsrechnung“, sondern wird in der Literatur im Zusammenhang
mit der „Betriebsgrößenplanung“ bzw. generell im Rahmen des Bereiches „Produktion“
diskutiert.
47 Vgl. Wöhe, Günter/Bilstein, Jürgen: Grundzüge der Unternehmensfinanzierung. 9. Aufl., München 2002, S. 3.
48 Vgl. Bieg, Hartmut: Betriebswirtschaftslehre 1: Investition und Unternehmungsbewertung.
2. Aufl., Freiburg i. Br. 1997, S. 1.
1.3 Die Bestandteile der Finanzwirtschaft 21
Die Investitionsrechnung interessiert sich jedoch im Allgemeinen nicht dafür, in welcher
Weise ein Investitionsobjekt mit den übrigen betrieblichen Produktionsfaktoren zusammenwirkt oder welchen Einfluss es auf die Leistungsfähigkeit der Unternehmung besitzt, sondern für sie ist lediglich der finanzwirtschaftliche Aspekt relevant.49 Ihre Betrachtungsweise reduziert das Investitionsobjekt auf die von ihm ausgelösten Veränderungen des Zahlungsmittelbestandes; dies kommt auch im eingangs erwähnten zweiten Merkmal der Investition zum Ausdruck.
Sachinvestitionen
Investitionen
Finanzinvestitionen ImmaterielleInvestitionen
Grundstücke
Technische
Anlagen
Vorräte
Fremdleistungen
Werbung
Ausbildung
Sozialleistungen
Gläubigerrechte
Anteilsrechte
Forschung
und Entwicklung
Abbildung 8: Gliederung der Investitionen nach der Art der Vermögensgegenstände50
Diesem Tatbestand trägt der zahlungsorientierte (pagatorische) Investitionsbegriff Rechnung. Er ist laut Büschgen insbesondere eine Folge davon, dass Investition und Finanzierung
bei der Investitionsplanung gemeinsam zu betrachten sind.51 Danach ist eine Investition eine
betriebliche Maßnahme, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten Ein- und Auszahlungen verursacht. Der erste Zahlungsvorgang ist dabei im Normalfall eine Auszahlung und wenigstens eine der folgenden Zahlungen ist eine Einzahlung.
Das Fachgebiet „Investitionsrechnung“ betrachtet demgemäß nur die finanzwirtschaftlichen Aspekte der Investitionen, d. h. ihre Zahlungsströme. Jede Investition lässt sich nämlich – unabhängig von der Art der Investition (Sach-, Finanz- oder immaterielle Investition)
und unabhängig davon, ob es sich um eine Ersatz- oder um eine Erweiterungsinvestition
handelt – auf die von ihr ausgelösten Zahlungsmittelbewegungen (Ein- und Auszahlungen)
reduzieren.
49 Vgl. Büschgen, Hans E.: Betriebliche Finanzwirtschaft – Unternehmensinvestitionen. Frankfurt
a. M. 1981, S. 12; vgl. dazu auch Kruschwitz, Lutz: Investitionsrechnung. 12. Aufl., München
2009, S. 3-5.
50 Modifiziert entnommen aus Bieg, Hartmut: Betriebswirtschaftslehre 1: Investition und Unternehmungsbewertung. 2. Aufl., Freiburg i. Br. 1997, S. 2.
51 Vgl. Büschgen, Hans E.: Betriebliche Finanzwirtschaft – Unternehmensinvestitionen. Frankfurt
a. M. 1981, S. 11-12.
22 1 Die Finanzwirtschaft
Rechnungswesen
Internes Externes
Kostenrechnung Finanzrechnung Jahresabschluss
(+ Lagebericht)
kurzfristig
langfristig
Rechnungen
Abbildung
der
Leistungsund Finanzströme
Bilanz
Fin.Inv.
Investition(srechnung)
Mittelverwendung
Finanzierung
Mittelherkunft
Finanzwesen
Abbildung 9: Zusammenhänge zwischen betrieblichem Rechnungswesen und Finanzwesen52
Betrachtet man die innerhalb des Bereichs des betrieblichen Finanz- bzw. Rechnungswesens ablaufenden Prozesse hinsichtlich Entscheidungsvorbereitung, Treffen von Entscheidungen sowie Informationserstellung und -verwertung, so wirken sich die mit einer Investition in Zusammenhang stehenden Aktionen zum einen deutlich auf die Aktivseite einer
52 Entnommen aus Kußmaul, Heinz: Grundlagen der Investition und Investitionsrechnung. In: Der
Steuerberater 1995, S. 101.
1.3 Die Bestandteile der Finanzwirtschaft 23
Bilanz sowie auf die Gewinn- und Verlustrechnung und die Finanzrechnung aus, zum anderen macht sich die Planung und Berechnung von realisationsfähigen und auch zur Verwirklichung geeigneten Investitionsobjekten (Investitionsrechnung) im Bereich der mittel- bis
langfristigen Unternehmungsplanung bemerkbar (vgl. Abbildung 9; Seite 22).
Betrachtet man den Vorgang der Investition vom Standpunkt der Bilanz, so kommt er auf
der Aktivseite der Bilanz, die Aufschluss über die Verwendung des unternehmerischen
Kapitals gibt, zum Ausdruck. Vorausgehen muss der Betrachtung, Beurteilung und Realisierung von Investitionen zunächst die Beschaffung von verwendbarem Kapital.
Bilanztechnisch erkennbar wird die Kapitalbeschaffung auf der Passivseite der Bilanz, die
Auskunft darüber gibt, welche Kapitalbeträge dem Betrieb zur Nutzung überlassen worden
sind und in welcher Form (Eigen- bzw. Fremdkapital) dies geschehen ist.
Abgesehen von dem Fall der Einbringung von Sacheinlagen durch die Kapitalgeber erscheinen die vermögensmäßigen Gegenwerte des beschafften Kapitals in der Bilanz zunächst als
Zahlungsmittel, ehe sie zur Durchführung des Betriebsprozesses verwendet, also investiert
werden. Da jedoch die Erwirtschaftung von Kapital auch im Rahmen der Freisetzung investierter Geldbeträge durch den betrieblichen Umsatzprozess vonstatten gehen kann, macht
sich die Bereitstellung finanzieller Mittel für erneute Investitionsvorgänge oftmals durch
Vermögensumschichtungen auf der Aktivseite (ggfs. ohne Änderung der auf der Passivseite
ausgewiesenen Kapitalpositionen) bemerkbar.53
1.3.2 Die Finanzierung
In der Literatur herrscht keine Einigkeit über die Definition des Finanzierungsbegriffes. Die
klassische Interpretation der Finanzierung orientiert sich an dem in der Bilanz ausgewiesenen Kapital.54 Finanzierung beschränkt sich dann auf die Vorgänge der Kapitalbeschaffung, wobei der Begriff der Kapitalbeschaffung eng oder weit gefasst werden kann. So kann
der Begriff der Kapitalbeschaffung anhand nachfolgender Kriterien eingeschränkt werden:
? entsprechend der Form der Kapitalbeschaffung, z. B. Beschränkung auf die Beschaffung finanzieller Mittel durch Ausgabe von Wertpapieren;
? entsprechend der Dauer der Kapitalbereitstellung, z. B. Beschränkung auf die Beschaffung langfristiger Mittel;
? entsprechend der Verwendung der beschafften Kapitalbeträge, z. B. Beschränkung auf
die Kapitalbeschaffung zum Zwecke der Gründung und Erweiterung oder zum Zwecke
der Finanzierung von aus dem Rahmen der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit herausfallenden Vorhaben.
In der weitesten Fassung dieser klassischen Definition der Kapitalbeschaffung erfolgt keine
Einschränkung bezüglich Form, Fristigkeit und Verwendung der finanziellen Mittel. Sie
umschließt über die Kapitalbeschaffung hinaus sämtliche Kapitaldispositionen, die im Zu-
53 Vgl. Wöhe, Günter/Bilstein, Jürgen: Grundzüge der Unternehmensfinanzierung. 9. Aufl., München 2002, S. 2-5.
54 Vgl. Perridon, Louis/Steiner, Manfred: Finanzwirtschaft der Unternehmung. 14. Aufl., München
2007, S. 348.
24 1 Die Finanzwirtschaft
sammenhang mit dem Betriebsprozess stehen, also auch die Kapitalrückzahlung und die
Kapitalumschichtungen.55 Aber auch in dieser Fassung bezieht sich der Finanzierungsbegriff
nur auf die Vorgänge der Passivseite, die extern ausgelöst werden. Der am abstrakten Kapital orientierte Finanzierungsbegriff wird erweitert durch die Einbeziehung der Vermögensseite. Damit setzt sich Finanzierung nicht nur mit der Beschaffung externer Mittel, sondern
auch mit der internen Mittelbeschaffung durch Gewinne, Mittelfreisetzungen, Abschreibungen usw. auseinander. Dies bezeichnet man als den am Realkapital orientierten Finanzierungsbegriff.56
Definiert man Finanzierung als „die Summe der Tätigkeiten, die darauf ausgerichtet sind,
den Betrieb in dem entsprechendem Umfang mit Geld und anderen Vermögensteilen auszustatten, der zur Realisation der betrieblichen Ziele erforderlich ist“,57 so handelt es sich um
einen – weiten – entscheidungsorientierten Finanzierungsbegriff. Ebenfalls um einen entscheidungsorientierten – wenn auch engeren und damit möglicherweise operationaleren –
Ansatz handelt es sich, wenn Finanzierung als zielgerichtete Gestaltung und Steuerung
sämtlicher Zahlungsströme einer Unternehmung verstanden wird. Dies führt zu dem pagatorischen, d. h. an Zahlungsströmen orientierten, Finanzierungsbegriff. Köhler definiert diesbezüglich: „Zusammenfassend sei die Finanzierung, Teil der Finanzwirtschaft, definiert als
Gesamtheit der Zahlungszuflüsse (Einzahlungen) und der beim Zugang nichtmonetärer
Güter vermiedenen sofortigen Zahlungsmittelabflüsse (Auszahlungen)“.58 Diese Definition
beinhaltet alle Formen der internen und externen Geld- und Kapitalbeschaffung, einschließlich der Kapitalfreisetzungseffekte.
In Anlehnung an Vormbaum und Wöhe/Bilstein gehen wir im Folgenden von einer vier
Kernbereiche umfassenden Auslegung des Finanzierungsbegriffs aus.59 Danach fallen in
den Bereich der Finanzierung als Erstes alle betrieblichen Maßnahmen der Versorgung der
Unternehmung mit disponiblem (für unternehmerische Entscheidungen zur Verfügung stehendem) Kapital
? zur Durchführung der betrieblichen Leistungserstellung und Leistungsverwertung (Erfüllung des eigentlichen Betriebszwecks) und
? zur Vornahme bestimmter außerordentlicher finanztechnischer Vorgänge (Unternehmungsgründung, Kapitalerhöhung, Umwandlung, Sanierung, Liquidation).
55 Vgl. ausführlich zur Abgrenzung der einzelnen Finanzierungsbegriffe und ihrer Vertreter Grochla,
Erwin: Finanzierung, Begriff der. In: Handwörterbuch der Finanzwirtschaft, hrsg. von Hans E.
Büschgen, Stuttgart 1976, Sp. 413-415.
56 Perridon/Steiner beziehen sich hierbei auf Beckmann, Liesel: Die betriebswirtschaftliche Finanzierung. 2. Aufl., München 1956, S. 28 und Rössle, Karl: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre.
5. Aufl., Stuttgart 1956, S. 105. Vgl. Perridon, Louis/Steiner, Manfred: Finanzwirtschaft der Unternehmung. 14. Aufl., München 2007, S. 348.
57 Grochla, Erwin: Finanzierung, Begriff der. In: Handwörterbuch der Finanzwirtschaft, hrsg. von
Hans E. Büschgen, Stuttgart 1976, Sp. 414.
58 Köhler, Richard: Zum Finanzierungsbegriff einer entscheidungsorientierten Betriebswirtschaftslehre. In: Zeitschrift für Betriebswirtschaft 1969, S. 451.
59 Vgl. Vormbaum, Herbert: Finanzierung der Betriebe. 9. Aufl., Wiesbaden 1995, S. 26-30; Wöhe,
Günter/Bilstein, Jürgen: Grundzüge der Unternehmensfinanzierung. 9. Aufl., München 2002,
S. 2-5.
1.3 Die Bestandteile der Finanzwirtschaft 25
Ergänzend zu dieser Bereitstellung von finanziellen Mitteln jeder Art (Kapitalbeschaffung
im weitesten Sinne) kommen als Zweites Maßnahmen zur optimalen Strukturierung des Kapitals der Unternehmung hinzu (Kapitalumschichtung, Umfinanzierung). Durch die vorgenommene Einbeziehung der Sanierung und Liquidation wird der Finanzierungsbegriff als
Drittes auf den Verlust und die Rückzahlung früher beschafften Kapitals ausgeweitet (Kapitalabfluss beispielsweise in Form von Kapitalentnahmen, Kredittilgungen, Gewinnausschüttungen). Als Viertes umfasst der verwendete Finanzierungsbegriff schließlich die
Freisetzung von in Sach- und Finanzwerten investierten Geldbeträgen in liquide Form durch
den sich über den Markt vollziehenden betrieblichen Umsatzprozess. Es handelt sich hierbei
um die Wiederbeschaffung früher investierter Mittel und deren Bereitstellung für erneute
Finanzierungsvorgänge. Derartige Kapitalfreisetzungen finden ihren Niederschlag nicht
nur auf der Passivseite der Bilanz (wegen der Erfolgswirksamkeit), sondern sie zeigen sich
vor allem auf der Aktivseite in Form von Vermögensumschichtungen. Vermögensumschichtungen sind zudem auch möglich, wenn die auf der Passivseite ausgewiesenen Kapitalpositionen konstant bleiben. Dadurch fällt auch die Bereitstellung finanzieller Mittel, die nicht
zu einer Vergrößerung des auf der Passivseite ausgewiesenen Kapitals führt, unter den
Finanzierungsbegriff.
I. Bilanzverlängerung
IV. Bilanzverkürzung
III. Kapitalumschichtung
II. Vermögensumschichtung
Bilanz
Vermögen
(= konkretes
Kapital)
Abstraktes
Kapital
Nachweis
der Kapitalverwendung
Nachweis
der Kapitalherkunft
+
–
Abbildung 10: Finanzierungsvorgänge und Bilanzinhalt60
Der Begriff Finanzierung beschränkt sich darüber hinaus nicht nur auf die reine Geldbeschaffung (liquide Mittel), sondern er umschließt auch die Zurverfügungstellung von Sachgütern in Form von Sacheinlagen oder die Einbringung von Wertpapieren. Kapitalbeschaffung (Finanzierung) und Kapitalverwendung (Investition) erfolgen in diesen Fällen als
60 Entnommen aus Vormbaum, Herbert: Finanzierung der Betriebe. 9. Aufl., Wiesbaden 1995, S. 27.
II. Vermögensumschichtung
a italu sc ichtung
26 1 Die Finanzwirtschaft
einheitlicher Vorgang. Finanzierung umfasst infolgedessen nicht nur die Geldbeschaffung,
sondern Kapitalbeschaffung in allen Formen. Das zur Nutzung überlassene Eigen- oder
Fremdkapital findet seinen vermögensmäßigen Gegenwert in Form von Geld, Sachgütern,
Wertpapieren oder anderen Vermögensgegenständen.
Der Kapitalbereich der Bilanz (Passivseite) gibt demzufolge Auskunft darüber, welche
Kapitalbeträge in welcher rechtlichen Form (Eigenkapital oder Fremdkapital) dem Betrieb
zur Nutzung überlassen werden, während der Vermögensbereich der Bilanz (Aktivseite)
zum Ausdruck bringt, in welchen Vermögensarten die von den Kapitalgebern zur Verfügung
gestellten Mittel derzeit gebunden sind.
In diesem Zusammenhang lassen sich grundsätzlich vier Arten von Finanzierungsvorgängen, die sich in einer Änderung des Bilanzinhalts niederschlagen, unterscheiden (siehe
Abbildung 10; Seite 25).
Bilanzverlängernde Finanzierungsmaßnahmen führen zu einer Erhöhung des dem Betrieb zur Verfügung stehenden Vermögens bei gleichzeitiger, gleichgewichtiger Erhöhung
des Kapitals. Diese Vorgänge werden in Abbildung 11 als Kapitalbeschaffung bezeichnet.
Mit dem Ausweis des neu aufgenommenen Kapitals (Eigenkapital und/oder Fremdkapital)
auf der Passivseite wird der juristische Anspruch dokumentiert. Auf der Aktivseite zeigt sich
diese Kapitalerhöhung in ihrer konkreten Form, nämlich als Zufluss von liquiden Mitteln
(z. B. Bareinlage, Kreditaufnahme) oder als Erhöhung der Sachgüter (z. B. Sacheinlage,
Kauf auf Ziel).
Finanzierung i.w.S.
Kapitalbeschaffung
Kapitalerhöhung
Kapitalfreisetzung
Kapitalrückfluss
Kapitalumschichtung
Umfinanzierung
Kapitalabfluss
Kapitalherabsetzung
von außen von innen
Kapitalaufnahme
von EK
oder FK
Kapitalzuwachs
durch Gewinnthesaurierung bzw.
Bildung von
Rückstellungen
Erhöhung,
Beschleunigung
der Freisetzung
von disponiblem
Kapital durch
Vermögensumstrukturierungen
Veränderung der
Kapitalstruktur
innerhalb des
Betriebes
nach
außen
Kapitalverlust am
EK und/oder
FK
Kapitalrückzahlung
von EK
und/oder FK
Abbildung 11: Elemente des Finanzierungsbegriffs61
61 Modifiziert entnommen aus Vormbaum, Herbert: Finanzierung der Betriebe. 9. Aufl., Wiesbaden
1995, S. 29.
1.3 Die Bestandteile der Finanzwirtschaft 27
Vermögensumschichtende Finanzierungsvorgänge (Aktivtausch) führen bei gleich
bleibender Bilanzsumme zu einer Umstrukturierung des Vermögens, indem z. B. Sachgüter
oder Finanztitel in liquide Mittel umgewandelt werden; gebundenes Vermögen wird also
durch Veräußerung freigesetzt. Es gibt allerdings Finanzierungsvorgänge, die neben einer
Vermögensumschichtung gleichzeitig auch zu einer Bilanzverlängerung oder -verkürzung
führen, so, wenn beim Verkauf von Vermögensgegenständen zu einem über dem Buchwert
liegenden Preis stille Rücklagen gewinnerhöhend aufgedeckt werden oder wenn durch deren
vorherige Überbewertung ein außerordentlicher Aufwand entsteht. Finanzierungsmaßnahmen, die zu einer Vermögensumschichtung führen, werden in Abbildung 11 (Seite 26) als
Kapitalfreisetzung bezeichnet.
Bei kapitalumschichtenden Finanzierungsvorgängen (Passivtausch) kommt es bei gleich
bleibender Bilanzsumme zu einer Umstrukturierung der Passivseite. Die Veränderung der
Rechtsposition des Kapitalgebers gegenüber der Unternehmung (Eigentümer wird Gläubiger
bzw. umgekehrt) zählt ebenso zu dieser Kapitalumschichtung wie Strukturveränderungen
innerhalb des Eigenkapitals (z. B. Kapitalerhöhungen aus Gesellschaftsmitteln) und des
Fremdkapitals (z. B. Vereinbarung, einen kurzfristigen Kredit auf langfristige Darlehensbasis umzustellen; vgl. Abbildung 11; Seite 26).
Bilanzverkürzende Finanzierungsmaßnahmen führen zu einer Verkleinerung der Bilanzsumme durch Verminderung des dem Betrieb zur Verfügung stehenden Vermögens bei
gleichzeitiger, gleichgewichtiger Verminderung des Kapitals. Dieser Kapitalabfluss zeigt
sich in konkreter Form als Verminderung der liquiden Mittel bzw. von Sachgütern, schlägt
sich aber auch in einer entsprechenden Verminderung der die Rechtsansprüche der Kapitalgeber repräsentierenden Eigen- oder Fremdkapitalpositionen nieder (vgl. Abbildung 11;
Seite 26).
Investitionsrechnung und Entscheidungen über Investitionen
2 Die betriebliche Einordnung der Investitionsrechnung
und Entscheidungen über Investitionen62
2.1 Die betriebliche Einordnung der Investitionsrechnung
2.1.1 Die Einordnung der Investitionsrechnung innerhalb des Investitionsprozesses
Die Begriffe Investitionsrechnung, Investitionsplanung und Investitionsprozess stehen zwar
von ihrer thematischen und intentionalen Grundausrichtung her eng miteinander in Beziehung, dürfen aber dennoch nicht als gleichbedeutend angesehen werden. Die Investitionsrechnung wird nämlich als Instrument im Rahmen der Investitionsplanung eingesetzt, welche wiederum eine Phase innerhalb des Investitionsprozesses darstellt. Systematisch logisch
zerlegen lässt sich ein Investitionsprozess im Allgemeinen – wie in Abbildung 12 (Seite 30) – in
? eine Planungsphase,
? eine Realisations- oder Durchsetzungsphase sowie
? eine Kontroll- und Überwachungsphase,
wobei teilweise eine weitere Untergliederung der ersten Phase in die Planungsstufen
? Problemstellungsphase,
? Suchphase,
? Beurteilungsphase,
? Entscheidungsphase
62 Wesentliche Passagen dieses Abschnitts und der folgenden Abschnitte sind entnommen aus Kußmaul, Heinz: Grundlagen der Investition und Investitionsrechnung. In: Der Steuerberater 1995,
S. 99-103, S. 135-139 und S. 179-183; Kußmaul, Heinz: Statische Verfahren der Investitionsrechnung. In: Der Steuerberater 1995, S. 221-227 und S. 259-263; Kußmaul, Heinz: Dynamische Verfahren der Investitionsrechnung. In: Der Steuerberater 1995, S. 302-308, S. 348-353, S. 381-389
und S. 428-436; Kußmaul, Heinz: Berücksichtigung der Steuern und Geldentwertung in der Investitionsrechnung. In: Der Steuerberater 1995, S. 463-473; Kußmaul, Heinz: Berücksichtigung der
Steuern und Geldentwertung in der Investitionsrechnung. In: Der Steuerberater 1996, S. 16-22;
Kußmaul, Heinz: Berücksichtigung der Unsicherheit bei Investitionsentscheidungen. In: Der Steuerberater 1996, S. 63-67 und S. 104-112; Kußmaul, Heinz: Investitionsprogrammentscheidungen.
In: Der Steuerberater 1996, S. 151-154, S. 189-195 und S. 223-230; Kußmaul, Heinz: Gesamtbewertung von Unternehmen als spezieller Anwendungsfall der Investitionsrechnung. In: Der Steuerberater 1996, S. 262-268, S. 303-312, S. 350-358 und S. 395-402; Kußmaul, Heinz: Investitionsrechnung. In: Saarbrücker Handbuch der Betriebswirtschaftlichen Beratung, hrsg. von Karlheinz
Küting, 4. Aufl., Herne 2008, S. 161-250; Kußmaul, Heinz: Darstellung der Discounted Cash-
Flow-Verfahren – auch im Vergleich zur Ertragswertmethode nach dem IDW Standard ES 1 –. In:
Der Steuerberater 1999, S. 332-347 sowie Kußmaul, Heinz: Darstellung der Shareholder Value-
Ansätze. In: Der Steuerberater 1999, S. 382-390.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Zu Beginn dieses Lehrbuches wird auf die grundlegenden Prinzipien und Bestandteile der Finanzwirtschaft eingegangen. Daran schließt sich die umfangreiche Auseinandersetzung mit der Investition (und hier vor allem mit den Verfahren der Investionsrechnung) an. Dabei werden alle theorie- und praxisrelevanten Facetten behandelt. Zur Veranschaulichung der Inhalte dient ein durchgehendes Beispiel. Im letzten Kapitel wird sich mit Fragen der Unternehmensbewertung (inkl. DCF-Verfahren) auseinandergesetzt.
- Einführendes Lehrbuch in die Verfahren der Investitionsrechnung
- Behandelt werden theoretische wie praxisrelevante Fragestellungen.
- Zusammenhänge und finanzwirtschaftliche Entscheidungskriterien
- Einordnung von Investitionsrechnung und Investitionsentscheidungen
- Statische und dynamische Verfahren der Investitionsrechnung
- Dynamische Verfahren der Investitionsrechung
- Bestimmung der optimalen Nutzungsdauer und des Ersatzzeitpunktes von Investitionen
- Unsicherheit bei Investitionsentscheidungen
- Investitionsprogrammentscheidungen
- Entscheidungen über Finanzinvestitionen
"Insgesamt betrachtet liegt hier ein beachtliches Nachschlagewerk zum Themenkomplex Investition und Finanzierung vor, das jede einschlägige Frage in ihren Grundzügen beantwortet… Angehenden Betriebswirten und Praktikern kann das Handbuch uneingeschränkt empfohlen werden."
Ingo Nautsch in "Die Bank" zur Vorauflage der Bände.
Prof. Dr. Hartmut Bieg ist Inhaber des Lehrstuhls für Bankbetriebslehre an der Universität des Saarlandes.
Professor Dr. Heinz Kußmaul ist Direktor des Betriebswirtschaftlichen Instituts für Steuerlehre und Entrepreneurship am Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, an der Universität des Saarlandes.
Für Studierende der Betriebswirtschaftslehre im Bachelor für das Fach Investition & Finanzierung an Universitäten, Fachhochschulen und Berufsakademien. Das Buch bietet aber auch Praktikern zahlreiche Anhaltspunkte zur Lösung von Investitionsproblemen.