214 5. Teil: Die Theorie des Marktgleichgewichts
Aus alledem wird deutlich, dass die Marktgleichgewichtstheorie mit ihrer Unterscheidung und Analyse elementarer Marktformen nur erste – wenn auch wichtige – Ansätze zu einer umfassenden allgemeinen Markttheorie liefert. Dementsprechend ist sie auch nur im Ansatz geeignet, reales Marktgeschehen zu erklären.
Hinzu kommt, dass die Gleichgewichtstheorie ein weiteres Phänomen realen
Marktgeschehens noch nicht bzw. nur in Ansätzen thematisiert: die Variabilität
von Märkten und Marktformen. Die bei Aufhebung der ceteris-paribus-Bedingung auftretenden Marktprozesse sind Gegenstand des folgenden 6. Teils.
Kontrollfragen zum 5. Teil
1. Nach welchen Kriterien werden Marktformen abgegrenzt? Erläutern Sie insbesondere die Kriterien des Marktstrukturansatzes.
2. Nennen Sie die Bedingungen für die Existenz eines vollkommenen Marktes.
Welche Folge für die Preisbildung ergibt sich auf einem vollkommenen
Markt?
3. Warum befasst sich die Mikroökonomik so intensiv mit vollkommenen
Märkten, obwohl diese in der Realität kaum vorkommen?
4. Erläutern Sie für die Marktform des homogenen Polypols die Begriffe Haushaltsgleichgewicht, Unternehmensgleichgewicht und Marktgleichgewicht.
Nennen und erläutern Sie Fälle, in denen kein Marktgleichgewicht zustande
kommt. Wann ist das Marktgleichgewicht stabil?
5. Die Marktnachfragefunktion laute Nx = –100 px + 10.000, die Marktangebotsfunktion laute A, = 50 px + 4.000. Wie hoch ist der Gleichgewichtspreis?
Wie hoch ist der Angebotsüberschuss, wenn ein politischer Mindestpreis
p = 60 gesetzt wird?
6. Zwei Jungökonomen streiten sich. A behauptet: „Der Preis ist abhängig von
der Nachfrage“. B widerspricht: „Die Nachfrage ist abhängig vom Preis“.
Wer hat recht?
7. Erläutern Sie für das homogene Polypol die Begriffe Marktnachfragefunktion
und individuelle Preis-Absatz-Funktion. Erläutern Sie in diesem Zusammenhang die Aussage, dass der einzelne Anbieter in dieser Marktform ein Mengenanpasser sei.
8. Erläutern Sie die Konzepte des landesüblichen Normalgewinns und des Extragewinns. Zeigen Sie auf, wie durch Marktzutritt im homogenen Polypol eine
Situation eintritt, in der alle Anbieter mit Normalgewinn im Betriebsoptimum
produzieren. Was ist ein gesamtwirtschaftliches Mikrogleichgewicht und
wann liegt es vor?
9. Zeigen Sie für die Marktform des Monopols die Beziehungen zwischen
Nachfragemenge, Preis, Gesamterlös, Grenzerlös und direkter Preiselastizität
der Nachfrage auf.
10. Stellen Sie dar, wie ein gewinnmaximierender Monopolist sein individuelles
Gleichgewicht ermittelt. Kann dieses Gleichgewicht auf einem Punkt der
Nachfragekurve liegen, wo diese unelastisch ist? Was kann der Monopolist
tun, wenn er seinen Gewinn über das soeben ermittelte Maximum hinaus
noch weiter steigern möchte?
Kapitel C: Kritik und Erweiterungen der Theorie des Marktgleichgewichts 215
11. Welche Art von Abwehrstrategie kann ein Monopolist gegen den Marktzutritt potenzieller Konkurrenten entwickeln?
12. Erläutern und diskutieren Sie die These, dass die Nachfrager im Falle eines
homogenen Polypols auf der Anbieterseite besser versorgt werden als im Fall
eines Angebotsmonopols. Warum wird das homogene Polypol auch als vollständige Konkurrenz bezeichnet?
13. Inwiefern ist es gerechtfertigt, die Marktform des heterogenen Polypols als
monopolistische Konkurrenz zu bezeichnen?
14. Was versteht man unter einer Tangentensituation? Zeigen Sie auf, wie es im
heterogenen Polypol zu einer Tangentensituation kommt. Inwiefern gibt es
auch im homogenen Polypol eine Tangentensituation? Welcher Unterschied
besteht zwischen beiden Situationen?
15. Begründen Sie den Verlauf einer doppelt geknickten Preis-Absatz-Kurve für
das heterogene Polypol. Erläutern Sie dabei die Begriffe Preisklasse und akquisitorisches Potenzial. Stellen Sie das Gewinnmaximum eines Anbieters
graphisch dar.
16. Beschreiben Sie die Besonderheit der Oligopolsituation. Warum lässt sich das
Oligopol vom Polypol nicht eindeutig anhand der Zahl der Marktteilnehmer
abgrenzen?
17. Was versteht man unter Reaktionskoeffizienten bzw. unter Reaktionselastizitäten? Erläutern Sie in diesem Zusammenhang den Unterschied zwischen
autonomen, autonom-konjekturalen und konjekturalen Strategien?
18. Wie lassen sich Preisstarrheit und Preisführerschaft auf oligopolistischen
Märkten erklären?
19. Was versteht man unter externen Effekten? Nennen Sie Beispiele für positive
und für negative externe Effekte.
20. In Zusammenhang mit Frage 12 wird das Phänomen der steigenden Skalenerträge diskutiert. Erläutern Sie die Begriffe Größendegression, mindestoptimale Größe und natürliches Monopol. Welche volkswirtschaftlichen Konsequenzen ergeben sich bei unbegrenzt steigenden Skalenerträgen?
21. Erörtern Sie die These, dass Großunternehmen bzw. Monopole mehr Fortschrittsdynamik zeigen.
22. Erörtern Sie die These, dass die durch die jeweilige Marktstruktur festgelegte
Marktform das Marktverhalten determiniere.
23. Nennen Sie Beispiele für reale Märkte mit Mengenanpasserverhalten.
24. Wie erklären Sie sich die beiden konträren Hypothesen, dass es in der Realität
praktisch überhaupt keine Monopole gebe bzw. dass praktisch jeder Anbieter
ein Monopolist sei?
25. Erläutern Sie das Marktabgrenzungsproblem sowie den Begriff der Substitutionslücke. Zeigen Sie anhand von Beispielen, dass Polypole sich unter Umständen in sog. Kettenoligopole aufteilen lassen. Erläutern Sie in diesem Zusammenhang das Konzept eines unternehmungsbezogenen Marktes.
Kapitel A: Die einfache Theorie der Marktprozesse 217
6. Teil: Die Theorie der Marktprozesse
Kapitel A: Die einfache Theorie der Marktprozesse
6. Teil
Die Theorie der Marktprozesse
Im vorangegangenen 5. Teil wurde dargelegt, wie sich aus Nachfrage- und Angebotsfunktion ein Marktgleichgewicht bzw. individuelle Gleichgewichte für einzelne Anbieter in den Marktformen des homogenen Polypols, des Monopols, des
heterogenen Polypols sowie des Oligopols bilden. Diese Theorie des Marktgleichgewichts basierte auf der Annahme, dass sich die jeweiligen Nachfrage- und
Angebotsbedingungen nicht verändern, d. h., dass sich die Nachfrage- und die
Angebotskurven im Untersuchungszeitraum nicht verschieben. Es wurde also die
Gültigkeit der ceteris-paribus-Bedingung unterstellt. Verschiebungen von Kurven
wurden andererseits bereits angedeutet und zum Teil auch schon näher erläutert.
Im Monopol wurde bei der Herleitung der Cournotlinie eine Verschiebung der
Nachfragekurve unterstellt. Im Oligopol wurde auf marktstrategische Prozesse
zwischen den Oligopolisten hingewiesen. Insbesondere bei der Darstellung des
homogenen und des heterogenen Polypols wurde auf einen durch Gewinnanreize
induzierten Marktzutritt und die daraus resultierenden Verschiebungen von Angebots- und Nachfragekurven bzw. individuellen Preis-Absatz-Kurven eingegangen.
In der folgenden Theorie der Marktprozesse soll das Phänomen der Verschiebung
von Nachfrage- und Angebotskurven etwas genauer erörtert werden. In Kapitel A werden zunächst der Gegenstand der Marktprozesstheorie und die verschiedenen Arten von Marktprozessen vorgestellt. Anschließend werden die wichtigsten Marktprozesse, nämlich Anpassungs- und Fortschrittsprozesse, in reiner, ungestörter Form behandelt. In Kapitel B erfolgt eine Kritik dieser einfachen Theorie
der Marktprozesse. Dabei wird wiederum die Eignung der Theorie als Bedingungstheorie sowie als explikative Theorie diskutiert und es werden notwendige
Erweiterungen der Theorie im Hinblick auf die evolutorischen Elemente des
Marktsystems aufgezeigt. Den Abschluss bilden wettbewerbspolitische Schlussfolgerungen.
A. Die einfache Theorie der Marktprozesse
I. Gegenstand der Marktprozesstheorie und Prozessarten
1. Der Gegenstand der Marktprozesstheorie
Gegenstand der mikroökonomischen Marktprozesstheorie ist die Analyse der
Veränderung von Gleichgewichtslagen auf Gütermärkten infolge der Aufhebung
der ceteris-paribus-Bedingung. Ihre Aufhebung impliziert, dass sich Nachfrageund Angebotskurven verschieben.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Mikroökonomie leicht und verständlich
Dieses Lehrbuch bietet eine verständliche Darstellung eines zentralen Teilgebiets der Ökonomik. Da Inhalt und Aussagewert der Mikroökonomik häufig dadurch unklar bleiben, dass die Studenten zuviel rechnen müssen und dabei nicht mehr genügend zum Denken kommen, wird die Algebra in nur sparsamer Dosierung eingesetzt. Dafür stellt das Buch die grundlegenden Fragestellungen und Modelle umso klarer und lesefreundlicher dar und unterstützt das Lernen mit zahlreichen Kontrollfragen.
* Grundlagen
* Einführung in die Nachfrage- und Angebotstheorie
* Theorie der Nachfrage
* Theorie des Angebots
* Theorie des Marktgleichgewichts
* Theorie der Marktprozesse
Das Lehrbuch beantwortet unter anderem folgende Fragen:
* Warum und in welcher Menge fragen Haushalte bestimmte Güter nach?
* Welche Ziele verfolgen Unternehmen?
* Wann ist ein Marktpreis stabil?
* Welche Marktform ist effizient?
* Fördert Wettbewerb den technischen Fortschritt?
Die Autoren
Prof. Dr. Klaus Herdzina ist Professor an der Universität Hohenheim.
Prof. Dr. Stephan Seiter ist Professor an der ESB Business School an der Hochschule Reutlingen.