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2. Funktionsbereiche: Kernelemente touristischer Wertschöpfung116
2.2.5 Dienstleistungsbeschaffung
2.2.5.1 Segmente unternehmensbezogener Dienst leistungen
Werden Dienstleistungen nicht von Privathaushalten nachgefragt, sondern von
Unternehmen für die Zwecke der Produktionsunterstützung, stellen sie „Produktivdienstleistungen“ dar.126 Die Zwecke können von einer unterstützenden
Wirkung bis zu einem unentbehrlichen Produktionsfaktor reichen.
Diese allgemeinen Dienstleistungen im Rahmen der betrieblichen Leistungserstellung (Abb. 31) lassen sich wie folgt systematisieren:
Am Beispiel der IT-Dienstleistungen lässt sich zeigen, dass die Beschaffung von
Dienstleistungen eng verbunden sein kann mit dem Investitionsgütereinkauf.
So beinhalten IT-Dienstleistungsverträge häufig auch die Hardware, die gemietet oder gekauft wird. Umgekehrt bieten Investitionsgüterhersteller oftmals umfangreiche Servicedienstleistungen rund um den Erwerb des Investitionsgutes
an. Diese können beispielsweise bei der Beschaffung von Flugzeugen von der
Finanzierungsunterstützung über Trainings bis zu Wartungsdienstleistungen
reichen.
Letztlich sind verschiedene Beschaffungs-Kombinationen aus Sachgütern und
Servicedienstleistungen denkbar. Zudem können die Servicedienstleistun-
126 Vgl. Thiell (2008), S. 83 und 86.
127 Vgl. Ernst&Young (2009), S. 4 und Thiell (2008), S. 85.
Dienstleistungssegment Dienstleistungen
Marketing und Media Mediendienste, Eventmarketing, Public
Relations und andere Kommunikationsdienstleistungen
Beratung Management-, Strategie-, Rechts-, IT- und
Steuerberatung, Auditierungen, Ingenieurdienstleistungen
Facility Management Sicherheitsdienste, Entsorgung, Bewirtung,
Verpflegungsautomaten, Winterdienste
Personal Weiterbildung, Trainings, Leih- und Zeitarbeit
Informationen Auskunfteien, Marktforschungen
Travel Management Geschäftsreiseorganisation und -abwicklung
IT Hard- und Softwarebetreuung, Helpdesks
Logistikdienstleistungen Kurier- und Transportdienstleistungen
Abbildung 31: Dienstleistungssegmente und ihre Dienstleistungen127
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1172.2 Beschaffung
gen in verschiedenen Graden bezogen werden. Insbesondere bei IT-Dienstleistungen legen Einkäufer und Lieferant in Service Level Agreements (SLA)
fest, welche Elemente die Servicedienstleistungen umfassen (Hotline, Wartung,
Austausch, Kundendienst), wie groß die einzelnen Leistungsumfänge sind und
welche Reaktionszeiten der Dienstleister einzuhalten hat.
Für die Lieferantenauswahl gelten für Dienstleistungen viele der bereits für die
Materialbeschaffung gezeigten Prinzipien.
2.2.5.2 Optimierung der Dienstleistungsbeschaffung
Auch wenn der Markt für unternehmensbezogene Dienstleistungen der am
schnellsten wachsende Markt in den Industrieländern ist, wird die Beschaffung
dieser immateriellen Produkte von den Unternehmen häufig nicht als originäre
Aufgabe des Einkaufs wahrgenommen. Dies hat zur Folge, dass die Beschaffung von Dienstleistungen oftmals nicht mit der gleichen Professionalität wie
die Beschaffung von Investitionsgütern und Materialien erfolgt.
Einer Studie der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst&Young
aus dem Jahr 2006 zufolge128 gestalten über 80 % der Unternehmen die Beschaffung von Dienstleistungen operativ mit Rahmenverträgen, denen ausführliche Preisvergleiche vorausgehen. Eine dokumentierte Lieferantenstrategie
für Dienstleistungen findet sich allerdings nur in etwa der Hälfte aller Unternehmen. Bei einem guten Drittel der Unternehmen erfolgt die Beschaffung
von Dienstleistungen individuell durch deren Nutzer im Unternehmen, ohne
Einbindung des Einkaufs und teilweise auch aufgrund bestehender Präferenzen.
Die Beschaffung von Dienstleistungen lässt sich auf der strategischen Ebene optimieren durch die Ausarbeitung einer Beschaffungsstrategie und eine
bereichsübergreifende Beschaffungsmarktforschung durch den Einkauf. Im
operativen Tagesgeschäft sollte der Einkauf durch die Fachabteilungen frühzeitig eingebunden werden. In großen Unternehmen können ein Warengruppenmanagement und ein systematisches Einkaufscontrolling die Transparenz
in diesem sensiblen Bereich deutlich erhöhen.
Neben dem Bezug einzelner Dienstleistungen lassen sich ganze Unternehmensfunktionen auslagern, die fortan als Dienstleistungen fremdbezogen werden.
Beispiele hierfür sind Buchhaltung, IT (u. a. Rechenleistung, Datensicherung,
Programmierung), Callcenter und Aktenmanagement. Dieses Outsourcing
lohnt sich allerdings nur, wenn die betreffende Leistung im Unternehmen zu
selten nachgefragt wird und/oder bestimmte Spezialqualifikationen erfordert.129 Ferner dürfen dem Unternehmen dadurch keine Kernkompetenzen
verloren gehen.
128 Vgl. hierzu und im Folgenden Ernst&Young (2009), S. 4 und S. 6 f. Befragt wurden 100
Einkaufsleiter in Deutschland ansässiger Unternehmen zu ihrem Beschaffungsverhalten bei Dienstleistungen.
129 Vgl. Thommen, Achleitner (2009), S. 887.
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2. Funktionsbereiche: Kernelemente touristischer Wertschöpfung118
2.2.6 Touristischer Leistungsträgereinkauf
Wie bereits in Abb. 24 gezeigt, „nehmen touristische Leistungen“ eine Sonderstellung in der Systematik der Beschaffungsobjekte ein. Im Rahmen der
Produktion eines Reiseveranstalters haben die einzukaufenden touristischen
Leistungen – in Analogie zur Sachgüterbeschaffung – einen Komponentencharakter für das eigene Produkt, etwa eine Flugpauschalreise.
Aus Reiseveranstaltersicht verfügen nur große, veranstalterdominierte Tourismuskonzerne über Eigentum oder größere Beteiligungen an touristischen
Leistungsträgern, also den Unternehmen, die touristische Leistungen entweder
im Zielgebiet selbst (Hotels, Zielgebietsagenturen) oder „auf dem Weg dorthin“
(Verkehrsträger, insbes. Fluggesellschaften) anbieten. Beispiele sind die Fluggesellschaften TUIfly (TUI-Konzern) und Condor (Thomas Cook-Konzern), deren
Flugleistungen den Reiseveranstaltern der Konzerne zur Verfügung stehen und
ihnen über konzerninterne Verrechnungspreise berechnet werden. In der Regel
aber müssen Reiseveranstalter die Flugleistungen „bei Dritten“, also fremden
Fluggesellschaften aushandeln und zu Marktpreisen einkaufen. Dabei bestehen
in den touristischen Wertschöpfungsketten große wechselseitige Abhängigkeiten zwischen den Zulieferern und den Abnehmern:
Am Beispiel einer Flugpauschalreise können folgende Teilbereiche des touristischen Leistungsträgereinkaufs unterschieden werden:
•• Flugeinkauf: Hier werden bei größeren Volumen häufig Charterverträge
abgeschlossen: Beim Vollcharter wird die gesamte Kapazität eines oder mehrerer Flugzeuge von einem Veranstalter (Charterer) vertraglich gebunden.130
Beim Teilcharter (Splitcharter) bietet die Fluggesellschaft die Kapazität mehreren Veranstaltern an und/oder verkauft Teile ihrer Kontingente direkt an
Endkunden, wodurch die Grenzen zwischen Charter und Linienflugverkehr
verschwimmen. Beim Subcharter wird die Kapazität einer Maschine von
einem Veranstalter als Hauptcharterer unter Vertrag genommen. Er kann
dann überzählige Plätze über Untercharterverträge anderen Veranstaltern
anbieten. Charterverträge verlieren bei Überkapazitäten im Flugbereich zwar
an Bedeutung, sie finden sich aber auch bei anderen Verkehrsträgern wie
etwa Bussen oder im Yachtbereich.131
130 Vgl. hierzu und im Folgenden Mundt (2011), S. 129, Gabler (2011b), Schulz (2009), S. 24
und S. 98, Berg (2006), S. 93–97 sowie Bastian (2004), S. 45 f.
131 Zum Yachtcharter vgl. Schulz, Auer (2010), S. 311–318.
Hotel Veranstalter Fluggesellschaft
Betten
GästeGäste
Flugsitzplätze
Abbildung 32: Beispielhafte Lieferanten- und Abnehmerrollen im Tourismus
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Vorteile
- Umfassendes Grundlagenwerk zur touristischen Betriebswirtschaftslehre
- Im deutschsprachigen Bereich ohne Beispiel
- Abdeckung aller wesentlichen Funktionsbereiche des Tourismus-Managements
- Eignung für Studierende und Praktiker
- Zahlreiche Praxis-Kurzbeiträge von Führungskräften
Zum Werk
Die Tourismusbranche gehört zu den am stärksten wachsenden, aber auch komplexesten Wirtschaftsbereichen.
Dieses Werk vermittelt erstmalig ein umfassendes betriebswirtschaftliches Grundwissen für die Tourismusbranche für Studium und Praxis, das alle wesentlichen Bereiche der Betriebswirtschaftslehre abdeckt. Es unterstützt Studierende und Praktiker bei der Entwicklung einer betriebswirtschaftlichen Denkhaltung, die sinnvolles aktives Handeln („Management“) im touristischen Geschäft ermöglicht.
Das Buch beschreibt auf der Basis eines integrierten Management-Modells Investition und Finanzierung, Beschaffung, Produktion und Marketing sowie die Managementprozesse Planung, Steuerung, Personalmanagement und Organisation. Den Abschluss bilden langfristige Überlegungen zur strategischen Unternehmensführung sowie zum nachhaltigen Tourismusmanagement.
Zahlreiche Experten-Statements von Führungskräften aus der Branche illustrieren die Praxisrelevanz.
Autoren
Prof. Dr. Felix Kolbeck und Prof. Dr. Marion Rauscher, Fakultät für Tourismus, Hochschule München
Zielgruppe
- Studierende der Bachelor-Studiengänge Tourismusmanagement, Masterstudiengänge, Weiterbildungsangebote (IHK, MBA, …) und Tourismusunternehmen.