1415.4 Zusammenhänge zwischen Immobilien- und Kapitalmarkt
Immobilienderivate sind eine relativ neue Entwicklung an den Immobilienmärkten. Als Basiswert dient meist ein geeigneter Immobilienindex; der Handel findet meist an OTC-Märkten
statt. Am Markt sind dabei vor allem Immobilienswapgeschäfte, Immobilienanleihen oder
Immobilienindexoptionen verbreitet. Bei einem Immobilienswap tauschen die Vertragspartner
die Wertentwicklung eines Immobilienindex gegen einen festen oder variablen Zahlungsstrom
aus, etwa ein variabler Zinssatz gegen die Rendite eines Immobilienindex. Bei einer Immobilienanleihe wird der Kupon oder der Rückzahlungskurs an die Entwicklung eines Immobilienindex gekoppelt. Immobilienanleihen werden oft in einer Zertifikatestruktur verpackt. Bei
einer Immobilienoption dient wiederum ein Immobilienindex als Underlying.63
5.4 Zusammenhänge zwischen Immobilien- und Kapitalmarkt
Zwischen der immobilien- und finanzwirtschaftlichen Sphäre besteht ein enger Zusammenhang. Der Immobilienmarkt kann dabei nochmals differenziert werden zwischen den Markt
für Mietflächen (Vermietungsmarkt) und den Markt für Immobilien-Investments (Investment-Markt). Im finanzwirtschaftlichen Bereich wird in diesem Zusammenhang differenziert
zwischen dem Markt für (Finanz-)Anlagen und dem Markt für (Immobilien-) Finanzierungen (Kreditmarkt). Abbildung 60 gibt einen Überblick über die Determinanten der einzelnen
Märkte und deren Zusammenhang.
63 Vgl. Albrecht, P., Maurer, R. (2008), S. 822.
64 Vgl. Wernecke, M. (2004), S. 57.
„Reale“ Welt Finanz-Welt
Lokale,
regionale und
Nationale
Ökonomien
Flächennachfrage
Baukosten
Bestimmen
des
objektbezogenen
Abzinsungsfaktors
Gleichgewicht auf
dem Flächenmarkt
A
N
Fläche
Miethöhe
Bestimmen
des
Marktwertes
und der
„Cap Rate“
Bestimmen der
Machbarkeit des Neubaus
(Wert > Baukosten?)
Immobilien-Investitionsmarkt
(Markt für
Geldanlagen)
(Einkommen-)
Steuergesetzgebung
Staat
risikoloser
Zinssatz
Risikoprämien
Flächenmarkt
(„Leistungs-Markt“)
Angebot
Bauleistungs- und Grundstücksmarkt
Risikoprofil
des Cash-
Flows
Erwarteter
Cash-Flow
Kapitalmarkt
Zusammenhänge zwischen Immobilien- und KapitalmarktAbbildung 60: 64
142 5 Immobilien und Kapitalmarkt
Um immobilienwirtschaftliche Phänomene zu erklären, genügt es nicht den jeweiligen Teilmarkt isoliert zu betrachten. Es müssen vielmehr die Interdependenzen zwischen den Märkten
in Betracht gezogen werden. So herrschte bspw. auf dem deutschen gewerblichen Vermietungsmarkt in 2005 und 2006 weitgehende Stabilität bzgl. der Mietpreise, wogegen sich der
Markt für gewerbliche Immobilieninvestments im gleichen Zeitraum sehr dynamisch entwickelt hat und für einzelne Produktsparten z. T. erhebliche Preissteigerungen zu verzeichnen
waren. Diese Dynamik auf dem Investmentmarkt ging offensichtlich nicht vordergründig vom
Vermietungsmarkt, sondern in viel stärkerem Umfang vom globalen Markt für Finanzanlagen (hoher Anlagedruck) und dem niedrigen Zinsniveau für (Immobilien-)Finanzierungen
im Euro-Raum aus. Gleichermaßen ist die fehlende Dynamik bei Immobilien-Investments in
den Jahren 2008 und 2009 schwerpunktmäßig auf Defizite und Zurückhaltung im Markt für
(Immobilien-)Finanzierungen zurückzuführen.
Wie in Abbildung 61 aufgezeigt, wird der Marktwert von Anlageimmobilien durch zwei wesentliche Determinanten aus dem Flächenmarkt geprägt: Erwarteter Cashflow (d. h. prognostizierte Mieteinnahmen des Investments) und Risikoprofil des Cashflows (geprägt durch
Mietvertragslaufzeit, Mieterbonität, Instandhaltungsstau etc.). Aus der finanzwirtschaftlichen
Sphäre beeinflussen insbesondere die Situation auf dem Anlagemarkt (Asset Allocation der
internationalen Anleger) und das Zinsniveau (risikoloser Zins) die Wertentwicklung von
Immobilien-Investments. Die Erfahrungen der Jahre 2005 bis 2009 haben gezeigt, dass nunmehr auch der deutsche Immobilienmarkt stark von der Dynamik auf den internationalen
Finanzmärkten geprägt wird.
Diese Entwicklung hat auch insoweit Konsequenzen für die Immobilienbewertung, als in den
Jahren 2006 und 2007 die Aspekte Qualität des Mietertrags bzw. -vertrags und das Mietsteigerungspotenzial unter dem Eindruck der finanzwirtschaftlichen Dynamik eine vorherrschende
Rolle bei der Kaufpreisfindung von Immobilien (-portfolios) spielten. Im Zuge der Abkühlung
auf den Finanzmärkten in 2008 und 2009 rückten wiederum eher nachhaltige Kriterien wie
Lagequalität, Drittverwendbarkeit und Bauqualität in den Vordergrund (vgl. Abbildung 61).
Flächenangebot
Flächennachfrage
Projekt-Pipeline
Marktzyklus
(national)
Qualität des Mietertrags
Mietsteigerungspotenzial
Lagequalität
Drittverwendbarkeit
Ausstattung
Bauqualität
Asset Allocation
(international)
Zinsniveaus
Arbitragepotenziale
Marktzyklen
(international)
Marktwert der Immobilie
Flächenmarkt Produktqualität Investmentmarkt
Auswirkungen von Flächen- und Investmentmarkt Abbildung 61:
auf die Immobilienbewertung
1435.4 Zusammenhänge zwischen Immobilien- und Kapitalmarkt
5.4.1 Determinanten des Flächenmarktes
5.4.1.1 Flächennachfrage
Weil die Nutzung von Büroflächen einen Inputfaktor des Produktions- und Dienstleistungsprozesses ist, wird der Bedarf an Büroflächennutzungsrechten von der geplanten betrieblichen
Produktion abgeleitet. Die am Markt wirksame flächenbezogenen Nachfrage eines Unternehmens hängt vom geplanten Output, dem dafür benötigtem Büropersonal, der Bürofläche pro
Mitarbeiten und letztlich der Büromiete ab. Je höher diese Miete ist, desto niedriger sollte,
abweichend vom grundsätzlichen Bedarf, die wirksame Nachfrage nach Bürofläche sein. Dies
hat insbesondere zwei Gründe:
(1) Die Reduzierung der Fläche pro Mitarbeiter lohnt sich eher bei höheren Kosten der Flächennutzung
(2) Höhere Flächennutzungskosten führen mittelfristig zu Änderungen des Produktionsprozesses zu Lasten der Bürotätigkeit65
Umgekehrt führen niedrige Büromieten zu einer relativen Verbilligung des Faktors Büroarbeit und damit zu einer tendenziellen Umschichtung der Produktionsfaktoren in Richtung
Büronutzung. Insgesamt ist die Preiselastizität der Büroflächennachfrage aber sehr gering,
weil die Quadratmeter bezogenen Mietaufwendungen im Verhältnis zu allen weiteren Kosten
(insbesondere Personalaufwendungen) die mit einer Ausweitung der Büroflächennutzung
entstehen nahezu unbedeutend sind.66 Entscheidend für kurzfristige Änderungen der Nachfrage auf dem Leistungsmarkt sind dann vor allem exogene Einflüsse.
Kommt es beispielsweise durch einen unerwarteten Konjunkturimpuls zu einer Ausweitung
unternehmerischer Produktionspläne, so steigt indirekt auch der Büroflächenbedarf. Bis zur
marktwirksamen Steigerung verstreicht durch interne Umschichtung (Mehrarbeit, intensivere
Flächennutzung) und die Vorsicht des Unternehmers eine gewisse Zeit.67 Erst dann kommt
es zu verstärkter effektiver Nachfrage, sinkenden Leerständen und steigenden Mietpreisen.
Beim umgekehrten Fall eines unerwarteten nachfrageinduzierten Rückgangs des benötigten
Büropersonals ist auch die Wirkung auf Leerstände und Mietpreise entgegen gesetzt. Allerdings wird die Zeitverzögerung hier größer ausfallen, weil beispielsweise arbeitsrechtliche
und/oder mietvertragliche Restriktionen einen schnelle Anpassung nach untern be- oder
sogar verhindern. Die Zeit zwischen der Flächenbedarfsänderung und ihrer beobachtbaren
Wirkung auf das Mietpreisniveau wird als Preismechanismus-Lag bezeichnet.68
Zwei wichtige Aspekte für das Verständnis des Preismechanismus der Flächennachfrage sind
die Statuswahl zwischen den beiden Nutzungsformen Miete oder Eigennutzung und der Einfluss struktureller Änderungen. Im Fall der Eigennutzung bestehen die Kosten der Flächennutzung aus den Opportunitätskosten des gebundenen Kapitals (hier wird eine Bestandimmobilie
vorausgesetzt). Für Non-Property-Unternehmen kann aus Kompetenz-, Flexibilitäts- und Liquiditätsgründen auch dann noch eine Anmietung attraktiv sein, wenn diese höher ist als die
Kapitalnutzungskosten, wenn diese mit höheren Kosten verbunden ist als die Kapitalnutzung.
Dadurch bleibt eine Differenz zwischen den Nutzungskosten beider Formen möglich, innerhalb der es nicht zu einem verstärkten Kauf bzw. Bau von Büroimmobilien durch Eigennutzer
65 Vgl. Wernecke, M. (2004), S. 61.
66 Vgl. Sotelo, R. (1996), S. 1.
67 Vgl. Hübner, R., Kurzhals, A. (2000), S. 6.
68 Vgl. Becker, K. (1998), S. 32.
144 5 Immobilien und Kapitalmarkt
kommt. Eine zweite Ursache für derartige arbitragefreie Preisdifferenzen kann in unterschiedlicher steuerlicher Behandlung verschiedener eigentumsbezogener Nutzungsformen liegen.69
5.4.1.2 Flächenangebot
Das Angebot an Büroflächen zu einem bestimmten Zeitpunkt kann aus drei Quellen gespeist
werden:
(1) dem bereits vorhandenen Bestand
(2) den kurzfristig zur Büronutzung umgewidmeten Flächen
(3) den gerade fertiggestellten Flächen70
Der existierende Bestand macht wegen der Langlebigkeit des Gutes Immobilie den weitaus
höchsten Prozentsatz des Angebotes aus, weshalb man auch von einem Bestandsmarkt spricht.
Innerhalb des Büroflächenbestandes kann zwischen vermieteten und leerstehenden Flächen
unterschieden werden. In der Literatur finden sich unterschiedliche Ansichten in Bezug auf
die Frage, ob die vermietete Fläche zum Angebot zu zählen ist, obgleich sie wegen bestehender vertraglicher Verpflichtungen nicht effektiv auf den Markt kommt. Manche Autoren
bezeichnen die Begrenzung des Angebotsbegriffes auf lediglich neu vermietbare Fläche als
unzutreffend – mit Ausnahme der Fälle, bei denen eine Untervermietung nicht gestattet ist.
Vielmehr steige auch für vertragsgebundene Büromieter mit den Mieten der Anreiz zur sparsameren Flächennutzung.
Die eingesparten Flächen könnten dann zur Untervermietung auf dem sogenannten Zweitmarkt angeboten werden. Dieser Argumentation folgend wird in dieser Arbeit das Angebot als
die gesamte vorhandene marktfähige Bürofläche definiert. Die einzelnen Angebotselemente
unterscheiden sich in Bezug auf ihre zeitlichen Entwicklungspfade: Der Bestand selbst ist bis
auf die Abschreibung kurzfristig unveränderbar. Angebotswirksame Änderungen können
deshalb nur über eine Fluktuation der Leerstandsrate oder durch Umwidmungen geschehen,
wobei letztere nur in einem sehr kleinen Marktsegment relevant sind. Die wichtigste Stromgröße aber bilden neue Büroflächen, deren Volumen auf Projektentwicklungsmarkt bestimmt
wird. Sie erhöhen den Bestand aber erst mit einer Verzögerung von 1 bis 5 Jahren, die als
„Konstruktions-Lag“ bezeichnet wird. Deshalb unterscheiden sich die Angebotskurven im
kurzfristigen und im längerfristigen Bereich.
5.4.2 Investitionsmarkt
Auf diesem Teilmarkt werden Büroimmobilien als Investitionsgut gehandelt. Da Immobilien im betrieblichen Leistungserstellungsprozess „keinen intrinsischen, isolierbaren Wert“
haben, ist die Verzinsung des eingesetzten Kapitals im Verhältnis zu anderen Anlageformen
wie Aktien oder festverzinslichen Wertpapieren der entscheidende Vergleichsmaßstab. Diese
hängt unter anderem von Kapitalpreis, den erwarteten Netto-Cashflows, ihren potenziellen
Schwankungen und dem daraus abgeleiteten Risiko ab. Bei einer festgelegten geforderten
Verzinsung ist der Barwert einer Immo bilieninvestition proportional zu den erwarteten Erträgen. Bei ausreichendem Wettbewerb auf dem Immobilien-Investitionsmarkt einerseits und
69 Vgl. Wernecke, M. (2004), S. 63.
70 Vgl. ebenda, S. 64.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Asset Management ist das beherrschende Thema der immobilienwirtschaftlichen Fachöffentlichkeit seit Anfang 2006. Grund für diese beachtliche Entwicklung ist die dominierende Präsenz ausländischer Investoren auf dem deutschen Immobilienmarkt in der jüngeren Vergangenheit. Diese Investoren - zumeist aus dem angelsächsischen Raum - importierten gleichermaßen ein neues Anspruchsdenken, was die professionelle Betreuung von Immobilien betrifft. Ausgehend von dem Asset Management-Ansatz aus der Finanzwirtschaft wird das aktive Wertmanagement der Immobilien nach international kompatiblen Standards erwartet. Diese Entwicklung bedeutet auch einen kontinuierlichen Reifeprozess der Assetklasse Immobilie als kapitalmarktfähige Anlage. Die immer stärkeren Auswirkungen der globalen Finanzmärkte (vgl. Subprime-Krise) erfordern ein professionelles Asset Management für Immobilien auch in Deutschland.
Dieses Handbuch stellt das komplexe Thema in übersichtlicher und umfassender Form dar.
- Begriffsdefinition und Einordnung
- Ziele und Aufgaben
- Der Wertschöpfungsprozess
- Theoretische Grundlagen
- Immobilien und Kapitalmarkt
- Aspekte der Bewertung und Bilanzierung
- Performancemessung für Immobilienportfolios
- Investment- und Wertschöpfungsstrategien
- Risikomanagement für Immobilien
- Controlling und Reporting
- Informationsmanagement und Informationstechnologie
- Real Estate Asset Management in der Investment-Phase
- Real Estate Asset Management in der Bestandsphase
- Real Estate Asset Management in der Exit-Phase
- Markt und Wettbewerb im Real Estate Asset Management
- Anbieter Real Estate Asset Management
- Immobilienkennzahlen und Formeln
Prof. Dr. oec. Hanspeter Gondring FRICS, Studiengangsleiter Immobilienwirtschaft im Institut für Finanzwirtschaft an BA Stuttgart/University of Cooperative Education und wissenschaftlicher Leiter der ADI Akademie der Immobilienwirtschaft.
Dipl.-Kfm. Thomas Wagner, MRICS war über 8 Jahre Leiter des Bestands- und Portfoliomanagements bei der Union Investment
Real Estate AG. Seit 2005 betreut er internationale Investoren in den Bereichen Asset Management und Investment Management.
Das Buch richtet sich in erster Linie an Praktiker, die ihr Wissen in diesem Bereich erweitern wollen. Hier kommen insbesondere Mitarbeiter und Führungskräfte von Unternehmen in Betracht, die mittelbar oder unmittelbar mit Asset Management Themen konfrontiert sind, d.h. Immobilienverwalter, Projektentwickler, Immobilien-Berater, Makler, Fonds, Immobilien-AGs etc.
Es richtet sich aber auch an Studenten immobilienwirtschaftlicher Studiengänge und Teilnehmer von Aufbaustudiengängen bzw. Weiterbildungslehrgängen.