2 Das Controllingsystem in der Unternehmung122
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die Möglichkeit des Moral Hazard, der zusammenfassend die Gefahr bezeichnet,
dass der Agent den Informationsnachteil des Principal zu opportunistischem Verhalten ausnutzt.
r Hidden intention
Unter Hidden intention versteht man schließlich, dass ein Principal opportunistisches Verhalten zwar erkennen, jedoch nicht verhindern kann. Dies ist z.B. dann
der Fall, wenn ein Principal irreversible Vorleistungen getätigt hat und somit in ein
Abhängigkeitsverhältnis zum Agenten geraten ist.
Als Effizienzkriterium des Principal Agent-Ansatzes dienen die Agency Costs. Sie setzen sich aus drei Komponenten zusammen (vgl. Jensen, Meckling 1976, S. 305 ff.):
r Monitoring Costs
Kosten des Auftraggebers für die Überwachung/Kontrolle des Auftragnehmers.
r Bonding Costs
Signalisierungs- und Garantiekosten des Agenten.
r Residual Loss
Verbleibende Nutzeneinbuße, die durch vertraglich eingeräumte Handlungsspielräume des Agenten für den Auftraggeber (Principal) bestehen bleiben, weil der Agent
suboptimal handelt.
Eine besondere Bedeutung besitzt die Principal Agent-Theorie für die Gestaltung von
individuellen Zielvereinbarungen und der Gestaltung von Anreizsystemen und ist
somit eine wichtige Theorie für die Gestaltung von Personalführungssystemen (vgl.
insbesondere Küpper 2008, S. 82). Der Principal Agent-Ansatz besitzt aber auch eine
wichtige Bedeutung für das Controlling, denn der Ansatz behandelt auch grundsätzliche Erkenntnisse über die Steuerung von Beauftragten, die als Entscheidungsträger mit
eigenem Kompetenzbereich verstanden werden. Wesentliche Bestandteile des Ansatzes
sind die Informationsverteilung, Informationen über den Agenten und die Ergebnisse
seiner Entscheidungen sowie die Gestaltung von Planungs-, Kontroll- und Anreizsystemen. Somit ermöglicht dieser Ansatz eine umfassende Analyse von Führungsproblemen. Dies betrifft somit auch wesentlich die Gestaltung des Planungs- und Kontrollsystems sowie des Informationsversorgungssystems. Wegen der Auswirkungen auf das
Ergebnisziel der Unternehmung besitzt die Berücksichtigung von opportunistischem
Verhalten und die Modellierung durch den Principal Agent-Ansatz auch eine wichtige
Bedeutung bei der Gestaltung des Controllingsystems.
2.8 Ergebniszielorientierung des Controllings
Die Ergebniszielorientierung ist eine spezifische Ausprägung des allgemeinen Wirtschaftlichkeitsprinzips, das mehrere „Facetten“ hat (vgl. Abb. 2.20). Wenn in diesem
Buch von „Ergebniszielorientierung“ die Rede ist, dann sind dabei drei Ebenen zu
unterscheiden:
r Das langfristig-mehrperiodisch betrachtete Ergebnis stellt diskontierte Ein- und
Auszahlungen gegenüber und ist folglich finanzwirtschaftlich orientiert.
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r Ein- und Auszahlungen gehen auf die Ressourcenentstehung und auf den Ressourcenverbrauch zurück. Ergebnis (Erfolg) im empirischen Sinne ist die einperiodisch
betrachtete Differenz zwischen Ertrag und Aufwand bzw. Leistungen und Kosten.
r Die Betrachtung von Output und Input von Produktionsprozessen im Sinne von
Mengenbewegungen (mit Preisen bewertet oder nicht) stellt die Ebene der Produktivität dar.
Die Ergebniszielorientierung stellt eine Art Klammer aller betrieblichen Aktivitäten dar.
Sie durch Koordination zu bewirken ist eine komplexe Aufgabe. Mit ihr sind nämlich
mehrere zu lösende Probleme verbunden:
r Wie lassen sich die verschiedenen Ergebniszielausprägungen untereinander verknüpfen?
r Welche Messgrößen der Ergebnisziele verwendet man?
r Welche Rechnungssysteme sind zur Ergebniszielermittlung erforderlich?
r Wie lassen sich dezentral getroffene Entscheidungen auf ein gemeinsames Ergebnisziel ausrichten?
Schon die Formulierung dieser Fragen (die Antworten werden wir noch in den weiteren
Kapiteln dieses Buches geben) verdeutlicht die Notwendigkeit, eine betriebliche Funktion zu konzipieren, deren Aufgabe in der Gestaltung und im laufenden Betrieb von
Systemen zur Unterstützung der Ergebniszielorientierung besteht. Hierin ist der Kern
der Controllingaufgabe zu sehen. Diesen Überlegungen liegt als Prämisse die Gültigkeit
des Wirtschaftlichkeitsprinzips in allen Formen von zielgerichteten Sozialsystemen
Abb. 2.20: Facetten der Wirtschaftlichkeit (Dellmann, Pedell 1994, S. 2)
2 Das Controllingsystem in der Unternehmung124
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zugrunde. Als weitere Prämisse wird die Dualität von Sachzielen und Formalzielen angenommen. In Abb. 2.21 wird der Versuch unternommen, einen Gesamtzusammenhang
zwischen Sach- und Formalzielen (die wiederum aus Erfolgszielen und Liquiditätszielen bestehen) als Zielsystem herzustellen.
Die Ausprägungen des Ergebniszieles können je nach Organisations- bzw. Unternehmungskategorie unterschiedlich sein. In einer marktwirtschaftlich orientierten Unternehmung werden i.d.R. Gewinn und Rentabilität (kurz- und langfristig) die obersten
Ergebnisziele sein. In einer öffentlichen Serviceeinrichtung könnte die Nichtüberschreitung eines bestimmten Ausgabenvolumens das oberste Ergebnisziel sein.
Das Zielsystem von Unternehmungen wurde schon durch zahlreiche empirische Studien erforscht. Die Ausprägung „Gewinn“ des Ergebniszieles steht in der Unternehmungspraxis an erster Stelle (vgl. Abb. 2.22).
In der Betriebswirtschaftslehre gibt es zahlreiche unterschiedliche Gewinnbegriffe. Der
Erfolg (Gewinn oder Verlust) ergibt sich grundsätzlich aus der Differenz des Vermögensendwertes und des Vermögensanfangswertes zuzüglich der Ausschüttungen und abzüglich der Einlagen. Diese Erfolgsermittlung variiert mit der je nach Unternehmenserhaltungskonzeption unterschiedlichen Abgrenzung des Vermögensbegriffes. Wird die
Unternehmung als Erfolgspotenzial gesehen, dessen gegenwärtiger Wert unbedingt zu
erhalten ist, dann gelten nur die Beträge als eigentlicher Gewinn, die über die Erfolgspotenzialerhaltung hinaus erwirtschaftet werden. Dabei wird der mengenmäßige Reinvermögensbestand als Indikator für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zugrunde
gelegt. Man spricht dann von Substanzerhaltung. Bei der Geldkapitalerhaltung wird das
Abb. 2.21: Zieldimensionen im Zusammenhang (Berthel 1995, S. 1075)
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ursprüngliche Kapital anstelle des mengenmäßigen Vermögens zugrunde gelegt. Der
Gewinn entspricht dann dem Betrag, der über das ursprüngliche Kapital hinausgeht.
Folgen dieser unterschiedlichen Vermögensabgrenzungen sind unterschiedliche Gewinnbegriffe (vgl. Coenenberg, Fischer, Günther 2010, S. 766 ff.):
1. Gewinn auf Basis des Gesamtwertes: Das Vermögen wird mit dem Barwert aller
zukünftigen Nettoeinzahlungen angesetzt, die aus dem Vermögen resultieren. Somit
ergibt sich der ökonomische Gewinn als Differenz aus den Nettoeinnahmen und
der Änderung des Zukunftserfolgswertes. Aufgrund der Zukunftsorientierung
und der Anfälligkeit gegenüber ergebnisbeeinflussenden Interpretationen ist der
ökonomische Gewinn als operatives Steuerungsinstrument wenig geeignet. Der
Ansatz der Wertsteigerungsanalyse soll hier einen praktikablen Ansatz bringen (vgl.
Kap. 4.5.5.3).
2. Gewinn auf Basis historischer Kosten: Der Gewinn entspricht dem Jahresüberschuss/fehlbetrag als Differenz der Erträge und Aufwendungen der vergangenen Periode,
die durch betriebliche und außerbetriebliche Tätigkeiten entstanden sind. Kritisch
sind jedoch die Nichtbeachtung inflationärer Tendenzen sowie die unterschiedliche
periodische Abgrenzung der einzelnen Aufwands- und Ertragsgrößen und damit
die Vermischung historischer Wertgrößen zu bewerten. Die angestrebte Geldkapitalerhaltung ist mit diesem pagatorischen Gewinn nicht möglich.
3. Gewinn auf Basis von Wiederbeschaffungskosten: Der substanzielle Gewinn ist am
ehesten als Maßstab für die Erfolgswirksamkeit unternehmerischer Entscheidungen geeignet. Bei der Bewertung auf Basis der Wiederbeschaffungskosten wird der
Ziele empirische StudienRangfolge
Heinen Kaplan u. a. Raia Kirch u. a.
1) Gewinn X X X X (49%)
2) Sicherheit X X
3) soziale Veranwortung X X X (14%)
gegenüber der Belegschaft
4) Marktanteil X X X X (25%)
5) Unabhängigkeit X
6) Kundenpflege X
7) Wachstum X X
8) Prestige X
Flexibilität X X
Produktqualität X X
gute Beziehungen zur Umwelt X X
Liquidität X X (34%)
ohne Kapazitätsauslastung X X (52%)
Rang- fortschrittliche Technologie X
folge Umsatz X X (59%)
attraktive neue Produkte X X (39%)
gutes Betriebsklima X X ( 5%)
Versorgung des Kunden X X (36%)
Abb. 2.22: Unternehmungsziele nach empirischen Untersuchungen
(Günther 1991, S. 15)
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ausschüttbare Gewinn bestimmt, der eine Substanzerhaltung der Unternehmung
berücksichtigt (Differenz aus Erträgen und Aufwendungen zu Wiederbeschaffungskosten) und in den Bestandsgewinn (Wiederbeschaffungspreissteigerungen des in
einer Periode nicht verbrauchten Vermögens) eingeht.
Neben absoluten Größen werden Beziehungszahlen zur Zielformulierung und -erreichung verwendet, bei denen eine Ergebnisgröße zu einer Größe in Beziehung gesetzt
wird, die dieses Ergebnis maßgeblich bestimmt (vgl. Coenenberg, Fischer, Günther 2010,
S. 771 f.). Die Ermittlung dieser sog. Rentabilitätsgrößen variiert mit der möglichen Verwendung unterschiedlicher Vermögens- und Kapitalpositionen als Datenbasis. So können Brutto- oder Nettovermögenswerte, Anfangs-, End-, und Durchschnittswerte, volle
oder Teilwerte sowie Anschaffungs- oder Wiederbeschaffungswerte angesetzt werden.
Die wichtigsten Rentabilitätskennzahlen sind (vgl. Kap. 4.5.6.2):
– die Eigenkapitalrentabilität:
rEK = Jahresüberschuss/Eigenkapital
– die Gesamtkapitalrentabilität:
rGK = (Jahresüberschuss + Fremdkapitalzinsen)/Gesamtkapital
– die Umsatzrentabilität:
rU= Jahresüberschuss/Umsatzerlöse
– der Return-on-Investment:
RoI = Ergebnis vor Zinsen/investiertes Kapital
In den vergangenen Jahren nahmen kritische Stimmen zum Gewinn und dem darauf basierenden ROI als zentrale Steuerungsgrößen eines Unternehmens zu (vgl. z.B.
Rappaport 1999, Günther 1997 und 1999 sowie Herter 1994). Dabei werden insbesondere
folgende Argumente gegen die traditionellen Kennzahlen angeführt:
r Vergangenheitsorientierung,
r Einperiodenbetrachtung,
r Bewertungsspielräume bei der Gewinnermittlung im Rechnungswesen,
r Vernachlässigung des Zeitwertes des Geldes,
r mangelnde Korrelation zwischen jahresabschlussorientierten Kennzahlen und der
Wertentwicklung am Kapitalmarkt,
r keine Abbildung des Kapitalbedarfs für Wachstum,
r keine Berücksichtigung von Risiken.
Zwar können einzelne der Kritikpunkte vermieden werden, z.B. indem Kennzahlen aus
dem externen Rechnungswesen um bilanzpolitische Maßnahmen bereinigt werden.
Allerdings können damit insbesondere die fehlende Berücksichtigung des Zeitwertes
des Geldes, die einperiodische Sicht und die fehlende Risikoberücksichtigung nicht gemeistert werden. Diese Kritikpunkte waren die wesentliche Triebfeder für die Entwicklung wertorientierter Steuerungsgrößen, die Cashflow-basiert auf den Zukunftswert
des Unternehmens abstellen (Discounted Cashflow, Cashflow Return on Investment,
Economic Value Added). Diese Ergebnisgrößen stehen im Zentrum der wertorientierten
Führung, die in der Vermehrung des Unternehmenswertes das Hauptergebnisziel sieht.
Die Grundlagen des wertorientierten Controllings und die bekanntesten wertorientierten Ansätze werden im Kap. 4.5.5.3 dargestellt.
Insgesamt können wir konstatieren, dass die Ausrichtung aller Aktivitäten in der
Unternehmung auf eine bestimmte Ausprägung des Ergebniszieles ein höheres Ziel
2.9 Controlling als Koordinationssubsystem der Führung 127
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darstellt, das trotz aller Bemühungen eines institutionalisierten Controllings in der
Realität nur ansatzweise gelingt. Für die Führung ist dabei die fachkundige Unterstützung unerlässlich.
2.9 Das Controlling als ergebniszielorientiertes
Koordinationssubsystem der Führung:
Zusammenfassende Darstellung unserer Konzeption
Unsere bisherigen Überlegungen über
r die gegenwärtige Problemsituation der Unternehmungen,
r die Ansätze der Problemlösung mithilfe des Controllings in der Praxis,
r den Systemansatz zur Darstellung und Analyse der Controllingaufgaben in der
Unternehmung und
r die Koordinationsproblematik in der Unternehmung
erlauben uns die funktionale Beschreibung des Controllingkonzeptes, die uns dann als
Grundlage der weiteren Darstellung dienen soll (vgl. Abb. 2.23).
Wir wollen noch die folgende Begriffsabgrenzung vornehmen:
r Die Controllingfunktion (oder Controlling) besteht in der ergebniszielorientierten
Koordination von Planung und Kontrolle sowie Informationsversorgung. Sie ist
die (gedankliche) Zusammenfassung der einzelnen Controllingaufgaben in einer
Organisation.
r Die Controllingziele bestehen in der Sicherung und Erhaltung der Koordinations-,
Reaktions- und Adaptionsfähigkeit der Führung, damit diese die Ergebnis- und
Sachziele der Unternehmung realisieren kann.
r Das Controllingkonzept ist die in Bezug auf einen spezifischen internen und externen Kontext vorgenommene spezifische Definition der Controllingziele und die
Ausgestaltung des Controllingsystems.
r Der Begriff Controllingsystem kann einmal zur Bezeichnung eines realen Subsystems der Unternehmung, das die Controllingfunktion wahrnimmt, dienen; zum
anderen kann das Controllingsystem als ein Bezugsrahmen zur Beschreibung und
Analyse von Controllingsystemen verstanden werden. Das Controllingsystem sehen
wir als ein Subsystem des Führungssystems.
r Als Subsysteme des Controllingsystems werden von uns gesehen:
– Controllingaufgaben,
– Controllingorganisation,
– Controllinginstrumente.
r Die Controllingaufgaben umfassen alle einzelnen Aktivitäten im Hinblick auf die
Realisierung der Controllingziele (Funktionaler Aspekt). Die Differenzierung der
Controllingaufgaben kann nach verschiedenen Kriterien erfolgen. Die wichtigsten
Differenzierungsmöglichkeiten sind (vgl. Abb. 2.24):
– Im Hinblick auf die Unternehmungsziele lassen sich operative und strategische
Controllingaufgaben unterscheiden.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Der Klassiker zum Controlling.
Controlling: umfassend und bewährt
Auch nach über dreißig Jahren verfolgt dieses Buch weiterhin das ehrgeizige Ziel, mit jeder Neuauflage den »State of the Art« in Wissenschaft und Praxis des Controllings wiederzugeben. Unverändert geblieben ist dabei die Intention dieses Standardwerkes. Es liefert eindeutige Antworten auf drei umfassende Fragen:
* Was ist die Grundidee des Controllingkonzepts?
* Welche Aufgaben umfasst die Controllingfunktion?
* Wie wird die Controllingfunktion organisatorisch realisiert?
Höchste Autoren-Kompetenz
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Péter Horváth gehört zu den renommiertesten Persönlichkeiten im Controlling. Er ist Vorsitzender des Aufsichtsrates einer Managementberatung und Gründungsherausgeber der Zeitschrift für Controlling.