7.2 Operate- und Finance-Leasing-Verträge 243
7.2 Operate- und Finance-Leasing-Verträge
Die wesentlichen gemeinsamen Kennzeichen der äußerst heterogenen Gruppe der Finance-
Leasing-Verträge und die Unterschiede zum Operate-Leasing sind in Abbildung 62
dargestellt.
Operate-Leasing Finance-Leasing
Vertragscharakter
Normaler Mietvertrag
(§§ 535-580a BGB)
Unterschiedlich
Kündbarkeit Jederzeit von beiden
Vertragsparteien
Nicht während der Grundmietzeit
(Zeitraum, während dessen der
Leasing-Vertrag unkündbar ist)
Investitionsrisiko
Beim Leasing-Geber, da der
Leasing-Nehmer jederzeit
kündigen kann
Beim Leasing-Nehmer, da dieser
während der Grundmietzeit alle
Kosten des Leasing-Gebers einschließlich des Gewinnzuschlages
deckt
Leasing-
Gegenstände
Allgemein verwendbare
(„gängige“) Güter (z. B. PKW),
da der Leasing-Nehmer jederzeit
kündigen kann
Alle Güter, z. B. auch
Spezialmaschinen, eigens
erstellte Gebäude
(Steuerbilanzielle)
Aktivierung
des Leasing-
Gegenstandes
I. d. R. beim Leasing-Geber Abhängig von der Vertragsgestaltung und deren wirtschaftlichen Folgen
Abbildung 62: Unterschiede zwischen Operate- und Finance-Leasing734
Operate-Leasing-Verträge, auch Operating- bzw. Gebrauchs-Leasing-Verträge genannt, sind grundsätzlich normale Mietverträge im Sinne des BGB. Für sie gelten somit
auch die dort in den §§ 535-580a BGB festgelegten Regelungen. Sie können von beiden
Vertragspartnern für gewöhnlich kurzfristig und ohne Fälligwerden von Vertragsstrafen
gekündigt werden. Der wirtschaftliche Sinn eines Operate-Leasing-Vertrages liegt
• zunächst darin, dass der Leasing-Nehmer einen Gegenstand nutzen kann, den er nur für
relativ kurze Zeit und nicht für die Gesamtlebensdauer des Objektes benötigt.
• Dadurch hat der Leasing-Nehmer zum Zweiten den Vorteil, nicht die mit dem geleasten Gegenstand verbundenen Risiken tragen zu müssen; beispielsweise das Risiko
? der Fehlinvestition,
? der technisch-wirtschaftlichen Entwertung oder
? des zufälligen Untergangs des Objekts.
734 Entnommen aus Bieg, Hartmut: Leasing als Sonderform der Außenfinanzierung. In: Der Steuerberater 1997, S. 427.
244 7 Leasing als Sonderform der Außenfinanzierung
Sein „Risiko“ – sofern man hier überhaupt von einem solchen reden kann – beschränkt sich
auf die Entrichtung der Mietzahlungen bis zur nächstmöglichen Kündigung. Alle anderen
Risiken liegen dagegen beim Leasing-Geber. Da dieser ständig mit einer Kündigung des
Leasing-Nehmers rechnen muss, kommen für das Operate-Leasing nur solche Gegenstände
in Betracht, die – da vielseitig verwendbar – von einer größeren Anzahl potenzieller Mieter
nachgefragt werden (z. B. kleine und mittelgroße EDV-Anlagen, PKW, LKW).
Das gemeinsame Kennzeichen aller Finance-Leasing-Verträge, auch Financial- bzw.
Finanzierungs-Leasing-Verträge genannt, ist primär, dass sie für einen bestimmten Zeitraum – die sogenannte Grundmietzeit – unkündbar sind und – allerdings mit Besonderheiten bei der Teilamortisationsvariante – dass die in dieser Frist zu zahlenden Raten alle Kosten des Leasing-Gebers einschließlich des Gewinnzuschlages decken sollen. Wöhe/Bilstein735 sehen den wesentlichen wirtschaftlichen Unterschied zwischen Operate- und
Finance-Leasing darin, dass bei Letzterem alle Risiken – insbesondere auch das Investitionsrisiko – beim Leasing-Nehmer liegen: Er kann den Vertrag nur lösen, nachdem er alle
Kosten des Objekts übernommen und (einschließlich des Gewinnanteils) in Form der Leasing-Raten und/oder als Sonderzahlung dem Leasing-Geber vergütet hat. Darüber hinaus
trägt der Mieter hier auch alle anderen Kosten, wie beispielsweise für Versicherung, Wartung und Reparaturen. Dies sind für einen „normalen“ Mietvertrag ganz ungewöhnliche
Bedingungen. Aus diesem Grunde können die Rechtsvorschriften für Operate-Leasing
(Miete, Pacht i. S. des BGB) auch nicht einfach auf das Finance-Leasing übertragen werden.
Beim Spezial-Leasing, einer Sonderform des Finanzierungs-Leasing, plant i. d. R. der
Leasing-Nehmer die technische Ausgestaltung des Leasing-Gegenstandes, z. B. eine Werkshalle oder ein Bürogebäude. Der Leasing-Geber übernimmt anschließend die Herstellung
des Objekts, um es an den Leasing-Nehmer zu vermieten. Mit dem Ablauf der Grundmietzeit muss sich das Leasing-Objekt amortisiert haben, da es völlig auf die Bedürfnisse des
Leasing-Nehmers zugeschnitten ist, so dass es nur von ihm sinnvoll weiterverwendet werden kann (z. B. weil das geleaste Gebäude inmitten des Fabrikgeländes des Leasing-
Nehmers steht). Weiterverkauf oder Weitervermietung an Dritte ist üblicherweise vertraglich ausgeschlossen. Leasing-Geber und Leasing-Nehmer vereinbaren daher meist schon
vorab für die Zeit nach Ende der Grundmietperiode eine Anschlussmiete, die meist nur
einen geringen Bruchteil der bisherigen Raten ausmacht.
Häufig werden Leasing-Verträge im Rahmen des „Sale-and-lease-back-Verfahrens“ zu
jahresabschlusspolitischen, aber auch finanzpolitischen Zwecken eingesetzt. Hierbei verkauft der bisherige Eigentümer eines Gebäudes oder beispielsweise auch eines Verkehrsflugzeugs das Objekt an eine Leasing-Gesellschaft und least es gleichzeitig wieder langfristig von ihr zurück. Er erhält dadurch einen bestimmten Geldbetrag (den Verkaufspreis) und
kann den Gegenstand trotzdem wie bisher weiter nutzen, muss dafür allerdings die vereinbarten Leasing-Raten bezahlen.
735 Vgl. Wöhe, Günter/Bilstein, Jürgen: Grundzüge der Unternehmensfinanzierung. 9.Aufl., München
2002, S. 282.
7.3 Die steuerbilanzielle Zurechnung des Leasing-Gegenstandes 245
7.3 Die steuerbilanzielle Zurechnung des Leasing-Gegenstandes
7.3.1 Vorbemerkungen
Die vertraglichen Besonderheiten insbesondere der Finance-Leasing-Verträge brachten
zwangsläufig steuerrechtliche Probleme mit sich. Da anfangs keinerlei diesbezüglichen
Vorschriften existierten, war es häufig unklar und zwischen den Beteiligten umstritten, wer
– Leasing-Geber oder Leasing-Nehmer – den Leasing-Gegenstand in seiner Steuerbilanz zu
aktivieren und planmäßig abzuschreiben hat. Davon hängt es aber ab, in welchem Umfang
die jeweils gezahlten Leasing-Raten steuerlich Betriebsausgaben (Leasing-Nehmer) bzw.
Betriebseinnahmen (Leasing-Geber) darstellen oder ertragsteuerneutral als Tilgungsleistungen anzusehen sind.
7.3.2 Die Zurechnung im Falle des Operate-Leasing
Die Zurechnung ist beim Operate-Leasing vergleichsweise einfach, da es sich hier um
normale Miet- oder Pachtverhältnisse handelt, bei denen der Mieter weder das Investitionsrisiko am Leasing-Gegenstand trägt noch irgendwelche Sonderrechte hieraus für die Zeit
nach Vertragsende geltend machen kann. Der Leasing-Nehmer hat somit keine Möglichkeit,
den Leasing-Geber dauerhaft vom Zugriff auf den Leasing-Gegenstand auszuschließen. Der
Leasing-Geber ist stets wirtschaftlicher Eigentümer. Er aktiviert das Leasing-Objekt in
seiner (Steuer-) Bilanz und schreibt es auch über die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer
ab. Die zufließenden Leasing-Raten sind für ihn Betriebseinnahmen. Für den Leasing-
Nehmer sind die Raten in voller Höhe Aufwand und steuerlich als Betriebsausgaben abzugsfähig.
7.3.3 Die Zurechnung im Falle des Finance-Leasing
7.3.3.1 Vorbemerkungen
Schwieriger war die Zurechnungsfrage hinsichtlich der Finance-Leasing-Verträge zu
beantworten. In seinem Grundsatzurteil vom 26.01.1970 formulierte der BFH sechs Leitsätze, die prinzipiell auf alle Arten von Finance-Leasing beweglicher Wirtschaftsgüter anzuwenden sind.736 Der BFH betont dabei die Bedeutung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise für die steuerliche Zurechnung des Leasing-Gegenstandes. Damit muss der wirtschaftliche Eigentümer im Sinne des § 39 Abs. 2 AO das Leasing-Objekt in seiner Steuerbilanz aktivieren und über die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer abschreiben. Grundsätzlich liegt das wirtschaftliche Eigentum beim zivilrechtlichen Eigentümer des Leasing-
Gegenstandes, also beim Leasing-Geber. Dagegen gilt der Leasing-Nehmer dann als
wirtschaftlicher Eigentümer, wenn er den Leasing-Geber „auf Dauer von der Einwirkung
736 Vgl. im Einzelnen Wöhe, Günter: Betriebswirtschaftliche Steuerlehre I/2: Der Einfluß der Besteuerung auf das Rechnungswesen des Betriebes. 7. Aufl., München 1992, S. 307-308.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Nach einer allgemeinen Einordnung der Finanzierung von Unternehmen werden die einzelnen Instrumente der Außen- und Innenfinanzierung mit ihren theorie- und praxisrelevanten Merkmalen vorgestellt und mit zahlreichen Beispielen untermauert. Darüber hinaus wird auf Finanzinnovationen und Finanzderivate eingegangen.
Einführendes Lehrbuch in die Grundlagen der Unternehmensfinanzierung
Behandelt werden theoretische wie praxisrelevante Fragestellungen.
Grundprinzipien und Bestandteile der Finanzwirtschaft
Finanzierungstheorie
Finanzierungsarten
Außenfinanzierung durch Eigenkapital
Außenfinanzierung durch Fremdkapital
Derivative Finanzinstrumente
Innenfinanzierung^.
Prof. Dr. Hartmut Bieg ist Inhaber des Lehrstuhls für Bankbetriebslehre an der Universität des Saarlandes.
Professor Dr. Heinz Kußmaul ist Direktor des Betriebswirtschaftlichen Instituts für Steuerlehre und Entrepreneurship am Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, an der Universität des Saarlandes.
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