A. Kosten- und Erlösartenrechnung 87
Die Differenzierung der Markterlöse zeigt die Fülle an Gestaltungsmöglichkeiten und Einflüssen, die bei der Preisstellung bestehen und damit in der
Erlösrechnung zu berücksichtigen sind. An ihr wird zugleich erkennbar, dass
eine Fundierung der Erlösrechnung, insbesondere im Hinblick auf deren Planung und Steuerung, eine Verknüpfung mit derMarketingtheorie erfordert.
IV. Erfassung der Kostenarten
1. Verfahren der Kostenerfassung
Für die Erfassung der Kostenarten bieten sich zwei grundsätzliche Verfahren
an105. Da Kosten als bewerteter sachzielorientierter Güterverbrauch definiert
sind, besteht das erste Verfahren in der getrennten Erfassung der Mengenund der Preiskomponente. Beim zweiten Verfahren der Werterfassung hingegen erfolgt eine undifferenzierte Erfassung des gesamten Kostenbetrags.
Durch eine getrennte Erfassung der Verbrauchsmengen und der Einsatzgüterpreise wird deutlich, wie sich die Kosten aus diesen beiden Komponenten
zusammensetzen. Dieses Verfahren macht den Genauigkeitsgrad der Messung von Verbrauchsmengen sichtbar und lässt außerdem erkennen, welche
Preisansätze der Kostenbewertung zugrunde liegen. Die getrennte Mengenund Preiserfassung setzt aber voraus, dass eine Messung der einzelnen Verbrauchsmengen überhaupt möglich ist. Für die Mengenerfassung sind die
Güterart und ihr Verbrauchscharakter wesentlich. Während etwa bei Stoffen
und Löhnen die Erfassung der verbrauchten Menge in der Regel keine nennenswerten Schwierigkeiten bereitet, lässt sich der Verbrauch von Sachanlagen oder Informationen nur bedingt messen.
Für alle Güterarten, bei denen die getrennte Erfassung von Verbrauchsmenge
und Güterpreis schwer durchführbar ist oder nicht erforderlich bzw. zweckmäßig erscheint, bietet sich das Verfahren der undifferenzierten Werterfassung an. Dabei wird der gesamte Kostenbetrag erfasst, ohne dass auf die
Mengen- und die Preiskomponente zurückgegriffen wird. Dies ist möglich,
indem man von den angefallenen Ausgaben ausgeht oder einen Kostenbetrag
festlegt. Entsprechend lassen sich als Verfahren der Werterfassung die zeitliche Verteilung von Ausgaben und die selbständige Festsetzung der Kosten
unterscheiden.
Bei der zeitlichen Verteilung von Auszahlungen stimmt die Kostenhöhe mit
dem Aufwand überein. Der sich aus der Finanzbuchhaltung ergebende Aufwand wird direkt in die Kostenartenrechnung übernommen. Deshalb werden
diese Kosten auch Durchlaufkosten genannt. In einer Reihe von Fällen sind
Aufwand und Kosten gleich den Periodenauszahlungen. Beispielsweise werden vielfach die monatlichen Auszahlungen für Strom, Postgebühren, Gas,
Wasser, Miete und dergleichen als aufwandsgleiche Grundkosten angesetzt.
Dabei wird teilweise aus Vereinfachungsgründen auf eine exakte Periodenabgrenzung verzichtet, wenn sich die Auszahlungen jeweils auf den vorher-
105 Vgl. KOSIOL, E. (Kostenrechnung), S. 136 ff.
2. Kapitel: Ermittlungsorientierte Systeme der KER88
gehenden Monat beziehen. Man setzt die Auszahlungen näherungsweise als
bewerteten Verbrauch eines Monats an, obwohl sie für den Verbrauch des
Vormonats angefallen sind. Diese Auszahlungen können als nachhinkende
Auszahlungen bezeichnet werden. Sofern zwischen den Auszahlungen und
dem tatsächlichen Verbrauch größere zeitliche Abweichungen bestehen,
muss eine Erfassung der Periodenanteile durch eine zeitliche Abgrenzung der
Auszahlungen erfolgen.
Eine undifferenzierte Werterfassung liegt auch bei Abschreibungen vor. Bei
einer Übernahme von bilanziellen Abschreibungen in die Kostenrechnung
stimmen Aufwand und Kosten überein. Die Summe aller verrechneten Periodenaufwendungen ergibt die Anschaffungsauszahlungen. Dagegen handelt
es sich bei kalkulatorischen Abschreibungen um eine Werterfassung durch
selbständige Festsetzung. Die Kosten sind dabei nicht auf Auszahlungen zurückführbar und entsprechen nicht dem Aufwand. In gleicher Weise handelt
es sich beim Ansatz des kalkulatorischen Unternehmerlohns um eine undifferenzierte Werterfassung der Kosten durch selbständige Festsetzung.
Verschiedene Gründe können dafür bestimmend sein, kalkulatorisch bedeutsame Teilrechnungen aus der pagatorischen bzw. kalkulatorischen Rechnung
auszugliedern und als vorgelagerte Nebenrechnungen (Hilfsrechnungen)
durchzuführen. Bei diesen Teilrechnungen kann es sich um die Anlagen-, die
Lohn- und Gehalts- sowie die Stoff- bzw. Materialrechnung handeln. Ein
wichtiger Grund für die Ausgliederung der genannten Rechnungen ist die
größere Beweglichkeit und Anpassungsfähigkeit der Kostenrechnung.
2. Erfassung von Materialkosten in der Stoff- bzw. Materialrechnung
a) Gegenstand der Stoff- bzw. Materialrechnung
Gegenstand der Stoff- oder Materialrechnung sind bewegliche, materielle Güter, die im Vollzug des Unternehmensprozesses eingesetzt und bearbeitet,
verarbeitet oder aufgebraucht werden. Zu ihnen gehören vor allem Werkstoffe, Hilfsstoffe, Betriebsstoffe, fremdbezogene Teile, Handelswaren sowie
Büromaterialien106. Dagegen rechnet man halbfertige und fertige Erzeugnisse
im Allgemeinen nicht zu den Stoffen.
Als Werkstoffe (oder Rohstoffe) gelten jene Materialien, die einen wesentlichen Bestandteil des fertigen Produkts ausmachen. Sie stellen die Ausgangsbzw. Grundstoffe der zu fertigenden Produkte dar und gehen in unveränderter oder infolge von Be- und Verarbeitungsvorgängen in veränderter Form in
die Enderzeugnisse ein. Bei der Möbelherstellung ist z.B. Holz ein Werkstoff.
Hilfsstoffe gehen ebenfalls direkt in die Produkte ein, werden jedoch nicht
zu einem wesentlichen Bestandteil derselben. Bei Möbeln sind dies Schrauben
oder Leim. Betriebsstoffe dienen der Durchführung und Inganghaltung des
Unternehmensprozesses. Sie werden nicht direkt für die Herstellung eines
Erzeugnisses verbraucht und gehen daher in die Produktion nur mittelbar
106 Vgl. KOSIOL, E. (Kalkulatorische Buchhaltung), S. 157 f.; SCHWEITZER, M. (Industriebetriebslehre), S. 59 f.
A. Kosten- und Erlösartenrechnung 89
ein. Hierzu können z.B. Schmierstoffe, Heizöl oder Elektrizität gehören. In
Industriebetrieben werden neben diesen Stoffen häufig auch fremdbezogene
Teile in der Produktion eingesetzt. Dabei handelt es sich häufig um Normteile
wie z.B. Druckfedern und Dichtungsringe. Industrieunternehmungen können
zusätzlich zu den eigenen Erzeugnissen Handelswaren im Produktprogramm führen. Diese werden lediglich beschafft, gelagert und unverarbeitet
abgesetzt. Unter Büromaterial ist die Gesamtheit an Stoffen zu verstehen, die
für die Planung und Steuerung des Unternehmensprozesses benötigt wird.
Dazu gehören insbesondere jegliche Arten von Schreibwaren wie Papier,
Vordrucke, Formulare, Stifte oder Farbbänder.
Aufgabe der Stoffrechnung ist es, die Bewegungen und Bestände von Stoffen
mengen- und wertmäßig zu erfassen. Dazu gehört insbesondere die laufende
Feststellung des Stoffverbrauchs. Eine Bestandsrechnung wird notwendig,
wenn der Eingang und der Einsatz von Stoffen zeitlich auseinander fallen,
was besonders bei der Vorratsbeschaffung gegeben ist. Sie ist insbesondere
aus Dispositions- und Kontrollzwecken sowie handels- und steuerrechtlichen
Vorschriften durchzuführen.
Ferner hat die Stoffrechnung die Aufgabe, die Verteilung des Materialeinsatzes nach Menge und Wert auf Kostenstellen und Kostenträger vorzubereiten107. Dies geschieht durch detaillierte Aufzeichnungen über den Stoffausgang an die verschiedenen Kostenstellen sowie über den Stoffverbrauch bei
der Erstellung der einzelnen Erzeugnisse. Mit diesen Angaben lässt sich eine
Zuordnung von Stoffkosten auf Kostenstellen und Kostenträger vornehmen.
Von den Stoffarten sind gewöhnlich Werkstoffe und (größere) fremdbezogene Teile den Erzeugnissen unmittelbar als Einzelkosten zurechenbar, während der bewertete Verbrauch an Betriebsstoffen sowie Büromaterial als Gemeinkosten den Erzeugnissen nur mittelbar zugerechnet werden kann. Bei
den Hilfsstoffen sowie (kleineren) fremdbezogenen Teilen ist zwar prinzipiell
eine Zurechenbarkeit auf einzelne Produkte gegeben, jedoch wird häufig aus
Gründen einer Rechnungsvereinfachung und Kostenersparnis auf eine exakte
rechnungstechnische Ermittlung verzichtet. Die Handelswaren können selbst
Kostenträger darstellen, so dass eine direkte Zuordnung des Verbrauchs auf
diesen Kostenträger möglich ist.
Die Stoffrechnung steht als Nebenbuchhaltung außer mit der Betriebsbuchhaltung und mit der Finanzbuchhaltung auch mit der Beschaffung und der
Lager(buch)haltung in sachlichem Zusammenhang. Ferner besteht ein weiterer Zusammenhang zur betrieblichen Fertigungsvorbereitung, da diese im
Rahmen der Fertigungsplanung die Materialbedarfsplanung und im Rahmen
der Fertigungssteuerung die Materialbereitstellung vorzunehmen hat108.
b) Probleme und Formen der Mengenerfassung
Die mengenmäßige Erfassung des Stoffverbrauchs kann auf direktem oder
indirektem Weg erfolgen. Beide Formen unterscheiden sich durch die Heran-
107 Vgl. GROCHLA, E. (Materialwirtschaft), S. 154 ff.
108 Vgl. SCHWEITZER, M. (Fertigungswirtschaft), S. 680 ff.
2. Kapitel: Ermittlungsorientierte Systeme der KER90
ziehung des Endbestands zur Ermittlung des Stoffverbrauchs. Bei der direkten Ermittlung wird der Verbrauch selbständig und nicht über den Endbestand festgestellt. Das wichtigste Verfahren ist hierbei die Skontration (Fortschreibung oder Einzelaufschreibung). Bei dieser Erfassungsmethode erfolgt
eine unmittelbare und fortlaufende Verbrauchserfassung in Verbindung mit
einer buchmäßigen Bestandsrechnung entsprechend der Rechenregel:
Anfangsbestand
+ Zugänge
- Abgänge (Verbrauch)
= (rechnerischer) Endbestand
Für jeden Stoffeingang und jeden Stoffausgang wird ein Beleg ausgestellt.
Zusammen mit dem Beleg über den Anfangsbestand des betreffenden Stoffes
lassen sich sowohl der Stoffverbrauch als auch der Stoffbestand jederzeit
rechnerisch feststellen (dokumentieren). Die Skontration führt damit zu einem rechnerischen Endbestand, der vom tatsächlichen Bestand abweichen
kann. Fehlbestände können z.B. durch Schwund, Diebstahl, Verderb oder
Vernichtung auftreten. Durch die rechtlich vorgeschriebene körperliche Bestandsaufnahme (Inventur) wird der tatsächlich vorhandene Bestand festgestellt, so dass Fehlbestände ermittelt werden können. Neben der Skontration
gehören zu den direkten Erfassungsmethoden die Rückrechnung, die Schätzung des Stoffverbrauchs nach der Zeit und die Verbrauchsfeststellung nach
dem Stoffeingang109. Bei der Rückrechnung (retrograde Rechnung) wird aus
der Produktion in einer Periode auf den dafür erforderlichen Stoffverbrauch
geschlossen. Der rechnerische (Soll-)Verbrauch kann vom tatsächlichen Verbrauch um die Fehlbestände sowie um Mehr- oder Minderverbräuche in der
Produktion abweichen. Eine Inventur ist deshalb ebenfalls notwendig. Die
Schätzung des Stoffverbrauchs nach der Zeit kann als Sonderform der retrograden Rechnung aufgefasst werden. Aus Erfahrungssätzen schließt man
auf den Stoffverbrauch in einem bestimmten Zeitabschnitt. Treten keine nennenswerten Lagerschwankungen auf oder ist der Einkauf dem Verbrauch
synchron angepasst, dann lässt sich der Stoffeinsatz (bzw. -eingang) als Verbrauchsmenge ansetzen.
Die indirekte Erfassung des Stoffverbrauchs erfolgt in der Gestalt der Befundrechnung. "Unter der Befundrechnung (Inventur) versteht man die genaue körperliche Bestandsaufnahme der Stoffe durch Zählen, Messen und
Wiegen."110 Sie geht von folgender Rechenregel aus:
Anfangsbestand
+ Zugänge
- Endbestand (Befund)
= (rechnerischer) Abgang (Verbrauch)
109 Vgl. VODRAZKA, K. (Materialabrechnung), Sp. 1061 f.
110 KOSIOL, E. (Kalkulation), S. 103.
A. Kosten- und Erlösartenrechnung 91
Die Befundrechnung ermöglicht keine Trennung des Stoffabgangs in einen
produktionsbedingten Stoffverbrauch und in einen Fehlbestand. Ferner besitzt sie den Nachteil, dass die Empfangsstellen des Stoffes nicht bekannt
sind. Gelegentlich begnügt man sich mit Schätzungen des Endbestandes und
verzichtet auf eine exakte Bestandsfeststellung.
Die beschriebenen Erfassungsmethoden unterscheiden sich durch die Genauigkeit der Erfassung, den Informationsgehalt sowie ihre Einfachheit und
Wirtschaftlichkeit. Daraus leitet sich der Tatbestand ab, dass keineswegs bei
allen Stoffarten dieselbe Erfassungsmethode anzuwenden ist. Zur Bestimmung der Stoffgruppen, die aufgrund ihres Wertes unterschiedlich präzise zu
erfassen sind, bedient man sich häufig der sog. A-B-C-Analyse111.
c) Probleme und Formen der Materialbewertung
Zur Ermittlung des Stoffaufwands bzw. der Stoffkosten ist neben der mengenmäßigen Verbrauchs- und Bestandserfassung eine Bewertung (Bepreisung) der Verbrauchs- und Bestandsmengen vorzunehmen. Als Wertansätze
stehen Einstandspreise, Durchschnittspreise, Festpreise und andere Preise zur
Auswahl. Bei der einstandspreisbezogenen Bewertung wird jede Verbrauchsmenge mit ihren (historischen) Einstandspreisen bewertet. Der Einstandspreis (Beschaffungspreis, Anschaffungspreis) umfasst neben dem Einkaufspreis die unmittelbaren Bezugsausgaben für Fracht, Verpackung und
Versicherung und vermindert sich um Preisnachlässe. Soweit die einzelnen
Stoffeingänge nicht getrennt gelagert werden und Einstandspreisänderungen
von Stoffeingang zu Stoffeingang auftreten, ist für eine Bewertung des Stoffverbrauchs (und der Stoffbestände) die Verbrauchsfolge festzulegen. Damit
kommt man anstelle der Einzelbewertung zu einer handelsrechtlich zulässigen Sammelbewertung. Man unterscheidet insbesondere das Lifo- und das
Fifo-Prinzip (-Verfahren). Beim Lifo-Prinzip ('Last in, first out') wird unterstellt, dass die zuletzt beschafften Stoffe als erste verbraucht werden. Der jeweilige Verbrauch ist demnach mit dem Einstandspreis des letzten Stoffzuganges zu bewerten. Beim permanenten Lifo-Verfahren wird jeder einzelne
Verbrauch mit dem bzw. den Preisen der letzten Zugänge bewertet. Neben
diesen in Abbildung 2-7 veranschaulichten Verfahren findet man auch ein
Perioden-Lifo. Bei ihm wird die gesamte Verbrauchsmenge der Periode mit
den Preisen der jeweils letzten Zugänge in der Periode bewertet. Daraus
folgt, dass der Endbestand mit den Preisen des Anfangsbestands und der ersten Zugänge der Periode angesetzt wird, auch wenn die in ihm enthaltenen
Stoffe in Wirklichkeit gar nicht mehr mit den Anfangsmengen übereinstimmen können. Nur dem permanenten Lifo-Verfahren liegt eine physisch mögliche Verbrauchsfolge zugrunde. Das Fifo-Verfahren ('First in, first out') geht
davon aus, dass die jeweils ältesten Stoffzugänge (bzw. -bestände) zuerst eingesetzt werden. Für den Stoffverbrauch ist folglich der Einstandspreis des am
weitesten zurückliegenden Zuganges anzusetzen. Der Stoffendbestand ist
beim Fifo-Prinzip dagegen mit den Einstandspreisen der zuletzt beschafften
Materalien zu bewerten (vgl. Abbildung 2-7).
111 Vgl. GROCHLA, E. (Materialwirtschaft), S. 29 ff.; KÜPPER, H.-U. (Beschaffung), S. 225 f.
2. Kapitel: Ermittlungsorientierte Systeme der KER92
Lifo-Verfahren:
Datum € €
01.01. Anfangs- 150 kg à € 40 6.000
bestand
19.01. Zugang 250 kg à € 42 10.500
01.02. Abgang 100 kg à € 42 4.200
05.07. Zugang 200 kg à € 38 7.600
25.07. Abgang 200 kg à € 38 15.900
150 kg à € 42
50 kg à € 40
12.09. Zugang 150 kg à € 43 6.450
12.11. Abgang 50 kg à € 43 2.150
End- 100 kg à € 43 8.300
bestand 100 kg à € 40
Fifo-Verfahren:
Datum € €
01.01. Anfangs- 150 kg à € 40 6.000
bestand
19.01. Zugang 250 kg à € 42 10.500
01.02. Abgang 100 kg à € 40 4.000
05.07. Zugang 200 kg à € 38 7.600
25.07. Abgang 50 kg à € 40 16.300
250 kg à € 42
100 kg à € 38
12.09. Zugang 150 kg à € 43 6.450
12.11. Abgang 50 kg à € 38 1.900
End- 50 kg à € 38 8.350
bestand 150 kg à € 43
Abb. 2-7: Beispiele zum (permanenten) Lifo- und zum Fifo-Verfahren bei Sammelbewertung
mit Einstandspreisen
Anstelle der tatsächlichen Einstandspreise können bei Preisschwankungen
auch Durchschnittspreise verwendet werden. Die Feststellung der Durchschnittspreise kann entweder für eine Periode nachträglich oder mit gleitenden Durchschnittspreisen nach jedem Zugang neu durchgeführt werden.
Beide Verfahren sind in Abbildung 2-8 veranschaulicht.
Diese Verfahren der Sammelbewertung führen zu unterschiedlichen Werten
für den Materialverbrauch und die Endbestände. Bei steigenden Preisen haben das permanente und noch stärker das Perioden-Lifo zur Folge, dass die
Materialkosten hoch und die Endbestände niedrig bewertet werden. Deshalb
wird das Lifo-Verfahren häufig angewandt, um zu einem niedrigen Periodengewinn zu kommen. Auf diese Weise wird das Risiko der Preissteigerung frühzeitig antizipiert.
A. Kosten- und Erlösartenrechnung 93
Abb. 2-8: Beispiele zu den Verfahren bei Sammelbewertung mit gleitenden und nachträglichen Durchschnittspreisen
3. Erfassung von Personalkosten in der Lohn- und Gehaltsrechnung
a) Gegenstand und Probleme der Lohn- und Gehaltsrechnung
Die Erfassung der Personalkosten vollzieht sich üblicherweise im Rahmen
einer vorgelagerten Lohn- und Gehaltsrechnung. Sie erfüllt zwei Aufgaben.
Zum einen hat sie die Erfassung, Berechnung, Buchung und Zahlungsregulierung sämtlicher Arbeitsentgelte der Beschäftigten (einschließlich gesetzlicher
und freiwilliger Folgeleistungen) zum Gegenstand. Zum anderen bereitet sie
deren Verteilung auf Kostenstellen und Kostenträger vor. Sie dient damit pagatorischen und kalkulatorischen Rechnungszielen. Bei der Lohn- und Gehaltsabrechnung hat sie eine Reihe rechtlicher Tatbestände zu beachten. Dazu
gehören vor allem die gesetzlichen Bestimmungen des Steuerrechts, zur Sozi-
Verfahren der gleitenden Durchschnittspreise:
Datum € €
01.01. Anfangs- 150 kg à € 40 6.000
bestand
19.01. Zugang 250 kg à € 42 10.500
01.02. Abgang 100 kg à € 41,25 4.125
(€ 16.500 : 400 kg = 41,25)
05.07. Zugang 200 kg à € 38 7.600
25.07. Abgang 400 kg à € 39,95 15.980
(€ 19.975 : 500 kg = 39,95)
12.09. Zugang 150 kg à € 43 6.450
12.11. Abgang 50 kg à € 41,78 2.089
(€ 10.445 : 250 kg = 41,78)
End- 200 kg à € 41,78 8.356
bestand
Verfahren mit nachträglichem Durchschnittspreis:
Datum € €
01.01. Anfangs- 150 kg à € 40 6.000
bestand (€ 30.550 : 750 kg = 40,73)
19.01. Zugang 250 kg à € 42 10.500
01.02. Abgang 100 kg à € 40,73 4.073
05.07. Zugang 200 kg à € 38 7.600
25.07. Abgang 400 kg à € 40,73 16.293
12.09. Zugang 150 kg à € 43 6.450
12.11. Abgang 50 kg à € 40,73 2.037
End- 200 kg à € 40,73 8.147
bestand
2. Kapitel: Ermittlungsorientierte Systeme der KER94
alversicherung und zur Lohnsicherung. Auch bei dieser Kostenart werden in
der Regel Mengen- und Preiserfassung getrennt.
Die wesentlichen Probleme bei Lohn- und Gehaltskosten bestehen darin, die
Arbeitsleistungen möglichst umfassend und genau für den einzelnen Kostenträger und die einzelne Kostenstelle zu erfassen. Sofern die Zahlungstermine
für das Arbeitsentgelt nicht mit dem Abrechnungszeitraum übereinstimmen,
ist eine Periodenabgrenzung durchzuführen. Spezielle Probleme stellt die
Erfassung von Urlaubslöhnen, sozialen Leistungen und kalkulatorischen Unternehmerlöhnen dar. Diese Kostenarten gehören zu den (Kostenträger-) Gemeinkosten. Urlaubslöhne (ggf. einschließlich zusätzlichem Urlaubsgeld) und
soziale Leistungen, wie Pensionsleistungen, Weihnachtsgratifikationen oder
Zuschüsse, müssen zeitlich abgegrenzt werden. Sie können nicht allein der
Teilperiode (z.B. dem Monat) zugerechnet werden, in der sie gezahlt werden,
sondern sind auf die gesamte Rechnungsperiode (z.B. ein Jahr) zu verteilen.
Kalkulatorische Löhne und Gehälter werden in Einzelunternehmungen und
Personengesellschaften angesetzt, weil leitend tätige Inhaber derartiger Unternehmungen handelsrechtlich kein Arbeitsentgelt, sondern ausschließlich
Gewinn beziehen. In Kapitalgesellschaften sind dagegen alle Mitglieder der
Unternehmensleitung Angestellte, die ein Gehalt empfangen. Beim kalkulatorischen Unternehmerlohn liegt eine undifferenzierte Werterfassung durch
Festsetzung vor.
b) Erfassung der Personalkosten bei unterschiedlichen Lohnformen
Die Lohnerfassung und -berechnung wird wesentlich durch die gewählte
Lohnform bestimmt. Diese legt die Bemessungsgrundlage für die Entlohnung
der Arbeitstätigkeit fest. Man unterscheidet zwischen reinen (elementaren)
und zusammengesetzten Lohnformen112. Reine Lohnformen sind der Zeitlohn und der Stücklohn. Beim Zeitlohn bildet die (Leistungs-)Zeit die Maßgröße zur Messung der menschlichen Arbeit. Der Lohnsatz je Zeiteinheit
stellt die Wertkomponente dar. Die wichtigste Klasse im Bereich des Zeitlohns stellen die Gehälter dar. Der Stücklohn oder Akkordlohn ist dadurch
gekennzeichnet, dass die menschliche Arbeit an der hervorgebrachten (Leistungs-)Menge gemessen wird. Die Zahl der Leistungseinheiten (z.B. Stückzahl an gefertigten Zwischenprodukten) bildet die Mengenkomponente, während der vereinbarte Lohnsatz je Leistungseinheit die Wertkomponente repräsentiert. Zusammengesetzte Lohnformen oder Prämienlöhne bestehen
aus einem Grundlohn (Zeitlohn oder Stücklohn) und einem Zuschlag (Prämie). Es kommen verschiedene Arten von Prämien (z.B. Leistungs-, Kostenersparnis- oder Qualitätsprämien) in Betracht. Auch Gehälter werden häufig
mit Umsatz-, Erfolgs- und anderen Prämien verknüpft.
Zur Messung des Einsatzes an Arbeitsleistungen können Anwesenheitskarten, Lohnzettel, Arbeitsbegleitkarten und elektronische Verfahren dienen.
Diese verschiedenen Belegarten sind für die Unterscheidung von Einzel- und
Gemeinkosten wesentlich. Auf den Anwesenheitskarten werden z.B. die Arbeitszeiten abgestempelt. Sie geben Auskunft über die insgesamt eingesetzte
112 Vgl. KOSIOL, E. (Entlohnung), S. 55 ff.
A. Kosten- und Erlösartenrechnung 95
Zeit an Arbeitsleistung der einzelnen Arbeitskräfte. Hingegen enthalten
Lohnzettel differenzierte Angaben über die Tätigkeiten jedes Mitarbeiters
und die jeweiligen Tätigkeitsdauern. Durch die Angabe der Kostenstellen, in
welchen die Tätigkeiten ausgeführt werden, lassen sich die Lohnkosten je
Stelle erfassen. Die Bewertung der eingesetzten Arbeitsleistungen kann aufgrund der tatsächlich gezahlten Löhne oder mit Festpreisen erfolgen. Der Ansatz von Festpreisen dient zur Ausschaltung von Schwankungen bei den Tarif- und Effektivlöhnen sowie zur Vereinfachung der Erfassung.
Unter Zugrundelegung der Mengenkomponente und der Wertkomponente
wird der personenbezogene Bruttolohn errechnet. Beim Zeitlohn ist die Leistungszeit mit dem entsprechenden Lohnsatz zu multiplizieren. Der Bruttolohn errechnet sich beim heute üblichen Zeitakkord gemäß Vorgabezeit je
Leistungseinheit · Leistungsmenge · Lohnsatz je Zeiteinheit. Die so berechnete Bruttolohnsumme erhöht sich um die Zuschläge, die aufgrund gesetzlicher Normen (z.B. für vermögenswirksame Leistungen) oder freiwilliger
Vereinbarungen (z.B. Essenszuschläge) gezahlt werden. Die gesamten betrieblichen Lohnauszahlungen (bzw. der gesamte Personalaufwand) je
Beschäftigtem setzen sich aus dem Bruttolohn und in den Zuschlägen nicht
enthaltenen, aber zu erbringenden Auszahlungen (z.B. Arbeitgeberanteil zur
Sozialversicherung) zusammen. Die um Zuschläge vermehrte Bruttolohnsumme vermindert sich um die Abschläge, deren wichtigste die gesetzlich
festgelegten Abzüge (Einkommensteuer, Kirchensteuer, Sozialversicherungsbeiträge) sind. Dazu können im Einzelfall noch vertraglich vereinbarte Abschläge (z.B. bei Darlehenstilgungen), erzwungene Abschläge (z.B. Lohnpfändungen) und gezahlte Lohnabschläge kommen. Die sich dann ergebende
(personenbezogene) Nettolohnsumme ist dem Arbeitnehmer auszubezahlen.
Auch bei den Lohnkosten werden Einzel- und Gemeinkosten unterschieden.
Soweit Lohnkosten einem Ausbringungsgut (einem Auftrag) direkt zugerechnet werden können, spricht man von Lohneinzelkosten oder Fertigungslöhnen113. Sie treten überwiegend im Fertigungsbereich auf. Alle übrigen
Lohn- und Gehaltskosten stellen Gemeinkosten oder Hilfslöhne dar. Bei ihnen liegt nur ein mittelbarer Bezug zur Gütererstellung und -verwertung vor.
Die Schlüsselung (und damit die Verteilung der erfassten Kostenarten) erfolgt
anhand von Angaben (wie Kostenstelle, Auftragsart etc.) auf den Lohnbelegen.
4. Erfassung von Abschreibungen in der Anlagenrechnung
a) Gegenstand und Formen der Anlagenrechnung
Als dritte vorgelagerte Nebenrechnung dient die Anlagenrechnung zur Erfassung der Werte der betrieblichen Anlagen. Die Anlagen unterliegen keinem sofortigen vollständigen Verbrauch und sind deshalb erst auf längere
Sicht wieder zu ersetzen. Aus diesem Grund muss ihr Wert in jeder Periode
mit Hilfe von Abschreibungen aktualisiert werden. Die Bestimmung der Ab-
113 Vgl. KOSIOL, E. (Kalkulation), S. 1051.
2. Kapitel: Ermittlungsorientierte Systeme der KER96
schreibungen stellt eine undifferenzierte Werterfassung dar. Daneben ist zu
berücksichtigen, dass es Anlagegüter gibt, bei denen man aus Gründen der
Steuerersparnis bzw. -verlagerung und der Rechnungsvereinfachung auf eine
exakte Werterfassung verzichtet (z.B. geringwertige Wirtschaftsgüter).
Nach Art des Anlagegutes unterscheidet man Sach- und Finanzanlagen. Beispiele für materielles Sach- oder Realvermögen sind Grundstücke, Gebäude,
Maschinen, Verwaltungseinrichtungen, während Konzessionen, Lizenzen,
Patente, Markenrechte zum immateriellen Realvermögen gerechnet werden.
Finanzanlagen wie z.B. Beteiligungen oder langfristige Forderungen sind
nominale Vermögensgegenstände. Sie werden gewöhnlich nicht in die Anlagenrechnung einbezogen. Ihre Erfassung vollzieht sich vielmehr im Finanzbereich einer Unternehmung. Ebenso werden die immateriellen Sachanlagen
häufig nicht in der Anlagenrechnung erfasst. Dann beschränkt sich die Anlagenrechnung auf die art-, mengen- und wertmäßige Abbildung des Bestandes
(zu Beginn der Rechnungsperiode) und der Bewegungen an materiellem Realvermögen. Bewegungen resultieren aus Zugängen wie z.B. durch Kauf, Eigenerstellung oder Schenkung von Dritten sowie Abgängen wie z.B. durch
Verkauf, Vernichtung, Demontage oder Schenkungen an Dritte in der jeweiligen Periode.
Die Teilsysteme der Anlagenrechnung können einerseits nach ihrer zeitlichen
Reichweite in kurz- und langfristig orientierte Rechnungen unterteilt werden.114 Andererseits kann man in Rechungen mit wirtschaftlichen Größen
und solche mit technischen Daten unterscheiden. Abbildung 2-9 zeigt die
Einordnung wichtiger Teilsysteme der Anlagenrechnung in eine derartige
Systematisierung.
Abb. 2-9: Systematisierung von Teilsystemen der Anlagenrechnung
Der den betrieblichen Anlagen zugeordnete Wert (z.B. Anschaffungsausgaben oder Herstellungsaufwand) geht infolge der mehrjährigen Nutzbarkeit
nicht unmittelbar im Jahr der Anschaffung bzw. Herstellung vollständig verloren, sieht man von außergewöhnlichen (und nicht vorhersehbaren) Umständen wie z.B. Katastrophen, Diebstählen, technischem Fortschritt oder negativen Marktentwicklungen ab. Daher ist es für eine Periodenerfolgsrechnung notwendig, die auf eine Periode entfallende Wertminderung zu bestimmen. Der durch einen Geldbetrag erfasste Werteverzehr des Anlagevermögens wird als Abschreibung bezeichnet. Hierzu gehören sowohl regel-
114 Vgl. hierzu und zum Folgenden FRIEDL, G./PEDELL, B. (Anlagencontrolling), Sp. 65 f.
Zeitliche
Reichweite
Rechnungsgrößen
Wirtschaftliche Größen
Anlagenbuchhaltung
Anlagenkostenrechnung
Investitionsrechnung
Lebenszykluskosten- und
-erlösmanagement
Anlagendatei
Anlagenstatistik
Kurzfristig
Langfristig
Wirtschaftliche Größen Technische Größen
A. Kosten- und Erlösartenrechnung 97
mäßige Abschreibungen für vorhersehbare Wertminderungen als auch Sonderabschreibungen für nicht prognostizierbare, einmalige Wertminderungen.
Damit dienen Abschreibungen der Bewertung und der Ermittlung des Erfolgs einer Abrechnungsperiode oder einer Entscheidungsalternative. In Periodenerfolgsrechnungen gibt die Abschreibung die einer Periode zuzurechnende Wertminderung des jeweiligen Gutes an. Ihre Höhe wird durch die
Zwecksetzung bestimmt, welche mit der Erfolgsrechnung verfolgt wird. Auf
die Bestimmung des Wertes von Entscheidungsalternativen ist vor allem die
wertmäßige Erfassung des Einsatzes von Gebrauchsgütern in der Kostenplanung und -kontrolle gerichtet.
b) Bestimmungsgrößen und Arten von Abschreibungen
Da eine Reihe von Ursachen die Wertminderung beeinflussen kann und
Kenntnisse über Gesetzmäßigkeiten der Wertminderung weitgehend fehlen,
behilft man sich in traditionellen Rechnungen mit geeigneten Setzungen, die
ihren Ausdruck in den Abschreibungsverfahren finden.
Ursachen für die Wertminderung von Anlagegegenständen können sein115:
(1) Verschleiß (Gebrauch, Ruheverschleiß, Substanzverringerung, Katastrophen),
(2) Fristablauf,
(3) Überholung,
(4) Werteinbußen bzw. Wertvernichtung.
Unter Verschleiß versteht man den körperlichen Werteverzehr von materiellen Anlagegütern. Merkmale des Verschleißes sind erhöhte Reparaturanfälligkeit, erhöhte Wartungsbedürftigkeit, langsameres Arbeiten, erhöhter Ausschuss, verminderte Präzision. Wegen der Minderung der technischen Leistungsfähigkeit durch Verschleiß spricht man auch von technisch bedingter
Wertminderung. Beim Verschleiß lassen sich vier verschiedene Arten unterscheiden. Die wichtigste Verschleißart ist der körperliche Werteverzehr durch
Gebrauch. Die Abnutzung ist durch den Einsatz im Produktionsprozess bedingt und kann allmählich oder plötzlich eintreten. Natürlicher Verschleiß
(Ruheverschleiß) liegt vor, wenn auch ohne Ingebrauchnahme eine Minderung der Leistungsfähigkeit durch äußere Einflüsse auftritt. Wettereinflüsse
und Naturvorgänge bewirken einen körperlichen Werteverzehr, der sich
durch Verwitterung, Rosten, Zersetzung, Fäulnis u.a. bemerkbar macht. Des
weiteren kann ein Verschleiß durch Substanzverringerung eintreten. Diese
Verschleißart liegt bei Gewinnungsbetrieben vor. Der Abbau von Stoffvorkommen (die Minderung der Substanz) wird als Verschleißvorgang besonderer Art betrachtet. Schließlich kann eine körperliche Wertminderung durch
Katastrophen bedingt sein. Während beim Verschleiß durch Gebrauch und
Ruhe sowie bei der Substanzverringerung von einer gewissen Vorhersehbarkeit der Wertminderung ausgegangen werden kann, ist der Katastrophenverschleiß bei Explosion, Verkehrsunfall, Brand, Wassereinbruch usw. durch
115 Vgl. KOSIOL, E. (Anlagenrechnung), S. 30 ff.
2. Kapitel: Ermittlungsorientierte Systeme der KER98
eine plötzliche und unvorhersehbare teilweise oder vollständige Vernichtung
bzw. Wertminderung gekennzeichnet.
Eine durch Fristablauf bedingte Wertminderung kann sowohl bei materiellen
als auch bei immateriellen Gegenständen auftreten. Das Anlagegut steht der
Unternehmung lediglich eine begrenzte Zeit zur Verfügung. Nach Ablauf der
Frist kann es meist aufgrund rechtlicher Vereinbarungen nicht mehr genutzt
werden, obwohl es danach noch nutzungsfähig ist. Da nach dem Zeitablauf
noch eine technische Nutzungsfähigkeit gegeben ist, spricht man auch von
wirtschaftlicher Entwertung. Beispiele für einen Fristablauf sind die Beendigung von Miet- und Pachtverhältnissen sowie das Ablaufen von Patent- und
Markenschutzrechten.
Eine dritte Wertminderungsursache stellt die so genannte Überholung dar.
Damit meint man die Entwertung durch technische Veralterung der Güter
des Anlagevermögens. Aufgrund technologischer Verbesserungen von Produktionsverfahren bzw. Anlagen oder der Einführung neuartiger Stoffe tritt
eine Wertminderung der verwendeten Anlagegegenstände ein. Da deren
technische Nutzungsmöglichkeit durch den Fortschritt nicht beeinträchtigt
wird, spricht man auch von technisch-wirtschaftlicher Wertminderung. Während die Entwertung durch Verschleiß und Fristablauf als unmittelbar verbrauchsbedingt betrachtet wird, gelten Wertminderungen durch Überholung
als mittelbar verbrauchsbedingt116. Die Wertminderung durch Überholung ist
darauf zurückzuführen, dass technologische Veränderungen auf Märkten
wirksam werden. Daran wird deutlich, dass die Preisentwicklungen auf den
Märkten für Anlagegüter auch für den Wert der in einer Unternehmung genutzten Anlagen relevant sind und die Abschreibungen bestimmen.
Dies tritt noch deutlicher in Erscheinung, wenn diese Preise durch technologische Faktoren sowie Nachfrageverschiebungen, Änderung von Wettbewerbsbedingungen, Konjunktureinflüsse u.ä. sinken. Dann kommt es zu
marktbedingten Wertminderungen, die vom Verbrauch völlig unabhängig
und damit verbrauchsfremd sind. Die letzten beiden Ursachen der Wertminderung von Anlagegegenständen weisen darauf hin, dass Abschreibungen
auch in Abhängigkeit von Marktentwicklungen festzusetzen sind und dafür
die Technologie- und die Preisentwicklung auf diesen Märkten beachtet werden muss. Verbrauchsfremd sind also Wertminderungen, die auf Werteinbußen z.B. bei sinkenden Marktpreisen der Anlagegüter oder auf Wertvernichtung bei immateriellen Anlagegütern zurückzuführen sind.
Die einzelnen Ursachen unterscheiden sich entsprechend Abbildung 2-10 insbesondere durch ihren Ursprung und ihre Vorhersehbarkeit. Dabei können
die Ursachen innerbetrieblich (z.B. Verschleiß durch Gebrauch) oder außerbetrieblich (z.B. Katastrophenverschleiß bei Überschwemmung) veranlasst sein.
Eine Vorhersehbarkeit ist beispielsweise bei Fristablauf gegeben, während die
Wertminderung durch Überholung nur sehr schwer und eine Entwertung
durch Katastrophen praktisch nicht prognostizierbar sind. Ferner können bei
einem Anlagegut auch mehrere Wertminderungsursachen vorliegen (z.B.
Gebrauchs- und Ruheverschleiß).
116 Vgl. KOSIOL, E. (Anlagenrechnung), S. 36 f.
A. Kosten- und Erlösartenrechnung 99
Abb. 2-10: Zusammenhang zwischen Ursachen der Wertminderung und Art der Abschreibung bei Anlagegütern
Im Hinblick auf die einzelnen Wertminderungsursachen ist es zweckmäßig,
zwischen der handelsrechtlichen, der steuerrechtlichen und der kalkulatorischen Abschreibung zu unterscheiden. Diesen Abschreibungsarten liegen unterschiedliche Rechnungsziele zugrunde. Die pagatorische oder handelsrechtliche Bilanzabschreibung beinhaltet eine zeitliche Verteilung der
aktivierten Auszahlungsbeträge (Anschaffungsauszahlungen bzw. Herstellungsaufwand) auf die Nutzungsdauer bzw. Lebensdauer des (abnutzbaren)
Anlagegutes. Neben dem tatsächlichen Anlagenverbrauch durch Verschleiß,
Fristablauf und Überholung wirken auf die Höhe noch andere Tatbestände
wie die Ausnutzung von Bewertungsspielräumen, steuerrechtliche Bestimmungen, Dividendenpolitik, Liquiditätsüberlegungen sowie verbrauchsfremde Markteinflüsse ein.
Für die Kostenrechnung sind die kalkulatorischen Abschreibungenmaßgeblich. Sie sollen die durch die Bereitstellung und den Einsatz der Anlagen entstehenden Kosten zum Ausdruck bringen117. Als kalkulierbare Wertminderungen gelten die genügend vorhersehbaren Werteverzehre der Anlagegüter,
soweit eine verbrauchsbedingte Minderung der technischen und wirtschaftlichen Nutzungsfähigkeit vorliegt. Für die Höhe der kalkulatorischen Abschreibung sind daher der Verschleiß durch Gebrauch, der natürliche Verschleiß, die Substanzverringerung und der Fristablauf bestimmend. Die
117 Vgl. KOSIOL, E. (Anlagenrechnung), S. 26.
Katastrophenverschleiß
Körperliche
Sachanlangen
Sonderabschreibungen
Außerplanmäßige
Abschreibungen
oder
Rückstellungen
oder Wagnisse
nein intern/
extern
Unmittelbar
verbrauchsbedingte
Abschribung
Technische bzw.
wirtschaftliche AfA
Verbrauchsbedingte
Abschreibung
Körperliche
Sachanlagen
extern
nein
intern/
extern
Planmäßige
Abschreibung
Alle
Sachanlagen
Technische bzw.
wirtschaftliche AfA
Sach- und
Finanzanlagen
Außerplanmäßige
Abschreibungen
Rückstellung
möglich
Art der AbschreibungUrsachen der Wertminderung bei Anlagegütern
Ursprung
Wertvernichtung
Verbrauchsbedingte
Abschreibung
Fristablauf
ja extern
ja
Mittelbar
verbrauchsbedingte
Abschreibung
Meist Sonderabschreibungen,
niedrigerer Wert
Planmäßige
Abschreibung
Planmäßige
Abschreibung
Gebrauchsverschleiß
Substanzverringerung
Ruheverschleiß
Körperliche
Sachanlagen
Ursache Vorherseh- Art des Anlage- Handelsrechtliche Steuerrechtliche Kalkulatorische
barkeit gutes Abschreibung Abschreibung Abschreibung
Planmäßige und
außerplanmäßige
Abschreibung
Überholung bedingt extern
Keine kalkulatorische Abschreibung
Gewöhnlich keine
kalkulatorische
Abschreibung,
sondern Erfassung
durch Wagniskosten
ja intern
Alle
Sachanlagen
Technische AfA
bzw. für Substanzverringerung
2. Kapitel: Ermittlungsorientierte Systeme der KER100
Wertminderung durch Katastrophenverschleiß wird gewöhnlich nicht über
kalkulatorische Abschreibungen, sondern über Wagniskosten kostenrechnerisch berücksichtigt. Sofern Versicherungen zur Abdeckung von Schadensfällen abgeschlossen worden sind, stellen die Versicherungsprämien die entsprechenden Kosten dar. Verbrauchsfremde Wertminderungen werden in
der Kostenrechnung nicht berücksichtigt. Die Zusammenhänge zwischen der
Art der Wertminderung bei Anlagegütern und den Abschreibungsarten sind
in Abbildung 2-10 zusammengestellt.
c) Prinzipien der Abschreibungsermittlung
Aus den Bestimmungsgrößen der Abschreibungen, den Rechnungszielen der
Kosten- und Erlösrechnung und den Vorschriften für eine Rechnungslegung
lässt sich eine Reihe von Prinzipien herleiten, welche für die Ermittlung von
Abschreibungen bedeutsam sind.118
Grundlegend für die Ermittlung von Abschreibungen ist, dass sie bewertete
Güterverbräuche wiedergeben. Deshalb sollen sie keine Gewinnbestandteile119 enthalten und in diesem Sinne "erfolgsneutral" sein. Geht man dabei vom
übergeordneten langfristigen Erfolgsziel aus, dann lässt sich diese Anforderung durch das kapitaltheoretische Konzept120 operationalisieren und als Prinzip der kapitaltheoretischen Erfolgsneutralität bezeichnen. Es bringt zum
Ausdruck, dass es sich um Aufwendungen oder Kosten handelt121, und deshalb
im Planungszeitpunkt die Summe aus dem Barwert von Abschreibungen und
dem Barwert der Zinsen für das nach Abzug der Abschreibungen in einer
Anlage gebundene Kapital gleich den Anschaffungskosten sein soll.
Wenn bei der Planung von Abschreibungen Marktentwicklungen außer Acht
bleiben, besteht die Gefahr von Fehlentscheidungen und Fehlsteuerungen.
Daraus leitet sich das Prinzip des Marktbezugs ab. Es verlangt vor allem eine
Prognose der Preis- und der Technologieentwicklung. Im Hinblick auf die
Preise von Einsatzgütern steht der Beschaffungsmarkt im Vordergrund. Jedoch ist zu berücksichtigen, ob und inwieweit dessen Preise über die Herstell- und Selbstkosten der Anbieter auch die Preise auf dem Absatzmarkt
beeinflussen. Derartige Rückwirkungen können vor allem auf regulierten
Märkten eintreten, wenn die Kosten aufgrund rechtlicher Vorschriften für die
Entgeltfestsetzung maßgeblich sind. So schreibt beispielsweise § 24 Abs. 1
Telekommunikationsgesetz vor: "Entgelte haben sich an den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung zu orientieren...". Grundlage der Genehmigung von Entgelten für Telekommunikationsleistungen sind nach § 2 Abs. 2
der Telekommunikations-Entgeltregulierungsverordnung Kostennachweise,
118 Vgl. zum Folgenden KNIEPS, G./KÜPPER, H.-U./LANGEN, R. (Abschreibungen), S. 760 ff.
119 Jedoch können sie im Sinne eines wertmäßigen Kostenbegriffs "entgangene" Gewinne
als Opportunitätskosten umfassen, die auf den Verzicht auf eine anderweitige Nutzung
des Gutes zurückgeführt werden.
120 Vgl. KÜPPER, H.-U. (Unternehmensrechnung), S. 980 ff.
121 Damit fällt die Ertragswertabschreibung (SCHNEIDER, D. (Rechnungswesen 2), S. 41 ff.
und S. 265 ff.) bzw. economic depreciation (BAUMOL, W.J. (Depreciation), S. 641 ff.) nur
dann unter diesen Begriff, wenn der Kapitalwert für die betrachtete Anlage gleich Null
ist.
A. Kosten- und Erlösartenrechnung 101
die sich neben anderen Kostenarten explizit auf die Höhe der Abschreibungen beziehen. Hiervon betroffene Unternehmungen müssen auf der einen
Seite die Auswirkungen ihrer eigenen Abschreibungsermittlung auf die Entscheidungen der Regulierungsbehörde beachten und andererseits deren zu
erwartendes gegenwärtiges und zukünftiges Verhalten in die Formulierung
von Entgeltanträgen einbeziehen. Damit gewinnt die Abschreibungsermittlung eine direkte Bedeutung für die Preisbestimmung.
Deshalb erscheint es für eine Unternehmung zweckmäßig, die Abschreibungen eines Investitionszyklus so auf dessen Perioden zu verteilen, dass die Anschaffungskosten auch bei erwarteten Preissenkungen getragen werden und
keine planmäßigen Verluste entstehen. Wenn sie davon ausgeht, dass sich
Preissenkungen auf ihrem Beschaffungsmarkt über den Marktmechanismus
und/oder über eine Preisregulierung auf ihre erzielbaren Absatzpreise auswirken, hat sie diese Erwartungen schon bei der Investitionsentscheidung für
ein Anlagegut zu berücksichtigen. Sie wird eine Investition aus ökonomischen Gründen nicht tätigen, wenn diese bei erwarteten (Beschaffungs- und
Absatz-) Preisänderungen zu einem Verlust führt.
Rechtliche Rahmenbedingungen sind für die Ermittlung von Abschreibungen
im Prinzip nur in der externen Rechnung maßgeblich, können jedoch auch
die Kostenrechnung beeinflussen. Dann gewinnt ein Prinzip der Übereinstimmung mit den GoB Bedeutung.
Im handelsrechtlichen Jahresabschluss sind nach § 253 Abs. 2 HGB bei Gütern
des Anlagevermögens mit zeitlich begrenzter Nutzung die „Anschaffungsoder Herstellungskosten entsprechend der Zeit oder der Nutzung auf die Jahre der voraussichtlichen Verwendung“122 nach einem Abschreibungsplan zu
verteilen. Dieser gibt vor der ersten Abschreibung an, wie der Wertansatz des
Anlageguts in jedem Geschäftsjahr seiner Nutzung zu ermitteln ist123. Die
Regelungen des HGB sind durch eine eher deterministische Sichtweise gekennzeichnet. „‚Planmäßig‘ heißt auch, dass an dem einmal aufgestellten Plan
grundsätzlich festzuhalten ist. Änderungen sind als Ausnahmen vom Grundsatz
der Bewertungsstetigkeit ... in besonderen Fällen zulässig“ und im Anhang zu
erläutern.124 Unsichere Erwartungen werden damit weniger als Problem der
Planung, denn als Frage der Zulässigkeit von Planänderungen behandelt.
Änderungen der Anschaffungspreise, die mit ausreichender Sicherheit zu
erwarten sind, werden nicht eingehender analysiert und berücksichtigt.125
Auch in der externen Rechnungslegung spielt die Beachtung des Marktes eine Rolle, was sich insbesondere an der Bedeutung des Vorsichtsprinzips als
grundlegendem GoB126 sowie dem Imparitäts- und Niederstwertprinzip
zeigt. Es stellt sich die Frage, ob der hieran erkennbare Marktbezug lediglich
122 BALLWIESER, W. (Abschreibung 2), S. 4.
123 Vgl. BALLWIESER, W. (Abschreibung), S. 31.
124 HOYOS, M./SCHRAMM, M./RING, M. (§253), RdNr. 220.
125 Sie könnten für die Wahl des Abschreibungsverfahrens, z.B. die geometrisch-degressive
Abschreibung, bestimmend sein. Dies wird jedoch in den angegebenen Kommentaren
nicht problematisiert.
126 Vgl. MOXTER, A. (GoB); BALLWIESER, W. (GoB).
2. Kapitel: Ermittlungsorientierte Systeme der KER102
in außerplanmäßigen Abschreibungen oder schon bei der erstmaligen Aufstellung eines Abschreibungsplans seinen Niederschlag finden kann. Wenn
eine Unternehmung zu diesem Zeitpunkt mit ausreichender Zuverlässigkeit
mit Preissenkungen bei den Anlagegütern sowie entsprechenden Preisminderungen im Absatz rechnen muss, könnte sich aus der Differenz zwischen
künftigen Erlösen und den z.B. unter Ansatz linearer Abschreibungen ermittelten Aufwendungen für ihre Produkte ein zu erwartender drohender Verlust ergeben. Dann erscheint die Verwendung eines solchen Abschreibungsverfahrens zumindest problematisch.
Abschreibungen bilden Verrechnungsgrößen, deren Höhe von der verfolgten
Zwecksetzung abhängt. Im Hinblick auf den Planungszweck verlangt das
Prinzip der Entscheidungsrelevanz, dass die planmäßigen Abschreibungen
Informationen über den Einsatz von Anlagegütern zur Bestimmung zieloptimaler (operativer) Entscheidungen liefern. Für Entscheidungen über die Inanspruchnahme längerfristiger Anlagegüter ist der ökonomische Wertverzehr
des eingesetzten Kapitals als Differenz zwischen dem Kapitalwert eines Anlagegutes zu Beginn und am Ende einer Periode bedeutsam127. Mit steuerungsrelevanten Informationen sollen die in einer Unternehmung handelnden Personen für die Umsetzung von Entscheidungen beeinflusst werden.
Hierfür gewinnen verhaltensbestimmende Faktoren an Bedeutung.
d) Abschreibungsverfahren
Für die Bemessung der periodischen (bilanzmäßigen und kalkulatorischen)
Abschreibungshöhe (Abschreibungsrate) sind festzulegen:
(1) Ausgangsbasis der Abschreibungsberechnung,
(2) Abschreibungssumme,
(3) Abschreibungszeitraum,
(4) Abschreibungsverfahren.
Die Ausgangsbasis der Abschreibungen kennzeichnet den Wert, von dem die
periodische Abschreibung bestimmt wird. Bei ihr kann es sich z.B. um die
historischen Anschaffungs- bzw. Herstell(ungs)kosten, die Wiederbeschaffungs- bzw. aktuellen Tagesneupreise oder die aktuellen Tagesgebrauchtwerte
(Zeitwerte) der jeweiligen Periode handeln.
Die Abschreibungssumme ergibt sich aus der Summe aller Abschreibungen
über den gesamten Nutzungs- und Abschreibungszeitraum hinweg. Sie kann
den Gesamtwert eines Anlagegutes (bei Einzelabschreibung) oder einer Gesamtheit von Anlagegütern (bei Sammelabschreibung) repräsentieren. Eine
exakte Rechnung geht gewöhnlich von Einzelabschreibungen aus. Der auf
eine Rechnungsperiode entfallende Abschreibungsbetrag gibt den bewerteten
sachzielbezogenen Verbrauch in dieser Periode wieder. Die Summe der Abschreibungen richtet sich nach der Ausgangsbasis für die periodische Abschreibungsermittlung. Verwendet man als Ausgangsbasis die historischen
127 Die entsprechende theoretische Herleitung der Abschreibung geht bereits auf
HOTELLING, H. (Depreciation) zurück.
A. Kosten- und Erlösartenrechnung 103
Anschaffungs- oder Herstell(ungs)kosten, so stimmt die Abschreibungssumme mit diesen, ggf. unter Abzug eines am Nutzungsdauerende erzielbaren
Liquidationserlöses, überein. Im Fall einer Abschreibung von Tagesneupreisen in jeder Periode ist die Abschreibungssumme bei steigenden (fallenden)
Wiederbeschaffungspreisen größer (kleiner) als die Anschaffungs- bzw.
Herstell(ungs)kosten (ggf. abzüglich Liquidationserlös). Schreibt man in jeder
Periode vom Tagesgebraucht- oder Zeitwert ab, so beginnt die Abschreibung
bei den Anschaffungs- bzw. Herstell(ungs)kosten und endet beim Wert Null
bzw. dem Liquidationserlös. Dann ist die Abschreibungssumme ebenfalls
gleich den Anschaffungs- bzw. Herstell(ungs)kosten.
Als Abschreibungszeitraum gilt die geschätzte, ggf. über eine ökonomische
Optimierung bestimmte Nutzungsdauer des Anlagegutes bzw. im Falle der
zeitlich begrenzten Nutzungsmöglichkeit die verfügbare Zeitdauer. Für die
Bestimmung der wirtschaftlich optimalen Nutzungsdauer ist im Rahmen der
Investitionslehre eine Reihe von Entscheidungsmodellen entwickelt worden128.
Die Abschreibungsquote legt fest, welcher Anteil vom Gesamtwert in den
einzelnen Rechnungsabschnitten des gesamten Abschreibungszeitraumes als
Wertminderung angesetzt wird. Sie hängt von den Wertminderungsursachen
und ihren Wirkungen ab. Die wichtigsten Abschreibungsverfahren oder
-methoden lassen sich entsprechend der Orientierung des Abschreibungsverlaufs an der
? Zeit mit linearer, degressiver oder progressiver Verteilung,
? Inanspruchnahme oder Leistung des Anlagegutes und der
? Zeit mit den jeweiligen Tagesgebrauchtwerten
unterscheiden. Im ersten Fall einer zeitabhängigen Verteilung hat die lineare
Abschreibung konstante, die degressive Abschreibung fallende und die progressive Abschreibung steigende Abschreibungsquoten. Die jeweiligen Quoten bei degressiver (bzw. progressiver) Abschreibung können Regelmäßigkeiten im Sinken (bzw. Steigen) aufweisen oder unregelmäßig sein. Als Regelmäßigkeit kann eine arithmetische oder geometrische Quotenfolge verwendet
werden. Bei der Leistungsabschreibung wird die Abschreibungsquote durch
das Verhältnis von Periodenausbrinung zur Gesamtausbringung bestimmt. Je
nach periodischer Inanspruchnahme oder Leistung kann sich eine konstante,
degressive oder progressive Abschreibung oder ein Kombination aus diesen
ergeben. Für den Fall konstanter Preise für das betrachtete Anlagegut sind in
den Abbildungen 2-11 a und b Beispiele zu diesen Abschreibungsverfahren
angeführt.
128 Vgl. SCHNEIDER, E. (Wirtschaftlichkeitsrechnung), S. 75 ff.; HAX, H. (Investitionstheorie),
S. 30 ff.
2. Kapitel: Ermittlungsorientierte Systeme der KER104
Abb. 2-11a: Beispiel zu den verschiedenen Abschreibungsverfahren: Zeitabhängige
Abschreibung
Beispiel: Abschreibung eines LKW
Anschaffungswert (AW) 100.000 DM
Restwert am Ende der Nutzungsdauer (RW) 10.000 DM
Nutzungsdauer (N) 5 Jahre
Geschätzte Gesamtfahrleistung (B) 180.000 km
Zeitabhängige Abschreibung:
Lineare Abschreibung:
Abschreibungsbetrag:
Periode Buchwert alt Abschreibung Buchwert neu
1 100.000 18.000 82.000
2 82.000 18.000 64.000
3 64.000 18.000 46.000
4 46.000 18.000 28.000
5 28.000 18.000 10.000
Geometrisch-degressive Abschreibung:
Abschreibungsprozentsatz:
Periode Buchwert alt Abschreibung Buchwert neu
1 100.000 36.900 63.100
2 63.100 23.284 39.816
3 39.816 14.692 25.124
4 25.124 9.270 15.854
5 15.854 5.850 10.004
Arithmetisch-degressive (digitale) Abschreibung:
Degressionsbetrag:
Periode Buchwert alt Abschreibung Buchwert neu
1 100.000 6.000 · 5 = 30.000 70.000
2 70.000 6.000 · 4 = 24.000 46.000
3 46.000 6.000 · 3 = 18.000 28.000
4 28.000 6.000 · 2 = 12.000 16.000
5 16.000 6.000 · 1 = 6.000 10.000
a
AW RW
N
18.000?
? ?
d
AW -RW
N(N + 1)
2
6.000? ?
%9,361(100 ???? N
AW
RWp
A. Kosten- und Erlösartenrechnung 105
Annuitätenabschreibung:
Leistungsabhängige Abschreibung:
Annuität a (mit q = 1+i)
Periode Buchwert alt Kapitalkosten Zinskosten Abschreibung Buchwert neu
1 100.000 26.380 10.000 16.380 83.620
2 83.620 26.380 8.362 18.018 65.603
3 65.603 26.380 6.560 19.819 45.783
4 45.783 26.380 4.578 21.801 23.982
5 23.982 26.380 2.398 23.982 0
1
)1(
?
??
?? T
T
q
qqAW
Abschreibungsbetrag pro Leistungseinheit a
Periode Buchwert alt Fahrleistung Abschreibung Buchwert neu
1 100.000 50.000 km 25.000 75.000
2 75.000 30.000 km 15.000 60.000
3 60.000 20.000 km 10.000 50.000
4 50.000 40.000 km 20.000 30.000
5 30.000 40.000 km 20.000 10.000
5,0???
B
RWAW
Abb. 2-11b:Beispiel zu den verschiedenen Abschreibungsverfahren (Fortsetzung):
Leistungsabhängige - sowie Annuitätenabschreibung
In die bisher dargestellten Verfahren gehen nur die Anschaffungs- oder die
Wiederbeschaffungspreise ein. Abschreibungen geben dabei die planmäßige
Wertminderung der jeweiligen Anlage wieder. Eine nähere Analyse des Anlageneinsatzes, wie sie insbesondere für die Bestimmung regulierter Preise
erforderlich ist129, führt jedoch zu der Erkenntnis, dass zwischen Abschreibungen und Zinskosten als den beiden wichtigsten Komponenten der Kapitalkosten ein enger Zusammenhang besteht. Dies wird bei der annuitätischen
Abschreibung explizit berücksichtigt. Sie basiert auf dem aus der (dynamischen) Investitionsrechnung bekannten130 Annuitätenverfahren, bei dem der
Kapitalwert einer Anlage mit dem Wiedergewinnungsfaktor in gleichbleibende Kostenbeträge für alle Perioden ihrer Nutzungsdauer umgerechnet
wird. Die sich ergebenden Periodenkosten umfassen die Abschreibungen und
die Zinskosten.
129 Vgl. hierzu Abschnitt C im 5. Kapitel.
130 Vgl. z.B. Kruschwitz, L. (Investitionsrechnung); Kruschwitz, L. (Finanzierung); Blohm,
H./Lüder, K./Schaefer, C. (Investition).
2. Kapitel: Ermittlungsorientierte Systeme der KER106
Die Annuität a erhält man durch Multiplikation des Anschaffungs- oder Wiederbeschaffungspreises A0 mit demWiedergewinnungsfaktor131:
? ?
1
1
0 ?
??
?? T
T
t q
qqAa
Besondere Probleme der Abschreibungsermittlung ergeben sich im Fall steigender oder fallender Anlagenpreise. In der Kosten- und Erlösrechnung
schreibt man bei steigenden Preisen vielfach von den jeweiligen Tagesneupreisen jeder Periode ab. Dabei kann man wiederum eine lineare, degressive,
progressive oder leistungsabhängige Verteilung vornehmen. Beispiele für
eine lineare und eine geometrisch-degressive Abschreibung von Wiederbeschaffungsneuwerten enthält die Abbildung 2-12 für fallende Preise. Im einfachsten Fall einer linearen Abschreibung wird in jeder Periode der Anteil der
vollen Tagesneuwerte At zum Ende der Periode t an der gesamten Nutzungsdauer T angesetzt:
T
Aa t
TNW
t
1
??
Jedoch kann man bei Preisänderungen die Abschreibung auch von den jeweiligen Tagesgebraucht- oder Zeitwerten vornehmen; das sich ergebende Verfahren wurde auch ökonomische Abschreibung genannt132; aussagefähiger
erscheint der Ausdruck Tagesgebrauchtwertabschreibung. Gibt At den Tagesneupreis für eine nicht gebrauchte Anlage am Ende der Nutzungsperiode
t an und wird (aus Vereinfachungsgründen) ein linearer Verschleiß unterstellt, so erhält man die Tagesgebrauchtwertabschreibung a t für die Periode t
t
tTA
T
tTAa tt
TGW
t
)()1(
1
?
??
??
?? ?
Das zentrale Merkmal dieser Abschreibungsmethode liegt darin, dass in jeder
Periode die Differenz zwischen den Tagesgebrauchtwerten abgeschrieben
wird. Diese ergeben sich durch Multiplikation der Tagesneupreise (A t-1 bzw.
A t) mit dem Verhältnis zwischen der Rest- und der Gesamtnutzungsdauer
(T-(t-1))/T am Periodenanfang bzw. (T-t)/T am Periodenende. In diesem Verfahren geht man also in der ersten Nutzungsperiode von den Anschaffungs-
(bzw. Herstellungs-) Kosten als Ausgangsbasis aus und ermittelt den Abschreibungsverlauf zeitabhängig; jedoch richtet sich die Höhe der Abschreibungen nach den erwarteten Beschaffungspreisänderungen des Anlagegutes.
Wie bei dem oben gekennzeichneten Verfahren der Abschreibung von Tagesneupreisen berücksichtigt man die jeweils auf dem Markt geltenden Anlagenpreise, bezieht diese aber auf das Anlagenalter im Betrachtungszeitpunkt133. Die periodische Abschreibung gibt damit die durch die Nutzung
der Anlage und durch Preisänderungen auf dem Beschaffungsmarkt bewirk-
131 Dabei ist q = 1+i, wobei i der Nominalzins ist.
132 Vgl. KNIEPS, G./KÜPPER, H.-U./LANGEN, R. (Abschreibungen).
133 Bei dem in der Kostenrechnung üblichen Verfahren werden die Abschreibungen dagegen entsprechend dem Beispiel in Abbildung 2-12 unmittelbar als Anteile an der Gesamtnutzungsdauer (1/T) von den jeweiligen Wiederbeschaffungsneupreisen am Periodenende (A t) gerechnet.
A. Kosten- und Erlösartenrechnung 107
Zeitpunkt 0 1 2 3 4 Barwert
Zinssatz 0,100
Preisänderung -0,050 200 190,00 180,50 171,48 162,90
Lineare Abschreibung von Anschaffungspreisen:
o AfA 50,00 50,00 50,00 50,00
o Zinsen nominal 0,10 20,00 15,00 10,00 5,00 200
Geometrisch-degressive Abschreibung von Anschaffungspreisen:
o AfA 0,50 100,00 50,00 25,00 25,00
o Zinsen nominal 0,10 20,00 10,00 5,00 2,50 200
Leistungsabschreibung von Anschaffungspreisen:
Geplante Leistungen 10 20 30 40
o AfA 20,00 40,00 60,00 80,00
o Zinsen 20,00 18,00 14,00 8,00 200
Lineare Abschreibung von Wiederbeschaffungspreisen:
o AfA 47,50 45,13 42,87 40,73
o Zinsen nominal 0,10 19,00 13,54 8,57 4,07 178,18
real 0,16 30,00 21,38 13,54 6,43 200
Geometrisch-degressive Abschreibung von Wiederbeschaffungspreisen:
o AfA 0,50 95,00 45,13 21,43 20,36
o Zinsen nominal 0,10 19,00 9,03 4,29 2,04 183,01
o Zinsen real 0,16 30,00 14,25 6,77 3,22 200
Annuitätenmethode:
o AfA+Zinsen nominal 0,10 63,09 63,09 63,09 63,09 200
Annuitätenmethode mit Preisanpassung:
o AfA+Zinsen k = 0,338 67,62 64,24 61,02 57,97 200
Ökonomische Abschreibung nach der Zeit:
o AfA 57,50 52,25 47,38 42,87
o Zinsen nominal 0,10 20,00 14,25 9,03 4,29 200
Ökonomische Abschreibung nach der Inanspruchnahme:
o Geplante Leistungen 10 20 30 40
o AfA 29,00 44,65 57,76 68,59
o Zinsen nominal 0,10 20,00 17,10 12,64 6,86 200
te Wertminderung des genutzten Anlagegutes wieder. Im Unterschied zur
Abschreibung zu Tagesneupreisen stimmt bei der Tagesgebrauchtwertabschreibung die Summe der geplanten Abschreibungsbeträge mit den Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten überein.
Auch das annuitätische Abschreibungsverfahren lässt sich für Preisänderungen erweitern. Dazu multipliziert man den Anschaffungswert A0 mit der
Preisänderung p zum Periodenanfang (1+p) t-1 und berücksichtigt die Preis-
änderungsrate p auch im Wiedergewinnungsfaktor. Die Annuität at ann PÄ aus
Abschreibung und Zinsen am Ende der Periode t ist dann:
T
t
T
tPÄAnn
t
i
p
pipA
q
p
pipAa
?
?
?
?
?
?
?
?
?
?
????
??
?
?
??
?
? ?
?
?
???? ??
1
11
)()1(
11
)()1( 10
1
0
Abbildung 2-12 zeigt ein Beispiel für diese verschiedenen Abschreibungsverfahren für eine Preissenkung um 5 %.
Abb. 2-12: Vergleich verschiedener Abschreibungsverfahren bei einmaligem Investitionszyklus und Preissenkungen
2. Kapitel: Ermittlungsorientierte Systeme der KER108
Die kalkulatorische und die bilanzmäßige Abschreibung können betragsmä-
ßig differieren. Dafür ist die Zugrundelegung unterschiedlicher Abschreibungssummen, Abschreibungszeiträume und/oder Abschreibungsverfahren
bestimmend. Die auftretenden Bewertungsdifferenzen sind buchhalterisch
z.B. entsprechend Abbildung 2-13 über ein Abgrenzungskonto zu erfassen.
Abb. 2-13: Buchung der kalkulatorischen und der bilanziellen Abschreibung im Gemeinschaftskontenrahmen
e) Vergleich der Abschreibungsverfahren im Hinblick auf die Prinzipien
der Abschreibungsermittlung
Für die Auswahl eines Abschreibungsverfahrens in der Kosten- und Erlösrechnung ist wesentlich, inwieweit es die jeweiligen Rechnungsziele erfüllt.
Deshalb sind die wichtigsten Verfahren im Hinblick auf die unter c) formulierten Prinzipien der Abschreibungsermittlung zu vergleichen.
Zur Überprüfung der kapitaltheoretischen Erfolgsneutralität sind in Abb. 2-
12 die Summen aus Abschreibungen und Zinsen mit einem Nominalzinssatz
von i=0,1 auf den Anschaffungszeitpunkt t=0 abgezinst und addiert. Der sich
ergebende Barwert ist in der letzten Spalte ausgewiesen. Die Zahlenbeispiele
veranschaulichen, dass die lineare, die geometrisch-degressive und die Leistungsabschreibung von den Anschaffungspreisen ebenso wie die Annuitätenmethoden und die ökonomische Abschreibung die Bedingung der kapitaltheoretischen Erfolgsneutralität einhalten.
Angaben:
Anschaffungswert einer Maschine (AW) 10.000 €
Bilanzielle Abschreibung (BA) 2.000 €
Kalkulatorische Abschreibung (KA) 1.800 €
0 Maschine 2 Bilanzabschreibung
AW 10.000 BA 2.000 Maschine 2.000 NE 2.000
Schlußbilanz 8.000
10.000 10.000
4 Kalkulatorische 2 Verrechnete
Abschreibung kalkulatorische Abschreibung
Verr.KA 1.800 BE 1.800 NE 1.800 KA 1.800
9 Betriebsergebnis (BE) 9 Neutrales Ergebnis (NE)
KA 1.800 GuV 1.800 BA 2.000 Verr.KA 1.800
GuV 200
2.000 2.000
9 Unternehmensergebnis (GuV)
Betriebsergebnis 1.800 Schlußbilanz 2.000
Neutrales Ergebnis 200
2.000 2.000
A. Kosten- und Erlösartenrechnung 109
Dabei ist unterstellt, dass Abschreibungen jeweils am Periodenende vorgenommen werden und damit erst am Periodenende das zu verzinsende Kapital vermindern. In den traditionellen Rechnungen ist es dagegen weithin üblich, als gebundenes Kapital den Durchschnitt aus Anfangs- und Endbestand
(nach Abzug der Abschreibungen) anzusetzen. Dahinter steht die Überlegung, dass sich über kontinuierliche Einzahlungen für verkaufte Produkte die
Kapitalbindung während der Periode laufend verringert. Dafür müssten auch
ein entsprechend kontinuierlicher Erlöszugang für Abschreibungen und hierauf entstehende Zinserlöse eingerechnet werden. Die Summe aus Kapitalbestand und Abschreibungen führt in jedem Zeitpunkt innerhalb der Periode
zum Kapitalbestand des Periodenanfangs. Deshalb entspricht die Summe aus
Zinsen auf einen abnehmenden Kapitalbestand und zurückgeflossenen Abschreibungen bei kontinuierlicher Abschreibungsverrechnung den Zinsen
einer Abschreibungsverrechnung am Periodenende.
Die kapitaltheoretische Erfolgsneutralität der linearen und der degressiven
Abschreibungen von den historischen Anschaffungskosten sowie der ökonomischen Abschreibung ist darauf zurückzuführen, dass die Summe ihrer
Abschreibungen den Anschaffungskosten entspricht. Allgemein lässt sich
zeigen, dass unter dieser Bedingung der Barwert der Summe aus Abschreibungen und Zinsen zum Nominalzins gleich den Anschaffungskosten ist134.
Es lässt sich allgemein beweisen135, dass sich die Erfolgsneutralität für die
Abschreibung von Wiederbeschaffungsneupreisen, bei der die Abschreibungssumme nicht die historischen Anschaffungskosten ergibt, nur bei einer
Berechnung der periodischen Zinskosten der Anlage mit dem um die Preis-
änderungsrate j der Anlage korrigierten 'spezifischen Realzins' r = (i-j)/(1+j)
einstellt, der i.d.R. von dem mit der allgemeinen Inflationsrate bestimmten
Realzins abweicht.
Soweit sich die Abschreibungsverfahren ausschließlich an den historischen
Anschaffungskosten orientieren, werden Preisänderungen am Beschaffungsund Absatzmarkt sowie Technologie-, Nachfrage- und andere Entwicklungen
nicht berücksichtigt. Bei Leistungsabschreibungen ist dagegen die Inanspruchnahme der Anlagen auch von Marktentwicklungen beeinflusst, jedoch
bleiben Beschaffungspreisänderungen bei der Ermittlung der Abschreibungen außer Ansatz.
Dagegen beziehen die Abschreibung von den Wiederbeschaffungsneupreisen
sowie die ökonomische Abschreibung die Preisentwicklung auf dem Beschaffungsmarkt explizit mit ein. In den Anlagewerten jeder Periode können sich
auch andere Entwicklungen als Preisänderungen niederschlagen oder zum
Ausdruck gebracht werden. Damit erfüllen diese Abschreibungsverfahren
die Anforderung desMarktbezugs in höherem Maße.
Abschreibungen von den jeweiligen Wiederbeschaffungspreisen erfüllen die Anforderungen der handelsrechtlichen Rechnungslegung nicht, da die Summe
ihrer Abschreibungsbeträge i. a. von den historischen Anschaffungs- bzw.
134 Vgl. KNIEPS, G./KÜPPER, H.-U./LANGEN, R. (Abschreibungen), S. 776.
135 Einen weniger umfassenderen Beweis für die Endwertberechnung zeigt SWOBODA, P.
(Anschaffungswertorientierung), S. 381.
2. Kapitel: Ermittlungsorientierte Systeme der KER110
Herstellungskosten abweicht. Diese Anforderung wird von der ökonomischen Abschreibung erfüllt, obwohl auch sie die Wiederbeschaffungspreise
in Form der jeweiligen Tagesgebrauchtwerte einbezieht, solange die Tagesgebrauchtwerte bei Preissteigerungen nicht über die Anschaffungspreise hinausgehen. Bei ihr werden dem Abschreibungsplan die erwarteten Preisänderungen zugrunde gelegt. Damit handelt es sich um eine nachprüfbare Verteilung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten. In Beschaffungsmärkten
mit fallenden Preisen, die mit ausreichender Zuverlässigkeit zu erwarten
sind, können dadurch außerplanmäßige Abschreibungen eher vermieden136
werden als durch lineare Abschreibungen137. Da dem Verfahren der ökonomischen Abschreibung ein Abschreibungsplan mit den im Anschaffungszeitpunkt erwarteten Preisänderungen zu Grunde liegt, erscheint es nicht prinzipiell mit den GoB unvereinbar, seine handelsrechtliche Zulässigkeit also möglich. Treten über den Abschreibungsplan hinausgehende, nicht erwartete
Preissenkungen auf, so kann dies ein Abgehen vom Abschreibungsplan erforderlich machen.
Das Prinzip der Entscheidungsrelevanz erfordert eine Ausrichtung auf das
auch langfristig maßgebliche Erfolgsziel sowie die Berücksichtigung der jeweiligen Entscheidungssituation. Mit dem kapitaltheoretischen Prinzip der
Erfolgsneutralität wird eine Verbindung zum Kapital- bzw. Marktwert als
einem zentralen mehrperioden Erfolgsziel der Unternehmung hergestellt.
Trotz seiner Einhaltung liefern die Abschreibungsverfahren, welche die Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu historischen oder zu Wiederbeschaffungsneupreisen verteilen, keine für kurzfristige Entscheidungen relevanten
Informationen. In längerfristige Entscheidungen könnten sie höchstens als
Näherungswerte eingehen138. Die Verwendbarkeit für Entscheidungszwecke
erscheint bei der ökonomischen Abschreibung in den Fällen höher, wo die
Unternehmung damit rechnen muss, dass aufgrund von Marktzusammenhängen oder Regulierungsbedingungen eine Beziehung zwischen den Preisentwicklungen auf ihren Beschaffungs- und Absatzmärkten besteht.
Für die Prüfung der Steuerungsrelevanz ist ein Bezug zu den Größen herzustellen, welche zum Beispiel wie monetäre Anreize das Verhalten der zu
steuernden Personen beeinflussen. Ferner kann deren asymmetrischer Informationsstand von Bedeutung sein. Hierzu benötigt man Ansätze, wie sie beispielsweise in der Agencytheorie139 entwickelt werden. Für diese können andere Aspekte von Bedeutung sein, als sie für die gängigen Abschreibungsverfahren bestimmend sind. Wenn die Unternehmensleitung beispielsweise im
Unterschied zu den Unternehmensbereichen lediglich Kenntnisse über die
136 Auf diese Anforderung weisen hin HOYOS, M./SCHRAMM, M./RING, M. (§253), RdNr.
239.
137 Sowohl in den USA und Kanada als auch in Großbritannien, bei denen die Informationsfunktion in der externen Rechnungslegung im Vordergrund steht, werden entscheidungsorientierte Kostenkalkulationen zumindest als ergänzende Information zu konventionellen historischen Buchhaltungsdaten verlangt. (vgl. ATKINSON, A.A./SCOTT,
W.R. (Depreciation)).
138 Vgl. KÜPPER, H.-U. (Fundierung), S. 32 und S. 41 ff.
139 Vgl. u.a. EWERT, R./WAGENHOFER, A. (Unternehmensrechnung), S. 423 ff. sowie Kapitel
4., Abschnitt B.I.1., S. 619 ff.
A. Kosten- und Erlösartenrechnung 111
Struktur des Verlaufs der Erlöse, aber nicht über deren Höhe besitzt, erweist
es sich als zweckmäßig, die in eine Prämienbemessungsgrundlage eingehenden Abschreibungen daran auszurichten140. Dementsprechend könnte es sich
als zweckmäßig erweisen, die ökonomische Abschreibung in den Fällen in
eine Prämienbemessungsgrundlage einzubinden, in denen eine Unternehmung davon ausgehen kann, dass sich Preisänderungen auf ihrem Absatzmarkt ähnlich wie auf ihrem Beschaffungsmarkt entwickeln.
5. Erfassung weiterer Kostenarten
a) Kosten für Fremddienste, Rechtsgüter und Informationen
In den meisten Fällen bereitet die Erfassung der Kosten für Fremddienste
keine besonderen Schwierigkeiten. Dabei ist zu prüfen, ob und inwieweit die
Kosten für bestimmte Produkte, Produktgruppen, Kostenstellen oder Kostenbereiche anfallen und ob sie diesen direkt zurechenbar sind. Ihre Höhe
wird in der Regel durch die gesonderte Angabe der Einsatzzeit und des Preises pro Zeiteinheit errechnet, so dass eine getrennte Mengen- und Preiserfassung vorliegt.
Zu den Kosten für Rechtsgüter gehören insbesondere die Gebühren für Lizenzen und Patente. Diese werden meist als Sonderkosten erfasst und können
bestimmten Produkten oder Produktgruppen als Sondereinzelkosten direkt
zugerechnet werden. Es hängt von der Art der Rechtsgüter und der jeweiligen Berechnungsgrundlage für die Gebühren ab, ob der Kostenbetrag nach
Mengen- und Preiskomponente getrennt oder als undifferenzierter Wert erfasst wird.
Die Erfassung von Informationskosten bereitet sehr oft Schwierigkeiten, weil
sich Informationsmengen lediglich begrenzt messen lassen. Wesentliche Teile
der Informationskosten einer Unternehmung können z.B. Kosten für die elektronische Datenverarbeitung und für die Marktforschung sein. Sie können in
gewissen Fällen für einzelne Kostenstellen bzw. Kostenbereiche oder für eine
Produktart bzw. Produktgruppe erfasst werden. Wenn beispielsweise eine
Marktanalyse allein für eine Produktart vorgenommen wurde, sind die entstandenen Informationskosten dieser Produktart direkt zurechenbar. Jedoch
lassen sie sich nicht jeder hergestellten Einheit zuordnen. Eine Verrechnung
auf die Produkteinheit kann nur über eine Schlüsselung erfolgen.
b) Wagniskosten
Der Zwangsverbrauch aufgrund technisch-ökonomischer Vernichtung (z.B.
Katastrophenverschleiß) wird in der Kostenartenrechnung durch Wagniskosten erfasst. Da die Unternehmung keine vollkommene Information über
zukünftige Entwicklungen und Ereignisse besitzt, ist ihre Tätigkeit stets mit
der Übernahme von Wagnissen verbunden. Dabei kann man ein allgemeines
Unternehmerrisiko und spezielle Einzelwagnisse unterscheiden. Die speziel-
140 Vgl. REICHELSTEIN, S. (Decisions); PFAFF, D. (Unternehmenssteuerung), S. 491 ff.;
WAGENHOFERA./RIEGLER, C. (Investitionsanreize), S. 70 ff.
2. Kapitel: Ermittlungsorientierte Systeme der KER112
len Wagnisse beziehen sich auf einzelne Vernichtungsursachen der Güter
und sind anhand von Erfahrungswerten bis zu einem gewissen Grad erfassbar. Das allgemeine Unternehmerrisiko ergibt sich aus grundlegenden Bestimmungsgrößen für den Erfolg der Unternehmung wie der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, die z.B. im Konjunkturverlauf, in Preisniveauänderungen und im Außenhandel ihren Ausdruck findet. Daher geht man davon
aus, dass es aus dem Gewinn zu decken ist und keine Kosten(-art) begründet.
Die speziellen Einzelwagnisse können durch Fremdversicherungen abgedeckt oder von der Unternehmung selbst getragen werden. Fremdversicherungen werden vor allem für Katastrophenfälle wie Brand, Unfall und Diebstahl sowie die hierdurch entstehenden Betriebsunterbrechungen abgeschlossen. Für die Unternehmung fallen dabei Kosten in Höhe der laufenden Versicherungsprämien an. Die von der Unternehmung selbst getragenen speziellen Wagnisse sind so zu erfassen, dass sich die kalkulatorisch verrechneten
Wagniskosten und die entsprechenden tatsächlichen Auszahlungen für die
Verluste auf lange Sicht ausgleichen. Der Eintritt dieser Verluste ist zufallsbedingt und kann starken Schwankungen unterliegen. Deshalb wird langfristig eine gleichmäßige zeitliche Verteilung der effektiven Auszahlungen angestrebt. Diese ist durchführbar, sofern sich aus der Erfahrung mehrerer Jahre
eine durchschnittliche Höhe messen oder versicherungsmathematisch ermitteln lässt. Zu den speziellen Einzelwagnissen können insbesondere das Beständewagnis, das Anlagenwagnis und das Mehrkostenwagnis sowie die
Wagnisse für Garantieleistungen und Debitorenverluste gerechnet werden.
Weitere spezielle Wagnisse wie Wasser- oder Gas- und Explosionsschäden,
können sich aus der Art des Produktionsprogramms bzw. des Produktionsverfahrens ergeben. Das Beständewagnis bezieht sich auf die Gefahr einer
Minderung der Materialvorräte durch Schwund, Veralterung oder ähnlichem. Es ist abhängig von der Art und dem Wert der gelagerten Materialien
sowie der Lagerdauer. Als Anlagenwagnis wird die Gefahr bezeichnet, dass
die Abschreibungen durch eine falsche Schätzung der Nutzungsdauer von
Anlagen nicht dem tatsächlichen Verbrauch entsprechen. Durch die Berücksichtigung von Mehrkostenwagnissen sollen Minderungen im laufenden
Produktionsprozess wie Ausschuss und notwendige Nacharbeiten erfasst
werden. Wesentliche Teile der Wagniskosten machen ferner die Kosten für
Gewährleistungen und für Debitorenverluste aus. Vielfach muss die Unternehmung gegenüber ihren Kunden eine gesetzlich geregelte Garantie übernehmen. Die tatsächliche Gewährleistung kann dabei aus absatzpolitischen
Gründen über eine vertraglich vereinbarte bzw. eine gesetzlich bindende hinausgehen. Diese tatsächlich übernommene Garantie muss durch die kalkulatorischen Kosten für Gewährleistungswagnisse in der Kostenartenrechnung
erfasst werden. Das Debitorenwagnis bezieht sich auf die Möglichkeit des
Ausfalls von Forderungen.
c) Zinskosten
Als Kosten des eingesetzten Kapitals werden in der Kostenrechnung üblicherweise nicht die tatsächlich gezahlten Fremdkapitalzinsen erfasst, sondern
kalkulatorische Zinsen auf das gesamte, zur Leistungserstellung notwendige
A. Kosten- und Erlösartenrechnung 113
Kapital verrechnet. Würden nur Fremdkapitalzinsen einbezogen, so wäre die
Höhe der Zinskosten von der Kapitalstruktur der Unternehmung abhängig.
Deshalb werden die Fremdkapitalzinsen als neutrale Aufwendungen gebucht. Bei den kalkulatorischen Zinsen sieht man als Mengenkomponente das
während einer Abrechnungsperiode durchschnittlich gebundene betriebsnotwendige (betriebsbedingte) Kapital an, welches der Unternehmung nicht
als zinsloses Fremdkapital überlassen wurde.
Betriebsnotwendig ist das zur Erfüllung des Sachziels erforderliche Kapital.
Es wird gebildet aus den einzelnen Kapitalgütern, die im Produktionsprozess
eingesetzt werden. Daher sollte man bei seiner Ermittlung entsprechend dem
in Abbildung 2-14 berechneten Beispiel nicht von den Passivposten der Bilanz, sondern von den verschiedenen Vermögensteilen auf der Aktivseite
ausgehen. Hierbei sind diejenigen Teile des Vermögens auszuscheiden, welche nicht der Erreichung des Sachziels der Unternehmung dienen. Dazu gehören beispielsweise Privatautos, Privatgrundstücke oder -gebäude sowie
Wertpapiere und Beteiligungen. Die Güter des Anlagevermögens sind mit
ihren Anschaffungsauszahlungen, vermindert um die kalkulatorischen Abschreibungen, anzusetzen. Zur Bestimmung des während der gesamten Abrechnungsperiode gebundenen Kapitals geht man beim Anlage- und Umlaufvermögen jedoch nicht von den am Bilanzstichtag ausgewiesenen Beträgen, sondern von Durchschnittsbeträgen aus. Gegebenenfalls sind bei der
Erfassung des betriebsnotwendigen Kapitals noch Wertberichtigungen zu
berücksichtigen. So ist z.B. von den Forderungen das Delkredere abzuziehen.
Im Gegensatz dazu setzt man in der traditionellen Kostenrechnung üblicherweise den gesamten Forderungsbetrag als gebundenes Kapital an141.
141 Vgl. Kapitel 3., Abschnitt A.IV.2.d), S. 248 ff.
2. Kapitel: Ermittlungsorientierte Systeme der KER114
Berechnung der € €
kalkulatorischen Zinsen
Summe Aktiva (1.420.000 + 1.470.000) : 2 = 1.445.000
- Nicht betriebsnotwendiges
Vermögen: - 230.000
Grundstück mit Privatwohnung (80.000 + 70.000) : 2 = 75.000
Wertpapiere des (50.000 + 60.000) : 2 = 55.000
Umlaufvermögens
Wertberichtigungen auf (70.000 + 90.000) : 2 = 80.000
Maschinen
Wertberichtigungen auf (20.000 + 20.000) : 2 = 20.000
Fordungen
= Durchschnittlich gebundenes
betriebsnotwendiges
Vermögen 1.215.000
- Abzugskapital: - 510.000
Rückstellungen (110.000 + 110.000) : 2 = 110.000
Verbindlichkeiten aus (320.000 + 340.000) : 2 = 330.000
Lieferungen und Leistungen
Erhaltene Anzahlungen (65.000 + 75.000) : 2 = 70.000
= Zinsberechtigtes Kapital 705.000
· Kalkulatorischer Zinssatz 10%
= Kalkulatorische Zinsen 70.500
Abb. 2-14: Beispiel zur Berechnung von kalkulatorischen Zinsen
Das betriebsnotwendige Kapital ist zur Bestimmung des zinsberechtigten
Kapitals um das Abzugskapital zu vermindern. Dies ist notwendig, sofern
Teile enthalten sind, für die der Unternehmung keine Zinsen entstehen, obwohl sie Fremdkapital sind und keine Schenkung von Privaten darstellen.
Daher zählen zum Abzugskapital z.B. Anzahlungen von Kunden, Lieferantenkredite oder langfristige Rückstellungen. Die Bestimmung kann im Einzelfall jedoch sehr problematisch sein. Es ist nämlich zu prüfen, ob Zinsen bei
der Preisfestsetzung indirekt eingerechnet worden sind und das Kapital da-
1.470.000
Aktiva Passiva
- Grundstück mit - Grundkapital 500.000 500.000
Fabrikhalle 100.000 120.000 - Offene Rücklagen 150.000 150.000
- Grundstück mit - Wertberichtigungen
Privatwohnung 80.000 70.000 auf Maschinen 70.000 90.000
- Maschinen 600.000 660.000 - Wertberichtigungen
- Betriebs- und auf Forderungen 20.000 20.000
Geschäfts- - Rückstellungen 110.000 110.000
ausstattung 70.000 80.000 - Darlehen 150.000 180.000
- Roh-, Hilfs- und - Verbindlichkeiten
Betriebsstoffe 130.000 110.000 aus Lieferungen
- Erzeugnisse 140.000 120.000 und Leistungen 320.000 340.000
- Forderungen 120.000 140.000 - Erhaltene
- Schecks und Anzahlungen 65.000 75.000
Kasse 130.000 110.000
- Wertpapiere des - Bilanzgewinn 35.000 5.000
Umlaufvermögens 50.000 60.000
Summe 1.420.000 1.470.000 Summe 1.420.000
31.12.01 31.12.02 31.12.01 31.12.02
A. Kosten- und Erlösartenrechnung 115
mit in Wirklichkeit nicht zinslos zur Verfügung steht142. Wenn man davon
ausgehen muss, dass die Kunden für die Bereitstellung von unverzinslichem
Kapital in Form von Anzahlungen, Lieferantenkrediten usw. günstigere Preis
fordern und erhalten, handelt es sich um ‚implizite Kapitalkosten‘ 143. Da
diese auf entgangenen Umsatzerlösen beruhen, ist ihre Abschätzung schwierig. Plausibel erscheint dann die Annahme, dass sie dieselben Zinsen wie das
restliche Fremdkapital verursachen. Derartige, formell zinslos zur Verfügung
stehende Fremdkapitalanteile, für die implizite Kapitalkosten in Form von
Opportunitätskosten begründet sind, gehören ebenfalls zum zinsberechtigten
Kapital.
Die Multiplikation des zinsberechtigten betriebsnotwendigen Kapitals mit
einem einheitlichen Zinssatz ergibt die kalkulatorischen Zinsen. Während
sich in der traditionellen Kostenrechnung ihre Höhe meist vom landes- oder
branchenüblichen Zinssatz ableitet, ermöglicht die moderne Kapitaltheorie
eine wesentlich besser fundierte Begründung und Ermittlung des Zinssatzes.
Das sich aus ihr ergebende Konzept wird inzwischen auch in der Praxis vielfach angewandt. Maßgeblich ist dabei, dass man auch in der Kosten- und Erlösrechnung von dem übergeordneten langfristigen Ziel der Marktwert- oder
Shareholder Value-Orientierung144 und den Zahlungsströmen ausgeht.
Grundlegend ist die Sichtweise, dass sich die Zinssätze aus den Ansprüchen
der Kapitalgeber für die Bereitstellung von Eigen- oder Fremdkapital ableiten. Diese umfassen Zinsen für die Kapitalüberlassung einschließlich einer
Prämie für das vom Kapitalgeber zu tragende Risiko, welches bei Anteilseignern höher als bei Kreditgebern ist. Die Kapitaltheorie hat insoweit das bisherige Vorgehen der Kostenrechnung bestätigt, dass – im Unterschied zur Bilanzrechnung – in ihr auch Zinskosten auf das Eigenkapital zu verrechnen
sind. Anteilseigner sind nämlich nur dann bereit, ihr Kapital in einer Unternehmung zu investieren, wenn sie die Chance haben, entsprechende Einnahmen in Form von Dividenden, Wertsteigerungen ihrer Anteile am Kapitalmarkt u.ä. zu erzielen.
Setzt man wie üblich in der Kosten- und Erlösrechnung einen einheitlichen
Zinssatz an, so ist dieser als gewogener Durchschnitt zwischen dem für
Fremdkapital FK gezahlten Zinssatz rFK und dem für Eigenkapital EK geforderten Zinssatz rEK. Dieser entspricht dem Kalkulationszinsfuß der Investitionsrechnung. In der Praxis verwendet man dazu häufig den Ansatz des
‚Weighted Average Cost of Capital‘ (WACC)145:
FKEK rFKEK
FKr
EK
EKWACC ?
?
??
?
?
FK
(2-1)
Für das eingesetzte Fremdkapital sind die tatsächlich gezahlten bzw. zu zahlenden Zinsen maßgebend. Die Eigenkapitalkosten haben den Charakter von
142 Vgl. MELLEROWICZ, K. (Kosten II, 1), S. 420 und 435 f.; WÖHE, G. (Betriebswirtschaftslehre), S. 1097.
143 Vgl. zum folgenden SCHWETZLER, B. (Kapitalkosten), S. 99.
144 Vgl. hierzu genauer Kapitel 3., Abschnitt A.I.1., S. 205 ff.
145 Vgl. BREALEY, R.A./MYERS, S.C./ALLEN, F. (Principles), S. 524 ff. Auf die Berücksichtigung von Steuern wird an dieser Stelle nicht eingegangen.
2. Kapitel: Ermittlungsorientierte Systeme der KER116
Opportunitätskosten. Diese entsprechen der erwarteten Rendite, welche die
Anteilseigner bei der besten vergleichbaren Anlagealternative, die dasselbe
Risiko aufweist, erzielen können.
Ein wichtiges Problem besteht darin, wie man die Eigenkapitalkosten theoretisch fundiert und im Falle unterschiedlicher Anteilseigner möglichst objektiv
aus empirischen Daten ermitteln kann. Dazu greift man meist auf das mit
Hilfe der Portefeuilletheorie entwickelte Capital Asset Pricing Model
(CAPM)146 zurück. Trotz einer Vielzahl theoretischer Einwände147 steht gegenwärtig kaum ein anderes Konzept bereit, über das sich das Risiko und der
Zinssatz für Eigenkapital aus Kapitalmarktdaten einigermaßen willkürfrei
herleiten lässt148. Nach dem CAPM ist das Risiko einer Investition über die
Kovarianz ihrer Rendite mit der Marktrendite zu messen. Das Marktportfolio
wird aus der Menge aller in einer Wirtschaft verfügbaren riskanten Investitionen gebildet, die näherungsweise durch einen marktbreiten Aktienindex
wie den DAX repräsentiert wird. Die erwartete Rendite einer einzelnen Aktie
ergibt sich als lineare Funktion aus dem Zinssatz i für die risikolose Kapitalanlage und einer Risikoprämie, die sich multiplikativ aus dem für diese Anlage geltenden Risiko ? und dem Marktpreis für eine Risikoeinheit (rm - i) zusammensetzt.
)( irir mEK ???? ? (2-2)
Der Betafaktor der jeweils betrachteten Kapitalanlage lässt sich bei börsennotierten Unternehmungen empirisch über eine Regression aus vergangenen
Kursschwankungen bestimmen. Er bringt das spezifische Risiko der Unternehmung im Vergleich zum Marktrisiko zum Ausdruck und misst die Volatilität eines Aktienkurses im Vergleich zur Volatilität des gesamten Marktes.
Als risikoloser Zinssatz kann beispielsweise der Zinssatz für langfristige Anleihen der öffentlichen Hand herangezogen werden. Wenn dieser z.B. 6 %
beträgt, in langfristigen empirischen Untersuchungen eine Risikoprämie für
Eigenkapital (rm - i) in Höhe von ca. 5 % festgestellt wurde149 und sich für eine
Unternehmung ein Betafaktor150 von 1,1 ergibt, kommt man zu einem Eigenkapitalkostensatz von
5,111,156 ????EKr %
Beläuft sich das eingesetzte Fremdkapital beispielsweise auf 60 % des Gesamtkapitals und sind dafür 7 % Zinsen zu bezahlen, so erhält man einen
gewogenen Kapitalkostensatz in Höhe von:
WACC = 0,4 · 11,5 + 0,6 · 7 = 8,8 %.
146 Vgl. SHARPE, W.F. (Asset Prices); LINTNER, J. (Valuation); MOSSIN, J. (Equilibrium); vgl.
sekundär BREALEY, R.A./MYERS, S.C./ALLEN, F. (Principles), S. 195 ff.; FRANKE, G./HAX,
H. (Finanzwirtschaft), S. 342 ff.; DRUKARCZYK, J. (Finanzierung), S. 235 ff.
147 Vgl. insbesondere SCHNEIDER, D. (Investition), S. 511 ff., insb. S. 526 ff.
148 Vgl. SCHNEIDER, D. (Substanzerhaltung), S. 56.
149 Vgl. BALLWIESER, W. (Unternehmensbewertung), S. 125.
150 Zu Betafaktoren deutscher Aktiengesellschaften vgl. z.B. SCHWETZLER, B. (Kapitalkosten), S. 89.
A. Kosten- und Erlösartenrechnung 117
In der kapitalmarktorientierten Sicht richten sich die Ansprüche der Kapitalgeber an den Marktwerten des von ihnen eingesetzten Kapitals aus. Deshalb
sind für die Kapitalstruktur, d.h. die Aufteilung des Gesamtkapitals in Eigen- und Fremdkapital, nicht die Buchwerte, sondern die Marktwerte maßgebend. Diese entsprechen den Werten, zu denen z.B. Anteilseigner ihre Aktien in der betreffenden Periode gekauft haben oder am Markt verkaufen
könnten.
d) Gebühren, Beiträge und Steuern
Aus dem Zwangsverbrauch für staatlich-politische Abgaben ergeben sich
Kosten für Gebühren, Beiträge und Steuern. Gebühren fallen für die Leistungen öffentlich-rechtlicher Institutionen an. Ferner muss die Unternehmung
Beiträge zu Selbstverwaltungsorganen wie Industrie- und Handelskammern
bezahlen.
Der Kostencharakter von Steuern, die von der Unternehmung bzw. ihren
Anteilseignern zu entrichten sind, war in der Betriebswirtschaftslehre lange
umstritten151. Im Mittelpunkt der Diskussion stand die Frage, ob und inwieweit die verschiedenen Steuerarten die Definitionsmerkmale des betriebswirtschaftlichen Kostenbegriffs erfüllen. Diese Analyse ergab, dass der Kostencharakter von Verbrauchs- und Verkehrssteuern weithin anerkannt worden ist. Zu den Verkehrssteuern zählt insbesondere die Grunderwerbsteuer.
Verbrauchssteuern sind beispielsweise die Mineralöl-, die Branntwein- und
die Tabaksteuer. Sie lassen sich teilweise für den einzelnen Kostenträger als
Sondereinzelkosten erfassen. Auch der Kostencharakter der Grundsteuer
wird nicht bestritten, soweit der Grundbesitz für die Leistungserstellung erforderlich ist. Zu gegensätzlichen Ergebnissen kamen die begrifflichen Analysen bei der Gewerbeertrag-, der Vermögen-, der Einkommen- und der Körperschaftsteuer.
Für die Beurteilung des Kostencharakters von Steuern ist eine begriffliche
Analyse nicht der geeignete Weg. Aus entscheidungsorientierter Sicht muss
man vielmehr vom Rechnungszweck der Kostenrechnung ausgehen. Sie soll
Informationen für die Planung und Steuerung von Unternehmensprozessen
liefern. Maßgeblich hierfür ist das vom Entscheidungsträger verfolgte Entscheidungsziel. Aus ihm folgen die inhaltliche Abgrenzung von Kosten als
negativem Zielbeitrag und damit der Kostencharakter von Steuern. Plausibel
und empirisch gut bestätigt ist die Annahme, dass die Entscheidungsträger in
Unternehmungen üblicherweise bestrebt sind, den nach Abzug aller Steuern
verfügbaren Betrag, d.h. den Unternehmensgewinn nach Steuern, zu vergrö-
ßern152. Die Erreichung dieses Entscheidungsziels wird durch alle Steuern,
soweit sie nicht durchlaufende Posten darstellen, beeinflusst. Deshalb ist im
Grundsatz davon auszugehen, dass alle Steuern, die sachzielbezogene Tätigkeiten betreffen, als Kosten anzusehen sind. Sofern eine Unternehmung andere Erfolgsziele verfolgt, ist aus deren Abgrenzung herzuleiten, inwieweit ihre
Erreichung durch Steuern beeinträchtigt wird und diese damit im Hinblick
151 Vgl. WÖHE, G. (Steuerlehre), S. 33 ff.
152 Vgl. WAGNER, F. W./HEYDT, R. (Ertrag- und Substanzsteuern).
2. Kapitel: Ermittlungsorientierte Systeme der KER118
auf das verfolgte Ziel Kosten bedeuten. Nach dieser entscheidungslogisch
begründeten Auffassung ist für die Beurteilung des Kostencharakters von
Steuern nicht maßgeblich, ob die Bemessungsgrundlage der Steuern z.B. an
Einsatzgütern (Grundsteuer u.a.), am Vermögen oder am Gewinn ansetzt
und ob sie vom Unternehmer (Körperschaftsteuer) oder vom Anteilseigner
(Einkommensteuer) zu zahlen ist. Bestimmend ist allein die vom Entscheidungsträger bei der Planung und Steuerung verfolgte Zielsetzung.
Auch wenn man grundsätzlich den Kostencharakter von Steuern akzeptiert,
stellt sich die Frage, in welchem Ausmaß sie bei der Entscheidungsfindung
zu berücksichtigen sind. Während das Problem der Berücksichtigung von
Steuern für die Investitionsrechnung ausführlich untersucht und weitgehend
geklärt worden ist153, liegt für die Kostenrechnung erst eine begrenzte Anzahl
von Untersuchungen vor154. Steuern müssen in denjenigen Fällen in die Entscheidungsfindung einbezogen werden, wo ihre Vernachlässigung zu suboptimalen Entscheidungen führen könnte. Dies ist der Fall, wenn sich durch die
Berücksichtigung von Steuern ein positiver Zielbeitrag in einen negativen
umkehrt oder die Rangfolge von Alternativen verändert wird. Daher ist zu
prüfen, ob durch eine anstehende Entscheidung Steuerbemessungsgrundlagen sowie die auf sie entfallenden Steuerbeträge beeinflusst werden. Steuern
müssen demnach bei allen Entscheidungen berücksichtigt werden, für welche
sie zielrelevant sind.
Eine derartige Feststellung der Entscheidungsrelevanz von Steuern erfordert
vor allem bei Ertragsteuern genaue Analysen. Substanzsteuern (Vermögenund Gewerbekapitalsteuer) sind entscheidungsrelevant, wenn durch die betrieblichen Alternativen eine Änderung des Einheitswertes ausgelöst wird.
Die Kostenrechnung soll in der Regel Informationen für kurzfristige Entscheidungen liefern. Der für Substanzsteuern maßgebende Einheitswert wird
jedoch üblicherweise im Abstand von mehreren Jahren festgestellt. Eine Einheitswertfortschreibung ist nur bei Überschreitung bestimmter Grenzen erforderlich. Deshalb wird man vielfach unterstellen können, dass die Höhe der
Substanzsteuern durch die in der Kostenrechnung betrachteten Entscheidungen nicht verändert wird und sie daher oft nicht in die Rechnung einbezogen
werden müssen.
V. Erfassung von Erlösarten
1. Verfahren der Erfassung von Erlösen
Auch für die Erfassung von Erlösen bestehen die beiden Möglichkeiten einer
getrennten Mengen- und Preiserfassung sowie einer undifferenzierten Werterfassung. Die erste Form ist vor allem auf die Güterentstehung anzuwenden, die nicht unmittelbar zu Markterlösen führt. Da hier noch keine Bewer-
153 Vgl. SCHNEIDER, D. (Investition); WAGNER, F. W./DIRRIGL, H. (Steuerplanung); GEORGI,
A. (Steuern).
154 Vgl. GEESE, W. (Steuer); WAGNER, F.W./HEYDT, R. (Ertrag- und Substanzsteuern);
DÖRING, U. (Kostensteuern).
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Dieses Standardwerk liefert Ihnen einen umfassenden Überblick über die Aufgaben, Techniken und Systeme der Kosten- und Erlösrechnung. Zunächst führt es in die Grundlagen ermittlungsorientierter Systeme ein. Dazu gehören die Kostenarten-, Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung, ein Spektrum, das in jeder Vorlesung zur Kostenrechnung gelehrt wird. Daran schließt sich die Darstellung planungs- und verhaltenssteuerungsorientierter Systeme an. Dabei handelt es sich um Methoden wie Prozesskosten-, Grenzplankosten- oder Deckungsbeitragsrechnungen und Target Costing, die im Alltag von höchster praktischer Relevanz sind. Abgeschlossen wird das Buch durch die Behandlung aktueller Weiterentwicklungen auf dem Gebiet der Kostenrechnung. Hierbei spielen insbesondere die Herausforderungen der Preisregulierung bei den Strom-, Gas- und Telekommunikationsmärkten eine große Rolle.
Die Autoren
Prof. Dr. Marcell Schweitzer lehrte Betriebswirtschaftslehre an der Universität Tübingen.
Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Ulrich Küpper ist Inhaber des Lehrstuhls für Produktionswirtschaft und Controlling an der LMU in München.