Customer Lifetime Value (CLV)
........................................................
Einordnung
........................................................
Für die Ermittlung des Kundenwerts gibt
es verschiedene Verfahren, die sich nach
der Anzahl der berücksichtigten Kriterien
und nach dem zeitlichen Horizont unterscheiden lassen. Während die Kundenerfolgsrechnung ein statisches, periodenbezogenes Verfahren zur Kundenwertermittlung darstellt, gehört das Konzept des Customer LifetimeValue (CLV) zu denVerfahren der dynamischen, periodenübergreifenden Kundenwertermittlung. Die Kundenerfolgsrechnung betrachtet i. d. R. nur
die kundenspezifischen Kosten und Erlöse
und wird von daher als monokriterielles
Verfahren bezeichnet. Der CLV kann hingegen monokriteriell, d. h. nur aus monetären Größen wie Ein- und Auszahlungen,
berechnet werden, oder multikriteriell.
Letzteres bedeutet, dass sowohl monetäre
als auch nicht monetäre Größen, wie Referenzpotential und Informationspotential,
in die Berechnung mit aufgenommen werden (vgl. hierzu und im Folgenden Rudolf-
Sipötz, 2001, S. 31–45 und Bruhn/Georgi/
Treyer/Leumann, 2000, S. 167–171). Diese
nicht monetären Größen entstehen aus
dem Kundenverhalten und stiften dem
Unternehmen einen Wert, der zu einem
späteren Zeitpunkt ggf. in monetären Grö-
ßen erfasst werden kann.
........................................................
Bedeutung
........................................................
Im Rahmen des CLV Konzepts werden
Auszahlungen aufgrund von Kundenakquise, Werbung, Beratung und sonstigen
Services als Investitionen in den Kunden
betrachtet. Mit Hilfe des CLV wird der
Wertbeitrag berechnet, der aus dem Investitionsobjekt „Kunde“ erwartet wird.
Der CLV lässt sich folglich für Marketing- und Vertriebsentscheidungen heranziehen. Entsprechend der Kapitalwertmethode gilt auch hier, dass bei
einem negativen CLV die Investitionen
nicht getätigt werden sollten.
Der CLV überträgt somit die Prinzipien
der dynamischen Investitionsrechnung
auf die Kundenbeziehung. Der CLV erfasst nicht nur einzelne Transaktionen,
sondern alle Ein- und Auszahlungen, die
über die Dauer der gesamten Geschäftsbeziehung anfallen. Zukünftige, periodenübergreifende Entwicklungen werden dadurch mit einbezogen.
........................................................
Ermittlung des CLV
........................................................
Der Kundenwert ist der Wert, den ein
Kunde für das Unternehmen hat. Er
drückt somit den Wertbeitrag eines Kunden zum Unternehmenserfolg aus. Der
CLV entspricht dem Barwert der zukünftigen Zahlungsüberschüsse durch einen
Kunden. Er kann auch als Kapitalwert
eines Kunden bezeichnet werden (vgl.
Rudolf-Sipötz, 2001, S. 45). Auf Basis rein
monetärer Größen ergibt sich der CLV
aus der Summe der diskontierten Einund Auszahlungen, die ein Kunde über
die prognostizierte Lebensdauer der
Kundenbeziehung erzeugt. Die einmalig
anfallenden Akquisitionskosten A werden
davon abgezogen (vgl. hierzu und im Folgenden Berger/Nasr, 1998, S. 19- 29):
CLV = –A +
t=0
n
Σ (et – at)
(1 + i)t
Die Auszahlungen beinhalten die Kosten
für die Herstellung des Produkts, Verhandlungs- und Vertriebskosten sowie
Werbungs- und Bindungskosten (vgl.
Berger/Nasr, 1998, S. 19–20).
Je nachdem für welchen Kunden, abhängig von der Art des Produkt und der
Branche (beispielsweise werden Verbrauchsgüter mehrmals im Jahr zu unvorhersehbaren Zeitpunkten gekauft,
während ein Auto einmal in einem bestimmten Zeitintervall gekauft wird),
können verschiedene CLV berechnet werden. Berger und Nasr haben z. B. verschiedene CLV Berechnungsmodelle in
Abhängig von den Zeitpunkten und der
Häufigkeit des Kaufes entwickelt.
Zudem ist es bei Kunden, die keiner vertraglichen Bindung unterliegen und bei
denen somit der nächste Kauf ungewiss
ist, sinnvoll, eine sogenannte Retention
Rate R (Wiederkaufswahrscheinlichkeit)
einzubeziehen. Die Retention Rate beruht auf dem Retention-Modell von
Dwyer (vgl. Dwyer, 1997, S. 9–10). Der
CLV kann mit einer Retention Rate folgendermaßen berechnet werden:
CLV = –A +
t=0
n
Σ R · (et – at)
(1 + i)t
Neben der Berechnung des CLV auf Basis
rein monetärer Größen ist es auch möglich, nicht-monetäre Größen in die Rechnung zu integrieren (vgl. hierzu und
im Folgenden Bruhn/Georgi/Treyer/Leumann, 2000, S. 170–176). Als nicht monetäre Größe lässt sich z. B. das Referenzpotential eines Kunden einbeziehen.
Durch positive Referenzen, i. S. v. Empfehlungen, können Kunden neue Kunden
werben. Dadurch können Auszahlungen
für Werbung und Akquise gesenkt werden oder auch wegfallen. Dem Wert des
loyalen Kunden, der durch seine Empfehlung den neuen Kunden geworben hat,
sollten die Einsparungen zugerechnet
werden. Neben dem Referenzwert lässt
sich noch der Informationswert als nicht
monetäre Wertgröße eines Kunden nennen. Während bereits die Ermittlung des
rein monetären CLV eine größere Herausforderung sein kann, ist die Ermittlung eines CLV, der auf monetären und
nicht monetären Größen basiert, aufgrund der Notwendigkeit einer Bewertung des Referenz- oder Informationspotentials eines Kunden, noch schwieriger.
........................................................
Probleme und Lösungsansätze
........................................................
Die Probleme und Herausforderungen,
die mit der Umsetzung des CLV verbunden sind, ergeben sich aus den einzelnen
275CONTROLLING-LEXIKON
22. Jahrgang 2010, Heft 4/5
Bestandteilen des CLV (vgl. hierzu und
im Folgenden Rudolf-Sipötz, 2001, S. 46 f.
und Tewes, 2003, S. 269 ff.). Erstens ist
die Prognose und Zurechnung der kundenspezifischen Ein- und Auszahlungen
über die Dauer der Kundenbeziehung
problematisch. Das betrifft vor allem die
Auszahlungen. Oftmals fallen kundenspezifische Kosten in Form von Garantieleistungen oder zusätzlichem Beratungsservice an, die zu Auszahlungen führen
können und nicht vorhersehbar sind. Um
einzelkundenspezifischen Kosten ermitteln zu können, eignet sich die Kostenund Erlösrechnung in Form einer relativen Einzelkosten- und Deckungsbeitragsrechnung in Kombination mit einer Prozesskostenrechnung. Eine gewisse Unsicherheit bleibt jedoch wie bei allen Prognosen bestehen.
Des Weiteren stellt die Vorhersage der
Dauer der Kundenbeziehung eine Herausforderung dar. Die Bestimmung der
Beziehungsdauer sollte zum einen auf
Basis der durch Befragung ermittelten
Verhaltensabsichten des Kunden und
zum anderen auf Basis des vergangenen
Kaufverhaltens erfolgen. Zusätzlich sollten Sensivitäts- oder Risikoanalysen
durchgeführt werden, um das Ausmaß an
Unsicherheit einschätzen zu können. Die
Vorhersage der Cash Flows und der Dauer der Geschäftsbeziehung ist weniger
problematisch, wenn die Beziehung zu
dem Kunden auf einer vertraglichen Bindung basiert.
Ein weiteres Problem stellt die Ermittlung des Diskontierungsfaktors dar. Die
Wahl eines geeigneten Diskontierungsfaktors hängt von der Höhe der Kapitalmarktverzinsung, der Inflationsrate, dem
Konjunkturverlauf sowie der Risikoeinschätzung des Entscheiders (in Bezug auf
die vorzeitige Beendigung der Geschäftsbeziehung) ab. Letzteres kann über die
Retention Rate berücksichtigt werden, jedoch kann auch deren Ermittlung mit
Schwierigkeiten verbunden sein. Die Ermittlung eines kundenspezifischen Diskontierungsfaktors, wie er für Investitionen beispielsweise nach dem Capital Asset Pricing Model (CAPM) ermittelt
wird, ist für einen Kunden aufgrund der
Notwendigkeit der Bestimmung eines
kundenindividuellen β-Faktors kaum bis
gar nicht möglich. Alternativ wird in der
Literatur ein qualitatives Risikobewertungsmodell vorgeschlagen. Hierbei ist
der Diskontierungsfaktor durch subjektiv
geschätzte Risikozu- und -abschläge auf
die Marktrendite zu bestimmen.
Gelingt es die genannten Schwierigkeiten
zu beheben, bringt das Konzept den Vorteil, dass durch die langfristige, perioden-
übergreifende Perspektive, zukünftige
Entwicklungen einer Kundenbeziehung
mit einbezogen werden können.
........................................................
Fazit
........................................................
Insgesamt bietet das Konzept die Möglichkeit, den vollständigen Wert einer
Kundenbeziehung zu ermitteln, sofern
die benötigten Daten verfügbar sind, um
Ressourcen in ihre „richtige“ Verwendung zu lenken. Eine zentrale Voraussetzung für die Anwendung des CLV als
Steuerungsgröße, ist somit ein Informationssystem, das die erforderlichen Daten
bereitstellt. Dennoch muss eine gewisse
Datenunsicherheit, mit der Prognosen
i. d. R verbunden sind, stets einkalkuliert
werden.
Literatur
Berger, P. D./Nasr, N. I., Customer Lifetime
Value: Marketing Models and Applications,
in: Journal of Interactive Marketing, Vol. 12,
(1998), No. 1, S. 17–31.
Bruhn, M./Georgi, D./Treyer, M./Leumann, S.,
Wertorientiertes Relationship Marketing:
Vom Kundenwert zum Customer Lifetime
Value, in: Die Unternehmung, 54. Jg. (2000),
Nr. 3, S. 167–187.
Dwyer, R. F., Customer Lifetime Valuation to
support Marketing decision making, in:
Journal of Direct Marketing, Vol. 3, (1997),
No. 4, S. 8–15.
Rudolf-Sipötz, E., Kundenwert: Konzeption –
Determinanten – Management, St. Gallen
2001.
Tewes, M., Der Kundenwert im Marketing,
Wiesbaden 2003.
Dipl-Kffr. Susanne Winkel,
Stuttgart
276 CONTROLLING-LEXIKON
CONTROLLING – ZEITSCHRIFT FÜR ERFOLGSORIENTIERTE UNTERNEHMENSSTEUERUNG
Chapter Preview
References
Abstract
Month by month, Controlling - Zeitschrift für erfolgsorientierte Unternehmenssteuerung publishes peer-reviewed, applied research contributions for business management, accounting and reporting. Key elements of succesful corporate controlling are presented in an analytic, well-structured manner.
Language: German.
For more information for authors and subscribers, see www.zeitschrift-controlling.de.
Zusammenfassung
Die Controlling - Zeitschrift für erfolgsorientierte Unternehmenssteuerung liefert Monat für Monat fundierte und anwendungsorientierte Fachbeiträge für das Management sowie das Finanz- und Rechnungswesen in Unternehmen. Klar gegliedert und strukturiert werden für alle Controlling-Bereiche die Faktoren für eine erfolgreiche Unternehmenssteuerung aufgezeigt.
Weitere Informationen für Autoren und Abonnenten finden Sie unter www.zeitschrift-controlling.de.