Zeitschrift für Ideengeschichte
- doi.org/10.17104/1863-8937-2011-2
- ISSN print: 1863-8937
- ISSN online: 1863-8937
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Zusammenfassung
Die Zeitschrift für Ideengeschichte fragt nach der veränderlichen Natur von Ideen, seien sie philosophischer, religiöser, politischer oder literarischer Art. Herausragende Fachleute aus allen Geisteswissenschaften gehen in Originalbeiträgen der Entstehung, den zahlreichen Metamorphosen, aber auch dem Altern von Ideen nach. Dabei erweist sich manch scheinbar neue Idee als alter Hut. Und umgekehrt gilt es, in Vergessenheit geratene Idee neu zu entdecken.
Die internationale Politik der letzten Jahre, die sich erneuernden Wertedebatten und die intensiv erlebte Wiederkehr der Religionen lassen keinen anderen Schluß zu: Die politische und kulturelle Gegenwart wird von Ideen geprägt, spukhaft oft, doch mit enormer Wirksamkeit. Wer diese Gegenwart verstehen will, kommt nicht umhin, Ideengeschichte zu treiben.
Die Zeitschrift für Ideengeschichte wendet sich an die gebildete Öffentlichkeit. Darüber hinaus strebt sie als Forum der Forschung und Reflexion eine fachübergreifende Kommunikation zwischen allen historisch denkenden und argumentierenden Geisteswissenschaften an.
Die Zeitschrift für Ideengeschichte wird von den drei großen deutschen Forschungsbibliotheken und Archiven in Marbach, Weimar und Wolfenbüttel sowie dem Wissenschaftskolleg zu Berlin gemeinsam getragen. Mögen die Quellen der Zeitschrift im Archiv liegen, so ist ihr intellektueller Zielpunkt die Gegenwart. Sie beschreitet Wege der Überlieferung, um in der Jetztzeit anzukommen; sie stellt Fragen an das Archiv, die uns als Zeitgenossen des 21. Jahrhunderts beschäftigen.
- 4–4 Zum Thema 4–4
- Zum Thema Wolfert von Rahden, Andreas Urs Sommer Wolfert von Rahden, Andreas Urs Sommer
- 5–52 Abgrund 5–52
- 39–46 Warschau, Ostern 1943. Czesław Miłosz’ Shoa-Gedicht «Campo di Fiori» Ralf Georg Czapla Ralf Georg Czapla 39–46
- 53–69 Essay 53–69
- Baudelaires Abgrund Karl Heinz Bohrer Karl Heinz Bohrer
- 70–88 Denkbild 70–88
- Quebec, Kuba des Nordens? Bilder für ein neues Land Bernard Deschamps Bernard Deschamps
- 89–108 Archiv 89–108
- 109–127 Konzept & Kritik 109–127
- 109–120 Heideggers Maske. «Die Zeit des Weltbildes» – Metamorphose eines Textes Sidonie Kellerer Sidonie Kellerer 109–120
- 121–125 Die Boten eines Toten. Arendt und Scholem kämpfen um Benjamin Detlev Schöttker Detlev Schöttker 121–125
- 126–127 Platons Schatten. Eric Voegelin und Leo Strauss üben den Dialog Reinhard Mehring Reinhard Mehring 126–127
Titelei/Inhaltsverzeichnis
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Zum Thema
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Zusammenfassung
Kleine und große Abgründe begleiten die Geschichte der Menschheit und das Leben des Individuums. Was aber ein «Abgrund» sei, das ist nicht immer ausgemacht – hängt es doch maßgeblich ab von der jeweiligen Imaginationskraft des Interpreten. Die Metapher vom Abgrund kommt einem in den Sinn, wenn im Grund die Worte fehlen, weil der "choc" über eine Katastrophe einem die Sprache geraubt hat und alles ins Bodenlose zu stürzen droht. Ein Ereignis oder Zustand verursacht einen tiefen Bruch im Alltagsleben und einen Einbruch im Bewusstsein – ausgelöst durch Krieg, Krankheit, Tod, Verbrechen oder auch Anderes, etwa Leidenschaften, eine neue Idee oder eine umstürzende Erkenntnis.
«Wo der Fels selbst schaudernd zur Tiefe blickt». Nietzsches «Abgründe»
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Zusammenfassung
Als unheimliches Bild tut sich der Abgrund in der symbolischen Gebirgslandschaft "Zarathustras" sowie in mehreren Gedichten Friedrich Nietzsches auf. Dieses Bild schöpft aus einer langen literarischen und religiösen Tradition. In der Septuaginta wird der Zustand der Erde vor der Schöpfung als «Abyssos» bezeichnet, in der Vulgata als «Abyssus». Die hebräische Bibel bezeichnete mit verwandten Bildern die Unendlichkeit, die Macht und die Grundlosigkeit Gottes. «Abgrund» war ein Lieblingswort von Mystikern wie Meister Eckhart oder Jacob Böhme (dieser spricht auch von «Ungrund»), die damit das Wesen und die Unergründlichkeit Gottes charakterisierten. Es trat gehäuft im Wortschatz des deutschen Pietismus auf und ging mit vielen anderen Bildern religiöser Herkunft den Weg der Säkularisation, welche die dichterische und philosophische Sprache vieler berühmter Pfarrersöhne prägte.
Hollywoods Höhlenausgänge
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Zusammenfassung
Die Vorstellung vom Abgrund hat im abendländischen Kontext mit der Vorstellung vom Ende der Welt zu tun. So haben die abendländischen Epen von Homer bis Dante zwar immer wieder den festen Boden der Kultur und göttlichen Rechts ausgemessen, schon früh aber setzt ein dramatisches Erschrecken ein über das, was danach kommt, was den Menschen erwartet, wenn er sich über den Rand seines Kosmos einmal hinauswagt. Von der antiken Angst, das Meer würde jenseits der Säulen des Herakles einfach an einer Kante abbrechen und das Wasser (und der Seefahrer mit ihm) in eine unendliche Tiefe stürzen – eine Angst, die bekanntlich noch manchen Mitfahrer des Columbus befiel –, bis zu der heute sprichwörtlich gewordenen Rede von den «unendlichen Weiten» im Kosmos und ihren zeitlichen «Wurmlöchern», durch die die Besatzung der Science-Fiction-Raumschiffe beständig zu fallen droht, reicht hier eine Linie.
Inselhin. Geschichten vom Tod
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Zusammenfassung
Thanatos gilt schon lange nicht mehr als Bruder des Hypnos. Im Schatten der metaphysischen Obdachlosigkeit geriet der Tod zum grausigen Abgrund, in den zu schauen Angst macht. Einleuchtend wirkte an der Schwelle zu den 1980er Jahren Philippe Ariès’ Diagnose von der Verdrängung des Todes aus der Gesellschaft. Seine 1978 veröffentlichte "Geschichte des Todes" muss jetzt aber fortgesetzt werden, weil Thanatos unterdessen von der vermeintlichen Randexistenz ins Zentrum der Aufmerksamkeit gelangte.
Warschau, Ostern 1943. Czesław Miłosz’ Shoa-Gedicht «Campo di Fiori»
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"Campo di Fiori", das wohl bekannteste Gedicht des 1980 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichneten polnischen Erzählers, Essayisten und Literarhistorikers Czesław Miłosz (1911–2004), entstand Ostern 1943 in Warschau. Es wurde erstmals 1944 in "Z otchłani" («Aus dem Abgrund»), einer vom Verlag des Jüdischen Nationalkomitees ZKN (¯ydowski Komitet Narodowy) illegal gedruckten, 23 Seiten umfassenden und fadengehefteten Untergrundanthologie zum Gedenken an die jüdischen Opfer der Stadt veröffentlicht. Im Titel dieser Anthologie manifestiert sich der in der Geschichte Polens des Öfteren praktizierte Schulterschluss zwischen politischem und kirchlichem Widerstand, spielt er doch sowohl auf das Milieu des Untergrunds an, in dem die Anthologie entstand, als auch auf die polnische Version des Funeralpsalms De profundis, die "Z otchłani grzechu ku Bo¿emu miłosierdziu" («Aus dem Abgrund der Sünde zur Gnade Gottes»).
Im Abseits
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Zusammenfassung
Vorfreude ist die schönste Freude. Kein Dummkopf, der diesen Satz zuerst sprach. Obwohl er Zeugnis einer misstrauischen Pädagogik ist, die weiß, dass wir das Ersehnte letztlich selten bekommen. Wer die Vorfreude lobt, wer sich an der Aussicht delektiert, einen lukrativen Vorstandsjob, ein Eheglück mit der klugen Schönheit von nebenan oder einen Bentley zu erlangen, der baut vor. Sich ein Glück zu imaginieren lässt störenden Elementen keine Chance, erlaubt es, alle Facetten kommender Freuden in schillernden Farben zu zeichnen. Die Grautöne des Alltags sind da ohne Chance; die Luftschlösser der Vorfreude stehen auf sicherem Grund, Einsturzgefahr besteht nicht.
Baudelaires Abgrund
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Zusammenfassung
Das Wort «Abgrund» ist das negative Äquivalent zu dem Wort «Grund». Letzteres gehört zur philosophischen Sektion der Logik, ersteres zum Bereich der Metaphysik, wenn es denn überhaupt ein Begriff und nicht eher eine Metapher ist. Insofern bildet es auch keinen formalen strukturellen Gegensatz zum Begriff des «Grundes», sondern stellt eine eigenständige Kategorie dar. Geistesgeschichtlich ist seine Bedeutung vor allem markiert durch Pascals Rede vom Abgrund in den "Pensées". Das Wort hat bei ihm einen doppelten Gehalt. Zum einen meint «Abgrund» objektiv die Unendlichkeit des naturwissenschaftlich nunmehr entdeckten Weltalls, zum anderen aber subjektiv das menschliche Bewusstsein von seiner Unendlichkeit. Der berühmte Satz lautet: «Das ewige Schweigen dieser unendlichen Räume erschreckt mich.»
Quebec, Kuba des Nordens? Bilder für ein neues Land
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Die am 30. Oktober 1995 abgehaltene zweite Volksbefragung über die Zukunft der Provinz Quebec im kanadischen Bundesstaat war kein isoliertes Ereignis. Der Keim für die Idee dürfte für viele Menschen bereits am 20. Mai 1980 gesät worden sein. Damals, in der Nacht des ersten Bürgerentscheids, stand ein am Boden zerstörter René Lévesque, Premierminister der Provinz und Anführer des separatistischen Lagers, mit gebrochener Stimme auf der Tribüne des Centre Paul Sauvé. Er versuchte, gegen den Lärm der Menge anzukommen, die ihn nicht sprechen lassen wollte, um schließlich diese wenigen Worte herauszubringen: «Wenn ich euch richtig verstanden habe, wollt ihr mir sagen: bis zum nächsten Mal ...»
Die Heidelberger Secession. Ernst Forsthoff und die «Ebracher Ferienseminare»
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Zu den prägendsten Eigenarten der westdeutschen Universitäten der Nachkriegszeit zählt die Idee des «studium generale». Die allgemeine Bildung stand hoch im Kurs. An allen Universitäten wurden fächerübergreifende Kolloquien, Gesprächskreise und Arbeitsgruppen gegründet und 1947 auch eine Zeitschrift namens «Studium generale», die sich im Untertitel als «Zeitschrift für die Einheit der Wissenschaften» auswies. Aber dann kamen die fünfziger Jahre, und von alledem war bald kaum noch die Rede. Eine auf Spezialisierung drängende Industrie war unvereinbar mit einer Universität in «Einsamkeit und Freiheit».
Heideggers Maske. «Die Zeit des Weltbildes» – Metamorphose eines Textes
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Zusammenfassung
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges beteuerte Heidegger, viele seiner Texte nach dem ‹Rektorat› seien technikkritische Auseinandersetzungen mit der Neuzeit und mit deren Begründer Descartes und als solche eigentlich regimekritisch. Dabei bezog er sich insbesondere auf einen Vortrag, "Die Begründung des neuzeitlichen Weltbildes durch die Metaphysik", den er am 9. Juni 1938 im Rahmen eines Freiburger Vorlesungszyklus gehalten hatte.
Die Boten eines Toten. Arendt und Scholem kämpfen um Benjamin
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Zusammenfassung
Das Erscheinen des Briefwechsels zwischen Hannah Arendt und Gershom Scholem hätte ein Ereignis ersten Ranges werden können. Beide gehörten zu den bedeutendsten Repräsentanten des jüdischen Denkens im 20. Jahrhundert und waren mit Walter Benjamin eng befreundet. Dennoch ist die Edition, die Marie Luise Knott unter Mitarbeit von David Heredia herausgegeben hat, ein solches Ereignis nicht geworden.
Platons Schatten. Eric Voegelin und Leo Strauss üben den Dialog
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Zusammenfassung
Der Streit um die philosophische Orientierung der Politikwissenschaft scheint heute weitgehend zugunsten der modernen Sozialwissenschaften entschieden zu sein. Das ganze 20. Jahrhundert hindurch war er aber ein zentrales Thema. Platon und Aristoteles, Kant und Hegel standen dafür als Alternativen bereit. Jürgen Habermas stufte die «klassische Lehre von der Politik» Anfang der 60er Jahre effektiv zugunsten der modernen Sozialphilosophie herab. Heute ist der Antikerekurs in der politischen Philosophie eine Minderheitenposition.
Die Autorinnen und Autoren
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