Vahlen – Allgemeine Reihe – Kolbeck/Rauscher – Tourismus-Management – Herstellung: Frau Deuringer
Stand: 22.08.2012 Status: Druckdaten Seite 287
4. Werte und Strategien: Fragen nach Sinn,
Wegen und Verantwortung im Tourismus
4. Werte und Strategien: Fragen nach Sinn, Wegen
und Verantwortung
Vahlen – Allgemeine Reihe – Kolbeck/Rauscher – Tourismus-Management – Herstellung: Frau Deuringer
Stand: 22.08.2012 Status: Druckdaten Seite 288
4. Werte und Strategien: Fragen nach Sinn, Wegen und Verantwortung288
Das vierte und abschließende Kapitel setzt mit der 5. Dimension Werte und Strategien einen „normativen Überbau“ auf den Management-Würfel. Bis hierher
wurde gezeigt, was in Unternehmen wie funktioniert. Jetzt werden grundsätzlichere Fragen aufgeworfen: Hat ein Unternehmen eine Identität – und welche
Kultur herrscht in ihm? Handeln Unternehmen „sinnvoll? Wie können Strategien die Grundausrichtung eines Unternehmens in den Funktionsbereichen und
Managementprozessen umsetzen? Welche Rolle können Unternehmen in einer
nachhaltigen Entwicklung der Wirtschaft im Allgemeinen und des Tourismus
im Besonderen einnehmen, und welche nicht?
Diese Fragen kann und will ein Lehrbuch nicht abschließend beantworten. Hier
müssen der Leser und jeder, der sich mit Betriebswirtschaftslehre beschäftigt,
selbst Standpunkte einnehmen, reflektieren und diskutieren.
Beschaffung
Marketing
Investition / Finanzierung
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n t e r n e h m
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r u p p
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Reise-
Vertrieb
Reise-
Veranstaltung
Verkehre,
Flug
Beherbergung
Verpfl.
Zielgebietsbetreuung
1. Funktionsbereiche
2. Management-
Prozesse
4. Geschäfts-
Prozesse Input Output
5. Werte und Strategien
Strategisches Management
Identität und Politik
des Unternehmens
6. Räume
– Lokal
– Regional
– National
– InternationalProduktion / tour. Wertschöpfung
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4.1 Unternehmensidentität und Unternehmenspolitik
4.1.1 Grundlage: Normatives Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290
4.1.2 Unternehmensidentität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292
4.1.2.1 Unternehmensverhalten und Unternehmenskultur . . . . . . . . . . . 292
4.1.2.2 Erscheinungsbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294
4.1.2.3 Unternehmenskommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294
4.1.3 Unternehmenspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297
4.1.3.1 Basis und Ziele der Unternehmenspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297
4.1.3.2 Unternehmensleitbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298
4.1.3.3 Fallstricke in der Unternehmenspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299
Leitfragen
•• Warum kommt dem normativen Management eine so hohe Bedeutung zu?
•• Was sind typische Fragestellungen, die normatives Management beantworten muss?
•• Worin bestehen die Beziehungen zwischen den drei Handlungsebenen
des Managements?
•• Was macht die Identität eines Unternehmens aus?
•• Warum ist das Erscheinungsbild für Tourismusunternehmen ein wichtiger Teil seiner Identität?
•• Welche Beispiele für Rituale und symbolhaftes Handeln lassen sich in
Unternehmenskulturen finden?
•• Wie ist die Unternehmenskommunikation von der Kommunikationspolitik des Marketings abzugrenzen?
•• Welche Bereiche umfasst die Unternehmenskommunikation?
•• Kann Unternehmenskommunikation zur Wertschöpfung des Unternehmens beitragen?
•• Was müssen Unternehmen der Tourismusbranche in der Krisenkommunikation beachten?
•• Was sind die Fundamente der Unternehmenspolitik?
•• Kann man eine Unternehmenskultur planen?
•• Was macht ein gutes Unternehmensleitbild aus?
•• Welche Risiken sind im normativen Management zu beachten?
4.1 Unternehmensidentität und Unternehmenspolitik
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Stand: 22.08.2012 Status: Druckdaten Seite 290
4. Werte und Strategien: Fragen nach Sinn, Wegen und Verantwortung290
4.1.1 Grundlage: Normatives Management
In den Kapiteln 2 und 3 wurden die für Tourismusunternehmen besonders
relevanten, betriebswirtschaftlichen Grundlagen in den Funktionsbereichen
und Managementprozessen eines Unternehmens beschrieben.
Etwas zu beschreiben, das Beschriebene zu lernen und in der Praxis umzusetzen, ist jedoch nicht alles – auch nicht in der Wissenschaft. Neben die
Beschreibung, die Deskription, muss die Begründung treten: Die Fragen nach
dem „Warum“ und „Wie“ stellen sich jedem, der in der Wirtschaft tätig ist oder
sein wird. Dies gilt in besonderem Maße für Führungskräfte, denn ihre herausgehobene Position geht mit einer Verantwortung für Mitarbeiter, Produkte
und Kunden einher.
Einige der Debatten um Wirtschafts- und Finanzkrisen, Managergehälter oder
rücksichtsloses Ausbeuteverhalten ganzer Branchen werden gerne unter Bildern wie dem „zügellosen Kapitalismus“ zusammengefasst. Solche Schlagworte zeigen zweierlei: Zum einen fällt es offenbar schwer, hinreichend zu
konkretisieren, was an welchen Stellen der Wirtschaft „falsch läuft“ und wie
man die Missstände durch politische Regulierungen eindämmen könnte. Zum
anderen wird dazu geneigt, negative Auswirkungen einseitig betriebswirtschaftlich orientierten Handelns zu pauschalisieren und das System insgesamt
in Frage zu stellen. Beides entspringt mitunter dem psychologisch erklärbaren
Drang, komplexe, bedrohlich wirkende Phänomene zu vereinfachen und durch
Definition eines abstrakten „Schlechten“ von der eigenen Rolle im Gesamtsystem abzulenken.
Umso wichtiger ist es, zum Abschluss dieses Lehrbuches in die „Psychologie
von Unternehmen“ hineinzuschauen: Warum verhalten sich Branchen, Unternehmen und die sie verantwortenden Führungspersonen so, wie sie sich
verhalten? Mit dieser Frage verlässt die Betriebswirtschaftslehre teilweise die
Ebene der Deskription und muss Stellung beziehen, in dem sie Empfehlungen
abgibt. Das zeigt u. a. die Entscheidungstheorie, die das Lösen von Entscheidungsproblemen in Unternehmen thematisiert.
397 Aufbauend auf: Bea, Schweitzer (2009), S. 334.
Varianten der Entscheidungstheorie
Normative („Präskriptive“)
Entscheidungstheorie
• Wie soll entschieden werden?
Deskriptive Entscheidungstheorie
• Wie wird in der Praxis entschieden ?
• Untersuchung der Machtverhältnisse
• Wie verhalten sich die Entscheidungsträger in der Praxis?
• Wie muss sich ein Entscheidungsträger
verhalten, wenn er die subjektiv beste
Lösung realisieren will?
Abbildung 111: Deskriptive und normative Entscheidungstheorie397
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2914.1 Unternehmensidentität und Unternehmenspolitik
Damit lassen sich drei Handlungsebenen des Managements unterscheiden:398
•• Normatives Management: Grundsätzliche Philosophie des Unternehmens,
die in einer bestimmen Unternehmenspolitik in Form von Leitbildern,
Grundsätzen, Kodizes und Unternehmensverfassungen institutionalisiert
wird und sich in einer erlebbaren Unternehmenskultur niederschlägt. Die
Unternehmenskultur ist ein wichtiger Bestandteil der Unternehmensidentität.
•• Strategisches Management: Langfristige Führung des Unternehmens. Umsetzung der unternehmenspolitischen Globalziele vor allem durch strategische
Planung und langfristige wirkende Entscheidungen in den Geschäfts- und
Funktionsbereichen.
•• Operatives Management: Kurzfristige Steuerung des Unternehmens, umgesetzt durch die operative Planung und kurzfristig wirkende Entscheidungen
in den Geschäfts- und Funktionsbereichen.
Es wird deutlich, dass sich die normative Ebene der Planbarkeit weitgehend
entzieht.399 Stattdessen sind es unsere Werte, Überzeugungen, Sozialisationen und kulturellen Hintergründe, die das Entscheidungsverhalten auf dieser
Ebene prägen. Auf die zentralen Bereiche des normativen Managements wird
nachfolgend eingegangen.
Die zunächst zu beleuchtende Unternehmensidentität (Corporate Identity, CI)
entsteht durch die Summe wahrgenommener Elemente aus400
•• Unternehmensverhalten (Corporate Behaviour) und daraus entstehender
Unternehmenskultur (Corporate Culture),
•• Erscheinungsbild (Corporate Design) und
•• Unternehmenskommunikation (Corporate Communication).
Diese Identität ist für Mitarbeiter und Kunden sehr wichtig, denn sie prägt die
Intensität von Zustimmung, Bindung, Loyalität und Verständnis. Im Tourismus
arbeiten nicht nur Unternehmen permanent an ihrer Identität, sondern auch
Destinationen.401 Im Vergleich zur Unternehmensidentität ist eine Destinationsidentität (Destination Identity, DI) noch schwieriger zu planen. Schließlich
sind Anzahl und Hintergründe der Akteure, die eine Destination als „virtuelles
Unternehmen“402 prägen, um ein vielfaches größer als die der Leistungsinstanzen eines Unternehmens.
398 Aufbauend auf: Ulrich, Fluri (1995), S. 18–22.
399 Vereinzelt wird der Unternehmenspolitik der Rang einer eigenen Planungsstufe
(„Normative Planung“) zugewiesen, oberhalb der strategischen und operativen Planung, vgl. Hutzschenreuter (2011), S. 442 f. Dies bezieht sich allerdings vornehmlich
auf die Erstellung von Leitbildern und die Formulierung von „Visionen“ und „Missionen“.
400 Vgl. Vahs, Schäfer-Kunz (2007), S. 27 f., Roth (2003), S. 59 f. und Birkigt, Stadler (2002),
S. 18–24.
401 Vgl. Freyer (2011), S. 348.
402 Bieger (2008), S. 94.
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4. Werte und Strategien: Fragen nach Sinn, Wegen und Verantwortung292
4.1.2 Unternehmensidentität
4.1.2.1 Unternehmensverhalten und Unternehmenskultur
Das Unternehmensverhalten (Handlungsebene) entsteht aus der Summe
der tatsächlichen Verhaltensweisen seiner Mitarbeiter. Für einen einzelnen
Mitarbeiter wird so eine bestimmte Unternehmenskultur (Wahrnehmungsebene) dauerhaft spürbar. Ein einzelner Kunde dagegen wird nur schlaglichtartig mit einzelnen Verhaltensweisen und Kultureindrücken des Unternehmens konfrontiert; je nachdem, mit welchem Produkt, Sachverhalt oder
Mit arbeiter er es zu tun bekommt. Innerhalb der touristischen Dienstleistungsbranche sind es vor allem die Leistungsträger, die sich aufgrund ihres
hohen Anteils an direktem Gästekontakt bewusst sein sollten, dass ihre Gäste
die Kultur des Unternehmens registrieren. Die wahrgenommene Unternehmenskultur fließt beim Gast auch in sein Zufriedenheitsurteil über das Produkt
ein.
Die Unternehmenskultur wird von „ungeschriebenen Gesetzen“ geprägt, sowie
von Ritualen und symbolhaftem Handeln.403 Damit ist die Unternehmenskultur
abgegrenzt von den oft schriftlich fixierten Elementen der Unternehmenspolitik
(Leitbild, Vision etc.), die in vielen Unternehmen auf Websites und in Reden
zwar präsent sind, aber in der Wahrnehmung der Mitarbeiter oder Kunden im
Unternehmen kaum Handlungsrelevanz besitzen und dadurch nicht erlebbar
sind. In einem Unternehmen können auch mehrere Kulturen nebeneinander,
und auch Subkulturen existieren.404
Viele Ratgeber haben sich darauf spezialisiert, gerade neuen Vorgesetzten und
Mitarbeitern den Umgang mit den ungeschriebenen Gesetzen der Unternehmenskultur durch vermeintlich allgemeingültige Vorschläge zu erleichtern.
Zahlreiche „Business Knigge“-Bücher und Do’s & Don’ts-Kataloge bedienen
den großen Markt der Unsicherheit von Individuen in unternehmerischen
Strukturen, im höherpreisigen Bereich ergänzt von professionellem Coaching.
Dieser Markt läuft glänzend, denn die Vermittlung von sicherheitsstiftenden
Werten405 nimmt in vielen Familien keinen breiten Raum mehr ein. Und die aus
fragwürdigen Gründen immer kürzer werdenden Schul- und Studienzeiten
tragen auch nicht gerade dazu bei, dass sich Werte und Einstellungen406 bei den
Absolventen, die in die Unternehmen drängen, sinnvoll weiterentwickelt haben.
Oft fragen sich junge Mitarbeiter dann: „Wenn mir schon nicht klar ist, welche
Werte und Prinzipien ich selbst habe, welche hat dann erst das Unternehmen,
in dem ich arbeite – und wie halte ich mich an diese?“
403 Vgl. Jung (2010), S. 168, Vahs, Schäfer-Kunz (2007), S. 27 und Steinmann, Schreyögg
(2005), S. 716–718.
404 Vgl. Hofstede, Hofstede (2011), S. 396–398 und Steinmann, Schreyögg (2005), S. 725–727.
405 Zur Bedeutung von Werten bei der Wahrnehmung von Umwelt, Unternehmen und
Handlungen vgl. Staehle (1994), S. 157–161.
406 Zu den Unterschieden und dem Zusammenspiel von Werten, Einstellungen, Qualifikationen und Persönlichkeit vgl. ebd., S. 161–176.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Vorteile
- Umfassendes Grundlagenwerk zur touristischen Betriebswirtschaftslehre
- Im deutschsprachigen Bereich ohne Beispiel
- Abdeckung aller wesentlichen Funktionsbereiche des Tourismus-Managements
- Eignung für Studierende und Praktiker
- Zahlreiche Praxis-Kurzbeiträge von Führungskräften
Zum Werk
Die Tourismusbranche gehört zu den am stärksten wachsenden, aber auch komplexesten Wirtschaftsbereichen.
Dieses Werk vermittelt erstmalig ein umfassendes betriebswirtschaftliches Grundwissen für die Tourismusbranche für Studium und Praxis, das alle wesentlichen Bereiche der Betriebswirtschaftslehre abdeckt. Es unterstützt Studierende und Praktiker bei der Entwicklung einer betriebswirtschaftlichen Denkhaltung, die sinnvolles aktives Handeln („Management“) im touristischen Geschäft ermöglicht.
Das Buch beschreibt auf der Basis eines integrierten Management-Modells Investition und Finanzierung, Beschaffung, Produktion und Marketing sowie die Managementprozesse Planung, Steuerung, Personalmanagement und Organisation. Den Abschluss bilden langfristige Überlegungen zur strategischen Unternehmensführung sowie zum nachhaltigen Tourismusmanagement.
Zahlreiche Experten-Statements von Führungskräften aus der Branche illustrieren die Praxisrelevanz.
Autoren
Prof. Dr. Felix Kolbeck und Prof. Dr. Marion Rauscher, Fakultät für Tourismus, Hochschule München
Zielgruppe
- Studierende der Bachelor-Studiengänge Tourismusmanagement, Masterstudiengänge, Weiterbildungsangebote (IHK, MBA, …) und Tourismusunternehmen.