Vahlen – Allgemeine Reihe – Kolbeck/Rauscher – Tourismus-Management – Herstellung: Frau Deuringer
Stand: 22.08.2012 Status: Druckdaten Seite 231
2313.2 Rechnungswesen und Controlling
der Unternehmensgröße, Anzahl der Geschäftsfelder und Produktvarianten,
und vor allem bei stark saisonal geprägten Geschäftsabläufen wie im Tourismus, wächst der Bedarf, die Controlling-Darstellungen mit deutlich mehr Daten
anzureichen, als die Buchhaltung automatisch durch Überleitungen erzeugen
kann. Zudem werden die Daten für die Zwecke des Controllings meist deutlich
häufiger und früher benötigt: Ein Produktmanager muss bereits kurz nach
Beginn eines neuen Monats – in der Regel vor Abschluss der Buchhaltung für
den abgelaufenen Monat – wissen, wie der letzte Monat für sein Produkt „gelaufen ist“, wo er gegensteuern kann und wie sich das schon in der kommenden
Woche in neuen Zahlen niederschlägt. Daher bestehen in vielen Unternehmen
unterschiedliche Berichtssysteme, -inhalte, und -termine parallel, was Abstimmungsbedarf erzeugt und die Steuerung noch anspruchsvoller macht.
Da es keine gesetzlichen oder anderweitigen Vorschriften für die Gestaltung
der internen Ergebnisrechnung gibt, gehört es zu den wichtigen kaufmännischen Kompetenzen, diese Kalkulationen individuell für das eigene Unternehmen zu entwickeln, zu pflegen, eine Verbindlichkeit hierfür herzustellen und
die Informationen der Ergebnisrechnungen sinnvoll einzusetzen. Das Arbeiten
im Controlling erfordert daher nicht nur gutes Zahlenverständnis und analytische Fähigkeiten, sondern auch kommunikatives Geschick und Wissen um die
Produkte, Märkte und Geschäftsprozesse des Unternehmens. Damit ist der Job
des Controllers im Vergleich zu vielen anderen nicht nur relativ krisensicher,
sondern kann auch ein Sprungbrett in Managementpositionen darstellen.
3.2.5 Kennzahlen der bilanziellen und erfolgswirtschaftlichen
Analyse
Erfolg und Misserfolg sind in hohem Maße subjektive Größen, die sich letztlich nur durch Vergleich einer bestimmten geplanten Größe (Soll) mit einem
erreichten Wert (Ist) ermitteln lassen („Soll-Ist-Vergleich“)327. Erfolg muss nicht
zwangsläufig mit einer monetären Größe beschrieben werden. Erfolg kann auch
darin bestehen, dass ein Projekt sach- und zeitgerecht abgeschlossen wurde
oder ein PR-Event mit einer positiven Medienresonanz endete.
Neben den Kennzahlen der finanzwirtschaftlichen Analyse328 stellen die Kennzahlen der erfolgswirtschaftlichen Analyse zentrale betriebswirtschaftliche
Rechen- und Arbeitsgrößen dar. Dies gilt sowohl für die interne Steuerung und
Zielvorgabe, als auch für die externen Adressaten dieser Zahlen. So sehen sich
z. B. große, börsennotierte Konzerne unter einem großen Druck, ständig „gute
Zahlen“ melden zu müssen, da sie nicht nur Jahresabschlüsse, sondern zusätzliche Quartalsabschlüsse vorlegen müssen. Für Tourismuskonzerne, deren Quartale hinsichtlich der Erfolgs- und Liquiditätskennzahlen sehr unterschiedlich
ausfallen, ist die Kommunikation echter oder vermeintlich „schlechter Zahlen“
jedes Mal eine Herausforderung.
327 Synonym: Plan-Ist-Vergleich.
328 Vgl. Abschnitt 2.1.5.
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3. Managementprozesse: Lenken und Entscheiden im Tourismus232
Die anfangs vorgestellten monetären Wertgrößen eines Unternehmens liegen
zunächst nur in absoluter Zahlenform z. B. in Bilanz, GuV oder Cash Flow-
Rechnung vor. Aus kaufmännischer Sicht wird eine absolute Zahl allerdings
erst durch einen Vergleich mit einer anderen Zahl interessant. Mathematisch
erfolgt die Inbezugsetzung einer Zahl zu einer anderen Zahl bekanntlich entweder durch Differenzbildung (absolute Abweichung) oder Division (Rationale
Zahlen). Für beides bieten sich inhaltlich im kaufmännischen Bereich folgende
Einsatzzwecke an:
Vergleich über die Zeit: Die Gegenüberstellung mit Vorjahres-, Vorsaison- oder
Vorschauwerten329 gibt Aufschlüsse über vergangene oder zukünftige Entwicklungen.
Vergleich mit einem Planwert: Erst durch einen Soll-Ist-Vergleich (s. o.) lässt sich
die Zielerreichung messen.
Vergleich mit der Konkurrenz oder Idealwerten: Die Gegenüberstellung der eigenen Leistung mit Standards (Benchmark) oder Daten der Konkurrenz liefern
Erkenntnisse der eigenen Position im Wettbewerb.
Kennzahlen der bilanziellen Analyse teilen sich auf in solche, die sich vor allem
auf die Aktivseite der Bilanz beziehen und andere, die sich aus den Positionen
der Passivseite ermitteln lassen. Die letztgenannten wurden bereits im Abschnitt zu den Kennzahlen der finanzwirtschaftlichen Analyse vorgestellt.330
Auf der Aktivseite der Bilanz interessiert bei touristischen Unternehmen oft
die Anlagenintensität:
(1)
Anlagevermögen
Anlagenintensität
Gesamtvermögen
=
Generell ist die Anlagenintensität in Dienstleistungsbranchen geringer als die
in Industrieunternehmen. Aber auch im Tourismus gibt es mit der Hotellerie,
dem Luftverkehr und dem Kreuzfahrtwesen sehr anlageintensive Bereiche.
Diese sind automatisch mit einem hohen Fixkostenanteil verbunden, da relativ
viel Kapital in Flugzeugen und Hotels gebunden ist. Die Unternehmen müssen
dieses Anlagevermögen permanent ertragsoptimal auslasten, unter anderem
durch eine dynamische Preis- und Mengenplanung im Yield Management.
Das Beispiel Anlageintensität zeigt sehr anschaulich, dass es nicht ausreicht
und zu Fehlinterpretationen führt, eine Kennzahl isoliert zu betrachten und
Unternehmen anhand dessen zu vergleichen. Denn verkauft bspw. eine Fluggesellschaft Flugzeuge, um sie anschließend für den Betrieb zurück zu mieten,
geht zwar die Kennzahl Anlagenintensität zurück, aber die Kosten bleiben
in anderer Form bestehen. Sie verschieben sich lediglich in der GuV von den
Abschreibungen zum Mietaufwand. Vergleiche sollten daher immer mehrere
329 Vorschauwerte (engl. Forecast) geben im Berichtswesen an, wie aus Sicht des Verantwortlichen der voraussichtliche Endwert (z. B. zum Jahresende) einer Berichtsgröße
(z. B. Gästezahlen, Deckungsbeitrag) ausfallen wird. Vorschauwerte ändern sich daher
im Laufe des Jahres und dürfen daher keinesfalls mit den Planwerten gleichgesetzt
werden, die unverändert bleiben, vgl. Abschnitt 3.1.2.
330 Vgl. die Übersicht über Bilanzkennzahlen bei Bach (2008), S. 226–230 und Abschnitt
2.1.5.
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2333.2 Rechnungswesen und Controlling
Kennzahlen einbeziehen und am Geschäftsmodell der betrachteten Unternehmen ausgerichtet werden.
Im Rahmen der erfolgswirtschaftlichen Analyse werden vor allem Renditekennzahlen betrachtet, die durch Division einer Erfolgsgröße (Jahresüberschuss,
DB II, EBIT331, …) durch einen Kapitaleinsatz (Resultat: z. B. Eigenkapitalrendite)
oder eine Leistungsgröße (Resultat: z. B. Umsatzrendite) berechnet werden.332
Die bekannteste unter diesen Größen ist der Return on Investment (ROI), der
an der Spitze eines ganzen Kennzahlensystems steht:333
(2)
Gewinn
Return on Investment
Kapitaleinsatz
=
Die Einsatzmöglichkeiten von Renditekennziffern sind fast unbegrenzt. In
diesem Buch kamen sie bereits im Rahmen der statischen Investitionsrechenverfahren zum Einsatz. Die Auswahl der im Zähler einzusetzenden Gewinngrößen hängt vom Untersuchungszweck ab. Viele Unternehmen haben gerade
in der Controlling-Sicht eigene, teilweise auch branchenbezogene Erfolgsgrö-
ßen. Als Beispiel kann der Gross Operating Profit (GOP) dienen, der in der
Hotellerie als Gewinngröße zur Ermittlung der Umsatzrendite eingesetzt wird
und Hotel-Betriebsvergleiche unabhängig von den Eigentumsverhältnissen
ermöglicht:
(3)
Gewinn
Umsatzrendite
Umsatz
=
331 EBIT: Earnings before Interest and Tax, Ergebnis vor Zinsen und Ertragssteuern
332 Vgl. die Übersicht über Erfolgskennzahlen bei Bach (2008), S. 222–225.
333 Zu diesem und weiteren Kennzahlensystemen im Controlling vgl. Reichmann (2011),
S. 23–41, Vahs, Schäfer-Kunz (2007), S. 286–293 und Ziegenbein (2007), S. 164–168.
Zur Bedeutung von Kennzahlensystemen in der Hotellerie vgl. von Freyberg (2010),
S. 87–90, Dettmer, Hausmann (2008), S. 153–157 und Berg (2006), S. 412–418, zu Kennzahlen im Luftverkehrsmanagement vgl. Maurer (2006), S. 122–131.
334 Vgl. Hutzschenreuter (2011), S. 104. Das dahinter stehende Du Pont-Kennzahlen system
geht auf den amerikanischen Chemiekonzern Du Pont zurück, vgl. Vahs, Schäfer-
Kunz (2007), S. 287.
=
Umsatzrentabilität
Gewinn
Umsatz
Gewinn Umsatz Umsatz Kapital
(Vermögen)
Kapitalumschlag
Umsatz
Kapital=
Return on Investment
Gewinn
Kapital
=
X
Abbildung 86: Der Return on Investment und seine Quellen334
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3. Managementprozesse: Lenken und Entscheiden im Tourismus234
Weitere wichtige erfolgswirtschaftliche Kennzahlen sind Produktivität und
Wirtschaftlichkeit:335
(4)
Erzeugte Produktmenge
Produktivität
Eingesetzte Faktormenge
Erzeugte Produktmenge
Bsp. Arbeitsproduktivität
Arbeitsstunden
=
=
(5)
Sollkosten
Wirtschaftlichkeit
Istkosten
=
Besonders aussagefähig für die betriebswirtschaftliche Steuerung sind zudem
solche Relativkennzahlen, die durch Division von GuV-Größen mit statistischen Kennzahlen entstehen. Sie geben wichtige Hinweise in Bezug auf die
Wirtschaftlichkeit des Mitteleinsatzes und darauf basierende Entscheidungen.
Als Beispiel kann die Kennzahl Deckungsbeitrag pro Mitarbeiter im Reisebüro
angeführt werden.
Wichtig ist auch der Zusammenhang zwischen den Renditekennzahlen und
den Liquiditätskennzahlen. Erfolg und Liquidität können als die zentralen
betriebswirtschaftlichen Zielgrößen aufgefasst werden. Die Liquidität, die ständige Zahlungsbereitschaft, stellt dabei die Grundvoraussetzung dar, die ein
dauerhaftes Streben nach Erfolg erst ermöglicht.336 Kann ein Unternehmen seine
Zahlungsverpflichtungen nicht mehr erfüllen, besteht Illiquidität. Dauerhafte
Verluste als Ausdruck der Erfolglosigkeit münden in einer Überschuldung des
Unternehmens.337 In beiden Fällen hat das Unternehmen Insolvenz anzumelden
(§§ 17 und 19 Insolvenzordnung).
3.2.6 Stimmen aus der Praxis: Susanne
Wübbeling, Starwood Hotels &
Resorts Worldwide Inc.
Starwood Hotels & Resorts Worldwide, Inc. ist mit
mehr als 1.025 Hotels in 100 Ländern und 145.000
Mitarbeitern in eigenen Hotels & Managementbetrieben eine der führenden Hotelgesellschaften der Welt.
Starwood ist Eigentümer, Betreiber und Franchisegeber von Hotels & Resorts internationaler Marken
wie St. Regis, The Luxury Collection, W , Westin, Le
Méridien, Sheraton, Four Points by Sheraton, Aloft
und Element.
Die Arabella Hospitality Group ist die Führungsgesellschaft der Schörghuber Unternehmensgruppe für
den Unternehmensbereich Hotel.
335 Vgl. Olfert (2010), S. 42–48.
336 Vgl. Hutzschenreuter (2011), S. 108.
337 Überschuldung: In der Bilanz übersteigen die Schulden (= Passivseite) die Vermögenswerte (= Aktivseite). Das Eigenkapital ist durch fortwährende Verluste aufgezehrt.
Susanne Wübbeling
Area Director of Finance
Starwood Hotels &
Resorts, Germany South &
Switzerland
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Vorteile
- Umfassendes Grundlagenwerk zur touristischen Betriebswirtschaftslehre
- Im deutschsprachigen Bereich ohne Beispiel
- Abdeckung aller wesentlichen Funktionsbereiche des Tourismus-Managements
- Eignung für Studierende und Praktiker
- Zahlreiche Praxis-Kurzbeiträge von Führungskräften
Zum Werk
Die Tourismusbranche gehört zu den am stärksten wachsenden, aber auch komplexesten Wirtschaftsbereichen.
Dieses Werk vermittelt erstmalig ein umfassendes betriebswirtschaftliches Grundwissen für die Tourismusbranche für Studium und Praxis, das alle wesentlichen Bereiche der Betriebswirtschaftslehre abdeckt. Es unterstützt Studierende und Praktiker bei der Entwicklung einer betriebswirtschaftlichen Denkhaltung, die sinnvolles aktives Handeln („Management“) im touristischen Geschäft ermöglicht.
Das Buch beschreibt auf der Basis eines integrierten Management-Modells Investition und Finanzierung, Beschaffung, Produktion und Marketing sowie die Managementprozesse Planung, Steuerung, Personalmanagement und Organisation. Den Abschluss bilden langfristige Überlegungen zur strategischen Unternehmensführung sowie zum nachhaltigen Tourismusmanagement.
Zahlreiche Experten-Statements von Führungskräften aus der Branche illustrieren die Praxisrelevanz.
Autoren
Prof. Dr. Felix Kolbeck und Prof. Dr. Marion Rauscher, Fakultät für Tourismus, Hochschule München
Zielgruppe
- Studierende der Bachelor-Studiengänge Tourismusmanagement, Masterstudiengänge, Weiterbildungsangebote (IHK, MBA, …) und Tourismusunternehmen.