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3. Managementprozesse: Lenken und Entscheiden im Tourismus214
Beispiel
Die „Good Cook GmbH“ ist ein Anbieter von Airline Catering Dienstleistungen und beliefert
u. a. die Fluggesellschaft „Blue Sky First“ mit Mahlzeiten. Folgender, aus mehreren Einzelfällen bestehender Geschäftsvorgang kann den einzelnen betriebswirtschaftlichen Stromgrößen
zugeordnet werden:
15. März:
Einkauf von Zutaten gegen Barzahlung, Einlagerung der Produkte
= Auszahlung und Ausgabe
23. März:
Verkauf von Mahlzeiten an Blue Sky First mit Zahlungsziel 90 Tage
= Einnahme, Ertrag und Leistung
25. März:
Lagerentnahme der Zutaten, Weiterverarbeitung zu Mahlzeiten und
Auslieferung der Mahlzeiten an Blue Sky First
= Aufwand und Kosten
3. April:
Aufnahme eines Überbrückungskredits in Höhe des Verkaufspreises
= Einzahlung
10. Juni:
Zahlungseingang Blue Sky First und Rückführung des Kredits
= Einzahlung und Auszahlung taggleich
3.2.3 Elemente der externen Rechnungslegung
3.2.3.1 Bestandteile des Jahresabschlusses im Überblick
Maßgeblich für den Jahresabschluss eines Einzel-Unternehmens ist das dritte
Buch („Handelsbücher“) des Handelsgesetzbuches (HGB). Demnach ist jeder
Kaufmann nach § 238 (1) HGB zur Buchführung und nach § 242 (1) HGB zur
Aufstellung eines Jahresabschlusses verpflichtet. Der Jahresabschluss soll „(…)
ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage (…)“289 des Unternehmens vermitteln. Damit ist der
Jahresabschluss in erster Linie eine Sammlung der wesentlichen Daten, die für
die Beurteilung der wirtschaftlichen Lage nötig sind.
Dem Jahresabschluss kommen eine Zahlungsbemessungs- und eine Informationsfunktion zu. Anhand des im Abschluss publizierten Unternehmensergebnisses bemessen sich die Steuerzahlungen an das Finanzamt (steuerrechtlicher
Abschluss, „Steuerbilanz“) und die Ausschüttungen an die Eigentümer.290
Zudem erhalten weitere Adressaten (Gläubiger, Wettbewerber, Medien, allg.
Öffentlichkeit etc.) durch den Jahresabschluss wertvolle Informationen. Die
sinnvolle Nutzung der Informationen des Jahresabschlusses setzt voraus, dass
die Adressaten in der Lage sind, die Informationen des Jahresabschlusses richtig zu lesen und zu interpretieren.
289 § 264 (2) Satz 1 HGB, Vorschrift für Kapitalgesellschaften.
290 Vgl. hierzu und im Folgenden Coenenberg, Haller, Schultze (2009), S. 16–23.
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2153.2 Rechnungswesen und Controlling
Mit einer steigenden Unternehmensgröße geht auch eine höhere Bedeutung des
Unternehmens für die oben genannten Adressaten der externen Rechnungslegung einher. Deswegen sind die Vorschriften für den Jahresabschluss bei
den Rechtsformen der Kapitalgesellschaft und der Unternehmensstruktur des
Konzerns deutlich umfangreicher als diejenigen, die für alle Unternehmen und
somit auch für die Personengesellschaften gelten.
Konzerne müssen zusätzlich zu den Einzelabschlüssen der zum Konzern gehörenden Unternehmen auch einen Konzernabschluss vorlegen, der in aller
Regel nicht auf Basis eines nationalen Gesetzes wie dem HGB, sondern anhand
internationaler Rechnungslegungsnormen wie den International Accounting
Standards (IAS) bzw. International Financial Reporting Standards (IFRS) aufzustellen ist. Dies sichert die Verständlichkeit und Vergleichbarkeit dieser
Abschlüsse auf internationaler Ebene.
Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) und Anhang sind als Einheit zu
sehen. Dagegen der zählt der Lagebericht nicht zum Jahresabschluss selbst,
sondern ist neben dem Jahresabschluss Teil des Geschäftsberichts.
3.2.3.2 Der Blick auf das Vermögen: Die Bilanz
3.2.3.2.1 Aufbau und Lesart einer Bilanz
Die Bilanz eines Unternehmens bildet zu einem bestimmten Stichtag (Geschäftsjahres- oder Quartalsende) die aktuelle Vermögenssituation des Unternehmens ab. Vermögenswerte können grundsätzlich dahingehend analysiert
werden, von wem sie ins Unternehmen eingebracht wurden (Mittelherkunft),
und wo sie im Unternehmen investiert sind (Mittelverwendung).
Die Mittelherkunft wird auf der Passivseite der Bilanz gezeigt. Alle dort aufgeführten Positionen haben Schuldencharakter: Das Eigenkapital (EK) schuldet
Abbildung 70: Bestandteile des Jahresabschlusses nach HGB
Unternehmen Bestandteile des Jahresabschlusses
Zusätzliche Inhalte
im Geschäftsbericht
(obligatorisch)
Zusätzliche
Inhalte
(fakultativ)
Jedes
Unternehmen
§§238–263
§ 242 (3) HGB:
Bilanz und GuV
Kapitalgesellschaften
zusätzlich
§§264–289a
§ 264 (1) HGB:
Bilanz, GuV und Anhang Lagebericht
Konzernmütter
zusätzlich
§§290–315a
§ 297 (1) HGB: Konzern-
Bilanz, -GuV und -Anhang,
Kapitalflussrechnung,
Segmentberichterstattung,
Eigenkapitalveränderungsrechnung
§ 290 (1)
und § 315 HGB:
Konzern-Lagebericht
Zusätzliche
Informationen
für Investoren
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3. Managementprozesse: Lenken und Entscheiden im Tourismus216
das Unternehmen den Eigentümern, etwa den Aktionären bei einer Aktiengesellschaft. Das Fremdkapital hingegen wird den Gläubigern geschuldet, seien
es Banken, Anleihegläubiger oder das Finanzamt.
Die Mittelverwendung auf der Aktivseite der Bilanz verdeutlicht, welche Vermögensteile langfristig im Unternehmen verbleiben sollen und daher im Anlagevermögen (AV) investiert sind, und welche Vermögen dem Unternehmen nur
kurzfristig als Umlaufvermögen (UV) zur Verfügung stehen.
Man kann dann die in Kontenform aufzustellende Bilanz von rechts nach links
lesen:
Schon bei dieser grundlegenden Betrachtung wird deutlich, dass mehrere Anspruchsgruppen ein berechtigtes Interesse an dem Geld haben, das „im Unternehmen steckt“. Die Eigentümer erwarten eine angemessene Rendite ihres investierten Kapitals, die Gläubiger Zinsen und Tilgung ihrer an das Unternehmen
vergebenen Kredite. Das Finanzamt hat den ausgewiesenen Gewinn bereits um
die Steuerlast geschmälert und erwartet auch für ein abgelaufenes Geschäftsjahr
evtl. noch weitere Steuerzahlungen, die zum Bilanzstichtag der Höhe nach noch
nicht feststanden. Dadurch ergeben sich naturgemäß Zielkonflikte. So lassen z. B.
dauerhaft zu hohe Gewinnausschüttungen an die Eigentümer Gläubigerbanken
zweifeln, ob ihre Kredite tatsächlich zurückgezahlt werden können.
3.2.3.2.2 Die buchhalterische Grundlage der Bilanz
Die Aufstellung des Jahresabschlusses hat unter Beachtung der Grundsätze
ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) zu erfolgen. Zu den GoB zählen:291
•• Grundsatz der Richtigkeit und Willkürfreiheit,
•• Grundsatz der Klarheit,
291 Vgl. Wöhe, Döring (2010), S. 733–743 und Coenenberg, Haller, Schultze (2009), S. 36–44.
Abbildung 71: Die Bilanz. Gliederung für Kapitalgesellschaften nach § 266 HGB, verkürzt
Mittelherkunft: Passiva
A Anlagevermögen
I. Immaterielle Vermögensgegenstände
1. Geschäfts- und Firmenwerte
II. Sachanlagen
1. Grundstücke …
2. Technische Anlagen u. Maschinen
III. Finanzanlagen
1. Anteile an verbundenen Unternehmen
2. Beteiligungen
B Umlaufvermögen
I. Vorräte
II. Forderungen und sonst. Verm.gegenst.
III. Wertpapiere
IV. Kassenbestand, Guthaben
C Rechnungsabgrenzungsposten
Mittelverwendung: Aktiva
A Eigenkapital
I. Gezeichnetes Kapital
II. Kapitalrücklage
III. Gewinnrücklage
IV. Bilanzgewinn
B Rückstellungen
C Verbindlichkeiten
1. Anleihen
2. Verb. ggü. Kreditinstituten
3. Erhaltene Anzahlungen
4. Verb. aus Lief. & Leist.
D Rechnungsabgrenzungsposten
EK
FK
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2173.2 Rechnungswesen und Controlling
•• Grundsatz der Vollständigkeit,
•• Grundsatz der Stetigkeit,
•• Grundsatz der Vorsicht und
•• Abgrenzungsgrundsätze (Realisationsprinzip, Grundsätze der sachlichen
und zeitlichen Abgrenzung, Imparitätsprinzip)
Die kaufmännische Buchhaltung (Finanzbuchhaltung) arbeitet nach dem
Prinzip der doppelten Buchführung. Dabei werden alle Geschäftsvorfälle auf
mindestens zwei Konten, also doppelt, verbucht. Im Gegensatz zu der u. a. bei
öffentlichen Haushalten üblichen einfachen Buchführung der Einnahmen und
Ausgaben, ermöglicht die doppelte Buchführung die periodengerechte Ermittlung des kaufmännischen Erfolges, da die Wertgrößen Ertrag und Aufwand
berücksichtigt werden.292
Die doppelte Buchführung unterscheidet drei Arten von Grundkonten: Bilanzkonten zur Abbildung von Beständen und deren Veränderungen, Erfolgskonten zur Abbildung aller erfolgswirksamen Vorgänge sowie Finanzkonten
zur Abbildung aller liquiditätswirksamen Vorgänge durch Einnahmen- und
Ausgabenkonten.
292 Vgl. Benz (2011), S. 14–16.
293 Vgl. Hutzschenreuter (2011), S. 337 und Jung (2010), S. 1080.
Abbildung 72: Beispiel Maschinenkauf: Einfache und doppelte Buchführung im Vergleich293
Einfache Buchführung
Jahr 1:
Einnahmen 1.000
– Ausgaben (Maschinenkauf) 1.000
Saldo („Erfolg“) 0
Jahr 2–10:
Einnahmen 1.000
– Ausgaben (Maschinenkauf) 0
Saldo („Erfolg“) 1.000
Doppelte Buchführung I: Erfolgsbetrachtung
GuV Jahr 1:
Ertrag 1.000
– Aufwand (Abschreibung) 100
Erfolg 900
GuV Jahr 2–10:
Einnahmen 1.000
– Aufwand (Abschreibung) 100
Erfolg 900
Doppelte Buchführung II: Bestandsbetrachtung
Anfangs-Bilanz
Jahr 1
Maschine 0
Kasse 1.000
1.000
Eigen- und
Fremdkapital
1.000
Aktiva Passiva
End-Bilanz
Jahr 1
Maschine 1.000
Kasse 0
1.000
Eigen- und
Fremdkapital
1.000
Aktiva Passiva
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3. Managementprozesse: Lenken und Entscheiden im Tourismus218
Die konkrete Buchung dieser Konten im Laufe des Geschäftsjahres richtet
sich danach, welcher Untertyp eines Grundkontos vorliegt. So müssen bei Bilanzkonten Zu- und Abgänge jeweils auf verschiedenen Kontenseiten gebucht
werden; je nachdem, ob ein Aktivkonto (Darstellung des Bestandes auf der
Aktivseite der Bilanz) oder ein Passivkonto (Darstellung des Bestandes auf der
Passivseite der Bilanz) vorliegt:
Bei allen Grundkonten und deren Ausprägungen gilt, dass sich zum Ende eines
Berichtszeitraumes der Endbestand aus dem Anfangsbestand zzgl. der Zugänge
und abzgl. der Abgänge errechnet.295 Durch diesen Abschluss aller Geschäftskonten und den Übertrag aller Endbestände auf die rechtlich vorgeschriebenen
Abschlusskonten entsteht der Jahresabschluss.
3.2.3.2.3 Der Prozess der Bilanzierung
Die Bilanzierung zerfällt in mehrere Einzelprozesse, deren Durchlaufen in einer
bestimmten Reihenfolge erforderlich ist:296
•• Ansatz („Bilanzierung dem Grunde nach“): Welche Vermögensgegen stände
(VGG) und Schulden müssen oder dürfen in der Bilanz angesetzt werden?
294 Aufbauend auf Jung (2010), S. 1080 und Döring, Buchholz (2009), S. 19.
295 Ein einfaches Zahlenbeispiel für ein Reisebüro findet sich bei Bach (2008), S. 29–44.
296 Vgl. Coenenberg, Haller, Schultze (2009), S. 77–149.
Abbildung 73: Buchungsvorgänge am Beispiel von Bilanzkonten294
Aktivkonten
z.B. Grundstücke
Anfangsbestand Abgänge (–)
Zugänge (+)
S H
Passivkonten
z.B. Verbindlichkeiten
AnfangsbestandAbgänge (–)
Zugänge (+)
S H
Abbildung 74: Der Prozess des Bilanzansatzes
Ist der
Vermögensgegenstand
bilanzierungsfähig?
Kein Bilanzansatz
nein
Besteht ein
Bilanzierungswahlrecht ?
ja
Bilanzansatz
nein
Bilanzierungspflicht
Ausübung?
ja
ja
nein
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2193.2 Rechnungswesen und Controlling
•• Bewertung („Bilanzierung der Höhe nach“): Mit welchen Werten müssen
diese VGG und Schulden gezeigt werden, wenn sie angesetzt sind?
•• Ausweis: An welcher Stelle der Bilanz müssen diese VGG und Schulden
ausgewiesen werden?
Münden diese drei Prozesse in einer sach- und wertmäßigen Aufnahme in die
Aktiva der Bilanz an der vorgeschriebenen Position, spricht man von einer Aktivierung; im umgekehrten Fall einer sach- und wertmäßigen Aufnahme in die
Passiva der Bilanz an der vorgeschriebenen Position von einer Passivierung.297
Für diese Einzelprozesse sehen die anzuwendenden Gesetze oder Rechnungslegungsnormen für jede Bilanzposition bestimmte Pflichten (Gebote), Verbote
oder Wahlrechte vor. Diese müssen für jeden einzelnen Vermögensgegenstand
geprüft werden, wodurch sich eine charakteristische Stufenfolge für den Bilanzierungsprozess ergibt, vgl. Abb. 74.
3.2.3.3 Der Blick auf den Erfolg: Die Gewinn- und Verlustrechnung (GuV)
In der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) werden alle Erträge einer Periode
den entsprechenden Aufwendungen gegenübergestellt und als Saldo der Gewinn in Form des Jahresüberschusses ermittelt.
Kapitalgesellschaften haben ihre GuV grundsätzlich in Staffelform zu erstellen,
gemäß folgendem Schema:
297 Vgl. Scheffler (2006), S. 28–32.
298 Vgl. mit Zahlenbeispiel Jung (2010), S. 1054. Kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften genießen gem. § 276 HGB Erleichterungen, indem sie bestimmte Positionen
zusammenfassen dürfen.
Abbildung 75: Die GuV-Gliederung nach § 275 HGB298
1. Umsatzerlöse
2. Erhöhung oder Verminderung des Bestandes
an fertigen oder unfertigen Erzeugnissen
3. Andere aktivierte Eigenleistungen
4. Sonstige betriebliche Erträge
5. Materialaufwand
6. Personalaufwand
7. Abschreibungen (ohne Ziff. 12)
8. Sonstige betriebliche Aufwendungen
9. Erträge aus Beteiligungen 8.
10. Erträge aus anderen Wertpapieren und 9.
Ausleihungen des Finanzanlagevermögens
11. Sonstige Zinsen und ähnliche Erträge 10.
12. Abschreibungen auf Finanzanlagen und 11.
Wertpapiere des Umlaufvermögens
13. Zinsen und ähnliche Aufwendungen 12.
14. Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit 13.
15. Außerordentliche Erträge 14.
16. Außerordentliche Aufwendungen 15.
17. Außerordentliches Ergebnis 16.
18. Steuern vom Einkommen und vom Ertrag 17.
19. Sonstige Steuern 18.
20. Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag 19.
Gesamtkostenverfahren Umsatzkostenverfahren
1. Umsatzerlöse
2. Herstellungskosten der zur Erzielung der
Umsatzerlöse erbrachten Leistungen
3. Bruttoergebnis vom Umsatz
4. Vertriebskosten
5. Allgemeine Verwaltungskosten
6. Sonstige betriebliche Erträge
7. Sonstige betriebliche Aufwendungen
B e t r i e b s e r g e b n i s
F i n a n z e r g e b n i s
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3. Managementprozesse: Lenken und Entscheiden im Tourismus220
Die GuV bietet die Möglichkeit, drei Quellen unternehmerischen Erfolgs zu
unterscheiden: Das operative Geschäft, die finanziellen Aktivitäten und die
außerordentlichen Effekte.299 Diese Unterscheidung ist enorm wichtig bei der
Beurteilung von „Erfolgszahlen“, die ein Unternehmen berichtet. Es gibt Situationen, in denen sind Unternehmen operativ sehr profitabel und kommunizieren
dies auch gerne. Ein kritischer Blick in die GuV kann dann aber große Verluste
im finanziellen Bereich oder durch außergewöhnliche Ereignisse offenbaren.
Das Gesamtkostenverfahren ist vornehmlich an der Finanzbuchhaltung orientiert, während das Umsatzkostenverfahren eher am Gedanken der Deckungsbeitragsrechnung (Abschnitt 3.2.4.3) des Controllings ausgerichtet ist.
Gesamt- und Umsatzkostenverfahren führen jedoch stets zum gleichen Jahresüberschuss.
3.2.3.4 Der Blick in die Kasse: Die Cash Flow-Rechnung
Im Gegensatz zu den zukunftsorientierten Rechnungen der Finanzierung und
Liquiditätsplanung301 dient die Cash Flow- oder Kapitalflussrechnung der vergangenheitsorientierten Betrachtung, inwieweit und durch welche Zahlungsströme sich die Liquiditätssituation des Unternehmens in einer abgelaufenen
Berichtsperiode verändert hat. Integriert man diese vergangenheitsbezogenen und zukunftsbezogenen Elemente, entsteht ein Cash Management aus
systematischem Nachhalten und aktiver Steuerung der Hauptzahlungsströme
eines Unternehmens. Dies ist insbesondere dann zwingend nötig, wenn wie
299 Vgl. Coenenberg, Haller, Schultze (2009), S. 517–519 und Döring, Buchholz (2009),
S. 37–39.
300 Vgl. Coenenberg, Haller, Schultze (2009), S. 511.
301 Vgl. Abschnitt 2.1.
Abbildung 76: Ermittlung des Periodenergebnisses bei Gesamtkosten- und
Umsatzkostenverfahren300
Gesamtkostenverfahren Umsatzkostenverfahren
Aufwand Ertrag
Bestandserhöhung3
3
Aufwand Ertrag
Umsatzerlöse
Umsatzerlöse
1
2
1
2
1: Gesamter Periodenaufwand
2: Herstellungskosten der Bestandserhöhung
3: Jahresüberschuss (GKV) = Jahresüberschuss (UKV)
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2213.2 Rechnungswesen und Controlling
im Tourismus stark schwankende Geschäftsverläufe mit stark schwankenden
Zahlungsströmen einhergehen.302
Während bei Einzelunternehmen Erläuterungen zur Finanzlage ausreichend
sind, ist die Erstellung einer ausführlichen Kapitalflussrechnung für Konzerne
verpflichtend. Aber auch Einzelunternehmen können sich die Strukturvorgaben der Kapitalflussrechnung für Konzerne zu Eigen machen, wenn sie ihre Liquiditätsplanung zu einem umfassenden Cash Management ausbauen wollen.
Erst durch die Kapitalflussrechnung vervollständigt sich das Bild, das die
Rechnungslegung vom Unternehmen abgeben soll:303
Die Cash Flow-Rechnung hat mehrere Ziele. Vor allem sollen Dritte Erkenntnisse gewinnen, ob der Konzern kurzfristig und dauerhaft seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommen kann. Ferner eignet sich die Größe Cash Flow
auch als langfristiger Indikator für „echtes“ unternehmerisches Wachstum,
das letztlich nur aus dauerhaften Einzahlungsüberschüssen resultieren kann.
Die monetären Wertgrößen der Kapitalflussrechnung können nur die liquiditätswirksamen sein, also die Einzahlungen und Auszahlungen. Damit besitzt
die Kapitalflussrechnung gegenüber Bilanz und GuV einen großen Transparenzvorteil, denn Ein- und Auszahlungen kann man im Gegensatz zu Erträgen
und Aufwendungen nicht bewerten: Ein Euro bleibt ein Euro.
Zahlungsströme können im Rahmen unternehmerischer Tätigkeit aus drei
Quellen gespeist werden:304
•• Cash Flow aus Geschäftstätigkeit,
z. B. Erhalt von Kundenzahlungen, Bezahlen der Lieferanten
•• Cash Flow aus Investitionstätigkeit,
z. B. Bezahlen einer Rate für ein neues Kreuzfahrtschiff, Verkauf eines Flugzeuges
•• Cash Flow aus Finanzierungstätigkeit,
z. B. Gewährung eines Darlehens, Zahlung von Zinsen
Damit können diese drei Bereiche auch getrennt voneinander analysiert werden. Für die Liquiditätsplanung des Gesamtunternehmens ist natürlich die
Gesamtsicht die vordringliche.
Der Cash Flow kann auf unterschiedliche Weise ermittelt werden. Am genauesten ist die Bildung des Saldos aller Einzahlungen mit allen Auszahlungen
302 Zum Cash Management von Reiseveranstaltern vgl. Mundt (2011), S. 165–191.
303 Vgl. Coenenberg, Haller, Schultze (2009), S. 769 f.
304 Vgl. Scheffler (2006), S. 149–151.
Abbildung 77: Das Zusammenspiel von Bilanz, GuV und Cash Flow-Rechnung
„Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage“ (§264 (2) HGB)
Bilanz Kapitalfluss-
Rechnung
GuV
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3. Managementprozesse: Lenken und Entscheiden im Tourismus222
einer Berichtsperiode. Diese direkte Ermittlung entspräche dem Bild eines
Kontoauszuges. Allerdings stehen Unternehmensexternen diese Zahlungsdaten
meist nicht zur Verfügung. Dann bietet es sich an, den Cash Flow auf einem
vereinfachten Weg über die zugänglichen GuV-Daten zu ermitteln. Bei dieser
indirekten Ermittlung wird der Jahresüberschuss der GuV um diejenigen Posten
zurückgerechnet („bereinigt“), die zuvor bei der Berechnung des Jahresüberschusses eingegangen sind, aber zahlungsunwirksam waren.305 Dazu zählen
insbesondere die Abschreibungen und Rückstellungen. Diese Korrektur um
alle nicht-zahlungswirksamen Effekte führt je nach Genauigkeit und Vollständigkeit der Korrekturen ebenfalls zum Cash Flow.
Für externe Leser von Jahresabschlüssen ist die Genauigkeit des Cash Flows
meist weniger interessant als die Frage, wie sich der Cash Flow des Unternehmens langfristig entwickelt, auch im Verhältnis zur Verschuldung des Unternehmens (dynamischer Verschuldungsgrad 306).
3.2.4 Elemente des internen Rechnungswesens
3.2.4.1 Controlling ist nicht Kontrolle
Für die interne Steuerung eines Unternehmens hat sich auch im deutschen
Sprachraum der Begriff des Controllings307 durchgesetzt. Die phonetische
Ähnlichkeit zum deutschen Begriff Kontrolle führt allerdings immer noch zu
Fehlinterpretationen des Controllings im Sinne einer zu engen Auslegung als
reines internes Berichtsystem.
305 Vgl. Reichmann (2011), S. 98 und Scheffler (2006), S. 150 f.
306 Vgl. Abschnitt 2.1.5.
307 Engl. to control = steuern, lenken, beherrschen.
Abbildung 78: Wege der Ermittlung des Cash Flows
Direkte Ermittlung
(„vorwärts“)
Ermittlung des Cash Flow
Indirekte Ermittlung („rückwärts“)
Genaue Ermittlung NäherungsrechnungEinzahlungen
– Auszahlungen
= Cash Flow
„Kontoauszug“
Jahresüberschuss
+ Aufwand, der nicht Auszahlung ist
– Ertrag, der nicht Einzahlung ist
+ Einzahlung, die nicht Ertrag ist
– Auszahlung, die nicht Aufwand ist
= Cash Flow
Jahresüberschuss
+ Abschreibungen
– Zuschreibungen
+ Rückstellungserhöhungen
– Rückstellungsverminderungen
+/– Sonstige Korrekturgrößen
= Cash Flow
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Vorteile
- Umfassendes Grundlagenwerk zur touristischen Betriebswirtschaftslehre
- Im deutschsprachigen Bereich ohne Beispiel
- Abdeckung aller wesentlichen Funktionsbereiche des Tourismus-Managements
- Eignung für Studierende und Praktiker
- Zahlreiche Praxis-Kurzbeiträge von Führungskräften
Zum Werk
Die Tourismusbranche gehört zu den am stärksten wachsenden, aber auch komplexesten Wirtschaftsbereichen.
Dieses Werk vermittelt erstmalig ein umfassendes betriebswirtschaftliches Grundwissen für die Tourismusbranche für Studium und Praxis, das alle wesentlichen Bereiche der Betriebswirtschaftslehre abdeckt. Es unterstützt Studierende und Praktiker bei der Entwicklung einer betriebswirtschaftlichen Denkhaltung, die sinnvolles aktives Handeln („Management“) im touristischen Geschäft ermöglicht.
Das Buch beschreibt auf der Basis eines integrierten Management-Modells Investition und Finanzierung, Beschaffung, Produktion und Marketing sowie die Managementprozesse Planung, Steuerung, Personalmanagement und Organisation. Den Abschluss bilden langfristige Überlegungen zur strategischen Unternehmensführung sowie zum nachhaltigen Tourismusmanagement.
Zahlreiche Experten-Statements von Führungskräften aus der Branche illustrieren die Praxisrelevanz.
Autoren
Prof. Dr. Felix Kolbeck und Prof. Dr. Marion Rauscher, Fakultät für Tourismus, Hochschule München
Zielgruppe
- Studierende der Bachelor-Studiengänge Tourismusmanagement, Masterstudiengänge, Weiterbildungsangebote (IHK, MBA, …) und Tourismusunternehmen.