Vahlen – Allgemeine Reihe – Kolbeck/Rauscher – Tourismus-Management – Herstellung: Frau Deuringer
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3. Managementprozesse: Lenken und Entscheiden im Tourismus190
plant, in den Jahren 2012, 2013 und 2014.239 Dabei nimmt natürlich die Sicherheit
hinsichtlich der Erwartungen für das Jahr 2015 stetig zu.
In touristischen Unternehmen liegen die Hauptplanungsaktivitäten häufig
ausgerechnet in der Hauptsaison. Das Urlaubshotel ist voller Gäste, und gleichzeitig müssen in enger Abstimmung mit Reiseveranstaltern, einer Muttergesellschaft und diversen Vertriebskanälen die kommenden Jahre und die nächste
Saison geplant werden.
Die Einfügung der Planungsprozesse in den ohnehin zeitlich engen Geschäftsalltag zeigt, dass auch die Planung selbst geplant werden muss240 („Meta-Planung“). Schließlich darf sie keinen zu breiten Raum einnehmen, sondern muss
auch Raum für Spontaneität und Intuition lassen.
Nach dem Instanzenweg, den eine Planung als Prozess durchläuft, kann unterschieden werden in:241
•• Top down-Planung: Die Planung erfolgt auf der obersten Ebene der Geschäftsführung und wird anschließend verbindlich „heruntergebrochen“
bis in die operativen Bereiche.
•• Bottom up-Planung: Die Planung erfolgt zuerst in den operativen Bereichen.
Die operativen Teilpläne werden in der Folge nach oben aggregiert, so dass
ein Gesamtplan entsteht.
•• Planung im Gegenstromverfahren: Die Unternehmensleitung erlässt „top
down“ Planungsvorgaben, anhand derer die operativen Bereiche „bottom
up“ ihre Planungen ausarbeiten. In mehreren Runden erfolgen Planungsgespräche mit Genehmigungen oder Ablehnungen durch die Unternehmensleitung.
3.1.3 Strategische Planung
3.1.3.1 Strategiebegriff
Man hört den Begriff der Strategie in Unternehmen sehr häufig, allerdings in
unterschiedlichen Kontexten und Bedeutungen. Einige Beispiele:
•• „Das können wir so einfach nicht lösen. Da müssen wir strategisch vorgehen.“ (? Im Sinne von: „geplant“, „nicht kurzfristig“)
•• „Du willst der Geschäftsführung die kalte Schulter zeigen? Hältst Du das
für eine gute Strategie?“ (? Im Sinne einer Vorgehensweise)
•• „Beim Kauf dieses Unternehmens wurde eine strategische Prämie gezahlt.“
(? Im Sinne von Inkaufnahme eines Risikos)
•• „Ich weiß eigentlich gar nicht, welche Strategie unser Unternehmen verfolgt!“
(? Im Sinne eines langfristigen Ziels)
Das Wort „Strategie“ hat seine etymologischen Wurzeln im Griechischen, wo
,strategos‘ für einen Heerführer stand, und der Begriff ,strategem‘ eine Kriegs-
239 Vgl. Thommen, Achleitner (2009), S. 957.
240 Vgl. Horváth (2011), S. 147.
241 Vgl. Thommen, Achleitner (2009), S. 956 f. und Vahs, Schäfer-Kunz (2007), S. 283.
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1913.1 Planung
list beschrieb. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts fand der Begriff Eingang in das
preußische Militärwesen. Helmuth von Moltke242 definierte eine Strategie 1910
als „Fortbildung des ursprünglich leitenden Gedankens entsprechend den
stets sich ändernden Verhältnissen.“ Interessanterweise eine völlig unmilitärische Definition, die auch im wirtschaftlichen Kontext durchaus noch modern
erscheint.243 Ab 1920 spielen Strategien in der Spieltheorie eine große Rolle,
weil in ihr die Handlungsalternativen (Pläne) eines Entscheidungssubjektes in
Abhängigkeit von denen anderer Spieler (Konkurrenz) mit eigenen Zielen und
Interessen gesetzt werden.244
Das ab den 1950er-Jahren entwickelte moderne Verständnis einer Unternehmensstrategie fasst diese historischen Definitionslinien des Strategiebegriffs
zusammen und setzt sie in den betriebswirtschaftlichen Kontext. Es betont
als wesentliche Merkmale die Langfristigkeit im Sinne der Fortbildung des
leitenden Gedankens, die Proaktivität im Sinne eines Planes, die Potential- bzw.
Wettbewerbsorientierung im Sinne des Ziels erfolgsversprechender Stärken und
die Umweltabhängigkeit der Strategie.245
Eine Definition, die gleichermaßen Offenheit, Zielorientierung und Gewicht
unterstreicht, liefert das Konzept der Unternehmensstrategie der Harvard Business School:
Definition
„… Corporate strategy is the pattern of major objectives, purposes, or goals and essential
policies and plans for achieving those goals, stated in such a way as to define what business
the company is in or is to be in and the kind of company it is or is to be.“246
!
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gewann das strategische Denken
(„Tun wir die richtigen Dinge?”) neben dem operativen Denken („Tun wir die
Dinge richtig?“) in den Unternehmen eine immer größere Bedeutung.247 In der
betriebswirtschaftlichen Praxis sind strategische und operative Sachverhalte
untrennbar miteinander verbunden. Allerdings finden sich bei den Menschen,
die mit diesen Sachverhalten umgehen müssen, durchaus verschiedene Charaktere. Da gibt es die „Strategen“, die gerne konzeptionell und mit Weitsicht
arbeiten, und es gibt die das operative Geschäft liebenden Individuen, die in
der Tourismusbranche „nah beim Gast“ bzw. „in den Operations“ (Zielgebiete,
Flug, Hotel …) wirken.
242 Helmuth von Moltke (1848–1916), Generaloberst, Chef des preußischen Generalstabes.
243 von Moltke (1912), S. 1. Zur Interpretation dieser Definition im betriebswirtschaftlichen Zusammenhang vgl. ausführlich Hinterhuber (2011), S. 157–159.
244 Vgl. Staehle (1994), S. 574 f.
245 Vgl. Kolbeck (1997), S. 144.
246 Andrews (1971), S. 28.
247 Vgl. Horváth (2011), S. 222.
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3. Managementprozesse: Lenken und Entscheiden im Tourismus192
3.1.3.2 Strategieentwicklung
3.1.3.2.1 Anspruch und Ablauf der Strategieentwicklung
Wie kommt man zu einer Strategie? Und am besten zu einer, die besser ist als
die der Konkurrenz? Wie mache ich die Strategie im Unternehmen bekannt, und
wie setze ich sie durch? Diese und ähnliche Fragen zeigen drei Sachverhalte auf:
•• Die Strategieentwicklung erfolgt nicht losgelöst vom unternehmerischen Alltag, sondern ist eingebettet in ein umfassendes strategisches Management.248
•• Die Strategieentwicklung ist eine anspruchsvolle intellektuelle Leistung,
die analytische Fähigkeiten, Entscheidungsfreude, gestalterische Kreativität, kommunikatives Talent und Umsetzungsstärke erfordert. In kleineren
Unternehmen müssen diese Eigenschaften in wenigen Köpfen vereint sein.
Große Unternehmen bilden hierfür Teams und lassen sich bei der Strategieentwicklung von Unternehmensberatungen unterstützen.
•• Die Strategieentwicklung stellt die wichtigsten Weichen für eine mögliche
Erzielung von Wettbewerbsvorteilen.
Der Prozess der Strategieentwicklung umfasst analysierende, entscheidende
und gestaltende Elemente.
Der Prozess des strategischen Managements ist in vielerlei Hinsicht eine idealtypische Vorstellung. Er geht davon aus, dass die einzelnen Prozessstufen
systematisch, nacheinander und mit ausreichend Zeit und Personal abgearbeitet
werden können. Diese Prämissen gelten meist nur in großen Unternehmen und
in Zeiten relativer Ruhe.
248 Vgl. Ulrich, Fluri (1995), S. 125–131.
249 Aufbauend auf Steinmann, Schreyögg (2005), S. 172 und dem bei Staehle (1994), S. 576
wiedergegebenen Harvard-Konzept der Strategieentwicklung. Nach Steinmann und
Schreyögg stellt die strategische Kontrolle den letzten Teilschritt im Prozess des strategischen Managements dar.
Abbildung 62: Der Prozess des strategischen Managements249
Umwelt:
Chancen / Risiken
Unternehmen:
Stärken / Schwächen
Strategische
Optionen
Strategische
Wahl
Strategische
Programme
Strategieentwicklung
Realisation
Strategieumsetzung
Wechselwirkungen
ANALYSE ENTSCHEIDUNG GESTALTUNG
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1933.1 Planung
In der Realität stellen sich strategische Handlungsnotwendigkeiten dagegen
häufig plötzlich und in sehr unsicheren Zeiten ein. Eine Strategie muss dann
unter Umständen sehr zügig entwickelt und umgesetzt werden, wobei dieser
Prozess hektisch und iterativ ablaufen kann.
Dennoch ist der Strategieentwicklungsprozess auch in seiner idealtypischen
Form sehr gut geeignet, in der unternehmerischen Praxis als Denkhaltung und
Prozessunterstützung zu fungieren. Dies gilt für Unternehmen jeder Größe,
Branche und Rechtsform. Auch touristische Destinationen sollten systematisch
Strategien entwickeln, um damit ihre Destinationsentwicklung systematisch
und frei von Illusionen voran zu treiben.
3.1.3.2.2 Strategische Analyse von Umwelt und Unternehmen
Zu Beginn einer Strategieentwicklung muss sich das Unternehmen die Frage
stellen, wie es momentan „dasteht“, sowohl im Wettbewerb als auch in weiteren
Bereichen der umgebenden Umwelt.250
Die einzelnen Bereiche der globalen Umwelt stehen sowohl untereinander als
auch zur Wettbewerbsumwelt in zahlreichen Austauschbeziehungen. Oft ist
der Druck aus einer oder mehrerer dieser Umwelten so groß geworden, dass
dadurch die Hinterfragung der alten Strategien und ggf. deren Neuentwicklung
angestoßen wurde.
250 Zur Analyse von Umwelt und Unternehmen vgl. ausführlich Hammer (2011), S. 131–
144.
251 Aufbauend auf den „Umweltsphären“ des St. Galler Managementmodells, vgl.
Thommen, Achleitner (2009), S. 946 f., Vahs, Schäfer-Kunz (2007), S. 41 f. und Steinmann, Schreyögg (2005), S. 178.
Abbildung 63: Die „Umwelten“ des Unternehmens: Bereiche und Akteure251
Globale Umwelt
Technologische
Sozio-
Kulturelle
Natürliche
Makro-
ökonomische
Politisch-
Rechtliche
Wettbewerbsumwelt
Kunden
Konkurrenten
Kapitalgeber
Lieferanten
Unternehmen
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3. Managementprozesse: Lenken und Entscheiden im Tourismus194
Definition
In der Umweltanalyse verfolgt ein Unternehmen laufend die relevanten Bereiche der
globalen Umwelt, um Informationen daraus zu sammeln, zu Szenarien zu verdichten
und daraus Trends im Sinne von Chancen und/oder Risiken für die eigene Entwicklung
abzuleiten.
!
Die Tourismusbranche wird an vielen Stellen aus den globalen Umwelten
beeinflusst. Im Bereich der makroökonomischen Umwelt sind die Veränderungen von BIP, Inflation und Kaufkraft der Bevölkerung sowohl in touristischen Quellmärkten als auch in den touristischen Destinationen von gro-
ßer Bedeutung. Die Entwicklung der Rohölpreise hat enorme Auswirkungen
auf den Wettbewerb der verschiedenen Verkehrsträger und die Steuerung
von Fluggesellschaften (Sicherungsgeschäfte, Fuel Hedging). Wechselkursveränderungen beeinflussen jede denkbare Form des internationalen Tourismusgeschäfts. Im Bereich der technologischen Umwelt verkürzen sich die
Lebenszyklen vieler Technologien immer mehr. Das Internet prägt nicht nur
Reiseveranstalter und -vertriebe, sondern auch Destinationen (Routenführer,
Navigation, Geo-Caching, …). Die politisch-rechtliche Umwelt wirkt vor allem
in Form von Gesetzen, Richt linien und Verordnungen auf die Tourismusunternehmen ein. Dies kann von lokalen Vorschriften zum Trinkwasserschutz
über nationale Steuergesetze (z. B. Umsatzsteuersätze in der Hotellerie) bis zu
EU-Förderprogrammen für Infrastrukturprojekte reichen. Finanzkrisen, die
enormen Verschuldungsgrade vieler Staaten im Mittelmeerraum und politische
Umwälzungen in den arabischen Staaten tun ein übriges, um die strategische
Planung von in diesen Regionen tätigen Tourismusunternehmen schwierig zu
gestalten. Die sozio-kulturelle Umwelt bringt veränderte Wertestrukturen und
Lebensstile hervor, die auch das Reiseverhalten dauerhaft verändern. Demographische Wandel führen in vielen klassischen Quellmärkten zu einer alternden
und/oder schrumpfenden Bevölkerung, während in neueren Quellmärkten
und vielen exotischen Destinationen Bevölkerungswachstum und -verjüngung dominieren. Die natürliche Umwelt stellt für die Tourismusbranche eine
wichtige Ressource ( „Intakte“ Landschaften, Erholungswert), aber auch ein
Sinnbild enormer Verantwortung (CO2-Produktion durch Reisen, Raubbau,
Flächenversiegelung, …) dar.
Entscheidend ist, dass für die wichtigsten Faktoren aus den relevanten Umwelten alternative Zukunftsszenarien entwickelt werden,252 denen man im besten
Fall auch Eintrittswahrscheinlichkeiten zuordnen kann. Ein allen Beteiligten
besonders wahrscheinlich erscheinendes Szenario sollte dem Fortgang der
Strategieentwicklung zu Grunde gelegt werden.253 Zur Absicherung können für
weitere Szenarien vereinfachte Eventual-Pläne („Schubladen-Pläne“) abgeleitet
werden.
252 Zum dafür nötigen Einsatz der Szenario-Technik vgl. Geschka (1999), S. 518–545.
253 Vgl. Hinterhuber (2011), S. 119–124 sowie Fink, Schlake, Siebe (2001), S. 74–95 und
S. 154–159.
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1953.1 Planung
Definition
Die Unternehmensanalyse hat zum Ziel, die Stärken und Schwächen des Unternehmens
hinsichtlich der in der Umweltanalyse erkannten Chancen und Risiken zu erkennen und zu
beurteilen.
!
Wie in der Definition zum Ausdruck kommt, sind Umwelt- und Unternehmensanalyse als Einheit zu betrachten. Das eine macht ohne das andere keinen
tieferen Sinn.254
Die Unternehmensanalyse sollte daher immer auch Analysen der wichtigsten
Konkurrenten und Kundengruppen mit einschließen. Dadurch kann die eigene Situation am Markt relativ zu den wichtigsten Konkurrenten erkannt und
objektiviert werden, da zwei Perspektiven eingenommen werden:255
•• Innen-Außen-Perspektive: Durch diese produktionsorientierte Sicht werden
die im Unternehmen gegenwärtig vorhandenen Ressourcen und zukunftsrelevanten Ressourcen relativ zur Konkurrenz sichtbar.
•• Außen-Innen-Perspektive: Die kundenorientierte Sicht zeigt auf, welche kritischen Erfolgsfaktoren den Absatzmarkt auszeichnen, und wie gut das
eigene Unternehmen und die Konkurrenten diese Marktbedingungen momentan erfüllen.
254 Zu den Inhalten einer Umwelt- und Unternehmensanalyse in der Hotellerie vgl.
Gardini (2009), S. 145–158 und Pircher-Friedrich (2000), S. 43–76.
255 Vgl. hierzu und im Folgenden ausführlich Steinmann, Schreyögg (2005), S. 204–219.
256 Aufbauend auf Vahs, Schäfer-Kunz (2007), S. 260. Zur Analyse von Chancen und Risiken sowie deren engen Beziehungen vgl. Bea, Scheurer, Hesselmann (2008), S. 352–359.
Abbildung 64: Grundmuster einer SWOT-Analyse mit beispielhaften Analysefragen256
Strengths Weaknesses
Opportunities Threats
Wo liegen die derzeitigen,
wesentlichen Stärken des
Unternehmens?
Wo liegen die derzeitigen,
wesentlichen Schwächen
des Unternehmens?
In Richtung welcher Chancen
sollte das Unternehmen seine
Stärken weiter ausbauen und
seine Schwächen reduzieren?
Welche Risiken drohen dem
Unternehmen, wenn es seine
Stärken nicht nutzt und seine
Schwächen bestehen bleiben?
Unternehmensinterne
Faktoren
Unternehmensexterne
Faktoren
Positive Faktoren Negative Faktoren
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3. Managementprozesse: Lenken und Entscheiden im Tourismus196
In Umwelt- und Unternehmensanalyse kann eine Vielzahl von Analyseinstrumenten zum Einsatz kommen.257 Ein wichtiges Instrument zur Objektivierung
und Visualisierung der Ergebnisse von Umwelt- und Unternehmensanalyse
stellt die SWOT-Analyse dar, vgl. Abb. 64.258 Sie setzt die Stärken (Strengths)
und Schwächen (Weaknesses) des Unternehmens mit den in der Umweltanalyse
identifizierten Chancen (Opportunities) und Risiken (Threats) in Beziehung.
Wichtig ist bei der Nutzung einer SWOT-Analyse, dass aus der zunächst rein beschreibenden Darstellung heraus die richtigen Analysefragen gestellt („ Warum
ist die Lage so?“) und Schlüsse gezogen werden („Wo wollen wir hin? Und wie
kommen wir dahin?“). Nur dann können aus einer solchen Analyse auch Handlungsalternativen im Sinne grundlegender Strategieoptionen für den Fortgang
der Strategieentwicklung abgeleitet werden.
3.1.3.2.3 Strategische Optionen
Vor dem Hintergrund der entwickelten Zukunftsszenarien sind nun mögliche
Handlungsalternativen („Strategische Optionen“) zu entwickeln. Dabei sind
Strategien auf Geschäftsfeldebene (Wettbewerbsstrategien) von Strategien auf
der Gesamtunternehmensebene (Unternehmensstrategien) zu unterscheiden.
Da in diesem Abschnitt zum Managementprozess der Planung der Prozess der
Strategieentwicklung im Vordergrund steht, wird auf diese und weitere Strategietypen später im Abschnitt zum Strategischen Management (Abschnitt 4.2)
eingegangen.
Waren bei der Umwelt- und Unternehmensanalyse noch vor allem analytisches Gespür und Objektivität wichtig, sind bei der Suche nach strategischen
Optionen vor allem Kreativität und Realistik gefragt, und zwar zu gleichen
Anteilen. Oft wird dieser Prozess daher zweigeteilt in eine kreative Ideensuche und eine anschließende kritische Überprüfung ihrer Sinnhaftigkeit und
Umsetzbarkeit.
Ziel ist eine möglichst vollständige Liste von maximal vier bis fünf grundsätzlichen Strategieoptionen. Dazu sind Kriterienkataloge nötig, anhand derer die
in die Liste aufzunehmenden Strategien herausgefiltert werden können. Zu
diesen Kriterien zählen unter anderem Konkretisierungsgrad, Realistik, Nachhaltigkeit, die Konformität zur Unternehmenspolitik sowie die Erreichbarkeit
bestimmter strategischer Ziele unter den gegebenen Rahmenbedingungen.259
Für die Phase der Suche nach geeigneten Strategieoptionen bietet es sich an,
Workshops durchzuführen, die räumlich und zeitlich vom Tagesgeschäft losgelöst werden.260 In solchen Strategieworkshops können die für die Strategieentwicklung verantwortlichen Führungskräfte und Mitarbeiter auf verschiedene
Techniken der Ideenfindung (Kreativitätstechniken) zurückgreifen.261 Große
257 Ausführlich beschrieben bei Kreikebaum, Gilbert, Behnam (2011), S. 199–271.
258 Vgl. hierzu und im Folgenden Kreikebaum, Gilbert, Behnam (2011), S. 248–253 und
Vahs, Schäfer-Kunz (2007), S. 259 f. sowie als Beispiel für die Hotellerie Gardini (2009),
S. 154 f.
259 Vgl. Kreikebaum, Gilbert, Behnam (2011), S. 157–159.
260 Vgl. Steinle, Lawa, Kolbeck (1999), S. 28–41.
261 Viele praxisgeeignete Kreativitätstechniken zeigt anschaulich Knieß (2006), S. 37–203.
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1973.1 Planung
Unternehmen leisten sich hierfür die Unterstützung durch externe, speziell
geschulte Moderatoren oder Unternehmensberatungen. Die Suche nach strategischen Optionen in Teamarbeit hat den Vorteil, dass verschiedene Charaktere,
Bildungshintergründe und Erfahrungen zusammenkommen, die ein möglichst
ganzheitliches Vorgehen bei der Ideenfindung gewährleisten. Zudem zeigen
Erkenntnisse aus der Persönlichkeits- und Neuropsychologie, dass logisches,
analytisches und planerisches Denken eher in der linken Hemisphäre des
menschlichen Gehirns angesiedelt sind. Dagegen sind die Fähigkeit zu ganzheitlichem Erfassen, zu Intuition und Kreativität der rechten Gehirnhälfte zuzuordnen.262 Menschen sind in der Regel nicht in beiden Bereichen gleich „stark“.
Durch eine geschickte Teamzusammensetzung können die unterschiedlichen
Stärken und die damit verbundenen unterschiedlichen Herangehensweisen
an die anspruchsvolle Aufgabe der Strategieentwicklung sinnvoll verknüpft
werden.
3.1.3.2.4 Strategische Wahl und Umsetzung
Durch die finale Auswahl einer der strategischen Alternativen entsteht Führung: Mit dieser Entscheidung wird die zukünftige Richtung des Unternehmens oder eines seiner Geschäftsfelder vorgegeben. Dazu bedarf es mehrerer
Voraussetzungen:
•• Entscheidungsfreude: Man sollte nicht warten, bis man „alle nötigen Informationen“ für eine Strategie-Entscheidung zusammengetragen hat, denn
dieser Zustand wird nie eintreten. Strategische Entscheidungen gehören zu
den Entscheidungen mit der größten Ungewissheit und sind damit Entscheidungen des Top-Managements, die nicht delegierbar sind.
•• Prioritätensetzung und Entscheidungsunterstützung: Zur Absicherung einer
strategischen Entscheidung können sich die Entscheidungsträger einiger
Hilfsmittel bedienen. Diese reichen von einfachen Scoring-Modellen bis hin
zu computergestützten Entscheidungsunterstützungssystemen (Decision
Support Systems, DSS).263
In der Regel wird man sich nicht für genau „eine Strategie“ entscheiden, sondern für ein Set aus mehreren Teilstrategien, ein Strategiebündel. Deren Konkretisierung und Umsetzung erfolgt durch die Ableitung einzelner strategischer
Programme, etwa für die inhaltlichen Bereiche Finanzierung, Produkte und
Vermarktung in Verbindung mit formalen Festlegungen bezüglich Zeitplan
(Teilschritte), Controlling und Verantwortlichkeiten.
Wie erfährt nun das Unternehmen von seiner neuen Strategie, oder gar seiner
kompletten strategischen Neuausrichtung? Die Kommunikation der Strategie
hängt zum einen von der Unternehmenskultur264 ab, zum anderen davon, wie
schnell die neue Strategie Eingang in die operative Planung des Unternehmens
Eingang finden soll. Letzteres zeigt auch den Instrumentalcharakter der Strate-
262 Vgl. ausführlich Watzlawik (2011), S. 184–191 und Steinle, Eggers, Kolbeck (1999), S. 29.
263 Vgl. Steinmann, Schreyögg (2005), S. 416 f.
264 Vgl. zur Unternehmenskultur Abschnitt 4.1.2.1.
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3. Managementprozesse: Lenken und Entscheiden im Tourismus198
gie auf – die Strategie muss Eingang finden in die operativen Funktionsbereiche
und das Tagesgeschäft.
Die Forderung, dass eine Unternehmensleitung „immer alles möglichst offen
und transparent kommunizieren“ solle, ist ebenso abzulehnen wie die Einstellung vieler Unternehmensleitungen, die Strategie als „Geheimwissen“ anzusehen, das die Mitarbeiter gar nicht bräuchten. Die Art des einzuschlagenden
Mittelwegs bei der Strategiekommunikation hängt sehr von der Art der Strategie ab. Bei strategischen Zukäufen und Übernahmen anderer Unternehmen ist
zunächst Geheimhaltung, dann aber sehr viel Kommunikation, und vor allem
kommunikatives Fingerspitzengefühl gefragt. Denn in diesen Fällen kommt
es immer zu emotionalen Reaktionen auf die neue Strategie. Liegt die Strategie
in einer neuen Preis- und Konditionenpolitik, deren Kenntnis die Konkurrenz
sicherlich freuen würde, sollte die Unternehmensleitung diese ungleich zurückhaltender kommunizieren, nämlich primär mit den Abteilungen, die diese
Strategie im Produkt- oder Lieferantenmanagement umzusetzen haben.
Ein geeignetes Visualierungs- und Unterstützungsinstrument bei der Umsetzung komplexer strategischer Programme stellt die Balanced Scorecard dar.265
In ihr wird die Zielerreichung der Strategie anhand von Kennzahlverläufen aus
vier Perspektiven (Finanziell, Interne Geschäftsprozesse, Kunde und Lernen/
Entwicklung) sichtbar gemacht.
3.1.4 Operative Planung
3.1.4.1 Ziele und Inhalte der operativen Planung
Innerhalb des Gesamtsystems unternehmerischer Planungen dient die operative Planung zunächst dazu, die in den strategischen Programmen definierten
Maßnahmen und Projekte umzusetzen.266 Viele Strategien „versanden“, d. h.
sie werden nicht konsequent umsetzt, stoßen auf unüberwindbare Hindernisse oder verlassen, wenn das Top-Management geht, gleichsam das Haus.
„Bridging the Awful Gap Between Strategy and Action“267, so beschrieb 1984
ein Aufsatztitel treffend, was gleichzeitig Aufgabe und Dilemma der operativen
Planung ist.
In der Praxis vollziehen sich die operativen Planungen meist in den Realgüterund Wertumlaufprozessen der einzelnen Funktionsbereiche, also durch268
•• Investitions- und Finanzplanung,
•• Beschaffungsplanung,
265 Die amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler Robert S. Kaplan und David P. Norton
entwickelten das Konzept der Balanced Scorecard in den 90er-Jahren an der Harvard
Business School. Zum Konzept selbst vgl. Horváth (2011), S. 232–234, zur Anwendung
in der Hotellerie vgl. von Freyberg (2010), S. 90–96.
266 Vgl. Hammer (2011), S. 185–189 und Steinmann, Schreyögg (2005), S. 305–307.
267 Wernham (1984), S. 34.
268 Vgl. Steinmann, Schreyögg (2005), S. 307–313 und Abschnitt 2 dieses Buches.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Vorteile
- Umfassendes Grundlagenwerk zur touristischen Betriebswirtschaftslehre
- Im deutschsprachigen Bereich ohne Beispiel
- Abdeckung aller wesentlichen Funktionsbereiche des Tourismus-Managements
- Eignung für Studierende und Praktiker
- Zahlreiche Praxis-Kurzbeiträge von Führungskräften
Zum Werk
Die Tourismusbranche gehört zu den am stärksten wachsenden, aber auch komplexesten Wirtschaftsbereichen.
Dieses Werk vermittelt erstmalig ein umfassendes betriebswirtschaftliches Grundwissen für die Tourismusbranche für Studium und Praxis, das alle wesentlichen Bereiche der Betriebswirtschaftslehre abdeckt. Es unterstützt Studierende und Praktiker bei der Entwicklung einer betriebswirtschaftlichen Denkhaltung, die sinnvolles aktives Handeln („Management“) im touristischen Geschäft ermöglicht.
Das Buch beschreibt auf der Basis eines integrierten Management-Modells Investition und Finanzierung, Beschaffung, Produktion und Marketing sowie die Managementprozesse Planung, Steuerung, Personalmanagement und Organisation. Den Abschluss bilden langfristige Überlegungen zur strategischen Unternehmensführung sowie zum nachhaltigen Tourismusmanagement.
Zahlreiche Experten-Statements von Führungskräften aus der Branche illustrieren die Praxisrelevanz.
Autoren
Prof. Dr. Felix Kolbeck und Prof. Dr. Marion Rauscher, Fakultät für Tourismus, Hochschule München
Zielgruppe
- Studierende der Bachelor-Studiengänge Tourismusmanagement, Masterstudiengänge, Weiterbildungsangebote (IHK, MBA, …) und Tourismusunternehmen.