48 3 Der Wertschöpfungs prozess des Real Estate Asset Management
Hilfe einer regelmäßigen Erfassung aller relevanten Angebots- und Nachfrageindikatoren
wie etwa Fertigstellungsvolumina, Leerstandsquoten, Transaktionsvolumina oder Mietniveau
sowie der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.62
Die Untersuchungsgebiete stellen die Basis für ein professionelles Asset Management dar, da
anhand ihrer Ergebnisse prognostiziert werden kann, für welche Märkte bzw. Immobilien
zukünftig eine über- bzw. unterdurchschnittliche Performance erwartet werden kann. Hinsichtlich dieser Basis entscheidet der Asset Manager über den Verkauf eines Objektes bzw.
über dessen Aufnahme in das Portfolio.63
3.4.1.7 Überlegungen zur Exit-Strategie
In der Finanzsprache wird unter dem Exit der Rückzug aus einem Investment und darin eingeschlossen in der Regel auch die Liquidierung der entsprechenden Vermögenswerte gemeint.
Die ersten Überlegungen zur Exit-Strategie werden bereits vor der eigentlichen Einkaufsphase
im Rahmen des Fund Management bzw. des Inputs aufgestellt. Auch für den Fall, dass der
Zeitraum, der Aufbewahrung der Immobilie nicht im Voraus bekannt sein sollte, ist es essentiell, den möglichen Ausstieg aus dem Investment bereit vor dem Ankauf zu durchdenken.
Wichtig ist diese frühzeitige Vorbereitung der Exit-Strategie insbesondere mit dem Hinblick
auf die finanzierenden Banken. Möchte der Investor darauf vorbereitet sein, eventuell bereits
während der Finanzierungsphase das Objekt weiter veräußern zu dürfen, sollte der Darlehensvertrag so ausgestaltet werden, dass die Möglichkeit der Veräußerung nicht vom guten
Willen der Bank abhängig gemacht wird.64
3.4.2 Strategische Asset Allocation
In der zweiten Phase des Real Estate Asset Management-Prozesses werden die Eckpunkte der
Portfolio-Strukturierung fixiert.
Die Strategische Asset Allocation verfolgt das Ziel, das individuelle Ausgangsportfolio gemäß
den Anlagepräferenzen eines Investors oder einer Investorengruppe auf Basis historischer
Risiko- bzw. Renditeanalysen langfristig zu bestimmen und zu optimieren.65
Zu diesem Zweck wird ein Soll-Portfolio festgelegt, bei dem die Auswahl der Assets die unternehmens-, personen- und portfoliorelevanten Ziele berücksichtigt. Als Leitfaden für die
weiteren Schritte dient in der strategischen Asset Allocation die Portfolio-Selektion, die ein
Benchmark-Portfolio erzeugt. Dieses Portfolio dient als Kompendium für die in den weiteren
Schritten verfolgte Umsetzung der Asset Allocation.
3.4.2.1 Portfolio-Selektion
Die von Markowitz entwickelte Portfolio-Selektion-Theorie erklärt in den Grundzügen das
Wechselspiel zwischen unterschiedlichen Assets eines Portfolios. Diese Theorie beschreibt
62 Vgl. Berning, M. (2008), S. 9.
63 Vgl. Geipel-Faber, U. (2002), S. 721.
64 Vgl. Bosak, A./Mayer, B./Vögel, H. (2007), S. 37.
65 Vgl. Sachsenmeier, M. (2001), S. 641.
493.4 Ablaufstruktur des Real Estate Asset Management Prozesses
die bestmögliche Zusammensetzung unterschiedlicher Wertpapiere unter Berücksichtigung
der Rendite-/Risikoprofile der einzelnen Assets und ihrer Korrelationen zu einem effizienten
Portfolio.67
Ein Portfolio wird dann als effizient bezeichnet, wenn es die individuellen Wünsche und
Rahmenvorgaben des Investors optimal abbildet.68 Bei einer effizienten Mischung von Anlageobjekten kann die Risikoposition des Portfolios durch Diversifikation optimiert werden.69
3.4.2.2 Festlegung eines Zielportfolios
Basierend auf den Daten des Researchs sowie den Restriktionen und Zielvorstellungen des
Investors wird das Zielportfolio definiert. Die angestrebte Zusammensetzung der Anlagen
kann u. a. anhand folgender Kriterien vorgenommen werden:
Geographische Verteilung der Anlagen (nationale und internationale Standorte) •
Gliederung nach der Immobiliennutzung (Büro-, Handel-, Gewerbeimmobilien usw.) •
Struktur der Anlagen nach dem Lebenszyklusstadium der Immobilie •
Aufteilung nach Anlageart (direkte versus indirekte Investition) •
Die Zusammensetzung eines Portfolios steht im Kontext mit einer bestimmten Risiko- und
Renditeerwartung. Diese sollte in den Prozess der Asset Allocation auf der übergeordneten
Ebene des Gesamtportfolios einbezogen werden, um den optimalen Anteil der Immobilienanlagen im Gesamtanlagenportfolio eines Investors zu bestimmen.70
66 Mit Änderungen übernommen aus: Schulte, K-W./Thomas, M. (2005), S. 69.
67 Vgl. Kesten, R. (2001), S. 109.
68 Vgl. Gondring, H. (2007), S 33.
69 Vgl. Kesten, R. (2001), S. 109.
70 Vgl. Schulte, K-W./Walbröhl, V. (2002), S. 669.
Strategische Ziele
Kalkulation der
Immobilienrendite
(für verschiedene
Nutzungsarten und
Szenarios)
Selektionsprozess
• Risiko-Rendite Profil
• Portfoliostruktur
Marktdaten
Maximal mögliches
Einkaufsvolumen pro
Markt und Nutzungsart
Restriktionen
Anforderungen des
Investors
Strategische
Asset Allocation
in Form eines
Investmentplans
hinsichtlich:
• Zielmärkten
• Nutzungsarten
• Volumen der
Investition
•Zielrenditen
• Portfoliostruktur
• Objektkriterien
Prozess der Strategischen Asset AllocationAbbildung 18: 66
50 3 Der Wertschöpfungs prozess des Real Estate Asset Management
3.4.2.3 Benchmark-Portfolio
Unter dem Begriff des Benchmark-Portfolios wird ein besonderen Anforderungen entsprechendes Referenzportfolio verstanden, das die Investitionsziele, Ertragserwartungen und
Risikopräferenzen eines Kunden abbildet und somit den gleichen Restriktionen unterliegt wie
das zu beurteilende Portfolio. Nun unter der Prämisse der gleichen Restriktionen wird eine
substantielle Vergleichbarkeit zwischen beiden ermöglicht. Die Initiierung von Benchmarking
wird im Real Estate Asset Management immer bedeutender, da Benchmarking sowohl die
Orientierungsgröße zur Strukturierung von Vermögen als auch den Maßstab für den Erfolg
des Investment Management darstellt.71
Für den Portfolio Manager dient das Benchmark-Portfolio als neutrale Anlageverteilung. Mit
der Auswahl einer Benchmark wird eine konkrete Strategie festgelegt, die als Richtlinie für
die strategische Ausrichtung der Vermögensanlage dient. Die Benchmark drückt für den
Anleger die langfristige Ertrags- und Risikoerwartung aus. Aus diesem Grund gehört es
zu den Aufgaben des Portfolio-Management, die Benchmark in einem konkreten Portfolio
umzusetzen, mit dem Ziel, eine Überschussrendite zu erwirtschaften. Dies geschieht durch
intentionale und kontrollierte Abweichung vom neutralen Portfolio durch Über- und Unterbewertung der Märkte in der Benchmark und durch Investitionen in andere Marktsegmente.
Je näher die Anlagerichtlinien an der Benchmark liegen, desto weniger Möglichkeiten verbleiben dem Portfolio-Manager bei der Vermögensanlage und desto Benchmark-ähnlicher ist der
Performancebeitrag. Entscheidend bei dieser Vorgehensweise ist die Allocation-, Selektion-,
und Timingfähigkeit, denn nur durch Auswahl chancenreicher Titel und eine professionelle
Steuerung des Investitionsgrades lässt sich diese Taktik realisieren.
Die Wahl der Benchmark definiert indirekt die Anweisung an den Asset Manger und damit
auch ganz wesentlich das gewünschte Ergebnis seiner Arbeit. Aufgrund der spezifischen
Eigenschaften des Anlagegutes Immobilie im Vergleich zu den Eigenschaften anderer Kapitalanlagen können jedoch nicht sämtliche Anforderungen an eine Immobilien-Benchmark
erfüllt werden. Wird die Benchmark auf Basis real existierender Objekte erstellt, kann sie
keine Anlagealternativen darstellen, da die in der Benchmark enthaltenen Immobilien bereits durch andere Marktteilnehmer erworben worden sind. Als Alternativlösung besteht für
das Portfolio-Management die Möglichkeit, die Benchmark in Bezug auf Nutzung, regionale
Struktur usw. nachzubilden.72
3.4.2.4 Portfolio-Bestandsanalyse und Prognose
Ist ein historisch gewachsener Immobilienbestand bereits vorhanden und muss nicht erst akquiriert werden, können sich bei der Umsetzung des anvisierten Zielportfolios Schwierigkeiten
ergeben, falls die Struktur des vorhandenen Bestandes von der Zielstruktur abweicht. Bedingt
durch die Charakteristika der Immobilie ist eine kurzfristige Umschichtung der Anlagen
nicht realisierbar. Die Problemlösung liegt in der Definition einer mittel- bis langfristigen
Annäherung an das Zielportfolio.73
Entscheidender Bestandteil einer solchen Anpassung ist die Analyse und Bewertung der
einzelnen Objekte und somit auch des gesamten bestehenden Immobilien-Portfolios. Dabei
71 Vgl. Riess, M./Frank, U. (2002), S. 273 ff.
72 Vgl. Thomas, M. (2002), S. 692 f.
73 Vgl. Schulte, K-W./Walbröhl, V. (2002), S. 661.
513.4 Ablaufstruktur des Real Estate Asset Management Prozesses
müssen die Immobilien hinsichtlich ihrer Rendite-Risiko Profile, ihrer Entwicklungspotentiale
und der durchzuführenden Maßnahmen auf ihre Eignung für das Zielportfolio untersucht
werden.
Zur Auswahl der Immobilien, die in einem Portfolio zusammengefasst werden sollen, wie
auch zur Überprüfung der optimalen Zusammensetzung des Portfolios müssen die Immobilien nach einem sinnvollem Schema analysiert und beurteilt werden. Kriterien, die die Situation
der Immobilien abbilden können sind beispielsweise die Nutzungsart der Immobilie, der
bauliche Zustand, der Standort oder die Vermietungsstruktur.74 Im Hinblick auf ein qualifiziertes Beurteilungs- und Bewertungssystem erweist sich eine Segmentierung des Portfolios
nach Objektklassen als sinnvoll.75 Anhand bestimmter Kriterien wird jedes Objekt einer von
vier Objektkategorien zugeordnet.
Entsprechend den Vorstellungen des Investors kann der Aufbau und die Durchführung der
Portfolioanalyse variiert werden. Dies kann beispielsweise durch Ergänzung zusätzlicher
Kategorien umgesetzt werden. Entscheidend ist, dass ein Gesamtbild über das Portfolio entsteht und eine Aussage über die einzelnen Objekte mit konkreter Handlungsempfehlung
abgeleitet werden kann.
Die Signifikanz der Portfolioanalyse ist umso tragfähiger, je qualitativ aussagefähiger die
Beurteilung von Objekten durchgeführt wird.76 Hierzu können alle Kriterien eingehen, die
auch in Verkehrswertgutachten Verwendung finden, wie Standort-und Lagebeurteilungen,
Bewertung künftiger Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen sowie Ertragskalkulationen.
74 Vgl. Japser, D. (2001), S. 402 f.
75 Vgl. Welling, P. (1997), S. 680.
76 Vgl. Fink, W. (2005), S. 94.
Kategorie II
Kategorie I
Längerfristiges Bestandsobjekt
mit langfristigen positiven Performanceerwartungen
Längerfristiges Bestandsobjekt
mit Überprüfung grundlegender konzeptioneller, baulich-technischer Maßnahmen sowie
Vermietungskonzepten
Kategorie III
Mittelfristiges Bestandsobjekt
zur Prüfung auf Veräußerung bzw. Umstrukturierung/ Optimierung
Kategorie IV
Kurz- oder Mittelfristiges Verkaufsobjekt
Aus Gründen der Annäherung an das Zielportfolio werden die Objekte am Markt veräußert
Bewertungssystem für AnlageobjekteAbbildung 19:
52 3 Der Wertschöpfungs prozess des Real Estate Asset Management
3.4.2.5 Ableitung strategischer Handlungsoptionen
Ausgehend von den Bewertungskategorien der Anlageobjekte können für die einzelnen Segmente unterschiedliche Handlungsstrategien entwickelt werden. Für die Gruppe der längerfristigen Bestandsobjekte sind Redevelopment- bzw. Modernisierungsmaßnahmen zu definieren, um die Rentabilität der Immobilien zu steigern und zu stabilisieren. Hinsichtlich der
Gruppe der mittel und kurzfristigen Verkaufsobjekte, die nicht dem Zielportfolio entsprechen,
sind adäquate Exit-Strategien zu entwerfen. Diese sollten die Definition des optimalen Verkaufszeitpunktes sowie die werterhöhenden Maßnahmen vor Vermarktung beinhalten.
Durch die zielgerichtete Neuakquisition und die Neuordnung des Bestandes kann die geforderte Annäherung an das Zielportfolio durch professionelles Real Estate Asset Management
erreicht werden. Dieser Prozess erfordert allerdings einen längeren Zeitraum, so dass bei der
Wahl des optimalen Portfolios besonders die langfristige Ausrichtung zu beachten ist.
3.4.3 Taktische Asset Allocation
Der zweite Hauptbereich innerhalb des Asset Allocation Prozesses ist die taktische Asset
Allocation, die auf den Ergebnissen der strategischen Asset Allocation unter der Prämisse
gleichbleibender Anlegerpräferenzen aufbaut.
3.4.3.1 Definition der taktischen Investmentstrategie
Während der taktischen Asset Allocation kommt es zu einer Verbindung des top-down ermittelten Musterportfolios und der bottom-up-gerichteten Einzelanalyse und somit zur Anwendung des Gegenstromprinzips. Eine Bottom-up Analyse des vorhandenen Immobilienanlagebestandes bildet die Grundlage für eine konkrete Strategieumsetzung. In der folgenden
Abbildung wird diese Interdependenz deutlich gemacht und die Notwendigkeit des Revolvierens des Prozesses veranschaulicht.
Definition der
taktischen
Investmentstrategie
Taktische Markt-,
Angebots-, und
Wettbewerbsanalyse
Definition der
Objektstrategie
und Ableitung der
Handlungsoptionen
Simulation der
Ergebniswirkung
durch das DCF-
Verfahren
Umsetzung der
Einzelmaßnahmen
Laufende
Bewertung von
Objekten
Monitoring des
Objektbudgets
und der
Objektstrategie
Renditeprognose
Vorbereitung des
Exits Reporting
Analyse und
Bewertung von
Objektdaten
Cashflowanalyse
Prozessdarstellung des REAM in der taktischen Asset AllocationAbbildung 20:
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Asset Management ist das beherrschende Thema der immobilienwirtschaftlichen Fachöffentlichkeit seit Anfang 2006. Grund für diese beachtliche Entwicklung ist die dominierende Präsenz ausländischer Investoren auf dem deutschen Immobilienmarkt in der jüngeren Vergangenheit. Diese Investoren - zumeist aus dem angelsächsischen Raum - importierten gleichermaßen ein neues Anspruchsdenken, was die professionelle Betreuung von Immobilien betrifft. Ausgehend von dem Asset Management-Ansatz aus der Finanzwirtschaft wird das aktive Wertmanagement der Immobilien nach international kompatiblen Standards erwartet. Diese Entwicklung bedeutet auch einen kontinuierlichen Reifeprozess der Assetklasse Immobilie als kapitalmarktfähige Anlage. Die immer stärkeren Auswirkungen der globalen Finanzmärkte (vgl. Subprime-Krise) erfordern ein professionelles Asset Management für Immobilien auch in Deutschland.
Dieses Handbuch stellt das komplexe Thema in übersichtlicher und umfassender Form dar.
- Begriffsdefinition und Einordnung
- Ziele und Aufgaben
- Der Wertschöpfungsprozess
- Theoretische Grundlagen
- Immobilien und Kapitalmarkt
- Aspekte der Bewertung und Bilanzierung
- Performancemessung für Immobilienportfolios
- Investment- und Wertschöpfungsstrategien
- Risikomanagement für Immobilien
- Controlling und Reporting
- Informationsmanagement und Informationstechnologie
- Real Estate Asset Management in der Investment-Phase
- Real Estate Asset Management in der Bestandsphase
- Real Estate Asset Management in der Exit-Phase
- Markt und Wettbewerb im Real Estate Asset Management
- Anbieter Real Estate Asset Management
- Immobilienkennzahlen und Formeln
Prof. Dr. oec. Hanspeter Gondring FRICS, Studiengangsleiter Immobilienwirtschaft im Institut für Finanzwirtschaft an BA Stuttgart/University of Cooperative Education und wissenschaftlicher Leiter der ADI Akademie der Immobilienwirtschaft.
Dipl.-Kfm. Thomas Wagner, MRICS war über 8 Jahre Leiter des Bestands- und Portfoliomanagements bei der Union Investment
Real Estate AG. Seit 2005 betreut er internationale Investoren in den Bereichen Asset Management und Investment Management.
Das Buch richtet sich in erster Linie an Praktiker, die ihr Wissen in diesem Bereich erweitern wollen. Hier kommen insbesondere Mitarbeiter und Führungskräfte von Unternehmen in Betracht, die mittelbar oder unmittelbar mit Asset Management Themen konfrontiert sind, d.h. Immobilienverwalter, Projektentwickler, Immobilien-Berater, Makler, Fonds, Immobilien-AGs etc.
Es richtet sich aber auch an Studenten immobilienwirtschaftlicher Studiengänge und Teilnehmer von Aufbaustudiengängen bzw. Weiterbildungslehrgängen.