146 5 Immobilien und Kapitalmarkt
Der Neubau rentiert sich auf immer teureren Grundstücken, die relative Bedeutung von •
Abriss- und Aufbereitungskosten sinkt, so dass grundsätzlich mehr Bauland für Bürogebäude zur Verfügung steht.
Ebenso wird auch der Bau höherer Bürogebäude wirtschaftlich, deren Erstellungskosten •
ab einer gewissen Höhe typischerweise überproportional ansteigen.
Mit höheren Gewinnen kommen auch Unternehmen auf diesen Markt, die sich vorher •
nicht mit Projektentwicklung beschäftigt haben. Für sie rechnen sich zunehmend auch die
Kosten des Know-how Transfers und die Übernahme der Risiken eines weniger vertrauten
Geschäfts.
5.4.4 Ursachen von Immobilienzyklen
Immobilienzyklen haben verschiedenste Ursachen. Es kann dabei u. a. zwischen endogenen
Mechanismen und exogenen konjunkturellen und strukturellen Ursachen unterschieden werden. Diese Ursachen-/Wirkungszusammenhänge werden in den nachfolgenden Abschnitten
kurz illustriert.
5.4.4.1 Endogene Mechanismen
In Abschnitt 5.3.1 wurden die Spezifika von Immobilien beschrieben und darauf hingewiesen,
dass diese Auswirkungen auf die Funktion des Immobilienmarktes haben. Es sind die Abweichungen vom Ideal des vollkommenen Marktes, die für das Entstehen von Übertreibungen
und das Fortbestehen endogener zyklischer verantwortlich sein können. Diese Unvollkommenheiten können den nachfolgenden – sich teilweise überschneidenden – Kategorien zugeordnet werden (vgl. Abbildung 62):
Zeitverzögerungen (Time-Lags) •
Beschränkte Rationalität •
Informationsineffizienz •
weitere Sondereffekte •
Die wahrscheinlich größte dieser Unvollkommenheiten ist die Existenz von Time-Lags, die
neben Immobilienmärkten auch für andere zyklische Märkte charakteristisch ist. Um diesen
Prozess der Unter- und Übertreibungen zu verstehen, ist es notwendig, sich das Phänomen der
Time-Lags genau zu vergegenwärtigen. Es lassen sich vor allem drei Arten unterscheiden:75
Preismechanismus-Lag, •
Entscheider-Lag und •
Konstruktions-Lag. •
Ein unerwarteter Anstieg der Nachfrage trifft auf ein Angebotsvolumen, das kurzfristig fix
ist. Die Marktreaktionen zu einem temporären Gleichgewicht erfolgen in einer Preis- oder
Mengenanpassung. Letztere ist nur möglich durch Reduzierung des vorhandenen Leerstandes. Ein temporäres Gleichgewicht beschreibt den Zustand, dass bei Ausgleich von Angebot
und Nachfrage, entweder die Mieten oder die Leerstandsraten (oder beide) einen Unterschied
zu ihrem jeweiligen Langzeitgleichgewichtsniveau aufweisen. Dies induziert nachfolgende
Änderungen des Angebots und des Mietniveaus.
75 Vgl. Rottke, N. (2007), S. 341.
1475.4 Zusammenhänge zwischen Immobilien- und Kapitalmarkt
Daher steigen Mieten und Verkaufspreise, während der Leerstand sinkt. Sobald der Leerstand
unter das natürliche Niveau absorbiert wurde), kann die kurzfristige Marktreaktion nur über
Preisbewegungen stattfinden. Die erste Preisreaktion findet auf dem Mietmarkt statt, was c. p.
nachfolgende Veränderungen von Preisen auf dem Immobilieninvestment- und dem Grundstücksmarkt mit sich führt und mit einiger zeitlicher Verzögerung auch Preisveränderungen
auf dem Neubaumarkt nach sich zieht. Die Zeit, die vergeht, bis die Preise vollständig reagieren, wird Preismechanismus-Lag genannt.77
Aufgrund des langsamen internen Entscheidungsprozesses großer Unternehmen, die in
der Lage sind, ein hohes Maß an Geldmitteln zu investieren, reagieren Investoren ebenfalls
mit zeitlicher Differenz auf steigende Preise (Entscheider-Lag). Wenn sie sich schließlich zur
Investition entscheiden, müssen Neubauprojekte geplant und Bauunternehmen unter Vertrag genommen werden. Die Zeit, die vergeht, bis ein Projekt schließlich gebaut ist, wird als
Konstruktions-Lag bezeichnet.78
Die Zeitperiode dieser drei Time-Lags zusammen wird hauptsächlich charakterisiert durch
Preisreaktionen. Sie steht im Mittelpunkt der mikroökonomischen Sicht der Zyklenforschung.
Wenn mindestens einige Investoren ihre Erwartungen aufgrund übertriebener Preise bilden,
kann das Phänomen substanziellen Überbauens auftreten, das wiederum Preisreaktionen
nach sich zieht, diesmal in die gegenteilige Richtung. Die Wiederholung dieses Prozesses
76 Vgl. Wernecke, M. (2004), S. 95.
77 Vgl. Rottke, N. (2007), S. 341.
78 Vgl. Wernecke, M. (2004), S. 97.
Timelags BeschränkteRationalität
Weitere
Sondereffekte
Informations-
Ineffizienz
Verhaltensanomalien
Entscheidungs-Lag
Markt- und Massenpsychologie
Irrationale Erwartungen
Winners’ Curse-Syndrom
Hohe Lebensdauer
Nicht-Lagerfähigkeit
Preismechanismus-Lag
Prognosefehler
Vertragsgestaltung
Konstruktions-Lag
Institutionelle Verzerrungen
Größeneffekte / Klumpenrisiken
Realoptionen
Spieltheoretische Aspekte
Spekulative Blasen
Preisrigiditäten
Intransparenz
Asymmetrische
Information
Principal / Agent
Endogene Mechanismen für Ungleichgewichte im ImmobilienmarktAbbildung 62: 76
148 5 Immobilien und Kapitalmarkt
kann, auch in der Abwesenheit weiterer unerwarteter Änderungen der ökonomischen Rahmenbedingungen, zu einem wahrscheinlich abgeschwächten endogenen Zyklus um einen
längerfristigen Trend führen, der sich mit der Zeit, der Fläche und dem jeweiligen Sektor
verändert. Die Bedingungen, unter denen endogene Zyklen mit gedämpften Schwankungen
auftreten, werden z. B. bei Barras, Kummerow oder Wheaton analysiert.80
5.4.4.2 Exogene Einflüsse
Die ursprünglichen Gründe für die oben beschriebenen endogenen Reaktionen sind Einflüsse,
die exogen auf den Immobilienmarkt einwirken. Sie erfolgen in Form von Nachfrageschocks
unterschiedlicher Größenordnungen, die – in Abhängigkeit von der Situation – den Prozess
entweder beschleunigen oder abfedern können. Exogene Faktoren können als mittelfristigkonjunkturell oder langfristig-strukturverändernd beschrieben werden.81
Mittelfristige, konjunkturelle Einflüsse von außerhalb basieren auf der wirtschaftlichen
Entwicklung eines Landes und seiner lokalen Märkte. Sie bestehen aus Veränderungen wesentlicher ökonomischer Variablen, wie Inflation, Zinsniveau, Bruttoinlandsprodukt oder
Beschäftigung. Langfristige Einflüsse, sog. Mega-Trends, haben Auswirkungen in Form eines
strukturellen Wandels. Beispiele struktureller Änderungen sind politische Umbrüche (z. B.
die Gründung der Europäischen Union, die Wiedervereinigung Deutschlands, die Entscheidung zur Hauptstadt Berlin), ökonomische Strukturveränderungen (z. B. Globalisierung), ein
Wandel in der Fläche-Zeit-Beziehung (z. B. durch neue Informations- und Kommunikations-
79 Vgl. Wernecke, M. (2004), S. 98.
80 Vgl. Rottke, N. (2007), S. 341.
81 Vgl. ebenda, S. 342.
WissenZustand
Entscheidung
Verzögerung
(Preismechanismus-Lag)
Verzögerung Verzögerung
(Konstruktions-Lag) (Entscheidungs-Lag)
AktionKonsequenz
Information
Timelags in der systemdynamischen Betrachtung des ImmobilienmarktesAbbildung 63: 79
1495.5 Immobilien-Rating
technologien) oder wachsendes Umweltbewusstsein (neue Technologien oder neue Formen
der Stadtplanung).82
5.5 Immobilien-Rating
5.5.1 Grundlegende Rahmenbedingungen
Der Grundgedanke des Ratings besteht darin, dass Anlegern eine schnelle und einfache
Bewertung von Investitionsalternativen ermöglicht werden soll, ohne dass sie selbst alle relevanten Informationen sammeln und analysieren müssen. In der Regel werden diese Informationen von Rating-Agenturen aufbereitet und in einem multidimensionalen Verfahren
be wertet. Ergebnis des Rating-Prozesses ist eine Benotung der Anlage bzw. des Kreditengagements nach einer definierten Skala (z. B. „AAA“ für „Höchste Bonität“ bis „D“ für „Insolvenz
des Schuldners“).83
82 Vgl. Rottke, N. (2007), S. 342.
83 Vgl. Arnold, M., Wagner, T. (2007), S. 34.
84 Vgl. Knepel, H. (2005), S. 439.
Gegenüberstellung verschiedener Rating-SkalenAbbildung 64: 84
Moody’s S&P Risikogarantie Feri Kommentar
Aaa
Aa1
Aa2
Aa3
A1
A2
A3
Baa1
Baa2
Baa3
Ba1
Ba2
Ba3
B1
B2
B3
Caa
Caa
C
D
AAA
AA+
AA
AA-
A+
A
A-
BBB+
BBB+
BBB–
BB+
BB
BB-
B+
B
B–
CCC
CC
C
D
Höchste Bonität, geringes Ausfallrisiko
Hohe Bonität, kaum höheres Risiko
Überdurchschnittliche Bonität, etwas
höheres Risiko
Mittlere Bonität, stärkere Anfälligkeit
bei negativen Entwicklungen im Unternehmesumfeld
Spekulativ, Zins- und Tilgungszahlungen
bei negativen Entwicklungen gefährdet
Geringe Bonität, relativ hohes
Ausfallrisiko
Geringste Bonität, höchstes Ausfallrisiko
Schuldner bereits in Zahlungsverzug
oder Insolvenz
AAA
AA
A
B+
B
C
D
D–
E
E–
Absolute Spitze
Hervorragend
Sehr gut
Weit überdurchschnittlich
Leicht überdurchschnittlich
Überdurchschnittlich
Leicht unterdurchschnittlich
Weit unterdurchschnittlich
Schlecht
Sehr schlecht
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Asset Management ist das beherrschende Thema der immobilienwirtschaftlichen Fachöffentlichkeit seit Anfang 2006. Grund für diese beachtliche Entwicklung ist die dominierende Präsenz ausländischer Investoren auf dem deutschen Immobilienmarkt in der jüngeren Vergangenheit. Diese Investoren - zumeist aus dem angelsächsischen Raum - importierten gleichermaßen ein neues Anspruchsdenken, was die professionelle Betreuung von Immobilien betrifft. Ausgehend von dem Asset Management-Ansatz aus der Finanzwirtschaft wird das aktive Wertmanagement der Immobilien nach international kompatiblen Standards erwartet. Diese Entwicklung bedeutet auch einen kontinuierlichen Reifeprozess der Assetklasse Immobilie als kapitalmarktfähige Anlage. Die immer stärkeren Auswirkungen der globalen Finanzmärkte (vgl. Subprime-Krise) erfordern ein professionelles Asset Management für Immobilien auch in Deutschland.
Dieses Handbuch stellt das komplexe Thema in übersichtlicher und umfassender Form dar.
- Begriffsdefinition und Einordnung
- Ziele und Aufgaben
- Der Wertschöpfungsprozess
- Theoretische Grundlagen
- Immobilien und Kapitalmarkt
- Aspekte der Bewertung und Bilanzierung
- Performancemessung für Immobilienportfolios
- Investment- und Wertschöpfungsstrategien
- Risikomanagement für Immobilien
- Controlling und Reporting
- Informationsmanagement und Informationstechnologie
- Real Estate Asset Management in der Investment-Phase
- Real Estate Asset Management in der Bestandsphase
- Real Estate Asset Management in der Exit-Phase
- Markt und Wettbewerb im Real Estate Asset Management
- Anbieter Real Estate Asset Management
- Immobilienkennzahlen und Formeln
Prof. Dr. oec. Hanspeter Gondring FRICS, Studiengangsleiter Immobilienwirtschaft im Institut für Finanzwirtschaft an BA Stuttgart/University of Cooperative Education und wissenschaftlicher Leiter der ADI Akademie der Immobilienwirtschaft.
Dipl.-Kfm. Thomas Wagner, MRICS war über 8 Jahre Leiter des Bestands- und Portfoliomanagements bei der Union Investment
Real Estate AG. Seit 2005 betreut er internationale Investoren in den Bereichen Asset Management und Investment Management.
Das Buch richtet sich in erster Linie an Praktiker, die ihr Wissen in diesem Bereich erweitern wollen. Hier kommen insbesondere Mitarbeiter und Führungskräfte von Unternehmen in Betracht, die mittelbar oder unmittelbar mit Asset Management Themen konfrontiert sind, d.h. Immobilienverwalter, Projektentwickler, Immobilien-Berater, Makler, Fonds, Immobilien-AGs etc.
Es richtet sich aber auch an Studenten immobilienwirtschaftlicher Studiengänge und Teilnehmer von Aufbaustudiengängen bzw. Weiterbildungslehrgängen.