1074.5 Dynamische Investitionsrechnung
Zusammenfassend betrachtet stellt die SWOT-Analyse ein Werkzeug des Asset Managements
dar, mit dem sowohl die Chancen und Risiken einer Einzelimmobilie übersichtlich dargestellt
werden können, als auch dem Asset Manager aufzeigt werden kann, in welcher Hinsicht er die
Immobilie durch aktives Management zu einem positiveren Rendite-Risiko-Profil verhelfen
kann.
4.5 Dynamische Investitionsrechnung
In der Betriebswirtschaftslehre wird zwischen statischen und dynamischen Investitionsrechnungsverfahren unterschieden. Die statischen Verfahren betrachten dabei nur eine Periode
und ermöglichen eine Aussage über die Vorteilhaftigkeit gegenüber einer Vergleichsinvestition. Zu den statischen Verfahren zählen die Kosten-, Gewinn- und Rentabilitätsvergleichsrechnung, sowie die Amortisationsrechnung. Kritisiert wird an diesen Verfahren vor allem
deren große Ungenauigkeit durch die Beschränkung auf nur eine Periode. Da das Asset Management gerade bei komplexen Immobilieninvestitionen zum Einsatz kommt und die Maßnahmen, die der Asset Manager ergreift, zu unterschiedlichen Zahlungsströmen innerhalb
der einzelnen Perioden führen sollen, werden hier nicht die statischen Verfahren, sondern nur
die dynamischen Verfahren beschrieben.
Die dynamischen Investitionsrechnungsverfahren dagegen zeigen die Auswirkungen einer
Investitionsentscheidung über den gesamten Investitionszeitraum auf. Wegen der zeitlichen
Präferenz des Investors, die frühe Zahlungen wertvoller erscheinen lässt als spätere, werden
die einzelnen Zahlungsströme durch Auf- oder Abzinsen vergleichbar gemacht. Zu diesen
Verfahren zählen unter anderem die Kapitalwertmethode, der Vollständige Finanzplan die
Interne Zinsfußmethode, sowie das Discounted Cashflow-Verfahren.
Interessant für das Asset Management erscheinen dabei die beiden zuletzt genannten Methoden, da das Discounted Cashflow-Verfahren vor allem von angelsächsischen Investoren zur
Immobilienbewertung standardmäßig eingesetzt wird, und da der interne Zinsfuß wichtig
ist, um eine Aussage über das Verhältnis von Risiko und Rendite treffen zu können. Daher
werden beide Methoden im Folgenden genauer betrachtet.
4.5.1.1 Discounted Cashflow-Verfahren
Während die klassische Investitions- und Wirtschaftlichkeitsanalyse in der Regel versucht,
bei feststehenden Anschaffungskosten zu ermitteln, ob eine Investition gegenüber einer vergleichbaren Anlage vorteilhaft ist, ist es das Ziel des Discounted Cashflow-Verfahrens, den
Wert der Investition zu ermitteln, um daraus einen gerechtfertigten Preis zu bestimmen, bis
zu welchem die Investition lohnenswert ist.
Ursprünglich als ein Ansatz zur Unternehmens bewertung, insbesondere bei börsennotierten
Gesellschaften, entwickelt, gewinnt das Discounted Cashflow-Verfahren auch in der Immobilienbewertung immer mehr an Bedeutung. Seine Verbreitung ist in Deutschland bisher noch
gering, zum Teil auch deshalb, weil es (noch) nicht zu den normierten Verfahren nach der Wertermittlungsverordnung zählt.114 Hierzu zählen nur das Sachwertverfahren, das Vergleichswertverfahren sowie das Ertragswertverfahren.
114 Vgl. Gondring, H. (2009), S. 623 f.
108 4 Theoretische Grund lagen des Real Estate Asset Management
Artverwandt ist das Discounted Cashflow-Verfahren sowohl mit dem Ertragswertverfahren
als auch mit der klassischen dynamischen Investitionsrechnung, hier insbesondere mit der
Kapitalwertmethode.115
In der Unternehmensbewertung mittels des Discounted Cashflow-Verfahrens werden die
dem Kapitalgeber verfügbaren Zahlungsüberschüsse, auch Free Cashflows genannt, auf den
Betrachtungszeitpunkt abgezinst. Diese Free Cashflows sind diejenigen Zahlungsüberschüsse, die als Zahlung an die Kapitalgeber grundsätzlich zur Verfügung stehen, jedoch nicht
zwingend an diesen ausbezahlt werden. Der Diskontierungszinssatz ist in Abhängigkeit des
Verschul dungs grades sowie unter Berücksichtigung der Kosten für Eigenkapital und Fremdkapital zu ermitteln.116 Die Kosten des Eigenkapitals sind dabei in Abhängigkeit des Risikos,
etwa durch das Capital Asset Pricing Model, zu bestimmen. Die Summe der so abgezinsten
Zahlungs überschüsse ergibt den maximal zu zahlenden Preis, bei dem die Investition gerade
noch vorteilhaft ist.
4.5.1.2 Interne Zinsfuß-Methode
Während beim Ertragswertverfahren nach der Vorteilhaftigkeit einer Investition gefragt und
beim Discounted Cashflow-Verfahren der maximale Betrag der Anfangsinvestition gesucht
wird, versucht die Interne Zinsfuß-Methode herauszufinden, welche Höhe der Kalkulationszinssatz hat, bei dem der Kapitalwert einer Investition gleich null wird. Es wird also ermittelt,
bei welcher Höhe des Zinssatzes der Investor indifferent gegenüber einer Alternativinvestition ist. Die ökonomische Interpretation des Ergebnisses lautet, dass der interne Zinsfuß die
Rendite einer Investition darstellt.
Kritisiert wird die Interne Zinsfuß-Methode wegen der ihr innewohnenden Wiederanlageprämisse. Diese besagt, dass die Überschüsse der einzelnen Perioden zum gleichen Zinssatz
wieder angelegt werden können. Diese Annahme ist bei einer Investition in eine konkrete
Immobilie jedoch nur wenig realistisch. Dagegen scheint die Anlage der Rückflüsse zu einem
vorher festgelegten Kalkulationszinsfuß realistischer, wie es bei der Kapitalwertmethode
geschieht.118 Treten bei den Rückflüssen mehrere Vorzeichenwechsel auf, kann das bei der
Ermittlung des internen Zinsfußes außerdem dazu führen, dass sich keiner oder mehrere
unterschiedliche Zinsfüße ergeben. Diese Methode besitzt in diesen Fällen also wenig Aussa-
115 Vgl. Gondring, H. (2004), S. 624.
116 Vgl. ebenda, S. 624 ff.
117 Vgl. Gondring, H. (2007), S. 81.
118 Vgl. Wöhe, G. (2008), S. 544.
Anschaffungsaus-
DCF-Methode als Grenzpreisbetrachtung117
zahlung = Barwert
Barwert aller
zahlungswirksamen
Einnahmen
1094.5 Dynamische Investitionsrechnung
gekraft.119 Eine Möglichkeit zur Beseitigung der Probleme der Wiederanlageprämisse besteht
in der Methode des Modifizierten Internen Zinsfußes, bei der die Rückflüsse mit einem anderen Zinssatz als dem Internen Zinsfuß abgezinst werden, wodurch eine größere Realitätsnähe
erreicht werden kann.
Die Interne Zinsfuß-Methode ist trotz ihrer erwähnten Problematiken durchaus dazu geeignet,
einen wichtigen Bestandteil des Asset Management einzunehmen. Die gegenseitige Abhängigkeit von Risiko und Rendite erfordert, die Rendite einer Investition überhaupt zu ermitteln.
Dies ist in der Immobilienwirtschaft angesichts der Vielzahl möglicher Rendite definitionen
ein nicht unerhebliches Problem. Um die zu tätigenden Maßnahmen des Asset Managers zur
Wertsteigerung und Risikominimierung der Immobilie zu bewerten, muss eine mehrperiodische Renditeberechnung verwendet werden, wozu u. a. die Interne Zinsfuß-Methode und
die verwandten Methoden des Modifizierten Internen Zinsfußes sowie des Vollständigen
Finanzplanes zählen.
Fraglich bleibt jedoch, ob die Interne Zinsfuß-Methode schon vor der Investitionsentscheidung anwendbar ist. Die zu treffenden Annahmen über zukünftige Zahlungsströme entsprechen denen, die auch im oben erwähnten Discounted Cashflow-Verfahren gemacht werden,
und sind daher ebenso kritisch zu hinterfragen. Allerdings ist ohne diese Annahmen keine
rational begründete Investitionsentscheidung möglich. Die Interne Zinsfuß-Methode bleibt
also ein notwendiges Mittel, um eine Aussage über das Verhältnis von Risiko und Rendite
zu machen, da ohne sie eine Ermittlung der Rendite einer Investition nicht möglich zu sein
scheint.
4.5.1.3 Sensitivitätsanalyse
Grundannahme der Sensitivitätsanalyse ist, dass die bei einer Berechnung angenommenen Ausgangswerte um den geschätzten Wert schwanken können und somit das Ergebnis
möglicherweise beeinflussen. Es wird daher versucht, die Abhängigkeit des Ergebnisses von
den einzelnen Inputfaktoren aufzuzeigen. Dadurch kann ermittelt werden, welche Einflussgrößen die stärkste Abweichung des Ergebnisses vom Erwartungswert bewirken können.
Außerdem kann untersucht werden, welche Schwankungen der Inputfaktoren verursachen,
dass eine Vorteilhaftigkeit nicht mehr gegeben ist. Sinnvoll ist die Sensitivitätsanalyse bei
der Beurteilung von Investitionsentscheidungen, welche grundsätzlich von einer Vielzahl
an Einflussgrößen geprägt sind. Dabei werden drei verschiedene Berechnungsmethoden unterschieden: die Dreifachrechnung, die Zielgrößen-Änderungsrechnung und die Kritische-
Werterechnung.120
Die Dreifachrechnung kann angewendet werden, wenn Chance und Risiko ungleich verteilt
sind, die Entwicklung mindestens eines Inputfaktors nicht vorhersehbar ist und die Dimensionen von Chance und Risiko aufgezeigt werden sollen. Die drei Rechnungen umfassen einen
realistischen Fall, Base Case, der die derzeitigen Erwartungen und Trends ausdrückt, einen
optimistischen Fall, Best Case, der die günstigsten Möglichkeiten aufzeigt und einen pessimistischen Fall, Worst Case, mit dem das Risiko erkannt werden kann. Mittels der Dreifachrechnung
kann also sehr leicht eine Quantifizierung von Chance und Risiko erreicht werden.121
119 Vgl. Wöhe, G. (2008), S. 543.
120 Vgl. Gondring, H. (2007), S. 87.
121 Vgl. ebenda, S. 88 f.
110 4 Theoretische Grund lagen des Real Estate Asset Management
Die Zielgrößen-Änderungsrechnung untersucht die Veränderung des Ergebnisses bei der Erhöhung oder Senkung eines Inputfaktors um einen bestimmten Prozentsatz. Anwendung findet
dieses Verfahren hauptsächlich bei der Berechnung des Kapitalwertes oder im Rahmen der
Annuitäten-Methode. Dabei wird die prozentuale Änderung des Kapitalwertes von dem als
realistisch angenommenen Szenario bei Änderung der jeweiligen Inputgröße ermittelt. Nun
wird ersichtlich, bei welchem Inputfaktor die Immobilie besonders sensibel reagiert und welcher daher die größte Aufmerksamkeit verdient. Die Aussagekraft des Verfahrens wird jedoch
dadurch eingeschränkt, dass nicht alle Inputfaktoren die gleiche Volatilität aufweisen und
deshalb eine Abweichung um den gleichen Prozentsatz bei den verschiedenen Inputgrößen
unterschiedliche Wahrscheinlichkeiten aufweist.122
Ziel der Kritische-Werterechnung ist es, für jede Inputgröße den Wert zu ermitteln, bei dem die
Investition vorteilhaft wird. Es wird eine Kapitalwertformel aufgestellt, gleich null gesetzt und
nach der gesuchten Größe aufgelöst. Dadurch wird der Wert ermittelt, bei dem der Investor
der Investition gegenüber ambivalent ist. Ein Beispiel für eine Kritische-Werterechnung ist das
Discounted Cashflow-Verfahren, das den maximalen Kaufpreis sucht, bei dem die Investition
noch vorteilhaft ist.123
Da die Dreifachrechnung vor der Investition durchgeführt wird, ist sie für den Asset Manager eines Bestandsportfolios insofern nicht relevant, da sie ihm keine Handlungsalternative
aufzeigt. Sie stellt nur eine Einschätzung über das Risiko der Investition im Allgemeinen dar.
Die Zielgrößen-Änderungsrechnung kann dem Asset Manager behilflich sein, weil sie die
kritischen Faktoren einer Immobilie aufzeigt, die eine besondere Aufmerksamkeit des Asset
Managers erfordern. Ebenfalls ist auch die Kritische-Werterechnung im Asset Management
bedeutungsvoll, da sie gegebenenfalls anzeigt, dass ein Inputfaktor sich dem kritischen Wert
annähert. Somit hat der Asset Manager idealerweise die Möglichkeit, aktiv einzugreifen, bevor
der kritische Wert überschritten wird.
4.5.1.4 Szenariotechnik
Die Szenariotechnik dient dazu, mögliche oder denkbare Entwicklungen in der Zukunft aus
gegenwärtigen Daten abzuleiten. Dabei soll kein objektiver Trend vorhergesagt werden, sondern eine Projektion von Prämissen in die Zukunft erfolgen, um alle möglichen Zustände der
Zukunft aufzuzeigen. Je weiter der Betrachtungszeitpunkt in der Zukunft liegt, desto größer
können die Abweichungen von der derzeitigen Prognose sein.124 Dabei kann beobachtet werden,
dass sich die Wahrscheinlichkeitsverteilung der Werte ähnlich der Glockenkurve nach Gauß
(Normal verteilung) anordnen. Es gibt also einen zentralen Grenzwert, die Abweichungen
sind in positiver wie in negativer Hinsicht etwa gleich groß.125
Anwendungen dieser Technik sind bei solchen Entscheidungen sinnvoll, die über einen längeren Zeitraum andauern und die von mehreren von einander unabhängigen Faktoren bestimmt
werden. Durch Variieren der einzelnen Parameter entstehen viele Szenarien, die Auskunft
über die mögliche Zukunft in positiver wie in negativer Hinsicht geben.126
122 Vgl. Gondring, H. (2007), S. 91 ff.
123 Vgl. ebenda, S. 96 ff.
124 Vgl. ebenda, S. 99.
125 Vgl. ebenda, S. 9.
126 Vgl. ebenda, S. 100.
1114.5 Dynamische Investitionsrechnung
Die Szenariotechnik ermöglicht somit eine Ermittlung vieler verschiedener Ausprägungen
der Zukunft mitsamt der Eintrittswahrscheinlichkeit dieser Umweltzustände. Die Ergebnisse
sind auch für die nachfolgend betrachteten Untersuchungen zu den stochastischen Berechnungen von Bedeutung. Konkret kann der Asset Manager die Ergebnisse dazu nutzen, um
sich einen Eindruck über die zu erwartende Zukunft zu verschaffen. Außerdem kann auch
schon vor dem Ergreifen konkreter Maßnahmen, z. B. Sanierungen, untersucht werden, welche
Effekte diese erzielen würden. Dadurch ist erkennbar, ob diese überhaupt positive Effekte in
nennenswerter Größe erwarten lassen.
Immobilien und
Kapitalmarkt
5
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Asset Management ist das beherrschende Thema der immobilienwirtschaftlichen Fachöffentlichkeit seit Anfang 2006. Grund für diese beachtliche Entwicklung ist die dominierende Präsenz ausländischer Investoren auf dem deutschen Immobilienmarkt in der jüngeren Vergangenheit. Diese Investoren - zumeist aus dem angelsächsischen Raum - importierten gleichermaßen ein neues Anspruchsdenken, was die professionelle Betreuung von Immobilien betrifft. Ausgehend von dem Asset Management-Ansatz aus der Finanzwirtschaft wird das aktive Wertmanagement der Immobilien nach international kompatiblen Standards erwartet. Diese Entwicklung bedeutet auch einen kontinuierlichen Reifeprozess der Assetklasse Immobilie als kapitalmarktfähige Anlage. Die immer stärkeren Auswirkungen der globalen Finanzmärkte (vgl. Subprime-Krise) erfordern ein professionelles Asset Management für Immobilien auch in Deutschland.
Dieses Handbuch stellt das komplexe Thema in übersichtlicher und umfassender Form dar.
- Begriffsdefinition und Einordnung
- Ziele und Aufgaben
- Der Wertschöpfungsprozess
- Theoretische Grundlagen
- Immobilien und Kapitalmarkt
- Aspekte der Bewertung und Bilanzierung
- Performancemessung für Immobilienportfolios
- Investment- und Wertschöpfungsstrategien
- Risikomanagement für Immobilien
- Controlling und Reporting
- Informationsmanagement und Informationstechnologie
- Real Estate Asset Management in der Investment-Phase
- Real Estate Asset Management in der Bestandsphase
- Real Estate Asset Management in der Exit-Phase
- Markt und Wettbewerb im Real Estate Asset Management
- Anbieter Real Estate Asset Management
- Immobilienkennzahlen und Formeln
Prof. Dr. oec. Hanspeter Gondring FRICS, Studiengangsleiter Immobilienwirtschaft im Institut für Finanzwirtschaft an BA Stuttgart/University of Cooperative Education und wissenschaftlicher Leiter der ADI Akademie der Immobilienwirtschaft.
Dipl.-Kfm. Thomas Wagner, MRICS war über 8 Jahre Leiter des Bestands- und Portfoliomanagements bei der Union Investment
Real Estate AG. Seit 2005 betreut er internationale Investoren in den Bereichen Asset Management und Investment Management.
Das Buch richtet sich in erster Linie an Praktiker, die ihr Wissen in diesem Bereich erweitern wollen. Hier kommen insbesondere Mitarbeiter und Führungskräfte von Unternehmen in Betracht, die mittelbar oder unmittelbar mit Asset Management Themen konfrontiert sind, d.h. Immobilienverwalter, Projektentwickler, Immobilien-Berater, Makler, Fonds, Immobilien-AGs etc.
Es richtet sich aber auch an Studenten immobilienwirtschaftlicher Studiengänge und Teilnehmer von Aufbaustudiengängen bzw. Weiterbildungslehrgängen.