7.8 Lösungen zu Organisationsfragen des Controllings in der Praxis 803
Vahlens Handbücher – Horváth – Controlling (12. Auflage) – Herstellung: Frau Deuringer
Stand: 19.09.2011 Status: Imprimatur Seite 803
mungsrecht, das Arbeitsrecht und das Sicherheitsrecht sowie – von international
tätigen Unternehmen – auch ausländische Rechtsforderungen zu beachten. Bezüglich
selbst gesetzter Regelungen ist es Aufgabe des Organisationscontrollings, die zu erreichenden Soll-Maßstäbe in Form der Regelungen möglichst präzise zu definieren.
Allerdings lässt es sich auch dann nicht vollständig vermeiden, dass sich informale
Informations- und Einflussbeziehungen herausbilden, welche auf Unzulänglichkeiten der formalen Organisation deuten können.
r Das Performance-Controlling sorgt durch organisatorische Effizienzkriterien für die
Wirtschaftlichkeit und leistet damit einen Beitrag für den Erfolg von Organisationen.
Bei der Bedeutung verschiedener Alternativen hinsichtlich der Aufbauorganisation
wird hierbei die zu erreichende Entscheidungsqualität dem dafür entstehenden Koordinationsaufwand gegenüberstellt. Die ablauforganisatorische Effizienz lässt sich
durch die Qualität eines Prozesses sowie den Prozessaufwand bestimmen. Während
sich die Prozessqualität vornehmlich durch Messgrößen wie Kundenzufriedenheit
oder verschiedenen Fehlerindikatoren bestimmen lässt, berechnet sich der Prozessaufwand nach den Prozesskosten (z.B. Personalaufwand) und der Prozesszeit (z.B.
Durchlaufzeit oder Zykluszeit). Zur Ermittlung des Aufwands bietet sich hierbei der
Einsatz der Prozesskostenrechnung an. Analog lassen sich zur kritischen Bewertung
des Reorganisationsprozesses Qualitäts- als auch Aufwandszahlen heranziehen. Dabei ist zu prüfen, ob die einzelnen Teilaufgaben tatsächlich durchgeführt sowie die
geeigneten Methoden und Techniken zur Anwendung gekommen sind. Schließlich
ist der erforderliche Aufwand in Form von Personal- und Sachressourcen gegen-
überzustellen.
Durch den Vergleich der geplanten Soll- mit den ermittelten Ist-Werten lassen sich
Handlungsempfehlungen hinsichtlich der weiteren organisatorischen Gestaltung ableiten. So können bspw. organisatorische Regelungen umgestaltet oder deren Einhaltung
durch Anreiz- und Führungssysteme verbessert werden.
7.8 Lösungen zu Organisationsfragen des Controllings
in der Praxis
7.8.1 Überblick
Zur Gesamtorganisation des Controllings haben wir bereits Beispiele aus der Praxis
kennengelernt (vgl. Kapitel 1). Auch Zahlen aus empirischen Untersuchungen haben
wir hierzu referiert (vgl. ebenfalls Kapitel 1). Nun wollen wir zur Abrundung dieses
Kapitels noch drei weitere Beispiele bringen, die bei besonders aktuellen und wichtigen Aspekten bewusst über die jeweiligen organisatorischen Sachverhalte i.e.S. hinaus
ausgeführt werden:
r Gesamtorganisation des Controllings bei der Boehringer Ingelheim GmbH
r Controllingorganisation in der Kommunalverwaltung des Kreises Pinneberg.
r Controllingorganisation bei der Henkel KGaA.
7 Gesamtorganisation des Controllings804
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Stand: 19.09.2011 Status: Imprimatur Seite 804
7.8.2 Gesamtorganisation des Controllings bei der
Boehringer Ingelheim GmbH.
Boehringer Ingelheim ist ein forschungsorientierter Unternehmensverband, ausgerichtet
auf die Erforschung, Entwicklung und Herstellung sowie den Vertrieb von innovativen
Arzneimitteln zur Verbesserung von Gesundheit und Lebensqualität. Dabei konzentriert sich Boehringer Ingelheim auf innovative Medikamente mit besonderer therapeutischer Bedeutung. Zu den wichtigsten Geschäftsfeldern des Unternehmensverbandes
zählen verschreibungspflichtige Medikamente, die Selbstmedikation, die Biopharmazie
und die Tiergesundheit.
Mit insgesamt 142 verbundenen Unternehmen weltweit und mehr als 41.500 Mitarbeitern erzielte Boehringer Ingelheim in 2009 Umsatzerlöse von rund 12,7 Mrd. €.
Boehringer Ingelheim verfügt über ein weltweites Netzwerk von 22 humanpharmazeutischen Produktionsstandorten. Den Schwerpunkt bildet dabei die pharmazeutische
Produktion mit 14 Standorten. Hinzu kommen weitere Produktionsstandorte in den
Bereichen Pharmachemikalien und biopharmazeutische Produktion.
Die hohe Forschungsintensität von Boehringer Ingelheim zeigt sich anhand der kontinuierlich hohen Investitionen in die Erforschung und Entwicklung neuer Wirkstoffe.
Im Jahr 2009 betrugen die F&E Aufwendungen rund 2,2 Mrd. €, was einem Anteil von
17,4 Prozent vom Gesamtumsatz entsprach.
Die Boehringer Ingelheim GmbH steuert und koordiniert als Managementgesellschaft die
weltweiten Aktivitäten des Unternehmensverbandes. Zu ihren Kernaufgaben zählen
Strategieentwicklung, Ressourcenallokation und Corporate Governance. Die Aufbauorganisation der Boehringer Ingelheim GmbH folgt größtenteils einer funktionalen Struktur,
teilweise ergänzt durch geschäftsorientierte Strukturen (Abb. 7.47).
Das Controlling ist organisatorisch ein Teil der Corporate Division „Corporate Finance
& Controlling“, die wiederum dem Unternehmensleitungsbereich Finance zugeordnet
ist. Der Bereich Corporate Finance & Controlling liefert unter anderem Analysen und
Informationen zur Steuerung des Unternehmensverbandes und unterstützt das Board
of Managing Directors (BMD) sowie das Management in den verschiedenen Geschäften
und Funktionen. Hierbei ist das Controlling maßgeblich in die Entscheidungsprozesse,
die Ausarbeitung von Handlungsalternativen sowie die Definition von Zielen eingebunden. Im Einzelnen beinhaltet dies folgende Aufgabenbereiche:
r Steuerung der finanziellen Planungs- und Reportingprozesse
r Zeitnahe Aufbereitung der relevanten Informationen zur Unterstützung von Management Entscheidungen
Boehringer Ingelheim GmbH
_______________
Board of Managing Directors (BMD)
Chairman
of the BMD
Finance
Human
Resources
Animal
Health
Research,
Development
and Medicine
Marketing
&
Sales
Operations
Abb. 7.47: Führungsstruktur der Boehringer Ingelheim GmbH
7.8 Lösungen zu Organisationsfragen des Controllings in der Praxis 805
Vahlens Handbücher – Horváth – Controlling (12. Auflage) – Herstellung: Frau Deuringer
Stand: 19.09.2011 Status: Imprimatur Seite 805
r Unterstützung und Beratung des Managements in betriebswirtschaftlichen Fragestellungen
r Akquisitions- und Investitionsplanung
r Projektcontrolling
r Sicherstellung von Liquidität und adäquater Kapitalallokation für die Gesellschaften
des Unternehmensverbandes
r Weiterentwicklung von Controllingkonzepten, Prozessen, Richtlinien und Werkzeugen
Die Aufbauorganisation des Bereiches Corporate Finance & Controlling ist größtenteils
an den funktionalen Aufbau des Unternehmensverbandes angelehnt, wie Abb. 7.48
zeigt. Die funktionalen Strukturen werden hierbei durch eine Geschäftsfeld orientierte
Sichtweise ergänzt.
Mit dieser Struktur ist das Controlling auf die Anforderungen des Managements
ausgerichtet. Die Geschäfte und Funktionen werden über die Abteilungen „Controlling Human Pharma“, „Controlling Animal Health“ sowie „Controlling R&D+M /
Operations / Enabling Functions“ unterstützt, während die Abteilungen „Corporate
Finance“ und „Corporate Controlling“ übergreifende Finanzthemen sowie Themen der
Konzernsteuerung verantworten.
Zu den spezifischen Aufgaben der Controller für die Geschäfte und Funktionen zählen
u.a. Strukturierung, Aufbau und Durchführung von Planung und Berichtswesen, die
Unterstützung von Projekten sowie die Sicherstellung der finanziellen Anforderungen
des Konzerns im Entscheidungsprozess der Funktionen. Die jeweiligen Aufgabenbereiche für das Controlling werden dabei stark von den typischen Anforderungen und
Inhalten der jeweiligen Geschäfte und Funktionen determiniert.
Für das Geschäftsfeld orientierte „Controlling Human Pharma“ und „Controlling
Animal Health“ liegen diese besonderen Anforderungen in der marktnahen Steuerung der jeweiligen Produkte sowie der Planung und Steuerung des gesamten Geschäftsfeldes. Aufgabe des Controllings ist die zielgerichtete Information des Managements über Marktentwicklungen, Position und Performance der eigenen Produkte wie
auch der Produkte des Wettbewerbs. Neben der Informationsversorgung obliegt dem
Controlling die Gestaltung und Steuerung der notwendigen Analyse-, Informationsund Entscheidungsprozesse.
Innerhalb von R&D+M (Research & Development und Medizin) liegt eine wesentliche
Verantwortung des Controllings in der ökonomischen Bewertung der internen Forschungs- und Entwicklungsprojekte. Dies beinhaltet die Konzeption und Entwicklung
finanzmathematischer Modelle, Rechenregeln und Kennzahlen für die Bewertung der
jeweiligen Projekte. Hierbei sind Informationen und Daten aus den Bereichen F&E,
Marketing und Produktion zu bewerten und in geeigneter Weise in die Modelle zu
integrieren. Im Rahmen der Steuerung des Projektportfolios stellen die Empfehlungen
des Controllings einen wesentlichen Parameter im Entscheidungsprozess dar. Darüber
hinaus sind die Controller intensiv in den Prozess der Einlizenzierung externer Entwicklungsprojekte eingebunden. Vom Zeitpunkt der Identifizierung eines geeigneten
Projektes bis zur Vertragsunterschrift begleitet Controlling alle Aktivitäten und unterstützt den Entscheidungsprozess sowie die Vertragsgestaltung mit den relevanten
ökonomischen Analysen.
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Stand
: 19.09.2011
Statu
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Seite 806
Methods
Corporate Finance
Corporate Finance & Controlling
Corporate Controlling
Controlling
Human Pharma
Controlling
Animal Health
Tax & Financial Logistic Controlling Animal Health
M&A
Controlling R&D
Controlling Medicine
Treasury
Global Payment Management
Finance Reporting Solutions
Venture Funds &
Minority Investments
External Reporting /
Corporate Procedures
Controlling Subsidiaries /
Management Reporting
Controlling Marketing & Sales
(Human Pharma)
Project Evaluation
Development / Licensing Controlling Operations
(Launch & Strategic Products)
Controlling Operations
(Established Products)
Controlling Operations
Biopharmaceuticals
Controlling
Enabling Functions
Controlling
R&D+M / Operations /
Enabling Functions
Abb. 7.48: Strukturierung des Controllings in der Zentrale von Boehringer Ingelheim
7.8 Lösungen zu Organisationsfragen des Controllings in der Praxis 807
Vahlens Handbücher – Horváth – Controlling (12. Auflage) – Herstellung: Frau Deuringer
Stand: 19.09.2011 Status: Imprimatur Seite 807
Aufgabenschwerpunkte von Controlling Operations (Launch & Strategic Products
/ Established Products / Biopharmaceuticals) sind unter anderem die ökonomische
Bewertung und Begleitung von Investitionen in Produktionsanlagen sowie die Sicherstellung effizienter Produktionsprozesse.
Die Funktions- und Geschäftsfeldausrichtung innerhalb des Bereiches Corporate Finance & Controlling wird ergänzt durch die klassischen Aufgaben des Konzerncontrollings (Corporate Controlling) sowie die Bearbeitung von finanzspezifischen Themen
(Corporate Finance).
Zu den Kernaufgaben von Corporate Controlling zählt dabei die Steuerung der Konzernplanung und die Erstellung der internen Berichterstattung. Hierbei definiert Corporate Controlling spezifische Konzepte, Prozesse und Tools auf deren Basis die weltweite Berichterstattung aus den Geschäften, Funktionen und Ländern in der Zentrale
konsolidiert, aufbereitet und an das Management weitergegeben wird. Ein weiterer
Aufgabenschwerpunkt ist die externe Berichterstattung. Hier zählen insbesondere
die Erstellung des Konzernabschlusses sowie des Geschäftsberichtes zum Verantwortungsbereich von Corporate Controlling. Ergänzt wird das Aufgabenspektrum durch
die Konzeption und Betreuung von Konzern-Richtlinien sowie die Konzeption und
Betreuung von Führungsinformationssystemen.
Die Verantwortung der Abteilung Corporate Finance liegt in der finanzwirtschaftlichen Steuerung der Gesellschaften des Unternehmensverbandes. Zur Umsetzung der
entsprechenden Konzepte ist eine enge Koordination der internationalen Geldströme
notwendig. Diese wird unter anderem über ein konzernweites Inhouse Banking und
Cash-Pooling unterstützt. Darüber hinaus ist die Abteilung Corporate Finance für die
weltweite Optimierung der finanziellen Logistik zuständig und ist Ansprechpartner
für länderübergreifende Steuerfragen. Ebenfalls in der Abteilung Corporate Finance
angesiedelt sind M&A Aktivitäten sowie Minderheits-Investitionen, insb. im Rahmen
des konzerneigenen Venture Funds.
Die Analyse von besonderen finanzwirtschaftlichen Fragestellungen des Unternehmensverbandes wird durch die Stabstelle „Controlling Methods“ unterstützt.
Das lokale Controlling in den verschiedenen Landesgesellschaften weltweit ist an die
Struktur des zentralen Controllings angelehnt. Zu den Kernaufgaben des lokalen Controllings zählen unter anderem die lokale Implementierung der Unternehmensstrategie,
die lokale Umsetzung der zentralen Controllingkonzepte sowie die Unterstützung des
lokalen Managements.
Die Akzeptanz des Controllings kann immer nur durch qualifizierte Arbeit sowie
hohe Sach-, Fach- und Sozialkompetenz erreicht werden. Die Organisationsstruktur
liefert hierzu lediglich den notwendigen Rahmen. Der entscheidende Erfolgsfaktor
ist jedoch, wie die Menschen über funktionale und regionale Grenzen hinweg ihre
Zusammenarbeit gestalten. Boehringer Ingelheim ist durch eine Unternehmenskultur
geprägt, die flexible Mitarbeiter mit Verantwortungsbereitschaft und der Fähigkeit, in
globalen Zusammenhängen zu denken, fördert. Dies prägt in besonderem Maße die
partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Management und Controlling und bildet
die Grundlage für den langfristigen Unternehmenserfolg.
7 Gesamtorganisation des Controllings808
Vahlens Handbücher – Horváth – Controlling (12. Auflage) – Herstellung: Frau Deuringer
Stand: 19.09.2011 Status: Imprimatur Seite 808
7.8.3 Controllingorganisation in der Kommunalverwaltung
des Kreises Pinneberg
Die angespannte Finanzsituation öffentlicher Haushalte, verursacht durch sinkende
Budgets und steigende Kosten, erfordert heute den Einsatz betriebswirtschaftlicher
Steuerungsinstrumente auch in öffentlichen Verwaltungen. Das folgende Beispiel des
Kreises Pinneberg stellt die organisatorische Einbindung eines kommunalen Controllings zur Begleitung eines Umgestaltungsprozesses in einer Kommunalverwaltung
dar und beschreibt, wie die Organisationsstruktur an die spezifischen Bedürfnisse
angepasst und dabei optimiert wurde.
Der Kreis Pinneberg stellt mit seinen 302.430 Einwohnern den bevölkerungsreichsten
und mit am stärksten urbanisierten Landkreis Schleswig-Holsteins dar. Nach einer
heftigen Privatisierungsdiskussion im Jahre 1993, die die konsequente Privatisierung
öffentlicher Aufgaben zum Inhalte hatte und langfristig eine Reduzierung der Kommunalverwaltung auf hoheitliche Kernbestandteile bedeutet hätte, entschloss sich die
Kreisverwaltung im Jahr 1994, die Verwaltung ganzheitlich nach betriebswirtschaftlichen Steuerungsmethoden neu zu organisieren. Grundlegend andere Denk- und
Verhaltensmuster aus der Privatwirtschaft sollten anstelle von pauschalen Kürzungen
und Einsparungen auf die Verwaltung übertragen werden. Die an die neu aufgebauten
Fachbereiche delegierte Ressourcen- und Budgetverantwortung sowie die Führung
über Zielvorgaben statt über Einzelentscheidungen erforderte die Einführung eines
wirksamen Steuerungssystems. Deshalb wurde im Frühjahr 1994 eine zentrale Stabsstelle Controlling zur aktiven Begleitung des gesamten Reformprozesses geschaffen
(vgl. Abb. 7.49).
Zunächst hatte die zentrale Controllingstelle folgende Aufgaben pragmatisch zu bewältigen:
r Die Koordination und Hilfestellung beim Aufbau einer Kosten- und Leistungsrechnung,
r der Aufbau des Berichtswesens,
r die Hilfestellung beim Aufbau der Controllingabteilungen in den Fachbereichen,
r die Unterstützung der Verwaltungsführung bei der Definition von Leistungszielen,
r die Mitarbeit bei der Neustrukturierung der Ressourcenverantwortung sowie
r die Mitarbeit in den Arbeitsgruppen Dienst- und Haushaltsrecht/Budgetierung.
Die Einführung der dezentralen Fach- und Ressourcenverantwortung führte schließlich zu einem immer größeren Controllingbedarf in den Fachbereichen, so dass zur
Unterstützung der Führungskräfte in den Fachbereichen und Fachdiensten ein dezentrales operatives Controlling aufgebaut wurde. Das zentrale Controlling konnte fortan
schwerpunktmäßig beim Prozess der strategischen Zielsetzung sowie im Contracting wertvolle Unterstützung leisten. Die Kompetenzabgrenzung erfolgte nach dem
Dotted-line-Prinzip. Die Fachbereichsleitungen waren für die Informationsversorgung
der zentralen Controllingstabsstelle durch die dezentralen Einheiten verantwortlich,
während das dezentrale Controlling disziplinarisch jeweils den Fachbereichsleitungen
unterstellt war.
Praxisprobleme machten schließlich eine Weiterentwicklung zur heutigen Controllingstruktur erforderlich. Dieses Erfordernis war dabei weniger auf konzeptionelle
Unzulänglichkeiten oder fehlende Controllingregelungen als auf Dysfunktionalitäten
7.8 Lösungen zu Organisationsfragen des Controllings in der Praxis 809
Vahlens Handbücher – Horváth – Controlling (12. Auflage) – Herstellung: Frau Deuringer
Stand: 19.09.2011 Status: Imprimatur Seite 809
bei der praktischen Durchführung des Controllings zurückzuführen. Die dezentralen
Controllerstäbe verstanden sich als Servicedienstleister, die die Fachbereichsleitung
durch Beratung und Entscheidungsvorbereitung – wie etwa durch Unterstützung bei
Zielbildung, Berichtswesen oder der Ermittlung von Kennzahlen – entlasten. Obwohl
diese Basis formal intakt war, entstand eine Funktionsstörung, die als „dezentrale Komplexitätsfalle“ bezeichnet werden kann. Die starke Einbindung der dezentralen Controller verursachte Befangenheiten, so dass Sachverhalte, Verfahren oder Kennzahlen nicht
mehr in Frage gestellt wurden und teilweise ohne Einbindung der zentralen Stabsstelle
Entscheidungen getroffen und zusätzliche Controllinghierarchien aufgebaut wurden.
Die Kreisverwaltung Pinneberg hat ihre Strukturen daher im Jahr 2004 erneut angepasst und konzentriert (vgl. Abb. 7.50). Zwei zentrale Referate und einige allgemeine
Stabsstellen wie Personalrat oder Rechnungsprüfung unterstützen die Führung aller
Ebenen. Das zentrale strategische Controlling übernimmt nun auch künftig die Aufgabe der Steuerungsunterstützung für Landrat, Politik und Bereichsleistungen. Die operativen Planungs-, Steuerungs- und Kontrollaufgaben für dezentrale Führungskräfte
und Fachausschüsse des Kreistags werden unverändert durch ein dezentral ausgerichtetes Controlling mit teilweise umfangreichen Detailaufgaben unterstützt. Allerdings
werden nun dezentrale Controllingaufgaben über ein zentrales operatives Controlling
abgewickelt. Trotz dieser Zentralisierung sollen die Fachbereichs- und Fachdienstleister
weiterhin bedarfsgerechte Controllingleistungen erhalten. Die Controller unterstützen
durch ihre organisatorische Anbindung jetzt zusätzlich das zentrale strategische Controlling, etwa bei der Zielplanung oder der Haushaltsanalyse. Bisherige Ineffizienzen
Abb. 7.49: Organisatorische Einbindung des Controllings in der Kreisverwaltung
Pinneberg (Steinbrenner 1995, S. 296)
7 Gesamtorganisation des Controllings810
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werden vermieden, indem bspw. die zentralen operativen Controller – nach wie vor –
unterjährige Produkt- und Budgetberichte im Auftrag der Bereichsleitungen erstellen,
gleichzeitig aber für die permanente Weiterentwicklung eines ganzheitlichen und
integrierten Berichtswesens sorgen.
Die organisatorische Schaffung von Controlling-Stellen sowie die Einführung von neuen Steuerungsinstrumenten in der öffentlichen Verwaltung hängen im Wesentlichen
von folgenden Faktoren ab:
r Verinnerlichung des neuen Rollenverständnisses der Verwaltungsangehörigen als
bürgerorientierte Dienstleister,
r Konzentration der politischen Vertretungskörperschaften auf strategische Grundsatzentscheidungen statt auf Einmischung in das operative Handeln,
r Reform des öffentlichen Haushaltsrechts hin zu einem betriebswirtschaftlichen
Rechnungssystem,
r Flexibilisierung des öffentlichen Dienstrechts hinsichtlich Personaleinsatz und Anreizsysteme sowie Reduzierung des Beamtenrechts,
r Reform der Verwaltungsausbildung von der normorientierten hin zur betriebswirtschaftlichen Methodenkompetenz,
r Unterstützung durch leistungsfähige Informationssysteme.
7.8.4 Controllingorganisation bei der Henkel AG & Co. KGaA.
Das Unternehmen Henkel hat seinen Sitz in Düsseldorf und erzielte 2010 einen Umsatz
von 15,1 Mrd €. Mit rund 48.000 Mitarbeitern aus mehr als 110 Nationen und einer weltweiten Präsenz ist Henkel eines der am stärksten international ausgerichteten Unternehmen in Deutschland. Henkel ist in drei weltweit tätige Unternehmensbereiche gegliedert:
Wasch-/Reinigungsmittel, Kosmetik/Körperpflege und Adhesives Technologies.
In diesen operativen Unternehmensbereichen sind die weltweiten Zuständigkeiten für
Produktion, Marketing und Vertrieb sowie produktnahe Forschung und Entwicklung
Landrat
Fachbereich Ordnung Fachbereich Soziales,
Jugend, Schule und
Gesundheit
Abteilung Finanzen
Team strategisches und
operatives Controlling
Abteilung Personal
Abteilung
Gebäudemanagement
Team Arbteits- und
Gesundheitsschutz
Team Organisation und
strategische IT
Team IT-Service
FD Sicherheit und
Verbraucherschutz
FD Straßenverkehr
FD Straßenbau und
Verkehrssicherheit
FD Abfall
FD Umwelt
FD Bauordnung
FD Schule, Kultur u. Sport
FD Gesundheit
FD Jugend
FD Soziales
Öffentlichkeit
Kommunalaufsicht
Regionalmanagement und
Europa
Kreisarchiv
Referat Zentrale
Steuerungsunterstützung und innerer
Service
Referat für
Regionalmanagement und
Europa, Kommunalaufsicht und Öffentlichkeit
Stabstellen
Büro des Kreistages
Beteiligungsmanagement
Recht
Rechnungs- und
Gemeindeprüfung
Personalrat
Gleichstellung
Abb. 7.50: Verwaltungsstruktur im Kreis Pinneberg seit Mai 2004
7.8 Lösungen zu Organisationsfragen des Controllings in der Praxis 811
Vahlens Handbücher – Horváth – Controlling (12. Auflage) – Herstellung: Frau Deuringer
Stand: 19.09.2011 Status: Imprimatur Seite 811
gebündelt. Unterstützt werden diese am Markt operierenden Unternehmensbereiche
durch die zentralen Funktionen Finanzen (einschließlich Controlling), IT, Einkauf,
Recht, Personal und Infrastruktur Services.
Controlling wird bei Henkel als eine Steuerungsfunktion verstanden, die jeder Manager
auf den entscheidungsbestimmenden Hierarchieebenen wahrzunehmen hat. Dennoch
muss die Aufgabe auch organisatorisch entsprechend verankert sein. Bei Henkel gliedert
sich das Controlling aus aufbauorganisatorischer Sicht in
r Controllingeinheiten auf Konzernebene,
r das Controlling in den jeweiligen marktorientierten Unternehmensbereichen, sowie
r das Controlling auf der (lokalen) Ebene der verbundenen Unternehmen.
Auf Konzernebene umfasst das Controlling dabei u. a. das Beteiligungscontrolling zur
finanziellen Steuerung der verbundenen Unternehmen, das Controlling der zentralen
Funktionen, den Bereich Corporate Planning, sowie das zentrale Investitionscontrolling
und den Bereich Corporate Real Estate Management. Ebenfalls hier angesiedelt ist der
Bereich Corporate Accounting, der neben dem Konzernabschluss u.a. auch das Management Reporting verantwortet. Auf Unternehmensbereichsebene liegt die Zuständigkeit
für die jeweilige Controllingorganisation bei den so genannten Financial Directors. Das
Controlling auf der Ebene der verbundenen Unternehmen ist häufig – insbesondere
in den kleineren Gruppenunternehmen – aufgabenseitig und personell verknüpft mit
Tätigkeiten im Rechnungswesen.
Ein wichtiges Bindeglied zwischen allen controllingnahen Einheiten ist das „Controllers’ Committee“, kurz CoCo genannt. Dieses Gremium tagt im monatlichen Rhythmus
und ist besetzt mit Leitern der Controllingeinheiten auf Konzernebene, dem Leiter des
Bereichs Corporate Accounting sowie den Financial Directors der drei Unternehmensbereiche. Zielsetzung des CoCo ist es, eine Abstimmung und ein unternehmensweit
einheitliches Vorgehen bei verschiedenen zentralen Themengebieten zu gewährleisten. Dabei handelt es sich überwiegend um grundsätzliche Fragestellungen aus den
Themenbereichen Planung, Berichtswesen und Steuerung sowie um die Abstimmung
der Vorgehensweisen bei übergreifenden konzernweiten Aktionsprogrammen und
sonstigen Sonderaufgaben.
Henkel verfügt über eine formulierte und in regelmäßig aktualisierte Unternehmensstrategie und gleichermaßen über Strategien für die Unternehmensbereiche und Funktionen. Quantitative Rahmenvorstellungen kommen in den finanziellen Zielsetzungen
sowie in der auf Eckwerte konzentrierten mittelfristigen Zielplanung zum Ausdruck.
Abweichungen von den längerfristigen quantitativen Zielvorgaben werden durch strategische Analysen sowie im Rahmen der Jahresplanung und der Erwartungswertrechnung während des Jahres erkannt. Damit können rechtzeitig geeignete Maßnahmen
ergriffen werden.
Das Berichtswesen als Instrument einer entscheidungsorientierten Informationsaufbereitung beruht auf einer monatlichen Berichterstattung der Ergebnis- und Vermögensrechnung, die von den verschiedenen Teileinheiten des Konzerns bis zum dritten Arbeitstag des Folgemonats vorliegen muss. Das auf Konzernebene verwendete
Management-Informationssystem („TOPAS“) fasst die gelieferten Daten von elf strategischen Geschäftsfeldern und den konsolidierten Konzerngesellschaften zusammen.
Henkel verfügt damit über ein Berichtswesen, das unterjährig kurzfristig nach Mo-
7 Gesamtorganisation des Controllings812
Vahlens Handbücher – Horváth – Controlling (12. Auflage) – Herstellung: Frau Deuringer
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natsende einen Vergleich der aktuellen Unternehmensentwicklung mit der im Vorjahr
durchgeführten Kurzfristplanung (Planungshorizont von einem Jahr) erlaubt. Damit
sind zeitnahe Abweichungsanalysen möglich. Die Steuerung der operativen Geschäfte
auf der Konzernebene erfolgt u.a. über den EBIT der strategischen Geschäftseinheiten
bzw. der Unternehmensbereiche. Der EBIT ist in der Summe aller Geschäfte identisch
mit dem Betrieblichen Ergebnis der Gewinn- und Verlustrechnung für den Henkel
Konzern. Zur wertorientierten Steuerung der Geschäfte wird zusätzlich die Ergebnisgröße EVA (Ecomic Value Added) und die Kennzahl Return on Capital Employed
(ROCE) verwendet. Auf das betriebliche Vermögen bzw. das Capital Employed (darin
Goodwillvermögen zu Anschaffungs- statt Buchwerten) muss mindestens eine Rendite
erwirtschaftet werden, welche die Kosten des eingesetzten Kapitals deckt. Diese Kapitalkosten ergeben sich aus den Verzinsungsansprüchen der Fremdkapitalgeber und
den Renditeansprüchen der Eigenkapitalgeber.
Das interne Berichtssystem ist eng mit der externen Rechnungslegung verbunden: inhaltlich über harmonisierte Wertansätze und formal über die Segmentinformationen
– Umsatz, EBIT, Umsatz- und Kapitalrenditen, Betriebliches Vermögen, Goodwill- und
Sachanlageabschreibungen, Investitionen, F+E- nach Unternehmensbereichen und
Regionen.
7.9 Zusammenfassung
Im Mittelpunkt des vorangegangenen Kapitels standen Fragestellungen, die die Gesamtorganisation des Controllings betreffen. Diese sind im Zusammenhang mit dem
gegebenen Kontext zu sehen.
Bei der Strukturierung der Controlling-Aufbauorganisation sind die folgenden Fragestellungen von Bedeutung:
r Zentralisation/Dezentralisation: In welchem Ausmaß und nach welchen Aufgabenmerkmalen werden die Controllingaufgaben in der Gesamtorganisation verteilt?
r Funktionalisierung: Welche Stellung und Kompetenzen hat der Controller in der
Führungsstruktur?
r Delegation: Welche Formen der Aufgabendelegation sind für Controllingaufgaben
möglich?
r Partizipation: Inwieweit lassen sich Mitarbeiter an der Willensbildung einer hierarchisch höheren Stelle beteiligen?
r Standardisierung: Inwieweit lassen sich Controlleraktivitäten im Voraus generalisieren?
r Arbeitsteilung: Welche Möglichkeiten und Formen der Arbeitsteilung gibt es für die
Controllingaufgaben?
Die Gestaltung des Controllings erhält heute eine starke Prozessorientierung. Die
Standardisierung von Controllingprozessen erleichtert deren Offshoring bzw. Outsourcing. Vielfach werden Controllingaufgaben in das Linienmanagement zurückverlagert
(Selbstcontrolling).
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Der Klassiker zum Controlling.
Controlling: umfassend und bewährt
Auch nach über dreißig Jahren verfolgt dieses Buch weiterhin das ehrgeizige Ziel, mit jeder Neuauflage den »State of the Art« in Wissenschaft und Praxis des Controllings wiederzugeben. Unverändert geblieben ist dabei die Intention dieses Standardwerkes. Es liefert eindeutige Antworten auf drei umfassende Fragen:
* Was ist die Grundidee des Controllingkonzepts?
* Welche Aufgaben umfasst die Controllingfunktion?
* Wie wird die Controllingfunktion organisatorisch realisiert?
Höchste Autoren-Kompetenz
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Péter Horváth gehört zu den renommiertesten Persönlichkeiten im Controlling. Er ist Vorsitzender des Aufsichtsrates einer Managementberatung und Gründungsherausgeber der Zeitschrift für Controlling.