7 Gesamtorganisation des Controllings748
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Stand: 19.09.2011 Status: Imprimatur Seite 748
Wir wollen im Folgenden die wichtigsten Aspekte der Gesamtorganisation des Controllings diskutieren. Da der Kontextbezug der vorliegenden empirischen Untersuchungen
sehr schwach ausgeprägt ist, muss unsere Darstellung eher Hypothesencharakter
haben.
Wir wollen zur Analyse die oben besprochenen, von Hill, Fehlbaum und Ulrich definierten, Ausprägungsmerkmale heranziehen.
Unsere Fragen sind:
r Welche Aufgaben und Kompetenz hat der Controller in der Führungsstruktur der
Organisation (Funktionalisierungsgrad)?
r In welchem Ausmaß und nach welchen Aufgabenmerkmalen werden die Controllingaufgaben in der Organisation verteilt (Dezentralisationsgrad)?
r Welche Formen der Aufgabendelegation sind für Controllingaufgaben möglich
(Delegationsgrad)?
r Welche Formen der Kompetenzverteilung gibt es für die Controllingaufgaben (Partizipationsgrad)?
r Inwieweit lassen sich Controlleraktivitäten im Voraus generalisieren (Standardisierungsgrad)?
r Welche Möglichkeiten und Formen der Arbeitsteilung gibt es für die Controllingaufgaben (Grad der Arbeitsteilung)?
r Wie lässt sich der Controllingprozess gestalten (Prozessorientierung im Controlling)?
r Inwieweit sollen Controllingaufgaben vom Management selbst übernommen werden
(Selbstcontrolling)?
Bei der Beantwortung der Fragen wollen wir die Controllingorganisation – hierauf sei
nochmals hingewiesen – in Abhängigkeit von einer bereits bestehenden kontextbedingten Organisationsstruktur betrachten. Da Controlling eine Führungsfunktion ist,
kommt es hierbei insbesondere auf die Organisation der Führung an. Im Vordergrund
der Darstellung stehen Gestaltungsaspekte.
7.3 Gestaltungsvariablen der Controllingorganisation
7.3.1 Zentralisation und Dezentralisation
Wir haben Controlling als das Führungssubsystem definiert, dem die ergebnisorientierte Koordination von Planung, Kontrolle und Informationsversorgung obliegt. Es
handelt sich hierbei um die Lösung der Koordinationsprobleme des Führungssystems
selbst, damit dieses seine Koordinationsaufgaben in Bezug auf die operativen Subsysteme wahrnehmen kann. Das institutionalisierte Controlling nimmt also gegenüber
der Führung eine Servicefunktion wahr.
Zentralisation bzw. Dezentralisation solcher Servicefunktionen müssen wir in Abhängigkeit von der Führungsorganisation insgesamt sehen.
Für das Controlling gibt es mehrere grundsätzliche Formen der Zuordnung zu den
übrigen Führungsaufgaben. Als Beurteilungsgesichtspunkte können Fragen der Ka-
7.3 Gestaltungsvariablen der Controllingorganisation 749
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Stand: 19.09.2011 Status: Imprimatur Seite 749
pazitätsbelastung der Führungskräfte, Probleme der Entscheidungsqualität und Koordinationsnotwendigkeiten herangezogen werden.
Die amerikanischen Klassiker der Organisationsliteratur (Newman 1963 sowie Koontz,
O’Donnel 1976, vgl. Abb. 7.11) sehen für die organisatorische Einbindung von Servicefunktionen bestimmte Entwicklungsstufen.
Abb. 7.11: Entwicklungsstufen von Serviceaufgaben in der Führungsorganisation
(Newman 1963, S. 170; ähnlich auch Koontz, O’Donnell 1976)
7 Gesamtorganisation des Controllings750
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Grundsätzlich lässt sich sagen, dass mit zunehmender Dezentralisation der Führungsaufgaben Kapazitätsentlastungsvorteile und Vorteile der Spezialisierung zunächst zur
Verselbständigung und Zentralisation der Serviceaufgaben führen. Die Praxis zeigt,
dass ab einem bestimmten Dezentralisationsgrad der Führungsaufgaben die Servicefunktion ebenfalls Dezentralisationstendenzen mit zentraler koordinierender Leitung
aufweist.
Für die Controllingfunktion ist diese Tendenz ebenfalls kennzeichnend. In kleinen
Unternehmungen wird sie von dem Unternehmer selbst wahrgenommen oder sogar auf
unternehmungsexterne Berater verlagert. Einen selbständigen Controller gibt es – wie
bereits erwähnt – erst ab einer bestimmten Unternehmungsgröße (vgl. bereits Curtis
1962). In Großunternehmungen erfährt die Controllerfunktion – der Führungsdezentralisierung folgend – eine Dezentralisierung.
Die starke Dezentralisierung der Entscheidungen in Großunternehmungen führt zu
einer entsprechenden Dezentralisierung des Controllings. Hierfür sprechen drei gewichtige Gründe (ZVEI 1993, S. 88):
r „Eine Verpflichtung gegenüber dem Plan kann von einer Führungsebene nur erwartet werden, wenn sie ihren Plan selbst erarbeitet hat.
r Einen gleichzeitig realistischen und anspruchsvollen Plan kann nur der erarbeiten,
der das Geschäft wie seine Westentasche kennt, d.h. die jeweilige Führungsebene.
r Eine realistische und zeitnahe Ist-Verfolgung ist nur dem möglich, der selbst im
Geschäft steht, d.h. der jeweiligen Führungsebene.“
Die Kriterien der jeweiligen Dezentralisation im Controlling folgen denen der Führungsorganisation. Damit ergeben sich vor allem drei Kategorien dezentraler Controller:
r Funktionalcontroller (vgl. Abb. 7.12),
r Divisionalcontroller (vgl. Abb. 7.13) und
r Regionalcontroller.
Mit der Zentralisation und Dezentralisation des Controllings sind zwei Strukturfragen
verbunden (vgl. hierzu Hahn, Hungenberg 2001, S. 923 ff.):
r Welcher Führungsebene wird die zentrale Controllerstelle zugeordnet?
r Welche Art der Zuordnung ist für den dezentralen Controller zum zentralen Controller vorzusehen?
Hinsichtlich der Einordnung der zentralen Controllerstelle bzw. -abteilung in die Unternehmenshierarchie werden zwei Vorschläge diskutiert:
r Der Controller gehört der ersten Führungsebene an,
r der Controller gehört der zweiten Führungsebene an.
Für beide Lösungsansätze finden sich in der Praxis Beispiele und Argumente. Hoffmann
hat bereits frühzeitig (1968) vorgeschlagen, den Controller an der Ebene der Geschäftsführung anzusiedeln. Er sieht im Controller gegenüber den funktions-, divisions- bzw.
regionalorientierten Führungsinstanzen eine neutrale Instanz, die sich um die Ergebnisorientierung aus der Gesamtsicht der Unternehmung kümmern kann.
Mann (o. J.) dagegen schlägt vor: „Der Controller sollte im Normalfall der zweiten Führungsebene angehören.“ Er begründet dies mit der Notwendigkeit, von der Geschäftsführung „eine gewisse Distanz“ zu haben.
7.3 Gestaltungsvariablen der Controllingorganisation 751
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Die zwei „typischen“ Einordnungen des (zentralen) Controllings in die Führungshierarchie zeigt Abb. 7.14. In der Unternehmungspraxis ist die enge organisatorische
Beziehung zum Bereich Finanzen auffallend. In kleinen und mittelständischen Unternehmungen wird die Funktion des Controllers häufig von einem Mitglied der Geschäftsführung in Personalunion mit anderen Aufgaben wahrgenommen (z.B. Einkauf
und Controlling etc.).
Unsere Auffassung ist, dass die Entwicklungsstufe der Controllingaufgabe die Zuordnung bestimmt. Befasst sich der zentrale Controller mit unternehmungsweiten Koordinationsaufgaben, so ist er am zweckmäßigsten der ersten Führungsebene zuzuordnen.
Allgemeiner formuliert: der organisatorische Status muss dem Controller die Erfüllung
seiner Aufgaben ermöglichen.
Abb. 7.12: Dezentrale Controller in einer funktional strukturierten Unternehmung
Abb. 7.13: Dezentrale Controller in einer divisional strukturierten Unternehmung
(ZVEI 1993, S. 88)
7 Gesamtorganisation des Controllings752
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Nun zur zweiten Frage: Wie werden die organisatorischen Beziehungen zwischen dem
Zentralcontroller und den dezentralen Controllern gestaltet?
Hier sind zwei Gesichtspunkte maßgeblich. Einerseits ist eine Ausrichtung auf das
Ergebnisziel der Gesamtunternehmung erforderlich. Dies spricht für die Weisungsgebundenheit des dezentralen Controllings an das Zentralcontrolling. Andererseits
müssen die dezentralen Controller in die jeweilige dezentrale Einheit eingebunden
werden. Nur dann werden sie dort akzeptiert und mit Informationen versorgt. Hierfür
ist ihre Einordnung in die Hierarchie der dezentralen Einheit die geeignete Lösung.
Weil beide Extremlösungen wesentliche Nachteile haben, wählt man in der Praxis meist
eine Zwischenlösung, die sich aus der Trennung zwischen fachlicher und disziplinarischer Unterstellung ergibt. Die fachliche Unterstellung beinhaltet die Kompetenz für die
Methodik und Aufgabenwahrnehmung (z.B. Richtlinien für die Berichterstellung). Die
disziplinarische Unterstellung betrifft die Kompetenzen für Regelungen aus dem Arbeitsvertrag (z.B. Arbeitszeitregelungen, Gehaltsfestsetzung etc.). Die doppelte Einbindung des dezentralen Controllers bedeutet, dass er disziplinarisch dem Bereichsleiter
und fachlich („dotted line“) dem Zentralcontroller zugeordnet ist. (Denkbar ist auch ein
umgekehrtes Verhältnis.) Die doppelte Unterstellung des dezentralen Controllers kann
natürlich zu Konfliktsituationen führen. Die Vor- und Nachteile der angesprochenen
Lösungen fasst Abb. 7.15 zusammen.
Die „dotted line“-Struktur des Controllings kann in Großorganisationen wie in internationalen Konzernen recht komplex werden (Abb. 7.16 zeigt ein Beispiel).
Wir haben bereits in den vorangegangenen Kapiteln gesehen, dass jede Controllingteilaufgabe für sich eine komplexe Organisationsproblematik aufweist und die Frage der
Abb. 7.14: Typische Einordnungen des (zentralen) Controllings
in die Führungshierarchie
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: 19.09.2011
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Seite 753
“piznirP-enil-dettod„rellortnoclartneZg/nulletsretnUznatsnineiniLg/nulletsretnU
positiv negativ positiv negativ positiv negativ
gute und vertrauliche Controllinggesamt- einheitliche Durch- Spezialcontroller = Kompromiss zwischen Doppelunterstellung
Zusammenarbeit konzept wird führung des Spion der Zentrale zwei Extremen Dauerkonflikt
mit Linieninstanz vernachlässigt Controllingkonzeptes
hohe Akzeptanz in Verstärkung des Gegengewicht bei Informationsblockade Möglichkeit, Linien- wird weder von der
der Linie Partikularismus Beteiligung an der Linie erfordernisse mit Linie noch vom
rellortnoclartneZ-newtongnillortnoCrednegnudiehcstnE
treitpezka-revuznetiekgidznatsnineiniL
binden
guter Zugang zu Berichterstattung starke Betonung des Spezialcontroller flexible Einfluss- Objektivität und
formellen wie infor- an Zentralcontroller integrativen Koordi- wird isoliert nahme auf Spezial- Neutralität nicht
tetsielrhäwegrellortnocsetkepsasnoitantgissälhcanrevdriwnelleuQnellem
Möglichkeit, Linien- mangelnde Distanz schnelle Durch- geringe Akzeptanz
instanz bei Ent- und Objektivität zu setzung neuer
scheidungen zu Linienaktivitäten Konzepte
unterstützen
starkes Eingehen Unabhängigkeit wird nicht zur Entscheignuztütsretnusgnud-neiniLrebünegeg-früdebneiniLfua
negozegnarehznatsniessin
schnelle Information linienspezifische Beder Zentrale sonderheiten werden
zu wenig beachtet
Abb. 7.15: Vor- und Nachteile der verschiedenen Unterstellungsmöglichkeiten des dezentralen Controllers (Schüller 1984, S. 210)
7 Gesamtorganisation des Controllings754
Vahlens Handbücher – Horváth – Controlling (12. Auflage) – Herstellung: Frau Deuringer
Stand: 19.09.2011 Status: Imprimatur Seite 754
Zentralisation bzw. Dezentralisation jeweils für sich aufwirft. Als generelle Regel lässt
sich u.E. Folgendes formulieren: Die die Gesamtunternehmung betreffenden systembildenden (innovativen) Koordinationsteilaufgaben werden in der Regel zentralisiert (z.B.
Gestaltung des Informationsversorgungssystems); laufende Teilaufgaben der Informationsversorgung, die Nähe zum Geschehen voraussetzen (z.B. Erhebung von Marktinformationen, Aufschreibungen in der Produktion usw.), werden dagegen dezentralisiert.
7.3.2 Funktionalisierung
Unter Funktionalisierung sollen Formen der Funktions- und Kompetenzzuordnung in
der Organisation verstanden werden (vgl. Hill, Fehlbaum, Ulrich 1989, S. 191).
Controlling haben wir funktional in der Führungsfunktion angesiedelt. Diese Sicht
entspricht der Realität. Wir können in kleinen Unternehmungen immer wieder feststellen, dass der Leiter der Unternehmung gleichzeitig sein eigener Controller ist. Mit
Wachstum der Unternehmung und damit bei wachsender Komplexität entsteht dann
– wie wir gesehen haben – das institutionalisierte Controlling.
Wir haben auch bereits im Rahmen unserer funktionsorientierten Betrachtung gesehen,
welche Teilaufgaben die ergebnisorientierte Koordination von Planung und Kontrolle
mit der Informationsversorgung umfasst.
Hieraus ergeben sich zwei Fragen der Funktionalisierung des Controllings:
r Welche Kompetenzausstattung soll der Controller erhalten? Insbesondere: Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit zwischen Controller und Manager?
r Wie ist die Binnenstruktur des Controllerbereiches zu gestalten? Insbesondere: Welche Aufgabenbereiche gliedert man in die Controllingabteilung ein?
Abb. 7.16: „dotted line“ in einem internationalen Konzern (Ziener 1985, S. 183)
7.3 Gestaltungsvariablen der Controllingorganisation 755
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Stand: 19.09.2011 Status: Imprimatur Seite 755
Die erste Frage wurde in der früheren Controllingliteratur ausschließlich unter dem
Aspekt Stab versus Linie diskutiert.
Für die Organisation des Controllings lautete die häufig diskutierte Hauptfrage in diesem Zusammenhang: Soll die Controllingabteilung als Stabsstelle organisiert werden?
(vgl. hierzu Pfohl, Zettelmeyer 1987, S. 1128 ff. und die Diskussion über Stäbe bei Frese
2005, S.213 ff.)
Viele Autoren waren wie Collard (1970) der Ansicht, dass die Planungs- und Kontrollaufgaben des Controllers nur Stabsaufgaben sein können. Seine Aufgabe besteht nach
dieser Auffassung in der Entlastung der Unternehmungsführung bei Planung und
Kontrolle; insofern nimmt der Controller typische Leitungshilfsfunktionen wahr. Diese
Auffassung umfasst allein die Informations- und Serviceaufgaben des Controllers.
Mann (o. J., S. 177 ff.) äußerte schon frühzeitig Bedenken gegen die Stabsstellung des
Controllers:
r Zwar wird eine Unterstützungs- und Beratungstätigkeit ausgeübt, jedoch hat der
Controller selbst Entscheidungsaufgaben (z.B. Einschaltung der Geschäftsleitung
bei gravierenden Abweichungen).
r Stäbe müssen sich bei ihrer Arbeit auf die Unterstützung der vorgesetzten Stelle
berufen, dies untergräbt ihre Autorität.
r Die Innovationstätigkeit des Controllers beeinflusst die Zukunft der Unternehmung
als Ganzes, hierzu sei ein Anweisungsrecht unerlässlich.
Eine differenziertere Betrachtung sollte deshalb zwischen Linien- und Stabsaufgaben
hinsichtlich einzelner Controllingfunktionen unterscheiden.
Hauschildt hat bereits 1972 (vgl. Abb. 7.17) die Stellenbeschreibung eines Controllers
entwickelt, aus der ein „Mix“ aus Stabs- und Linienfunktionen des Controllers hervorgeht. Er sieht klare Linienaufgaben in Bezug auf die Systemgestaltungsaufgaben
des Controllingsystems und Stabsaufgaben bei der systemkoppelnden Koordination.
Anderson, Schmidt, McCosh (1973, S. 3) interpretierten die Tatsache, dass die Controllingaufgabe in amerikanischen Unternehmungen zunehmend durch den „executive
vice president-finance“ wahrgenommen wird, mit der zunehmenden Übernahme von
Linienaufgaben durch das Controlling. Der Controller erhält zu seinen Stabsaufgaben
zusätzliche Linienfunktionen. Dies ist die Konsequenz daraus, dass die Interpretation
der ausgewerteten Informationen durch den Controller die Entscheidungen und Aktionen der Linie stark bestimmt. (Häufig ist hierdurch der Controller der „starke Mann“
in der Unternehmungsführung.) Gerade in Rezessionsjahren bzw. in Krisensituationen
werden dem Controller in vielen Unternehmungen Linienaufgaben übertragen. Auslöser für die Einschaltung des Controllers sind dabei meist Budgetabweichungen.
Die Unterscheidung von Linien- und Stabsaufgaben verliert u.E. ihre Bedeutung zunehmend mit dem Aufkommen mehrdimensionaler Organisationsstrukturen. In der
mehrdimensionalen Organisationsstruktur der Fa. Siemens hatte die Controllingabteilung bereits frühzeitig unternehmungsweite Funktionsverantwortung. Eine genaue
Unterscheidung zwischen Stabs- und Linienaufgaben ist nicht mehr möglich. Der
damalige Siemens-Controller hat hierzu 1974 Richtungsweisendes geäußert:
r „So verstehen wir heute das Controlling in einem sehr viel aktiveren Sinn. Denn
das Schwergewicht hat sich von der kritisch historischen Nachzeichnungspflicht
zu einer gestaltenden und zukunftsorientierten Aufgabe verlagert. Dazu gehören
7 Gesamtorganisation des Controllings756
Vahlens Handbücher – Horváth – Controlling (12. Auflage) – Herstellung: Frau Deuringer
Stand: 19.09.2011 Status: Imprimatur Seite 756
Stellenbeschreibung
Leiter des Planungs- und Rechnungswesens (Controller)
I. Stellenbezeichnung
Leiter des Planungs- und Rechnungswesens (Controller)
II. Rang
Prokurist (ggf. Direktor)
III. Unterstellung
Der Stelleninhaber ist dem Ressort-Chef Finanzen (o. Vorstandsmitglied) fachlich und
disziplinarisch unterstellt.
IV. Überstellung
Dem Stelleninhaber sind folgende Mitarbeiter unterstellt:
a) in Linienfunktion
1. Leiter der Gruppe Planung (Finanzplanung, Kosten-/Erlösplanung)
2. Leiter der Gruppe Finanzbuchhaltung (Handels- und Steuerbilanz)
3. Leiter der Gruppe Kontrolle (Finanzkontrolle, Kosten-/Erlös-Kontrolle).
b) in Stabsfunktion
ggf. Leiter der Gruppen Steuern, Recht, Fracht, Zölle.
V. Ziele der Stelle
Der Controller trägt Rechnungsverantwortung, er hat für Entscheidungen und Kontrollen
im Unternehmen laufend die benötigten Informationen zu liefern. Diese Informationen
sollen fristgerecht, vollständig, überschneidungsfrei geliefert werden, zweckentsprechend aufbereitet, rechtlich ordnungsmäßig und von hinreichender Genauigkeit sein.
Die Informationslieferung soll unter Berücksichtigung der vom Ressort-Chef Finanzen
festgelegten Informationserfordernisse möglichst kostengünstig erfolgen. Der Controller
hat aus der Kenntnis der Entscheidungs- und Kontroll-Informationen gesonderte Entscheidungs- und Kontrollprozesse anzuregen.
VI. Stellvertretung
Der Stelleninhaber wird durch den Leiter der Gruppe Finanzbuchhaltung vertreten.
VII. Die Aufgabenbereiche im einzelnen
Folgende fachliche Aufgaben hat der Stelleninhaber selbst wahrzunehmen:
a) in Linienfunktion
1. Planungsrechnungen
t Er entscheidet über ein zweckentsprechendes Mitteilungs- und Formular-System
zur Erfassung der Urdaten der Planung in den operativen Bereichen, wenn notwendig nach Mengen und Werten.
t Er gibt Initiativen an operative Stellen zur Veranlassung der Übertragung der
Urdaten.
t Er koordiniert die Zusammenfassung der Teilpläne zu einem Plan des Materialflusses, der Lagerbewegungen, der Erlöse, der Kosten und der Zahlungsströme.
t Er trifft Schätzungen für den Fall, dass operative Urdaten fehlen.
t Er bestimmt Ober- und Untergrenzen bei der Aufstellung von Alternativplänen.
t Er entscheidet über die Anwendung von Problemlösungsalgorithmen zur Ermittlung optimaler Planwerte.
7.3 Gestaltungsvariablen der Controllingorganisation 757
Vahlens Handbücher – Horváth – Controlling (12. Auflage) – Herstellung: Frau Deuringer
Stand: 19.09.2011 Status: Imprimatur Seite 757
einmal Entwickeln und Bereitstellen methodischer Hilfsmittel für die Planung und
Berichterstattung, zum anderen die aktive Einflussnahme auf das Gestalten der Ziele
und Entwicklungen.“ (Günther 1974, S. 959.)
r „Diese Einflussnahme soll vor allem erfolgen durch Weitergabe der Erkenntnisse, die
sich aus der Informationsbündelung beim Controller ergeben, durch Herbeiführung
eines Interessenausgleichs bei Zielkonflikten und durch das Einbringen eigener
Vorstellungen.“ (Günther 1974, S. 959.)
Als eine praktikable Lösung bietet sich deshalb an, die Controllingabteilung als Querschnittsbereich zu organisieren (vgl. Mann o. J., S. 181 ff.):
r innerhalb der Controllingabteilung fachliche und disziplinarische Anordnungsbefugnis,
r gegenüber den anderen Bereichen der Unternehmung funktionale Anweisungsbefugnis hinsichtlich controllingspezifischer Fragen.
t Er verhandelt mit den betroffenen operativen und finanziellen Instanzen bei
Einschränkung ihrer Ausgangspläne aufgrund der Pläne anderer Bereiche
(Interdependenz-Ausgleich).
t Er korrigiert Planansätze nach Rücksprache mit den betroffenen Instanzen,
wenn ihm aus anderen Planansätzen Informationen zugehen, die die Korrektur
erforderlich machen.
2. Finanzbuchhaltung
(Hier wegen des Bezugs auf die Liquiditätsproblematik nicht weiter ausgeführt.)
3. Kontrollrechnungen
t Er stellt die Kontrollergebnisse nach absoluter und relativer Planabweichung
fest.
t Er quantifiziert und kommentiert diejenigen Abweichungen, die sich aus der
Anwendung spezieller Planungstechniken ergeben (Beispiel: Zahlungsabweichungen unmittelbar nach Ultimo).
t Er gibt Erklärungen für nicht tolerierte Planabweichungen (Kommentarpflicht),
soweit ihm das aus seiner Kenntnis der Einzelheiten möglich ist.
t Er setzt Richtlinien für die statistische Aufbereitung der Meßergebnisse, um
Unterlagen für langfristige Zeit- und Betriebsvergleiche zu gewinnen.
t Er informiert die betroffenen Instanzen über die Kontrollergebnisse und sammelt Erklärungen für die ausgewiesenen Abweichungen.
t Er gibt Initiativen für formelle und materielle Verbesserungen der Planungstechnik.
b) in Stabsfunktion
t Er berät den Vorstand über den Aufbau und die Verbesserung des Informationssystems, insbesondere unter dem Aspekt einer fortschreitenden Automatisierung
und Integrierung der Informationsverarbeitung.
t Er berät den Vorstand bei der Steuerung der Planungs- und Entscheidungsprozesse.
t Er berät den Vorstand bei Konflikten mit operativen Instanzen über die Ursachen
von Abweichungen zwischen Soll und Ist.
t Er berät den Vorstand in allen Fragen, die die Steuerung der Finanzbuchhaltung
betreffen, insbesondere …
t Er regt Revisionen der tolerierten bzw. nicht tolerierten Planabweichungen
aufgrund seiner statistischen Erhebungen an (Verbesserung der Planungsgenauigkeit).
Abb. 7.17: Stellenbeschreibung eines Controllers mit Linien- und Stabsfunktionen
(Hauschildt 1972, S. 172 f.)
7 Gesamtorganisation des Controllings758
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Stand: 19.09.2011 Status: Imprimatur Seite 758
Diese Konstruktion ermöglicht die Überwindung der Stabsproblematik und macht
deutlich, dass der Controller für das Funktionieren seines Subsystems unternehmungsweit verantwortlich ist und entsprechende explizite fachliche Anweisungsbefugnisse
besitzt. Er trägt die „Rechnungsverantwortung.“ (vgl. Kaltenhäuser 1979.)
Insgesamt ist festzuhalten, dass die Tendenz in der Praxis zu einer stärkeren und differenzierten Einbindung des Controllers in die Entscheidungsprozesse des Managements
gekennzeichnet ist (vgl. hierzu Küpper 2008, S. 556 ff.). Andererseits ist auch die Tendenz
zum „Selbstcontrolling“ festzustellen (vgl. hierzu Kap. 7.3.8).
Ein wichtiges Instrument zur laufenden Koordination und zur bereichsübergreifenden Zusammenarbeit des Controllers mit der Führung sind Ausschüsse (Kollegien,
Komitees).
Diese sollen zwei wesentliche Funktionen erfüllen:
r Verknüpfungsfunktion:
Durch die Ausschuss-Zusammensetzung soll eine Integration von Stab und Linie
zur optimalen Entscheidung erreicht werden.
r Informationsfunktion:
Es soll ein möglichst hoher Informationsgrad aller Beteiligten erreicht werden. Dies
wird durch die Zusammensetzung des Ausschusses angestrebt.
Typische Ausschüsse der Controllingarbeit sind der Planungs-, der Budgetierungs-, der
Investitions- und der Finanzausschuss.
Wir haben auf wichtige diesbezügliche organisatorische Lösungsmöglichkeiten bereits
in den entsprechenden Kapiteln hingewiesen.
Die zweite in diesem Abschnitt zu diskutierende Frage betrifft die Binnenstruktur der
Controllingabteilung (vgl. Welge 1988, S.428 ff.; Hahn, Hungenberg 2001, S.941 ff.). Welche
Abteilungen werden dem Controller zugeordnet?
Wir wollen das Thema in Bezug auf die wichtigsten Aufgabenbereiche nochmals aufgreifen und aus der Sicht der Gesamtorganisation des Controllings kurz diskutieren.
Kontext- und entwicklungsabhängig finden wir in der Praxis zahlreiche Lösungsvarianten vor.
Das Rechnungswesen ist der mit dem Controllerbereich am engsten verbundene Aufgabenbereich. Wir haben bereits ausgeführt (vgl. Kapitel 4.5.3.4), dass wir das Gesamtrechnungswesen aus Gründen der einheitlichen Gestaltung dem Controller zuordnen
wollen (in den USA ist diese Lösung typisch). In der deutschen Praxis sind bekanntlich
internes und externes Rechnungswesen häufig getrennt, wobei das externe Rechnungswesen dem Finanzbereich zugeordnet wird.
Die Gestaltung und einheitliches Management der Planung ist ebenfalls am besten
durch die gesamtheitliche Zuordnung zum Controller gewährleistet (vgl. Kapitel 3.8.4.2).
Auch hier gibt es in der Praxis von der Idee der Systemeinheit abweichende Lösungen:
Die Strategische Planung ist in manchen Unternehmungen Aufgabe eines Vorstandsstabes. Kernaufgabe des Controllers ist in der überwiegenden Zahl der Fälle die kurz- und
mittelfristige Ergebnisplanung inklusive Soll-Ist-Vergleiche und Berichtswesen.
Früher war die „Informationsverarbeitung“ wegen des Aufgabenschwerpunktes im
Rechnungswesen häufig dem Controller unterstellt. Heute ist der Bereich meist eigen-
7.3 Gestaltungsvariablen der Controllingorganisation 759
Vahlens Handbücher – Horváth – Controlling (12. Auflage) – Herstellung: Frau Deuringer
Stand: 19.09.2011 Status: Imprimatur Seite 759
ständig und vom Bereich des Controllers getrennt, weil seine Aufgaben den controllingorientierten Anwendungen entwachsen sind (vgl. Kapitel 5.3.4).
Hahn, Hungenberg (2001, S. 941 ff.) haben die verschiedenen organisatorischen Zuordnungsvarianten in vier Ausgestaltungskonzepte gruppiert. Sie unterscheiden:
r „Amerikanisches Controllingkonzept“: Controlling mit gesamtem Rechnungswesen
und „Nebenfunktionen“ (Steuern, Versicherungen, Interne Revision, Informationsverarbeitung).
r „Amerikanisches Kerncontrollingkonzept“: Controlling mit gesamtem Rechnungswesen ohne „Nebenfunktionen“.
r „Deutsches Controllingkonzept“: Controlling mit internen Rechnungswesen und
„Nebenfunktionen“.
r „Deutsches Kerncontrollingkonzept“: Controlling mit internem Rechnungswesen
ohne „Nebenfunktionen“.
Als „Kerncontrolling“ fungieren somit bei Hahn, Hungenberg Planung- und Kontrolle
(ohne strategische Planung) sowie das (interne) Rechnungswesen.
7.3.3 Delegation
Die Delegation hat den Sachverhalt der Kompetenzübertragung an nachgeordnete
Stellen zum Gegenstand (vgl. Hill, Fehlbaum, Ulrich 1989, S.224 ff.). Der Begriff wird
häufig als ein Teilaspekt der Dezentralisation angesehen. Die Kompetenzübertragung
an untergeordnete Stellen kann mehrstufig erfolgen, wobei hierbei zwischen Ausführungskompetenz und Entscheidungskompetenz unterschieden werden kann.
Die wachsenden Adaptions- und Koordinationsnotwendigkeiten in der Unternehmung
verlangen einen steigenden Delegationsgrad.
Im Hinblick auf jede Stelle müssen auch bei der Delegation drei Faktoren übereinstimmen (vgl. Höhn 1969, S. 226):
r klar umrissene und abgegrenzte Aufgaben,
r Kompetenzen, die den Aufgaben entsprechen,
r Verantwortung, die sich aus Aufgaben und Kompetenz ergibt.
Die Delegierbarkeit bestimmt sich stark nach der Tragweite einer Entscheidung: Für
Routinefälle mit operativen Wirkungen ohne großes Risiko für die Unternehmung ist
die Möglichkeit der Delegation gegeben; einmalige, langfristig wirksame, strategische
Entscheidungen mit großem Risiko für die Unternehmung sind sicher nicht delegierbar.
Fragen der Delegation sind innerhalb der Controllingabteilung genauso gegeben wie
in anderen Abteilungen.
Das Prinzip der Delegation hilft vor allem im Hinblick auf das Zusammenwirken von
Zentralcontroller und dezentralem Controller bei der Problemlösung. Der Controllerbereich besteht heute in größeren Unternehmungen aus zahlreichen Subsystemen,
die nach Funktionen, Produkten, Regionen oder Projekten strukturiert sind. Hieraus resultiert ein Koordinationsbedarf innerhalb des Controllerbereiches. Die bereits
diskutierte Dezentralisation des Controllings muss inhaltlich ausgefüllt werden. Es
muss geregelt werden, welche das Controllingsystem betreffenden systembildenden
7 Gesamtorganisation des Controllings760
Vahlens Handbücher – Horváth – Controlling (12. Auflage) – Herstellung: Frau Deuringer
Stand: 19.09.2011 Status: Imprimatur Seite 760
und systemkoppelnden Aufgaben dezentral ausgeführt werden dürfen, d.h. an den
dezentralen Controller delegiert werden. Angesichts der Vielfalt der dezentralen Controlleraufgaben kann das Prinzip nur lauten: Beschränkung der Richtlinienkompetenz
des Zentralcontrollers auf Eckwerte der Systemgestaltung und Delegation aller übrigen
Controllingaufgaben an die dezentralen Controller vor Ort. Das Beispiel der Deutschen
Shell (vgl. Abb. 7.18) weist auf die Problemfelder und Lösungsansätze in einer komplexen
Organisation hin.
Interessant und hier wichtig sind die Auswirkungen der Delegation in der Unternehmung auf die Aufgaben des Controllings. Wir vermuten zweierlei:
r Ein hoher Delegationsgrad erfordert bei der systembildenden Koordination eine
stärkere Differenzierung des zu realisierenden Systems, da eine größere Anzahl von
Systemmitgliedern mit unterschiedlichen Befugnissen die laufenden Systemprozesse
steuern soll. Der jährliche Planungsprozess in einer Großunternehmung kann hierzu
ein Beispiel sein.
r Durch einen hohen Delegationsgrad wachsen die Anforderungen an das Berichtssystem, da Kontrollinformationen, speziell Informationen über „Ausnahmefälle“,
hier eine wesentliche Rolle spielen.
Die konsequente Ausnutzung der Aufgabendelegation ermöglicht es auch der mittleren
und kleinen Unternehmung, Führungs- und Organisationskonzeptionen zu verwirklichen, die im Normalfall in Großunternehmungen Anwendung finden. Notwendig ist
dazu, dass man einige klassische Organisationsgestaltungsprinzipien ins Gegenteil
umkehrt (vgl. Blohm, Seppeler 1976, S. 68 ff.):
r Die Organisationsstruktur wird nicht an den Aufgabenerfordernissen orientiert,
sondern am vorhandenen Mitarbeiterpotenzial.
Problemfelder Lösungsansätze
t EF[FOUSBMJTJFSFO
BCFS EFO t [FOUSBMF 3JDIUMJOJFO WPSIBMUFO
;VTBNNFOIBMU TJDIFSO t 3FDIUF3PMMF EFT EF[FOUSBMFO
Controllers definieren
t *OUFSFTTFOLPOGMJLUF BL[FQUJFSFO
t EFMFHJFSFO
BCFS FJO t 3JTJLP "OBMZTF&YQPTVSF .BOBHFNFOU
$POUSPMMJOH7BLVVN WFSNFJEFO t FOHF ;VTBNNFOBSCFJU NJU EFS JOUFSOFO
Revision
t NJU ,PNQMFYJUÊU MFCFO t .BOBHFNFOU*OGPSNBUJPOT4ZTUFN
überprüfen/verbessern
t vHP XIFSF UIF BDUJPO JTi
[# #FJSBUT
tätigkeit bei Tochtergesellschaften, Besuche der Raffinerien usw.
t SFHFMNÊ?JHF ;VTBNNFOLàOGUF BVG BMMFO
Managementebenen
t EJF HFFJHOFUFO .JUBSCFJUFS GJOEFO t 3FLSVUJFSVOH
t 5SBJOJOH
t 1SBYJTFJOTBU[ VOE "VTXBIM
Abb. 7.18: Problemfelder und Lösungsansätze des dezentralen Controllings
bei der Deutschen Shell (Frensdorff 1993, S. 128)
7.3 Gestaltungsvariablen der Controllingorganisation 761
Vahlens Handbücher – Horváth – Controlling (12. Auflage) – Herstellung: Frau Deuringer
Stand: 19.09.2011 Status: Imprimatur Seite 761
Abb. 7.19: Kompetenzabgrenzungen und Aufgabendelegation zwischen
Management und Controlling (Weber, Schäffer 2008, S. 477)
7 Gesamtorganisation des Controllings762
Vahlens Handbücher – Horváth – Controlling (12. Auflage) – Herstellung: Frau Deuringer
Stand: 19.09.2011 Status: Imprimatur Seite 762
r Es gibt keine strenge Unterscheidung in Leitungs- und Ausführungsstellen: Die
Führungsteilaufgaben werden delegiert und verschiedenen Personen übertragen.
r Die hierarchische Einordnung betrifft nicht die Stelle als Ganzes, sondern wird partiell und wechselnd gestaltet.
Diese Überlegungen können auch bei der Gestaltung der Controllingorganisation
herangezogen werden. Die einzelnen systemgestaltenden und systemkoppelnden Koordinationsaufgaben können verschiedenen Stelleninhabern zugeordnet werden, die
dann in Bezug auf Teilaufgaben unterschiedliche Kompetenzen haben. Z.B. hat der eine
Stelleninhaber im Hinblick auf Marktinformationen Informationsversorgungsaufgaben
und gleichzeitig ist er für die interne Revision unternehmungsweit koordinierend und
ausführend zuständig.
Die Delegation von Controllingaufgaben muss im Zusammenhang mit der Kompetenzabgrenzung und Delegation im Management gesehen werden. Hierfür praktische
Beispiele zeigt die Abb. 7.19.
7.3.4 Partizipation
Unter Partizipation wird die Beteiligung von Mitarbeitern an der Willensbildung
einer hierarchisch höheren Ebene der Organisation verstanden (vgl. Hill, Fehlbaum,
Ulrich 1989, S. 235). Die Gestaltung der Partizipation stellt eine wesentliche Aufgabe der
Führung in der Gegenwart dar. Die Formen der Partizipation werden meist mit dem
Stichwort „Führungsstil“ bezeichnet. Unterschieden werden zwei Extremformen des
Führungsstils (vgl. auch Abb. 7.20):
r Der autoritative Führungsstil bedeutet, dass der Vorgesetzte kraft seiner Position die
Führungsfunktionen allein, ohne Beteiligung der Mitarbeiter ausübt.
r Beim partizipativen Führungsstil können die Mitarbeiter am Entscheidungsprozess
in verschiedenen Varianten beteiligt werden:
– Diskussion von Entscheidungen des Vorgesetzten,
– Meinungsbildung und Lösungsvorschläge zur Entscheidung des Vorgesetzten,
– Kollegialentscheidung von Vorgesetzten und Mitarbeitern.
Empirische Untersuchungen weisen darauf hin, dass partizipative Führungssysteme
„produktiver sind und zu niedrigeren Kosten und günstigeren Einstellungen führen“
als eher autoritär orientierte Führungssysteme (vgl. Likert 1975, S.56). Der Sachverhalt
lässt sich jedoch noch nicht abschließend würdigen.
Der Begriff des Führungsstils bezieht sich auf die unmittelbare Zusammenarbeit
und beschreibt die „situationsspezifische Ausprägung der Führungsbeziehungen“
(Bleicher, Meyer 1976, S.136). „Führungsmodelle“ beschreiben umfassend alle wesentlichen Aspekte „zur rationalen Erfüllung der Managementfunktion“ im Sinne der
Gesamtsystemführung (vgl. Bleicher, Meyer 1976, S. 139). Führungsstil ist ein Aspekt
von Führungsmodellen.
In der Managementliteratur gibt es zahlreiche Führungsmodelle als Gestaltungsempfehlungen (z.B. Management by Objectives usw.). Zur Beurteilung solcher Führungsmodelle und zur Gestaltung eines konkreten Systems in einer Unternehmung ist es
notwendig, die wichtigsten Modellmerkmale zu kennen. Wild nennt folgende Beurteilungskriterien (1974, S.169 ff.):
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Stand
: 19.09.2011
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Seite 763
autoritär patriarchisch kooperativ partizipisch demokratisch
Entscheidungsspielraum
des Vorgesetzten
Vorgesetzter
entscheidet und
ordnet an
Vorgesetzter
entscheidet; er
ist aber bestrebt,
die Untergebenen von seinen
Entscheidungen
zu überzeugen,
bevor er sie anordnet
Vorgesetzter
entscheidet; er
gestattet jedoch
Fragen zu seinen Entscheidungen, um
durch deren Beantwortung deren Akzeptierung zu erreichen
Vorgesetzter informiert seine
Untergebenen
über seine beabsichtigten Entscheidungen;
die Untergebenen haben die
Möglichkeit, ihre Meinung zu
äußern, bevor
der Vorgesetzte
die endgültige
Entscheidung
trifft
Autoritärer Führungsstil
Entscheidungsspielraum
der Gruppe
Kooperativer Führungsstil
beratend
Die Gruppe entwickelt Vorschläge; aus der
Zahl der gemeinsam gefundenen und akzeptierten möglichen Problemlösungen entscheidet sich der
Vorgesetzte für
die von ihm favorisierte
Die Gruppe entscheidet, nachdem der Vorgesetzte zuvor das
Problem aufgezeigt und die
Grenzen des
Entscheidungsspielraumes
festgelegt hat
Die Gruppe entscheidet; der
Vorgesetzte
fungiert als
Koordinator
nach innen und
nach außen
Abb. 7.20: Autoritärer und kooperativer Führungsstil (Tannenbaum, Schmidt 1958, S. 96 in der Modifikation von Zepf 1972, S. 28)
7 Gesamtorganisation des Controllings764
Vahlens Handbücher – Horváth – Controlling (12. Auflage) – Herstellung: Frau Deuringer
Stand: 19.09.2011 Status: Imprimatur Seite 764
r Aussagen über die Zielsetzungen, Prämissen und den Gestaltungsbereich,
r Aussagen über Teilsysteme der Führung:
– Zielbildungssystem,
– Planungssystem,
– Organisationssystem,
– Kontrollsystem,
– Informationssystem,
r Aussagen über den Einsatz von Führungsinstrumenten,
r Aussagen über das Anreiz- und Belohnungssystem,
r Aussagen über das Personalentwicklungssystem,
r Aussagen über die Gestaltung persönlicher Beziehungen und sozialer Strukturen.
Legt man diese Kriterien zur Beurteilung an, so wird man feststellen, dass zahlreiche
Führungsmodelle nicht vollständig sind.
Im partizipativen Führungsstil werden große Vorteile bei der Lösung von neuartigen
Problemen gesehen. Die Diskussion von Gestaltungsfragen der Führung wird allerdings stark auch von subjektiven und weltanschaulichen Gesichtspunkten geleitet.
Die Weiterentwicklung der Partizipation führt zu autonomen Arbeitsgruppen, in denen
die formelle, vorgegebene Vorgesetztenfunktion abgeschafft ist. Die Gruppen wählen
ihre – eher koordinierenden – Führer selbst (vgl. hierzu Hill, Fehlbaum, Ulrich 1989,
S. 246 ff.). Solche Gruppen werden heute vielfach in der Praxis gebildet.
Welcher Zusammenhang besteht zwischen dem Controllingkonzept und den verschiedenen Führungsmodellen?
Da die verschiedenen Führungsmodelle – mehr oder weniger – umfassend die Wahrnehmung der Führungsfunktion beschreiben, liefern sie auch für die Gestaltung des
Controllings Prämissen:
r Die Führung der Controllingabteilung wird im Sinne der für die Gesamtunternehmung geltenden Führungsgrundsätze gehandhabt; d.h. Partizipation wird auch im
Controllerbereich praktiziert, wenn unternehmungsweit die Führung bestimmt.
r Die Arbeit des Controllers selbst wird durch die Art der Führungswahrnehmung
beeinflusst; d.h. der Führungsstil beeinflusst die Gestaltung des Controllingsystems.
Die Zusammenarbeit des Controllerbereiches mit den anderen Bereichen der Unternehmung gestaltet sich bei ausgeprägtem partizipativem Führungsstil wahrscheinlich
komplexer:
r Die systembildende Koordination (beispielsweise Gestaltung eines Budgetierungssystems) wird durch zahlreiche Abstimmungsprozesse – die allerdings auch zusätzliche Informationen und neue Ideen bringen – schwieriger.
r Vorgänge der systemkoppelnden Koordination werden einen breiteren Raum einnehmen, da man in den zu gestaltenden Systemen mehr Freiräume für ad hoc-
Abstimmungsprozesse vorsehen wird.
Wir wollen die angesprochenen Zusammenhänge an einem bekannten Führungsmodell verdeutlichen:
„Management by Objectives“ (MbO) stellt die besondere Bedeutung eines Zielsystems
als Führungsinstrument in den Vordergrund (vgl. Abb. 7.21).
7.3 Gestaltungsvariablen der Controllingorganisation 765
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Sachplanung Formalplanung
Unternehmungspolitik
Strategische Planung
Budgets Teilungsziele
Förderungsgespräch Gehaltsüberprüfung
Leistungsbewertung
Personalbeurteilung
Abweichungsanalyse
Selbstkontrolle
Fremdkontrolle
Ziele + Maßnahmen
Taktische Planung
Operatives
Planungssystem
Personalentwicklung
Ausbildung
Kooperative
Erfolgsbeurteilung
Personalplanung
Individuelle Ziele
Leistungsziele
Innovationsziele
Pers. Entwicklungsziele
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InteressenInteressen
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Abb. 7.21: Grundmodell des MbO (Bleicher, Meyer 1976, S. 242)
7 Gesamtorganisation des Controllings766
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Mit der Zielfestlegung ist die Planung auf den verschiedenen Stufen verbunden. Innerhalb dieses Systems soll der Einzelne Partizipation, Autonomie und Eigenkontrolle
verwirklichen können. Das System ist im Hinblick auf den Führungsstil neutral: Die
Zielfestlegung kann sowohl autoritär als auch partizipativ erfolgen. Die Kontrolle baut
auf Soll-Ist-Vergleichen auf und ist in erster Linie als Eigenkontrolle vorgesehen. Mit der
Erfolgsbearbeitung ist die Personalplanung i.w.S. gekoppelt. Insgesamt lässt sich MbO
als ein „dynamisches“ Führungsmodell bezeichnen. MbO kann durch seine Flexibilität
Innovation und Kreativität fördern. Die systembildenden Controllingaufgaben konzentrieren sich auf das PK- und IV-System, da der Informationsfluss die Basis des Führungsmodells bildet. Zwar sind auf den unteren Ebenen der Organisationshierarchie viele
Vorgänge standardisiert, dennoch wird der systemkoppelnden Koordination ein großer
Spielraum eingeräumt. Dies ist auch häufig wegen Operationalisierungsschwierigkeiten
der Zielbildung notwendig (vgl. Bleicher, Meyer 1976, S. 243).
Die in erster Linie koordinierende Tätigkeit des Controllers verlangt von ihm einen
besonderen Stil der Zusammenarbeit. Dies gilt insbesondere für die schnittstellenüberwindende Zusammenarbeit in Ausschüssen, Arbeitsgruppen etc., wo der Controller mit
den unterschiedlichsten Aufgabenträgern zusammenwirkt.
Wir wollen an dieser Stelle vermeiden, die in manchen Veröffentlichungen formulierten
Sentenzen einer hausgemachten Controllerpsychologie wiederzugeben. Aussagefähiger
scheint uns, empirisches Material heranzuziehen. Wichtige Aussagen liefert die Untersuchung von Lawrence und Lorsch (1967), die wir bereits in der Einführung zu diesem
Buch besprochen haben.
Die Untersuchung postuliert vier wichtige Anforderungen an Koordinatoren als „effective integrators“ (Lawrence, Lorsch 1967, S. 146), die u.E. auch für den Controller gelten:
„1.Integrators need to be seen as contributing to important decisions on the basis of
their competence and knowledge, rather than on their positional authority.
2. Integrators must have balanced orientations and behavior patterns.
3. Integrators need to feel they are being rewarded for their total product responsibility,
not solely on the basis of their performance as individuals.
4. Integrators must have a capacity for resolving interdepartmental conflicts and disputes.“
Zu 1: Ein guter Koordinator baut eher auf sein Wissen und auf seine Erfahrung als
auf seine formale Position in der Organisationshierarchie.
Zu 2: „Balanced Orientation“ bedeutet, dass der Koordinator in der Lage ist, die z.T.
extrem unterschiedlichen Denkweisen der Funktionalmanager nachzuvollziehen und zwischen ihnen zu vermitteln. Z.B. denkt man im Bereich Forschung
und Entwicklung in viel längeren Zeiträumen als in der Verkaufsabteilung.
Zu 3: Ein guter Koordinator darf sich nicht auf der Basis der eigenen persönlichen
Leistung sehen, sondern auf der Grundlage des Gesamtergebnisses der Unternehmung.
Zu 4: Es zeigte sich, dass die „Konfrontationstechnik“ den effektiven Koordinator
auszeichnet. Die klare, konstruktive und offene Diskussion der kontroversen
Standpunkte ermöglicht bessere Lösungen als die Methode der „Abwiegelung“
oder die „Zwangsmethode“.
7.3 Gestaltungsvariablen der Controllingorganisation 767
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Stand: 19.09.2011 Status: Imprimatur Seite 767
Die Verhaltensuntersuchung von ca. 20 „integrators“ der Studie in einer Unternehmung,
von denen die Hälfte als sehr effektiv beurteilt wurden, zeigte interessante persönliche
Motive auf:
r Erfolgreiche Koordinatoren haben das Bedürfnis, stärker auf andere Mitarbeiter
einzugehen als weniger erfolgreiche („affiliation need“).
r Der „Leistungsdrang“ („need for achievement“) ist bei erfolgreichen Koordinatoren nur durchschnittlich ausgeprägt und liegt etwas niedriger als bei den weniger
erfolgreichen.
r Hinsichtlich des Machtstrebens („power need“) gab es keine signifikanten Unterschiede. Es war bei beiden Gruppen „durchschnittlich“ ausgeprägt.
Der Verhaltensstil der beiden Gruppen ließ wichtige Unterschiede erkennen (Lawrence,
Lorsch 1967, S. 150):
„Effective integrators prefer to take significantly more initiative and leadership, they
are aggressive, confident, persuasive, and verbally fluent. In contrast, less effective
integrators are retiring, inhibited, and silent, and they avoid situations that involve
tension and decisions.
Effective integrators seek status to a greater extent; they are ambitious, active, forceful,
effective in communication, and have personal scope and breadth of interests. Less effective integrators are restricted in outlook and interests, and are uneasy and awkward
in new or unfamiliar social situations.
Effective integrators have significantly more social poise; they are more clever, enthusiastic, imaginative, spontaneous, and talkative. Less effective integrators are more
deliberate, moderate, and patient.
Effective integrators prefer more flexible ways of acting; they are adventurous, humorous, and assertive. Less effective integrators are more industrious, guarded, methodical, and rigid.“
7.3.5 Standardisierung
Standardisierung bedeutet die vorherige organisatorische Festlegung von Lösungsabläufen für wiederholt auftretende Probleme mit der Wirkung, dass sie im Wiederholungsfall als Routinefall behandelt werden (vgl. Hill, Fehlbaum, Ulrich 1989, S. 266 ff.).
Die Möglichkeit der Festlegung von organisatorischen Lösungsabläufen hängt von dem
Neuheitsgrad und der Komplexität der auftretenden Probleme ab. Für völlig neuartige
Probleme können keine Regeln vorliegen. Hier ist man zunächst auf allgemeine Heuristiken angewiesen. Die Komplexität des Problems bestimmt, ob und welche Art von
Standardisierung stattfindet (vgl. Hill, Fehlbaum, Ulrich 1989, S.275 ff.).
Standardisierungsfragen spielen auch bei den von uns behandelten Managementprozessen eine große Rolle. Wir haben bereits gesehen, dass man bei Planung, Kontrolle
und Informationsversorgung bestrebt ist, die Vorteile der Standardisierung zu nutzen.
Standardisierung vor allem in Form von Rahmenprogrammen und von Methodenauswahl ist das häufigste Ergebnis der systembildenden Koordination auf diesem Gebiet.
Sie erleichtert die Wahrnehmung der Führungsaufgaben, da die Führungskräfte entlastet werden, ihre Effizienz steigern können und das Risiko von Fehlentscheidungen
7 Gesamtorganisation des Controllings768
Vahlens Handbücher – Horváth – Controlling (12. Auflage) – Herstellung: Frau Deuringer
Stand: 19.09.2011 Status: Imprimatur Seite 768
gemindert wird. Zu beachten ist allerdings das richtige Maß der vorgesehenen Standardisierung. Eine Überstandardisierung führt dazu, dass neue, innovative Probleme
schematisch behandelt oder vernachlässigt werden, zumal in dieser Situation die
Aufmerksamkeit und Empfänglichkeit der Systemmitglieder für neue Probleme durch
Mangel an Initiative verloren gehen kann.
Die Standardisierung erfolgt dabei z.B. durch formalisierte Regeln (i.S.v. generellen
Verfahrensrichtlinien) und Programmen (i.S.v. einer objektiven, festgelegten Folge von
Anweisungen). Die Standardisierung von Arbeitsergebnissen kann zum einen qualitativ dauerhaft, z.B. durch ISO-Normen, zum anderen quantitativ für eine Periode, i.d.R.
durch Pläne, erfolgen (vgl. Maas 2002, S. 56).
Teile der Aufgaben des Controllings können nach der Standardisierung in sogenannte
„Controllingfabriken“ ausgelagert werden (vgl. Kapitel 7.3.9). Häufig werden Standardisierungsfragen sowohl in der Controllingabteilung als auch im Objektbereich der
Controllingarbeit einer besonderen Stelle „Methoden und Verfahren“ übertragen. Diese
erstellt das „Controller’s Manual“ (Controller-Handbuch), das die Aufbau- und Ablauforganisation des Controllingsystems detailliert erläutert und für alle Beteiligten – auch
außerhalb der Controllingabteilung – klare und bindende Arbeitsanweisungen liefert
(vgl. Willson, Colford 1990, S.1125 ff.). Dies kann für Routineaufgaben sehr detailliert sein.
Eine bewährte Gliederungssystematik für das Controller’s Manual ist wie folgt (vgl.
Willson, Colford 1990, S. 1129 ff.):
r „Policy“: Grundsätze der Unternehmungspolitik, auch spezifiziert für den Controllerbereich.
r „Organization“: Aufbauorganisation der Unternehmung und der Controllerabteilung.
r „Procedures“: Ablauforganisation, Prozesse, Methoden, Instrumente, Arbeitsanweisungen, Formulare u.ä.
r „Employees’ Handbook“: Wissenwertes für die Mitarbeiter persönlich (z.B. Arbeitszeitregelungen usw.).
Die Controller’s Manuals großer amerikanischer Unternehmungen haben mit ihrer
fundierten Darstellung durchaus auch den Charakter von Ausbildungsunterlagen. Sie
werden häufig auch zur Mitarbeiterschulung verwendet.
7.3.6 Arbeitsteilung
Die Arbeitsteilung bezieht sich in erster Linie auf die ausführende Arbeit, da bei Führungsaufgaben durch mangelnde Standardisierbarkeit die wesentliche Voraussetzung
für sie meist entfällt. Durch Arbeitsteilung werden Arbeitsprozesse in Teilarbeiten
zerlegt und einzelnen Stellen zugeordnet. Möglichkeiten zur Arbeitsteilung bestehen
insbesondere für die ausführenden administrativen Tätigkeiten.
In der Controllingabteilung selbst bestehen Möglichkeiten der Arbeitsteilung z.B. für
die ausführenden Tätigkeiten zur Bewältigung der Tagesaufgaben im Rechnungswesen.
Es kann durchaus die Gefahr bestehen, dass die ausführende Arbeit in der Controllingabteilung so überhand nimmt, dass die innovativen systembildenden Aufgaben zu
kurz kommen.
7.3 Gestaltungsvariablen der Controllingorganisation 769
Vahlens Handbücher – Horváth – Controlling (12. Auflage) – Herstellung: Frau Deuringer
Stand: 19.09.2011 Status: Imprimatur Seite 769
Deshalb wird von manchen Autoren für die Begrenzung des Controllingbereichs auf
die innovativen Aufgaben plädiert: „Der Controller sollte sich von jeder ,geregelten‘
Arbeit befreien.“ (Mann 1973, S. 191) Diese Überlegung spricht für die Herauslösung von
Bereichen wie das Rechnungswesen aus der direkten Verantwortung des Controllers.
Die Arbeitsteilung wurde ursprünglich als ein Hauptinstrument der Effizienzsteigerung in Organisationen angesehen. Heute überwiegt wegen der mit ihr verbundenen
Probleme der Schnittstellen eine kritische Sicht. Schnittstellen, die zwischen einzelnen
Arbeitsschritten eines Prozesses bestehen, verursachen bei der Abwicklung von Aufgaben Zeit- und Qualitätsverluste und folglich auch Kostensteigerungen. Sie erhöhen
und erschweren den Koordinationsaufwand.
Wir erleben heute in den Unternehmungen eine Welle zur Rückgängigmachung der
negativen Auswüchse der Arbeitsteilung. Die Grundidee des Reengineerings besteht
darin, eine radikale Umgestaltung von Organisationen zu einem Netz von durchgängigen und kundenorientierten Prozessen zu schaffen (vgl. Hammer, Champy 1993;
Davenport 1993).
Hammer und Champy (1993, S. 14 ff.) sehen die Hauptgründe für überkomplexe Systeme
des Controllings in dem Versuch, die durch die Arbeitsteilung verursachten Koordinationsprobleme mittels administrativer Instrumente zu meistern.
Wir wollen im folgenden Abschnitt auf Lösungsansätze aus Controllersicht eingehen.
7.3.7 Prozessorientierung im Controlling
In der Diskussion über die Gestaltung der Organisation des Controllings stehen in Literatur und Praxis aufbauorganisatorische Fragen noch vielfach im Vordergrund. Wir
haben bereits im Zusammenhang mit der Planungs- und Kontrollkoordination auf den
zeitlichen Ablauf hingewiesen, der ja über die Effizienz des Controllings entscheidet.
Die Ablauforganisation des Controllings muss mindestens gleichrangig mit der Aufbauorganisation gesehen werden.
In der Praxis wird der Ablauforientierung durch die Festlegung eines Controllingkalenders Rechnung getragen. Ein Beispiel zeigt Abb. 7.22. Man stellt jedoch immer wieder
fest, dass aufbauorganisatorische Barrieren schnelle und flexible Abläufe verhindern.
Die gegenwärtige Entwicklung geht hier deshalb einen wesentlichen Schritt weiter. In
Literatur und Praxis wird daran gearbeitet, ein prozessorientiertes Controlling aufzubauen (vgl. Horváth 1995 a; Fischer 1996).
Die Notwendigkeit hierzu ist zweifach: Einerseits hat der Controller in einer prozessorientierten Organisation (vgl. Abschnitt 2.7.1.2) seine Aufgabenwahrnehmung und
seine Instrumente prozessorientiert auszurichten, andererseits hat er seine Arbeit durch
die eigene Prozessorientierung entscheidend effizienter zu machen (vgl. Horváth 1994).
Beim prozessorientierten Controlling (vgl. hierzu Fischer 1996) gilt es, sich von der an
den hierarchischen Führungsprozessen ausgerichteten systembildenden und systemkoppelnden Koordination zu lösen. Der Controller hat sich vielmehr an den horizontalen Geschäftsprozessen zu orientieren. Nicht die hierarchisch strukturierte Führung,
sondern Prozessteams sind mit Informationen zu versorgen (vgl. Abb. 7.23).
7 Gesamtorganisation des Controllings770
Vahlens Handbücher – Horváth – Controlling (12. Auflage) – Herstellung: Frau Deuringer
Stand: 19.09.2011 Status: Imprimatur Seite 770
Da die prozessorientierte Organisation in den Unternehmungen erst geschaffen werden muss, ist der Controller vielfach deren Geburtshelfer (vgl. z.B. Blaseio 1993). Seine
Aufgaben reichen in solchen Fällen in die Prozessmitgestaltung hinein (vgl. Abb. 7.24).
„Eine neue Aufgabe gewinnt das Controlling als ,Prozeßinnovator‘, der gemeinsam mit
den Prozeßteams Innovationen anregt und die ,Controlling-Spielregeln‘ vereinbart, die
Teams mit Informationen versorgt und die verschiedenen Projekte im Unternehmen
koordiniert und deren Realisierung aktiv unterstützt.“ (Fischer 1996, S. 226.)
Diese Sicht verlangt, dass sich der Controllerbereich selbst nach Prozessen organisiert,
die auf die „Kunden“ des Controllings ausgerichtet sind. Ein gutes Beispiel für die
prozessorientierte Umgestaltung des Controllings liefert die ABB Kraftwerke AG (vgl.
Herrmann 1995). Die bisherige Organisation war durch zahlreiche Hierarchiestufen
gekennzeichnet (vgl. Abb. 7.25).
Gleichzeitig gingen Abläufe wie z.B. Berichterstellung in starkem Maße quer durch die
Organisation mit zahlreichen Schnittstellen und großen Zeitverlusten. Die neue Organisation orientiert sich an Prozessen (vgl. Abb. 7.26), die sich jeweils durch „Produkte“
und „Kunden“ definieren.
Eine flache Organisationsstruktur wurde realisiert, indem je Prozess nur ein Leiter und
sein Stellvertreter bestimmt wurden. Alle Mitarbeiter im Prozess sind gleichrangig und
dem Leiter unmittelbar zugeordnet. Wichtige Vorteile dieser Umstrukturierung waren
nicht nur ein besserer Controllerservice, sondern auch beträchtliche Kostensenkungen.
Abb. 7.22: Beispiel eines Controllingkalenders (ZVEI 1993, S. 92)
7.3 Gestaltungsvariablen der Controllingorganisation 771
Vahlens Handbücher – Horváth – Controlling (12. Auflage) – Herstellung: Frau Deuringer
Stand: 19.09.2011 Status: Imprimatur Seite 771
Erläuterung Beispiel Kennzeichen
Geschäfts- Unmittelbar mit der Ge- Entwicklung und Pro- – identifizierbare Orgaprozess samtaufgabe der Unter- duktion hochpreisiger nisations-/Führungsnehmung und deren stra- Badezimmerschränke bereiche
tegischen Zielen ver- im Werk Paderborn – mit Marktleistung enknüpfte Aktivitäten, die und Verkauf über den dend und danach
eine Marktleistung Vertriebsweg Groß- (Kunden, Produkte)
erzeugen handel? Installateur differenzierbar
– den Lebenszyklus
einer Marktbeziehung
überspannend
Prozess- Einem Geschäftsprozess Produktion des – identifizierbare Kostenkette unmittelbar dienende, an Schrankmodells stellen
der Außenhaut der Un- „Toskana“ in 25 Maß- – identifizierbare Proternehmung beginnende und 150 Dekor- zesse
und endende Prozess- varianten – Inputfaktoren und Prozessoutput definierbareglof
Prozess- Horizontal oder vertikal Montage – mehrere Kostenstellen
-sguzeBererhem–-nemmasuzhcsigolefuts
neßörg-necruosserednegnäh
neßörgtuptuOererhem–ednehcuarbrev
Tätigkeit
Elemen- Ressourcenverbrau- Montage eines Loses – eine oder mehrere
tarpro- chende Tätigkeit der von 25 Stück Modell Kostenstellen
zesse Güter- oder Informa- Toskana-Variante – eindeutige Bezugstionstransformation weiß/gold/150 cm größe
– eindeutiger Output
Abb. 7.23: Prozessorientiertes Controlling (Fischer 1996, S. 223)
Abb. 7.24: Schritte zum prozessorientierten Controlling
(Fischer 1996, S. 224, nach Blaseio 1993)
7 Gesamtorganisation des Controllings772
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Stand: 19.09.2011 Status: Imprimatur Seite 772
Abb. 7.25: Organisation zentraler kaufmännischer Bereich bei der ABB Kraftwerke
AG bis zum 30.09.94 (Herrmann 1995, S. 55)
Abb. 7.26: Prozessorientierte Organisation zentraler kaufmännischer Bereich
bei der ABB Kraftwerke AG nach dem 30.09.94 (Herrmann 1995, S. 57)
7.3 Gestaltungsvariablen der Controllingorganisation 773
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Stand: 19.09.2011 Status: Imprimatur Seite 773
Hierarchisch orientiertes Prozessorientiertes Controlling
Controlling
Organisa- r ist an hierarchisch gestuften, vertika- r ist an prozessbegleitenden horitorische len Regelkreisen orientiert zontalen Regelkreisen orientiert
Ausrichtung r Steuerung durch vermaschte Regel- r kurze Regelkreise im Team
kreise mit separierten Controlling- r keine separaten ControllingbeirteBrüfnenoitutitsnInenoitutitsnI
Organisation r ist auf die vorhandene Aufbauorgani- r orientiert an Geschäftsprozessen
sation ausgerichtet
Prozessbezug r unterstützt zentral abgestimmte, auf r unterstützt dezentrale, direkt mit
das Geschäftsziel ausgerichtete, ent- dem Markt gekoppelte freilaufende
personifizierte Prozesse in einer fest- Prozesse in flexiblen Arbeitsgrupgefügten Organisation pen
Abläufe r unternehmensweit standardisierte Top r geschäftsprozessspezifische Feeddown-Bottom up-Planung back- Feedforward-Planung zum
r zentral koordinierte Planungs-, Vor- Markt
schau- und Ist-Prozeduren r dezentral koordinierte Prozeduren
im zentralen Rahmen
Steuerungs- r unterstützt die Managementabläufe im r unterstützt die Selbststeuerung der
zweck Rahmen der vorhandenen Führungs- Beteiligten im Arbeitsprozess
hierarchie r Kosten- und Leistungstransparenz
für die Mitarbeiter der Prozesskette
Informations- r nutzt zentralisierte DV-Systeme mit r nutzt PC-Werkzeuge, die vom Mit-
Systeme vorgegebenen Steuerungs- und Ab- arbeiter eigenständig angepasst
rechnungsmethoden (intransparentes werden können,
Methodenkorsett) r Mitarbeiterzentrierte, sein Prozessr zentriert auf Information übergeordne- Know-how nutzende Steuerungster Managementebenen und Dokumentationsmethoden
r orientiert auf Team und team-
übergreifende Kommunikation
Systemim- r verwendet komplexe, integrierte Infor- r verwendet einfache und preiswerte
plementie- mationssysteme mit hohem (mone- Endnutzertools, die schnell einführrung tären und zeitlichen) Investitions- und bar und modifizierbar sind.
Desinvestitionsaufwand
Einsatz- und r verwendet auf Controlling-Abläufe r verwendet „Multipurpose“-Endnut-
Nutzungs- spezifisch ausgerichtete „One Purpose zersysteme, die arbeitsorganisatoflexibilität dnisrabtlatseglebixelfhcsir“emetsyS
r organisatorisch separierte Technologie r von den Mitarbeitern beherrschbare
Technologie
Abb. 7.27: Gegenüberstellung „hierarchisches“ und prozessorientiertes Controlling
(Fischer 1996, S. 229)
7 Gesamtorganisation des Controllings774
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Die Prozessorientierung hat wesentliche Auswirkungen auf Aufgaben, Organisation
und Instrumente des Controllers:
r Aufgaben: Die scharfe Trennung zwischen Controller und Manager wird gemildert.
Vor allem die systemkoppelnden Koordinationsaufgaben verlagern sich in die Geschäftsprozesse. Der Controller ist in die Prozessgestaltung involviert.
r Organisation: Der Controllerbereich wird selbst nach Prozessen strukturiert. „Kunden“ und „Produkte“ werden Schlüsselbegriffe des Controllings.
r Instrumente: Die Informationsversorgung konzentriert sich auf Steuerungsgrößen,
die die Prozessbeteiligten unmittelbar verwenden können; d.h. neben Wertgrößen
werden (kundenorientierte) Zeit-, Qualitäts- und Mengengrößen wichtig.
Abb. 7.27 gibt eine tabellarische Übersicht der Gegenüberstellung von „hierarchischem“
und prozessorientiertem Controlling.
7.3.8 Selbstcontrolling
Im Rahmen des bisher praktizierten Controllings wurden die Controllingfunktionen aus dem Aufgabenbereich des Management ausgelagert und von der Institution
des Controllings, also den Controllern, wahrgenommen (vgl. Krystek 1995, S. 26). Im
anglo-amerikanischen Sprachraum bezeichnet man ein solches Fremdcontrolling als
Controllership (vgl. hierzu auch die Ausführungen zur Begrifflichkeit des Controlling
in Kap. 1.2). Hier ist eine Analogie zum Taylorismus festzustellen, der zu einer weitgehenden Arbeitsteilung auf der Ausführungsebene des Unternehmens geführt hat. In
diesem Fall findet die Arbeitsteilung jedoch auf der Ebene der Unternehmensführung
statt (vgl. Horváth 1996).
Inzwischen sind die Unternehmen vielfach bestrebt, die Arbeitsteilung generell zu
reduzieren. Dies gilt auch für den Bereich der Unternehmensführung. Dementsprechend bezeichnet Selbstcontrolling die „teilweise bis vollständige Übernahme von
Controllingfunktionen durch einzelne Manager und die eigenverantwortliche Aus-
übung innerhalb ihres Verantwortungsbereiches unter Einhaltung der für die Unternehmung gültigen organisatorischen und ökonomischen Richtlinien“ (Gruber 1995,
S. 103). Selbstcontrolling kann demnach als Reintegration der Controllingaufgaben in
das Management verstanden werden, da ursprünglich sowohl Control als auch das, was
heute gemeinhin unter Controllership verstanden wird, Aufgabe des Management war
(vgl. Krystek 1995, S. 26). Im Rahmen des Selbstcontrollings muss also das Aufgabenpaket Controllership neu verteilt werden.
Nach Meinung verschiedener Autoren sollten dabei nicht nur Manager, sondern auch
die Mitarbeiter der ausführenden Ebenen in die neue Aufgabenverteilung einbezogen
werden. Controlling wird in diesem Fall relativ weit definiert als „Controlling vor Ort“
(vgl. Schimank 1995, S. 65; Sinzig 1993, S.290). Nicht nur der Manager, sondern auch der
einzelne Mitarbeiter wird auf diese Weise zum (Selbst-)Controller (vgl. v. Uthmann et al.
1995, S.64f.; Peemöller 1997, S.49 f.). Aus unserer Sicht sollten beide Betrachtungsweisen
integriert werden: Selbstcontrolling umfasst sowohl die Reintegration von Controlleraufgaben ins Management, als auch die Verlagerung von Steuerungs- und Koordinationsaufgaben in niedrigere Hierarchieebenen (vgl. Horváth 1995, S. 262 ff.).
7.3 Gestaltungsvariablen der Controllingorganisation 775
Vahlens Handbücher – Horváth – Controlling (12. Auflage) – Herstellung: Frau Deuringer
Stand: 19.09.2011 Status: Imprimatur Seite 775
Selbstcontrolling wirkt sich aber auch auf die Aufgaben des Controllers aus. Mehr als
bisher wird für ihn die Moderation, die Wissensübermittlung, die Verhaltensorientierung, die Mitarbeiterbetreuung und -schulung, sowie die Verbreitung der (neuen)
Controllingidee im Vordergrund stehen (vgl. Horváth & Partner 2009, S. 8 ff.). In diesem
Zusammenhang fordert Biel den Controller dazu auf, „die Rolle des Spielmachers zu
übernehmen und andere die Tore schießen zu lassen“ (Biel 1996, S. 54).
Der Nutzen des Selbstcontrollings liegt vor allem in der umfassenderen Information
der Mitarbeiter, der Realisierung schnellerer Regelkreise, der höheren Flexibilität und
der Erfüllung der Forderung, das Controlling in die Köpfe der Mitarbeiter zu verlagern.
Insofern bietet das Selbstcontrolling folglich hohe Potenziale für die Weiterentwicklung
des Controllings und die Anpassung an neue Anforderungen. Dennoch ist eine Übernahme aller Controllingfunktionen durch Manager und Mitarbeiter weder möglich
noch wünschenswert. Vielmehr ist nach dem „richtigen“ Verhältnis zwischen Fremdund Selbstcontrolling zu fragen.
So könnten beispielsweise bei völliger Aufgabe der Fremdgestaltung innerhalb des
Controllings die Unterschiede zwischen den lokalen (PuK- und IV-) Systemen zu groß
werden, um eine Steuerung des Gesamtunternehmens im Hinblick auf übergeordnete
Zielsetzungen zu realisieren. Ferner ist zu bezweifeln, dass alle Mitarbeiter gleichermaßen zur Selbststeuerung geeignet bzw. bereit sind. Konfliktpotenziale oder Absimmungsschwierigkeiten sowie Probleme bei der Gesamtsteuerung oder Koordination
innerhalb des Unternehmens können übersehen oder unterschätzt werden. Dadurch
entsteht die Gefahr, dass globale Unternehmensziele vernachlässigt und Suboptima
erzielt werden (vgl. Peemöller 1997, S. 51 f.).
Das institutionalisierte Controlling hat die Aufgabe, den Mitarbeitern die Ziele des
Gesamtunternehmens sowie die Auswirkung ihrer Handlungen auf deren Erreichung
darzulegen. Im Rahmen der angestrebten selbstorganisierenden Einheiten muss der
Controller möglichen negativen Entwicklungen entgegenwirken: Zum einen dem unablässigen Festhalten an bereits bestehenden Strukturen und Prozessen, zum anderen
der Gefahr von übermäßiger, unkoordinierter Veränderung. Im ersten Fall sind durch
das institutionalisierte Controlling Impulse zur Weiterentwicklung und zur Ausnutzung der zur Verfügung stehenden Spielräume zu geben, im zweiten Fall sind den zu
beobachtenden Entwicklungen Grenzen zu setzen, um eine „Entartung des Controllings“ zu vermeiden (vgl. Krystek 1995, S. 29). Den Zusammenhang zwischen Selbst- und
Fremdorganisation bzw. Selbst- und Fremdcontrolling zeigt Abb. 7.28.
Letztendlich ist es Aufgabe jedes Unternehmens, die Potenziale und Probleme der
Selbstkoordination und Selbststrukturierung gegenüberzustellen und eine Entscheidung über das Ausmaß des Selbstcontrollings zu treffen.
7 Gesamtorganisation des Controllings776
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7.3.9 „Controllingfabrik“
Die Effizienz und Effektivität der Führung zu gewährleisten, gehört zu den Kernfunktionen des Controllings. Voraussetzung dafür ist, dass beides bereits innerhalb der
Controllingfunktion gegeben ist. Während in der Vergangenheit primär der Produktionsbereich Reorganisationsmaßnahmen zur Leistungssteigerung und Kostensenkung
ausgesetzt war, wurden die Unterstützungsfunktionen weitestgehend ausgeblendet.
So hat auch das Controlling mit Effizienz- und Effektivitätsproblemen kämpfen. Um
Selbstorganisation
r Selbstkoordination
r Selbststrukturierung
Selbstcontrolling
r Selbständige Abstimmung vor Ort
entsprechend den jeweiligen Erfordernissen
r Eigenentwicklung von Problemlösungen
Fremdorganisation
r Rahmengebende Ordnung
r Übergeordnete Unternehmensziele
Fremdcontrolling
r Beratung, Training und Moderation im Sinne
einer Methodenunterstützung
r Rahmenrichtlinien für die Systemgestaltung
und Aufbau einer Informationsbasis
Systembildende
Koordination
Autonome Gestaltung der
lokalen Systeme und deren
Verbindungen
(Selbststrukturierung)
Systemkoppelnde
Koordination
Dezentrale Abstimmung unter
Ausrichtung auf ein
mehrdimensionales Zielsystem
(Selbstkoordination)
Abb. 7.28: Merkmale und Begrenzung des Selbstcontrollings
(in Anlehnung an Krystek 1995, S. 28)
7.3 Gestaltungsvariablen der Controllingorganisation 777
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diese zu lösen, sind umfassende Rationalisierungsmaßnahmen von Nöten. Gerade im
Controllingbereich ist es jedoch schwer, die Effizienz unabhängig von der Effektivität
zu betrachten. Effektiv ist eine Handlung dann, wenn sie zweckmäßig ist, d.h. eine
bezweckte Zustandsveränderung verursacht. Effizient ist eine Handlung dann, wenn
die verursachte Zustandsveränderung ohne Verschwendung geschieht, d.h. eine weitergehende Zustandsverbesserung nur bei anderweitiger Verschlechterung möglich wäre
(vgl. Dyckhoff, Ahn 2001, S.112). Konkret bedeutet dies, dass Controller einen begleitenden betriebswirtschaftlichen Service für das Management zur zielorientierten Planung
und Steuerung leisten, indem die Koordination der Teilziele und Teilpläne ganzheitlich
erfolgt, eine Ergebnis- und Strategietransparenz geschaffen, das unternehmensübergreifende Rechnungswesen zukunftsorientiert organisiert, der Controllingprozess für
die Entscheidungsträger moderiert und die Sicherung der Daten und Informationsversorgung gewährleistet wird (vgl. Brokemper 2000, S. 172).
Für die Rationalisierungsentscheidung müssen die Funktionen des Controllings unterschieden werden. Diese lassen sich grob in Informationserzeugung und Informationsverwertung gliedern. Aufgaben, die unter die Informationsverwertung subsumiert
werden können, bieten kaum Rationalisierungspotenzial. Sie werden im Rahmen von
„Business Partnerships“ wahrgenommen. Dies bedeutet, dass der Controller dem
Management als Berater, z.B. im Rahmen der strategischen Neuausrichtung oder methodisch-konzeptionellen Veränderungen, zur Seite steht. Hierbei steht die Effektivität
tendenziell über der Effizienz. Die Aufgaben der Informationserzeugung gehören zu
der operativen Arbeit des Controllers. Bei diesen Transaktionen setzt die Rationalisierung an. Sämtliche operative Tätigkeiten sind prozessorientiert zu gestalten und zu
standardisieren. Im Rahmen der Prozessstandardisierung wird die Komplexität der
Prozesse deutlich reduziert und ein gemeinsames Prozessverständnis geschaffen. Die
Strukturierung der Dienstleistungen des Controllings macht für die internen Adressaten von Controllingleistungen deutlich erkennbar, welche Services (Kennzahlen,
Berichte, Soll-Ist-Vergleiche usw.) das Controlling als interner Dienstleister generell zu
liefern im Stande ist (vgl. Bleidt, Weidt 2003, S. 595). In diesem Zusammenhang kann
auch der Nutzen der erbrachten Services bewertet werden.
Um die Effizienzgedanken auch organisatorisch umzusetzen, kommen Shared Service
Center und Outsourcing in Frage. Ein Shared Service Center (SSC) ist eine wirtschaftlich
und/oder rechtlich selbstständige organisatorische Einheit, in der Serviceaufgaben
(Supportaufgaben, Unterstützungsaufgaben) gebündelt werden und die unterschiedliche Einheiten (z.B. Business Units) gemeinsam nutzen (vgl. Krüger, Danner 2004, S. 113).
Im Gegensatz zu Zentralbereichen entstanden SSC in Abänderung der horizontalen
Arbeitsteilung zwischen den Grundeinheiten. Die SSC stehen also organisatorisch
„neben“ den Grundeinheiten. Es findet eine Konzentration statt. Bündelungsfähig sind
dabei insbesondere solche Unterstützungsaufgaben, die nicht spezifisch für einzelne
Geschäfte oder ortsgebunden sind (vgl. Krüger, Danner 2004, S. 114). Meist werden die
operativen Funktionen im SSC organisiert und werden dort standardisiert abgewickelt.
Funktionen wie IT, Personalwesen und Finanzen/Controlling sind am häufigsten
Gegenstand der Bildung von SSC (vgl. A. T. Kearney 2004, S.2). Im Controlling werden
insbesondere die bereits oben genannten Prozesse in ein SSC überführt. Viele der durch
ein SSC übernommenen Prozesse eignen sich nicht für das Outsourcing, weil die unternehmensinternen Abläufe extremes Spezialwissen erfordern oder aus grundsätzlichen
Überlegungen nicht durch Fremdfirmen erbracht werden sollen.
7 Gesamtorganisation des Controllings778
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Das Outsourcing i.e.S. ist eine Auslagerung der Servicefunktionen an konzernexterne
Dritte. Diese Gestaltungsalternative ist jedoch überwiegend bei relativ erfolgsunkritischen, nicht produktnahen Funktionen anzutreffen. Für die relativ erfolgskritischen,
nicht produktnahen Supportfunktionen wie Finanzen, EDV, Personal und Recht erscheint das Outsourcing an konzernexterne Dritte u.a. aufgrund der damit verbundenen Abhängigkeit von Konzernfremden und der Vertraulichkeit bestimmter Informationen als kritisch (vgl. Kagelmann 2001, S. 3).
Diese Organisationsformen werden durch entsprechende IT-Lösungen unterstützt.
Neue Informationstechnologien können zudem zu einer Verringerung der Informationsasymmetrien beitragen (vgl. Picot, Dietl, Franck 2002, S. 431). Durch die Technologie
des Internets ist es Unternehmen möglich, Prozesse und Informationen in Echtzeit zu
minimalen Kosten zu teilen (vgl. A. T. Kearney 2004, S.6). Unternehmensindividuell
angepasste ERP-Softwarelösungen als Teil der Business Intelligence (vgl. Kapitel 5.2.3.2)
stellen die Konsistenz der Daten sicher und tragen zur Vermeidung von Redundanzen
bei. Mithilfe der Informationstechnologie gibt es innerhalb von Konzernen einheitliche
Informationssysteme sowie standardisierte und gleichzeitig individuelle Interfaces in
den unterschiedlichen Unternehmen (vgl. Davenport 2005, S. 102). Das Controlling wird
also zu einer Servicefunktion auf Basis einer effizienten IT-Architektur. Zusammen mit
der weitestgehenden Automatisierung von administrativen Transaktionen führt dies
dazu, dass hocheffiziente „Servicefactories“ – Controllingfabriken – entstehen.
Durch die Schaffung dieser Controllingfabrik werden die Rationalisierungspotenziale
realisiert. Die Controller können mehr Zeit für die Erfüllung ihrer Funktion im Rahmen
der bereits erwähnten „Business Partnership“.
7.4 Bereichscontrolling am Beispiel des F&E-Controllings
7.4.1 Bereichscontrolling
Die Spezialisierung des Controllings hat im Zuge der Dezentralisierung eine große
Vielfalt erreicht. Wie wir in diesem Buch auch schon an mehreren Stellen gesehen
haben, folgt die Controllerorganisation den Dezentralisierungskriterien der Gesamtorganisation. Es gibt folglich Funktions-, Divisions-, Regional- und Projektcontroller.
In großen Unternehmungen finden wir häufig eine sehr komplexe Struktur des Bereichscontrollings vor.
Bei der Deutschen Shell AG z.B. (vgl. Frensdorff 1993, S.121 f.) wird unterschieden zwischen
r dem zentralen Controller (der an den Finanzvorstand berichtet), der „Richtlinienkompetenz“ hat und dem alle dezentralen Controller und die kaufmännischen Leiter
der Tochtergesellschaften funktional unterstellt sind,
r den dezentralen Controllern i.e.S. in den sechs Vertriebszentren, den beiden Raffineriezentren, dem Schmierstoffwerk, den drei Leistungszentren, dem Zentrum Ölversorgung, in den zentralen Einheiten Technik und Personal sowie bei der Tochter
Deutsche Shell Chemie,
r den kaufmännischen Leitern der Tochtergesellschaften, die die Aufgaben neben ihren übrigen kaufmännischen Aufgaben eines dezentralen Controllers wahrnehmen,
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Der Klassiker zum Controlling.
Controlling: umfassend und bewährt
Auch nach über dreißig Jahren verfolgt dieses Buch weiterhin das ehrgeizige Ziel, mit jeder Neuauflage den »State of the Art« in Wissenschaft und Praxis des Controllings wiederzugeben. Unverändert geblieben ist dabei die Intention dieses Standardwerkes. Es liefert eindeutige Antworten auf drei umfassende Fragen:
* Was ist die Grundidee des Controllingkonzepts?
* Welche Aufgaben umfasst die Controllingfunktion?
* Wie wird die Controllingfunktion organisatorisch realisiert?
Höchste Autoren-Kompetenz
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Péter Horváth gehört zu den renommiertesten Persönlichkeiten im Controlling. Er ist Vorsitzender des Aufsichtsrates einer Managementberatung und Gründungsherausgeber der Zeitschrift für Controlling.