3 Die Finanzierungsarten – Systematisierungsansätze
3.1 Gliederung nach der Herkunft des Kapitals (Mittelherkunft)
Wird die Finanzierung unter dem Gesichtspunkt der Herkunft des Kapitals in Außen- und
Innenfinanzierung unterteilt, so ist eine scharfe Trennung zwischen der Unternehmung
einerseits und den Kapitalgebern (einschließlich den Inhabern oder Gesellschaftern) andererseits erforderlich. Einen Überblick gibt Abbildung 9 (Seite 30).
Bei der Außenfinanzierung (externe Finanzierung) fließt der Unternehmung Kapital in
Form von Eigenkapital (Kapitaleinlagen; Eigenfinanzierung von außen) oder in Form von
Fremdkapital (Kreditgewährungen; Kreditfinanzierung) zu. Unterscheidet man bei der
Eigenfinanzierung von außen die Einlagen- von der Beteiligungsfinanzierung,79 so kann
die Unterscheidung allenfalls aufgrund der Rechtsform der Unternehmung getroffen werden. In diesem Sinne bezeichnet man die Einlagen durch Einzelunternehmer bzw. Gesellschafter von Personenhandelsgesellschaften als Einlagenfinanzierung; von Beteiligungsfinanzierung spricht man, wenn die Gesellschafter juristischer Personen Eigenkapital zur
Verfügung stellen, wobei ihre Gesellschafterrechte durch Beteiligungspapiere (Aktien)
verbrieft sein können. Im Folgenden wird für beide Fälle von Einlagenfinanzierung gesprochen; eine Unterscheidung ist aufgrund fehlender unterschiedlicher Problemstellung nicht
erforderlich. In allen Fällen nimmt das i. d. R. auf unbestimmte Zeit zur Verfügung gestellte
Eigenkapital am Gewinn und Verlust der Unternehmung teil. Da es durch Verluste zuerst
angegriffen (eventuell völlig aufgezehrt) wird, wird es auch als Haftungs- oder Garantiekapital bezeichnet.
Die Kreditfinanzierung ist Fremdfinanzierung von außen; das Kapital wird vom Kapitalgeber (Gläubiger) lang-, mittel- oder kurzfristig zur Verfügung gestellt, wobei vertraglich
vereinbart wird, dass
• Zinsen – auch in Verlustjahren – zu zahlen sind,
• innerhalb eines vertraglich vereinbarten Zeitraums bzw. zu einem festen Termin eine
Rückzahlung erfolgen muss.
Die Innenfinanzierung (interne Finanzierung) als Kapitalbeschaffung aus dem betrieblichen Umsatzprozess erfolgt
1. durch Vermögenszuwachs und dadurch bedingte Kapitalneubildung im Wege der
Zurückbehaltung von Gewinnen (Selbstfinanzierung) einerseits oder der Bildung von
Rückstellungen (z. B. Bildung langfristiger Pensionsrückstellungen) andererseits;
79 So z.B. Wöhe, Günter/Bilstein, Jürgen: Grundzüge der Unternehmensfinanzierung. 9. Aufl.,
München 2002, S. 10 und S. 12.
30 3 Die Finanzierungsarten – Systematisierungsansätze
2. durch Verwendung von Umsatzerlösen für Reinvestitionen oder Nettoinvestitionen
(Vermögensumschichtung).
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Abbildung 9: Gliederung der Finanzierungsvorgänge nach der Herkunft des
Kapitals80
Es ist also zum einen zwischen einem Zuwachs an Vermögen und Kapital (Bilanzverlängerung), z. B. Nichtentnahme von Gewinnen (offene Selbstfinanzierung) bzw. Verhinderung
80 Modifiziert entnommen aus Wöhe, Günter/Bilstein, Jürgen: Grundzüge der Unternehmensfinanzierung. 9. Aufl., München 2002, S. 13.
3.2 Gliederung nach der Rechtsstellung der Kapitalgeber 31
der Gewinnentstehung und Gewinnverwendung durch stille Selbstfinanzierung sowie durch
Rückstellungsbildung (Aufwandsverrechnung), und zum anderen einem Rückfluss bereits
früher beschaffter Kapitalbeträge (Vermögensumschichtungen; Aktivtausch), die nicht zu
einer Erhöhung des insgesamt zur Verfügung stehenden Kapitals führen, zu unterscheiden.81
Zur Finanzierung durch Vermögensumschichtung zählt vor allem die Finanzierung aus
Abschreibungen, aber auch die Kapitalfreisetzung durch den Verkauf von Vermögensgegenständen (Liquidisierung früher investierter finanzieller Mittel) und die Beschleunigung
des Kapitalumschlags durch Rationalisierungsmaßnahmen im Beschaffungs-, Produktionsund Absatzbereich (z. B. Verringerung der durchschnittlichen Kapitalbindungsdauer in den
Rohstoffbeständen), so dass die Betriebsprozesse mit einem geringeren Kapitaleinsatz
durchgeführt werden können als bisher, wodurch die finanziellen Mittel für andere Zwecke
zur Verfügung stehen. Da sich die Kapitalstruktur durch die Finanzierung aus Vermögensumschichtung nicht verändert (Ausnahme: Fremdkapitaltilgung aus frei gewordenen liquiden Mitteln), kann sie der Eigen- oder Fremdfinanzierung nicht eindeutig zugeordnet werden.
3.2 Gliederung nach der Rechtsstellung der Kapitalgeber
Die Systematisierung der Finanzierungsvorgänge nach der Rechtsstellung der Kapitalgeber
führt zu einer Unterteilung der Finanzierung in Eigen- und Fremdfinanzierung, je nachdem,
ob die Finanzierungsmaßnahmen das Eigen- oder das Fremdkapital der Unternehmung
berühren. Beide Finanzierungsformen treten zudem als Außen- und Innenfinanzierung auf.
Zur Eigenfinanzierung gehören die Einlagenfinanzierung und die Selbstfinanzierung. In
allen Fällen wird dem Betrieb zusätzliches Eigenkapital zugeführt. Bei der Einlagenfinanzierung erfolgt diese Zuführung von außen unter Schaffung erweiterter oder neuer Gesellschafterrechte, bei der Selbstfinanzierung durch Verzicht auf Gewinnausschüttungen.
Die Fremdfinanzierung umfasst die (externe) Kreditfinanzierung und die (interne) Finanzierung aus Rückstellungen (insbesondere aus langfristigen Pensionsrückstellungen). Rückstellungen werden zum Fremdkapital gezählt, da sie wegen späterer, allerdings ungewisser
Zahlungsverpflichtungen gebildet werden. Gleichzeitig werden sie in der Verursachungsperiode aus Gründen der periodengerechten Erfolgsermittlung als gewinnmindernder und
damit eigenkapitalmindernder Aufwand gebucht, was aber – aufgrund der geringeren Gewinnausschüttungen bzw. Gewinnsteuerzahlungen – zu einer Verminderung der Auszahlungen in dieser Periode führt.
Mezzanine-Kapital ist eine Form der Außenfinanzierung, die bestimmte idealtypische
Merkmale des Eigenkapitals mit idealtypischen Fremdkapitalmerkmalen vereint.
Abbildung 10 (Seite 32) zeigt nicht nur eine Gliederung der Finanzierungsvorgänge nach
der Rechtsstellung der Kapitalgeber, wobei allerdings die Finanzierung mit Mezzanine-
Kapital nicht enthalten ist, sondern verdeutlicht auch die Zusammenhänge mit der Gliede-
81 Vgl. Wöhe, Günter/Bilstein, Jürgen: Grundzüge der Unternehmensfinanzierung. 9.Aufl., München
2002, S. 11 und S. 14.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Nach einer allgemeinen Einordnung der Finanzierung von Unternehmen werden die einzelnen Instrumente der Außen- und Innenfinanzierung mit ihren theorie- und praxisrelevanten Merkmalen vorgestellt und mit zahlreichen Beispielen untermauert. Darüber hinaus wird auf Finanzinnovationen und Finanzderivate eingegangen.
Einführendes Lehrbuch in die Grundlagen der Unternehmensfinanzierung
Behandelt werden theoretische wie praxisrelevante Fragestellungen.
Grundprinzipien und Bestandteile der Finanzwirtschaft
Finanzierungstheorie
Finanzierungsarten
Außenfinanzierung durch Eigenkapital
Außenfinanzierung durch Fremdkapital
Derivative Finanzinstrumente
Innenfinanzierung^.
Prof. Dr. Hartmut Bieg ist Inhaber des Lehrstuhls für Bankbetriebslehre an der Universität des Saarlandes.
Professor Dr. Heinz Kußmaul ist Direktor des Betriebswirtschaftlichen Instituts für Steuerlehre und Entrepreneurship am Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, an der Universität des Saarlandes.
"Insgesamt betrachtet liegt hier ein beachtliches Nachschlagewerk zum Themenkomplex Investition und Finanzierung vor, das jede einschlägige Frage in ihren Grundzügen beantwortet… Angehenden Betriebswirten und Praktikern kann das Handbuch uneingeschränkt empfohlen werden."
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