334 10 Konditionenvereinbarungen der Außenfinanzierung
10.3 Die möglichen Bereiche von Konditionenvereinbarungen
10.3.1 Systematisierung der Konditionenvereinbarungen
Aufgrund ihrer unterschiedlichen Zielvorstellungen müssen Kapitalgeber und Kapitalnehmer Konditionen für die Kapitalüberlassung vereinbaren (siehe hierzu auch Abbildung 7;
Seite 19). Eine Übersicht, in der mögliche Bereiche von Konditionenvereinbarungen systematisiert werden, findet sich in Abbildung 97 (Seite 335).
10.3.2 Zeitpunkt der Konditionenfestlegung
Bei der Konditionenvereinbarung müssen sich der Kapitalgeber und der Kapitalnehmer
zunächst über den Zeitpunkt der Konditionenfestlegung einigen. I. d. R. wird dieser
Vorgang in unmittelbarer zeitlicher Nähe zur Kapitalbereitstellung erfolgen (Kassageschäfte). Bei Termingeschäften werden die Konditionen dagegen in entsprechendem zeitlichem Abstand vor der Kapitalbereitstellung bereits mit Vertragsabschluss festgelegt.
Insofern ist ein normaler Bankkredit, dessen Konditionen in entsprechendem zeitlichem
Abstand vor der Inanspruchnahme festgelegt werden, ebenso ein Termingeschäft wie ein
heute abgeschlossener Kaufvertrag, in dem der veräußerte Vermögensgegenstand wie der
Kaufpreis festgelegt wird, der aber erst in drei Monaten durch Lieferung des Gegenstandes
und Bezahlung des Kaufpreises von den Vertragspartnern zu erfüllen ist. Wird der zeitliche
Abstand zwischen Konditionenfestlegung und Kapitalbereitstellung nach praktischen Gesichtspunkten fixiert, so kann selbst bei einer Frist von wenigen Tagen noch ein Kassageschäft vorliegen (z. B zwei Valutatage im Bankgeschäft). Die Übergänge zwischen Kassageschäften und Termingeschäften können somit fließend sein.
Der Zeitpunkt der Konditionenfestlegung kann allerdings auch nach der Kapitalbereitstellung liegen. In der Praxis werden jedoch i. d. R. nicht alle, sondern nur ein einziger Vertragsbestandteil oder einige wenige Vertragsbestandteile nachträglich festgelegt. So gibt es
z. B. Finanzkontrakte, bei denen einer der Kontraktpartner (Kapitalgeber oder Kapitalnehmer) die Rückzahlungswährung nach der Kapitalbereitstellung bestimmen kann.
10.3.3 Bindungsgrad der Konditionenvereinbarung
Eine ursprünglich vereinbarte Konditionenfestlegung muss allerdings – je nach Bindungsgrad der Konditionenvereinbarung – nicht in jedem Fall für den gesamten Kapitalbereitstellungszeitraum Gültigkeit besitzen. Wurde ein Änderungsrecht oder eine Änderungspflicht vereinbart, wie z. B. die Kündigung des Kapitalbetrags durch den Kapitalgeber
(z. B. durch einen OHG-Gesellschafter oder durch die satzungsändernde Mehrheit der Aktionäre), so kann durch Ausübung des Änderungsrechts bzw. durch Erfüllung der Änderungspflicht die ursprüngliche Konditionenfestlegung nachträglich geändert werden.
10.3 Die möglichen Bereiche von Konditionenvereinbarungen 335
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Abbildung 97: Systematisierung der Konditionenvereinbarungen
Bei Wahlrechten oder Wahlpflichten wird zwar eine Konditionenfestlegung getroffen,
jedoch ist diese in einem Bereich oder in mehreren Bereichen nicht eindeutig. Folglich muss
später eine Auswahl aus der vorbestimmten Menge von Handlungsalternativen durch den
Entscheidungsträger erfolgen. Ein Beispiel hierfür ist das Wandlungsrecht bei der Wandel-
336 10 Konditionenvereinbarungen der Außenfinanzierung
schuldverschreibung.866 Hier muss der Kapitalanleger nach Ablauf einer bestimmten Frist
entscheiden, ob er die Schuldverschreibung behalten oder gegen Aktien der betreffenden
Unternehmung eintauschen will.
Diese Entscheidung kann – wie auch bei den Änderungsrechten – zu einem bestimmten
Zeitpunkt oder während eines bestimmten Zeitraums erfolgen. Beispielsweise sind bei
Wandelschuldverschreibungen Vereinbarungen denkbar, die bestimmen, dass die Umwandlungsentscheidung jeweils am 3. Februar der Jahre 02 bis 05, also zu bestimmten Zeitpunkten, oder zwischen dem 3. Februar des Jahres 01 und dem 2. Februar des Jahres 03, also
innerhalb eines bestimmten Zeitraums, hier innerhalb von zwei Jahren, zu erfolgen hat.
Entscheidungsträger können hierbei entweder der Kapitalgeber, der Kapitalnehmer oder
Dritte sein. Bei einer Wandelschuldverschreibung ist der Entscheidungsträger der Kapitalgeber, bei Krediten hingegen ist ein Kündigungsrecht durch den Kapitalnehmer denkbar.
Schließlich kann die Entscheidung vom Eintreten eines bestimmten Ereignisses abhängig
gemacht werden. Ist die Entscheidung an ein bestimmtes Ereignis gebunden, so handelt es
sich um eine bedingte Entscheidungsmöglichkeit. So könnte z. B. das Umtauschrecht
einer Wandelschuldverschreibung in Aktien an die Bedingung geknüpft werden, dass der
Deutsche Aktienindex DAX zuvor die Marke von 5.000 Punkten unterschritten hat. Im
Gegensatz dazu hat der Entscheidungsträger bei einer unbedingten Entscheidungsmöglichkeit eine Entscheidung in jedem Fall, also unabhängig vom Eintritt eines bestimmten
Ereignisses, zu treffen.
10.3.4 Art der Konditionen
Neben dem Zeitpunkt der Konditionenfestlegung und dem Bindungsgrad der Konditionen
müssen die Vertragspartner schließlich noch die Art der Konditionen festlegen. Diese
kann sich auf die folgenden Bereiche beziehen, die im Folgenden jeweils erläutert werden:
• Art der Kapitalgüter bei der Kapitalhingabe, -rückgabe und -entgeltung,867
• Bemessung der Kapitalhingabe, -rückgabe und -entgeltung,868
• Art der Realisation der Kapitalhingabe, -rückgabe und -entgeltung,869
• Übertragung der Finanzierungsinstrumente,870
• Dauer der Kapitalbereitstellung,871
• Kapitalverwendung,872
866 Zur Wandelschuldverschreibung siehe Abschnitt 6.4.
867 Vgl. Abschnitt 10.3.5; Abbildung 98 (Seite 337).
868 Vgl. Abschnitt 10.3.6; Abbildung 99 (Seite 341) und Abbildung 100 (Seite 342).
869 Vgl. Abschnitt 10.3.7; Abbildung 101 (Seite 344).
870 Vgl. Abschnitt 10.3.8; Abbildung 102 (Seite 345).
871 Vgl. Abschnitt 10.3.9; Abbildung 103 (Seite 348).
872 Vgl. Abschnitt 10.3.10; Abbildung 104 (Seite 349).
10.3 Die möglichen Bereiche von Konditionenvereinbarungen 337
• Besicherung873 und
• sonstige Rechte und Pflichten874.
10.3.5 Die Art der Kapitalgüter bei der Kapitalhingabe, -rückgabe
und -entgeltung
Als Kapitalgüter können einem Finanzierungsinstrument immaterielle und/oder materielle
Güter bzw. Werte zugrunde liegen (vgl. Abbildung 98). Sie können Grundlage der Kapitalhingabe, der Kapitalrückgabe sowie der Kapitalentgeltung sein. Üblicherweise erfolgt die
Kapitalhingabe zu Beginn, die Kapitalrückgabe am Ende und die Kapitalentgeltung während der Laufzeit der Kapitalvergabe, wobei allerdings Abweichungen hiervon möglich
sind.
Art der Kapitalgüter bei der Kapitalhingabe, -rückgabe und -entgeltung
immaterielle Güter (Werte) materielle Güter (Werte)
Geld sonstige immaterielle Werte
inländische Währung Rechte
ausländische Währung andere synthetische Güter
synthetische Währung sonstige Leistungen
Abbildung 98: Systematisierung nach der Art der Kapitalgüter
Während sich die materiellen Güter dadurch auszeichnen, dass sie einem Wirtschaftssubjekt direkten Nutzen stiften können, geschieht dies bei den immateriellen Gütern grundsätzlich indirekt. Deshalb wird das Geld auch den immateriellen Gütern zugeordnet. Es
wird hier allerdings aufgrund seiner großen praktischen Bedeutung von den sonstigen immateriellen Gütern abgegrenzt. Das Kapitalgut „Geld“ muss nicht notwendigerweise in
inländischer Währung vorliegen, da Kapitalhingabe, -rückgabe und -entgeltung auch in
einer oder mehreren ausländischen oder synthetischen Währungen erfolgen können. Eine
synthetische Währung war z. B. der ECU,875 der sich aus bestimmten Anteilen der zu die-
873 Vgl. Abschnitt 10.3.11; Abbildung 105 (Seite 350).
874 Vgl. Abschnitt 10.3.12; Abbildung 106 (Seite 351).
875 Die Abkürzung „ECU“ stand für European Currency Unit.
338 10 Konditionenvereinbarungen der Außenfinanzierung
sem System gehörenden Währungen zusammensetzte („Währungskorb“). Die Kapitalhingabe, -rückgabe bzw. -entgeltung muss auch nicht notwendigerweise in der gleichen Währung
erfolgen. In der Praxis gibt es beispielsweise sogenannte Doppel- oder Mehrfachwährungsanleihen, bei denen der Kapitalhingabe, -rückgabe bzw. -entgeltung unterschiedliche Währungen zugrunde liegen.876
Neben Geld zählen zu den immateriellen Gütern auch Rechte, synthetische Güter sowie
sonstige Leistungen. Wenn in Abschnitt 10.3.3877 von Rechten die Rede war, so waren
diese Rechte Bestandteil eines gesamten Konditionenpaketes, durch das ein bestimmtes
Finanzinstrument gekennzeichnet ist. In dem hier angesprochenen Zusammenhang geht es
um Änderungs- und Wahlrechte oder um Bezugsrechte, die als eigenständige Finanzinstrumente angesehen werden und als solche getrennt disponierbar sind. So ist z. B. bei
Aktien das Bezugsrecht und bei Optionsanleihen das Optionsrecht – eine Sonderform des
Wahlrechts – zunächst Bestandteil der gesamten, die Aktien bzw. Optionsanleihen beschreibenden Konditionenvereinbarungen. Beide Rechte können jedoch auch getrennt von
der Aktie bzw. Optionsanleihe gehandelt werden und stellen damit jeweils ein eigenständiges Kapitalgut dar.878
Als Kapitalgüter sind außer synthetischen Währungen auch andere synthetische Güter
denkbar. Zu diesen zählen insbesondere Indizes, z. B. der Deutsche Aktienindex DAX, der
Rentenindex REX oder die jeweiligen Dow Jones Indizes. Diese Güter können jedoch nicht
physisch geliefert, sondern lediglich fiktiv zur Verfügung gestellt werden.
Als sonstige Leistungen kann jedes Tun, Dulden oder Unterlassen verstanden werden.
Hierunter fällt auch die Übernahme der Haftung bei einem Akzept- oder Avalkredit. Bei
diesen Sonderformen des Kreditgeschäfts, die unter der Bezeichnung „Kreditleihe“ bekannt
sind, wird nicht wie üblicherweise bei Krediten Geld zur Verfügung gestellt, sondern es
wird nur für eine bestimmte Dauer eine bedingte Haftungsleistung erbracht.879
Ein typisches Beispiel für die Kreditgewährung bei materiellen Gütern ist der Warenkredit
eines Lieferanten, der seinen Kunden Waren auf Ziel verkauft.880 Die Kapitalhingabe erfolgt
also durch ein materielles Gut. Bei der Kapitalrückgabe wird dagegen meist Geld als Kapitalgut eingesetzt. Denkbar wäre aber auch eine Kapitalrückgabe in Form materieller Güter.
Das Entgelt für eine derartige Kapitalüberlassung wird i. d. R. nicht offen ausgewiesen,
sondern ist im Verkaufspreis berücksichtigt; wird der Kredit jedoch nicht in Anspruch genommen, so erfolgt eine – zinsbedingte –Minderung des Kaufpreises durch Skontoabzug.
Auch beim Leasing erfolgt die Kapitalhingabe i. d. R. durch ein materielles Gut, das – je
nach Ausgestaltung des Leasingvertrages – nach Ablauf der Vertragsdauer zurückgegeben
werden kann.881 Zur Kapitalentgeltung in Form von Leasingraten wird i. d. R. Geld benutzt.
876 Siehe hierzu auch Abschnitt 5.3.4.3.6.
877 Vgl. auch Abbildung 97 (Seite 335).
878 Siehe hierzu auch die Darstellung in Abschnitt 4.3.3.2.2.1 und in Abschnitt 6.5.
879 Zur „Kreditleihe“ siehe die Ausführungen in Abschnitt 5.4.4.
880 Siehe hierzu Abschnitt 5.4.2.
881 Eine ausführliche Darstellung des Leasing befindet sich in Abschnitt 7.
10.3 Die möglichen Bereiche von Konditionenvereinbarungen 339
Die Kapitalentgeltung mittels materieller Güter, eine im Mittelalter weit verbreitete Entgeltungsform, ist auch heutzutage noch als Bestandteil der Konditionenvereinbarung bei Finanzkontrakten zu finden. So ist es z. B. möglich, dass ein Investor eines Schokoladenherstellers die Kapitalentgeltung oder Teile dieser in Form von Naturalien – hier also in Schokolade oder in schokoladeähnlichen Erzeugnissen – erhält.882
Kapitalhingabe, -rückgabe sowie -entgeltung können übrigens verbrieft oder nicht verbrieft
sein.883 So stellt z. B. ein Sparbrief eine Verbriefung des an eine Bank gewährten Kredites
dar, während die Kapitalüberlassung beispielsweise bei einem Schuldscheindarlehen in
unverbriefter Form erfolgt.884
10.3.6 Die Bemessung der Kapitalhingabe, -rückgabe und -entgeltung
10.3.6.1 Grundlagen
Neben der Art der Kapitalgüter muss bei der Konditionenvereinbarung über die Bemessung, d. h. die Höhe der Kapitalhingabe, -rückgabe und -entgeltung entschieden werden. Diese kann bei der Kapitalhingabe und -rückgabe direkt, d. h. in eindeutiger nominaler
Höhe, bei der Kapitalentgeltung hingegen nur in Verbindung mit einem Erfolgszähler, der
auf die Bemessungsbasis angewandt wird, bestimmt werden (vgl. Abbildung 99; Seite 341).
Grundlage der Bemessung der Kapitalhingabe und -rückgabe bzw. der Bemessungsbasis der
Kapitalentgeltung ist ein Referenzwert. Je nach Art des Finanzierungsinstruments werden
für diese Referenzwerte unterschiedliche Begriffe verwendet.
Als Bezeichnung für den Referenzwert sind z. B. bei Krediten die Begriffe Nennwert,
Nennbetrag oder Nominalbetrag geläufig. Dieser Referenzwert ist dort nicht zwingend eine
unmittelbare Zahlungsgröße, sondern dient häufig nur als Berechnungsgrundlage für andere
Vertragsbestandteile, beispielsweise für die zu entrichtenden Zinsen, Bearbeitungsgebühren
und Vermittlungsprovisionen. Liegt der Auszahlungsbetrag, also der Betrag der Kapitalhingabe unter dem Nennbetrag, so bezeichnet man die Differenz als Disagio (auch Abgeld
oder Damnum genannt); liegt der Auszahlungsbetrag ausnahmsweise über dem Nennbetrag, so wird die Differenz als Agio (Aufgeld) bezeichnet.885 Der Rückzahlungsbetrag,
also der Betrag, den der Kreditnehmer neben den Zinszahlungen zurückzuzahlen hat, entspricht i. d. R. dem Nennbetrag, kann in besonderen Fällen aber auch darüber liegen, wie
dies gelegentlich bei festverzinslichen Wertpapieren der Fall ist. Die Verzinsung bezieht
sich bei Krediten dagegen i. d. R. auf die Restschuld und nur in Ausnahmefällen auf die
Anfangsschuld (beispielsweise bei Ratenkrediten) oder eine andere Bezugsgröße. Erfolgt
882 So kann sich der Inhaber einer Anleihe (Emission der Jahre 2003 und 2006) der Confiserie Burg
Lauenstein aus Ludwigsstadt wahlweise einen Zinssatz von 4,5 % in bar oder 8,5 % in Form handgefertigter Pralinen auszahlen lassen; vgl. hierzu o. V.: Trüffelzinsen und Kuh-Aktien. In: Börsen-
Zeitung Nr. 241 vom 14.12.2007, S. 2.
883 Die Verbriefung von Forderungen wird in Abschnitt 5.3.2 näher erörtert.
884 Zum Schuldscheindarlehen siehe Abschnitt 5.3.3.2.
885 Siehe auch Abschnitt 5.2.1.
340 10 Konditionenvereinbarungen der Außenfinanzierung
dagegen keine Tilgung, so ist die Restschuld mit der Anfangsschuld und damit i. d. R. mit
dem Nennbetrag identisch.886
Bei Aktien hat der Nennwert oder Nennbetrag dagegen eine andere Bedeutung als bei
Krediten.887 Hier schreibt § 6 AktG vor, dass das Grundkapital einer Aktiengesellschaft auf
einen Nennbetrag in EUR lauten muss. Der Mindestnennbetrag einer Nennwertaktie muss
mindestens 1 EUR (§ 8 Abs. 2 Satz 1 AktG),888 der Mindestnennbetrag des Grundkapitals
mindestens 50.000 EUR betragen (§ 7 AktG). Die Kapitalhingabe des Aktionärs richtet
sich dagegen nicht nach dem (fiktiven) Nennbetrag, sondern nach dem Emissionskurs.
Letzterer orientiert sich am Kurswert bzw. Marktwert der alten Aktien. Entspricht der Emissionskurs der Aktien ihrem Nennbetrag, so wird von einer Emission zu pari gesprochen.
Liegt der Emissionskurs hingegen über dem Nennbetrag der Aktien, so liegt eine Überpari-
Emission vor. Unterpari-Emissionen sind gem. § 9 Abs. 1 AktG nicht erlaubt.
Auch die Kapitalrückgabe bei Aktien im Falle der Liquidation der Gesellschaft orientiert
sich nicht am (fiktiven) Nennbetrag der Aktien bzw. des Grundkapitals, sondern am Liquidationswert der Aktiengesellschaft. Der Liquidationswert ergibt sich aus der Differenz
zwischen den Erlösen, die die Gesellschaft bei Veräußerung all ihrer Vermögensgegenstände erzielt, und den Schulden, die die Gesellschaft zu tilgen hat.
Die Entgeltung in Form der Dividende bezieht sich bei Aktien dagegen auf die einzelne
Aktie und kann daher auch auf den (fiktiven) Nennbetrag bezogen werden.
Orientiert sich die Kapitalhingabe, -rückgabe und -entgeltung an einem Referenzwert, so
kann eine sich daraus ergebende Zahlungsverpflichtung der Höhe nach entweder begrenzt
oder unbegrenzt sein. Da ohne Begrenzung der Zahlungsverpflichtung das Risiko für einen
der Kontraktpartner unbegrenzt hoch sein kann, werden die mit Finanzverträgen verbundenen Zahlungsverpflichtungen häufig begrenzt. Als Beispiel für einen Finanzkontrakt mit
begrenzter Zahlungsverpflichtung sei hier die Indexanleihe genannt.889 Die Begrenzung
kann dabei in der Weise erfolgen, dass eine Obergrenze („cap“) für die Zahlungsverpflichtung vorgegeben wird. Ergibt sich aus dem Referenzwert eine höhere Zahlungsverpflichtung, so ist eine Zahlung lediglich bis zur festgelegten Obergrenze zu leisten. Analog kann
auch eine Untergrenze („floor“) festgelegt werden, die stets – also selbst dann, wenn sich
aus dem Referenzwert eine niedrigere Zahlung ergibt – zu einer bestimmten Mindestzahlung führt. Schließlich ist noch eine Kombination aus diesen beiden Begrenzungen, also
eine Begrenzung sowohl nach oben als auch nach unten („collar“) denkbar.
886 Zu den verschiedenen Arten von Tilgungsstrukturen siehe Abschnitt 5.2.2.
887 Siehe zu diesem Themengebiet die ausführlichen Erläuterungen in Abschnitt 4.3.2.2, insbesondere
Abschnitt 4.3.2.2.3.1.
888 Bei Stückaktien darf der auf die einzelne Aktie entfallende anteilige Betrag des Grundkapitals
(fiktiver Nennwert) 1 EUR nicht unterschreiten (vgl. § 8 Abs. 3 Satz 3 AktG); siehe dazu die ausführlichen Erläuterungen in Abschnitt 4.3.2.2.3.2.
889 Die Indexanleihe wird in Abschnitt 5.3.4.3.6 näher erläutert.
10.3 Die möglichen Bereiche von Konditionenvereinbarungen 341
Bemessung der Kapitalhingabe, -rückgabe und -entgeltung
Kapitalhingabe, -rückgabe
und Basis der -entgeltung
Orientierung an
Referenzwerten
Erfolgszähler
(nur bei Kapitalentgeltung)
siehe dazu Abbildung 100
(Seite 342)
unter demWert zumWert über demWert
mit Begrenzung ohne Begrenzung
nach oben nach unten in beide
Richtungen
Abbildung 99: Systematisierung der Bemessung der Kapitalhingabe, -rückgabe und
-entgeltung
10.3.6.2 Die Bemessung der Kapitalentgeltung
Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass im Rahmen der Bemessung der Kapitalentgeltung noch ein Erfolgszähler zu berücksichtigen ist, der auf die oben dargestellte Bemessungsbasis angewendet wird. Dieser Erfolgszähler, der i. d. R. in Prozentpunkten angegeben
wird, hängt von der Art der Erfolgsabhängigkeit der Entgeltung ab (Dividenden- oder
Zinsprozentsatz). Wie in Abbildung 100 (Seite 342) dargestellt, kann nach der Art der
Erfolgsabhängigkeit der Entgeltung die erfolgsabhängige von der erfolgsunabhängigen
Entgeltung unterschieden werden.
Bei der erfolgsabhängigen Entgeltung wird i. d. R. eine Beteiligung am handelsrechtlichen Erfolg890 vorliegen. Die Dividende bei Aktien ist ein Beispiel für eine solche Entgeltungsform. Denkbar sind aber auch Beteiligungen an anderen Erfolgsmaßstäben wie z. B.
dem Steuerbilanzerfolg oder dem Umsatz. Durch das letzte Beispiel wird deutlich, dass
„Erfolg“ in diesem Zusammenhang nicht immer eine (positive oder negative) Saldogröße
sein muss.
Eine erfolgsabhängige Entgeltung wird grundsätzlich nur dann gezahlt, wenn in der Periode,
die der Erfolgsbemessung zugrunde liegt, ein positiver Erfolg erzielt wurde. Im Falle negativer Erfolge kann jedoch eine Nachholung der Erfolgsentgeltung für spätere Perioden
vereinbart werden. Dies ist zum Beispiel bei kumulativen Vorzugsaktien der Fall.891
890 Der handelsrechtliche Erfolg kann beispielsweise durch den Jahresüberschuss oder den Bilanzgewinn zum Ausdruck kommen.
891 Auf die Ausgestaltungsmöglichkeiten des Dividendenanspruchs bei Vorzugsaktien wird in Abschnitt 4.3.2.2.2.2 eingegangen.
342 10 Konditionenvereinbarungen der Außenfinanzierung
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Abbildung 100: Systematisierung der Bemessung der Kapitalhingabe, -rückgabe und
-entgeltung (Fortsetzung)
Die erfolgsunabhängige Entgeltung (Verzinsung) lässt sich nach den Kriterien Zinsvariabilität und Zinsverrechnung systematisieren. Hierbei handelt es sich allerdings nicht um
zwei gleichwertige, sich gegenseitig ausschließende Kriterien. Im Rahmen der Zinsvariabilität ist der feste Zins von dem variablen Zins zu unterscheiden. Charakteristisch für eine
feste Verzinsung ist, dass der Zins für die gesamte Dauer der Kapitalüberlassung vereinbart wird, wobei dieser Zins i. d. R. eine einheitliche Höhe hat. Es gibt jedoch auch
sogenannte Kombizinsanleihen, bei denen der Festzinssatz während der Dauer der Kapital-
überlassung eine unterschiedliche Höhe aufweist. So ist es bei einer Anleihe mit einer
Laufzeit von 10 Jahren beispielsweise denkbar, dass während der ersten 5 Jahre die Kapital-
10.3 Die möglichen Bereiche von Konditionenvereinbarungen 343
hingabe unverzinslich erfolgt, die Verzinsung während der letzten 5 Jahre hingegen sehr
hoch ist, so dass sich insgesamt eine marktübliche Rendite ergibt.892
Kennzeichnend für eine variable Verzinsung ist ein Wechsel der Höhe des Zinssatzes
während der Laufzeit der Kapitalüberlassung. Diese Variation kann überjährig, d. h.
im Abstand von mehreren Jahren, jährlich oder unterjährig erfolgen. Überjährig variiert
der Zins oft bei langfristigen Bankkrediten (nach Ablauf der Zinsbindungsfrist), unterjährig
bei zinsvariablen Anleihen, den sogenannten Floating Rate Notes.893 Im Gegensatz zur
festen Verzinsung in unterschiedlicher Höhe (Kombizinsanleihen) wird bei einer variablen
Verzinsung die Höhe der Entgeltung jedoch nicht im Voraus festgelegt. Sie ändert sich
vielmehr zum festgelegten Variationszeitpunkt entsprechend der Entwicklung der Bezugsgröße, die i. d. R. durch einen sogenannten Referenzzinssatz abgebildet wird. In der Praxis
wird hierfür ein EURIBOR-Satz verwendet. Sonstige Bezugsgrößen sind z. B. Durchschnittswerte von Zinssätzen vergangener Perioden. Es wurden auch schon Anleihen emittiert, bei denen die Höhe der variablen Verzinsung in Form eines mathematischen Algorithmus an einen Aktien- oder Rentenindex geknüpft ist.
Neben dem Kriterium der Zinsvariabilität wird die erfolgsunabhängige Entgeltung durch die
Art der Zinsverrechnung gekennzeichnet. Diese kann überjährig, jährlich oder unterjährig und bei jeder dieser Varianten dann vorschüssig oder nachschüssig erfolgen.
Am häufigsten kommt in der Praxis die jährlich nachschüssige Kapitalentgeltung vor. Dies
ist z. B. beim klassischen Sparbuch der Fall. Hier werden die Zinsen der vergangenen Periode – konkret des vergangenen Jahres – am Jahresende dem Kapital hinzugeschlagen und ab
diesem Zeitpunkt mitverzinst. Bei vorschüssiger Zinszahlung müsste der Zuschlag im
Voraus, also bereits am Jahresanfang erfolgen. Dies wäre für den Kapitalgeber, der der
Empfänger der Zinszahlung ist, von Vorteil, da er die Zinsen ein Jahr früher zu konsumtiven
oder Wiederanlagezwecken einsetzen könnte. Der Kapitalnehmer, der der Entgeltzahler ist,
hätte dagegen einen Nachteil, da er die entsprechenden Beträge früher aufbringen müsste.
Die gleichen Vorteile bzw. Nachteile ergeben sich für Kapitalgeber und Kapitalnehmer bei
unterjähriger Verzinsung, die beispielsweise bei einer Kapitalanlage in Form eines Festgeldes üblich ist. Hier werden die Zinsen z. B. monatlich oder vierteljährlich – im Vergleich
zum Jahr also in kürzeren Zeiträumen – gutgeschrieben, mit der Folge, dass die Wiederverzinsung entsprechend früher einsetzt. Das Gesamtentgelt ist damit ceteris paribus umso
höher, je kürzer der Zinsverrechnungszeitraum ist. Der umgekehrte Fall liegt bei der überjährigen Verzinsung vor, die in der Praxis allerdings kaum relevant ist.
Schließlich lässt sich zu den möglichen Konditionenvereinbarungen bezüglich der Entgeltung noch sagen, dass bei allen nicht feststehenden Zahlungen eine Mindest- oder Höchstbegrenzung festgelegt werden kann.894
892 Zur Berechnung der Effektivverzinsung siehe Abschnitt 5.2.4.
893 Siehe hierzu Abschnitt 5.3.4.3.3.4.
894 Siehe auch Abschnitt 10.3.6.1.
344 10 Konditionenvereinbarungen der Außenfinanzierung
10.3.7 Die Art der Realisation der Kapitalhingabe, -rückgabe
und -entgeltung
Neben der Höhe – also der Bemessung der Kapitalhingabe, -rückgabe und -entgeltung –
muss deren Art der Realisation bei der Konditionenzusammenstellung einer Kapitalvergabe vereinbart werden (vgl. dazu auch Abbildung 101). Die Realisation kann hierbei zunächst fiktiv oder tatsächlich sein. Fiktiv ist die Realisation nur dann, wenn kein Kapitalgut
zur Verfügung gestellt wird. Dies tritt beispielsweise bei der (fiktiven) Kapitalhin- und
-rückgabe bei einzelnen Swapformen oder den Forward Rate Agreements (FRA) auf.895
Art der Realisation der Kapitalhingabe, -rückgabe und
-entgeltung
fiktiv tatsächlich
durch das der
Bemessung zugrunde
liegende Kapitalgut
durch ein anderes
Kapitalgut
Gesamtbetrag Teilbetrag
unregelmäßig regelmäßig
gleichbleibende
Beträge
abnehmende Beträge
steigende Beträge
Abbildung 101: Systematisierung nach der Art der Realisation der Kapitalhingabe,
-rückgabe und -entgeltung
Im Regelfall wird das Kapitalgut bei der Kapitalhingabe, -rückgabe oder -entgeltung jedoch
tatsächlich zur Verfügung gestellt. Dies erfolgt entweder durch das der Bemessung
zugrunde liegende Kapitalgut (z. B. Geld bei einem festverzinslichen Wertpapier oder das
Leasinggut bei einem Leasingkredit) oder durch ein anderes Kapitalgut. Ein Beispiel für
den letztgenannten Fall wären Ausgleichszahlungen in Geld, die i. d. R. dann gewährt werden, wenn – wie z. B. bei einem Index – das Kapitalgut physisch nicht geliefert werden
kann.
Sowohl die fiktive als auch die tatsächliche Realisation kann in einem Gesamtbetrag oder
in Teilbeträgen erfolgen. Während beispielsweise bei Bankkrediten der Kreditbetrag oft als
Gesamtbetrag zur Verfügung gestellt wird,896 kann die Rückzahlung grundsätzlich in regelmäßigen Teilbeträgen, die gleich bleibend, abnehmend oder steigend sein können, oder in
895 Die Swaps werden in Abschnitt 9.3 erläutert, die FRA in Abschnitt 9.5.
896 Denkbar ist aber auch eine Auszahlung der Kreditsumme in Teilbeträgen, die sich nach dem
Baufortschritt des kreditfinanzierten Immobilienobjekts richten.
10.3 Die möglichen Bereiche von Konditionenvereinbarungen 345
unregelmäßigen Teilbeträgen erfolgen. In der Praxis sind vor allem die Ratentilgung
sowie die Annuitätentilgung gebräuchlich.897
10.3.8 Die Übertragung der Finanzierungsinstrumente
10.3.8.1 Systematisierung nach der Übertragung der Finanzierungsinstrumente
Im Grunde sind auch Finanzierungsinstrumente nichts anderes als eine Ware, und wie jede
Ware werden auch sie an Märkten übertragen, d. h. gehandelt. Der Finanzmarkt ist der Ort,
an dem sich Angebot und Nachfrage nach Finanzierungsinstrumenten treffen. Hier begegnen sich Wirtschaftssubjekte, die entweder freie Gelder anlegen (Kapitalgeber) oder finanzielle Mittel aufnehmen möchten (Kapitalnehmer) und treten durch den Aufbau von Eigentums- und Schuldverhältnissen in Kontakt zueinander; hier bilden sich auch die Preise für
solche Finanzkontrakte (vgl. zu diesem Bereich Abbildung 102).
Übertragung der
Finanzierungsinstrumente
Übertragungszeitpunkt Beschränkungen
Kapitalhingabe
Sekundär-
übertragungen
Kapitalrückgabe
ohne
Beschränkung
mit
Beschränkung
Abbildung 102: Systematisierung nach der Übertragung der Finanzierungsinstrumente
Die Unterscheidung zwischen organisierten und nicht organisierten (freien) Märkten
richtet sich danach, in welchem Maß feste Handelstechniken vorgegeben und für alle
Marktteilnehmer transparent und verbindlich sind. Als organisiert bezeichnet man einen
„durch Gesetz oder Gewohnheit institutionalisierten sowie durch Publizität und dauerhafte
Organisation charakterisierten Markt“.898
In den meisten Fällen ist der Finanzmarkt nur ein gedankliches Gebilde. Er ist die Summe
aller mündlichen, schriftlichen oder telekommunikativen Kontakte, die den Handel in einem
einzelnen Finanzierungsinstrument oder in einer Gruppe vergleichbarer Finanzierungsinstrumente betreffen. Zuweilen ist er aber auch – wie etwa bei den Präsenzbörsen – an einem
897 Zu diesen beiden Tilgungsformen siehe die Ausführungen in Abschnitt 5.2.2.
898 Häuser, Karl: Kapitalmarkt. In: Handwörterbuch der Finanzwirtschaft, hrsg. von Hans E. Büschgen, Stuttgart 1976, Sp. 1059.
346 10 Konditionenvereinbarungen der Außenfinanzierung
räumlichen Ort konzentriert. Da die Computerbörsen899 in den letzten Jahren immer mehr
Liquidität auf sich ziehen konnten, ist die Bedeutung des Präsenzhandels stark zurückgegangen.
Die beiden im Folgenden erörterten Gesichtspunkte der Übertragung von Finanzinstrumenten sind nebeneinander bestehende Gesichtspunkte, die sich nicht gegenseitig ausschließen.
10.3.8.2 Der Zeitpunkt der Übertragung der Finanzierungsinstrumente
Die erstmalige Übertragung, also die ursprüngliche Kapitalhingabe an den Kapitalnehmer,
die bei bestimmten Finanzierungsinstrumenten auch „Emission“ genannt wird, erfolgt auf
dem sogenannten Primärmarkt. Auf dem Primärmarkt kommt das Angebot ausschließlich
von den Finanzierungsinstrumente begebenden Unternehmungen. Dieser Markt betrifft
somit nur den Erstverkauf. Im Wesentlichen entspricht der für das Instrument erzielte Preis
dem der Unternehmung zufließenden Kapital.
Grundsätzlich kann der erste – ebenso wie auch spätere – Kapitalgeber seine Finanzierungsinstrumente auch an andere Personen oder Institutionen auf dem sogenannten Sekundärmarkt weiterverkaufen. Das hat den Vorteil, dass der Inhaber des Finanzierungsinstruments
Zahlungsmittel zurückerhalten kann, ohne dass die Unternehmung davon bezüglich ihrer
eigenen Liquidität betroffen würde. Aus ihrer Sicht findet lediglich ein Wechsel im Kreis
der Anteilseigner oder Gläubiger statt. Sie muss das aufgenommene Kapital aber nicht
vorzeitig zurückzahlen; der dem Instrument zugrunde liegende Kapitalüberlassungsvertrag
gilt nach wie vor in rechtlich unveränderter Form.
Der Verkäufer des Finanzierungsinstruments trägt allerdings das Risiko, dass der erzielbare
Verkaufspreis niedriger sein kann als der ursprünglich von ihm dafür entrichtete Betrag oder
als die erwartete, später von der Unternehmung zu leistende Kapitalrückgabe.
Die Veräußerung jeder Art von Finanzierungsinstrumenten wird erleichtert, wenn für den
Kapitalgeber eine Haftungsbeschränkung vereinbart ist und die Finanzierungsinstrumente in
Wertpapieren verbrieft sind. Sind die Finanzierungsinstrumente zudem in kleine homogene
Anteile gestückelt, die fungibel, also austauschbar, sind, so kann es zu einem ständigen
Handel (Kauf und Wiederverkauf) in diesen Instrumenten kommen. Dann besteht die Möglichkeit, einen organisierten Markt (beispielsweise in Form einer Börse900) zu schaffen, auf
dem sich Angebot und Nachfrage treffen und auf dem sich ein Preis einstellt, der beides
zum Ausgleich bringt.
10.3.8.3 Die Beschränkungen bei der Übertragung der Finanzierungsinstrumente
Für die Weiterveräußerung von Finanzierungsinstrumenten können je nach Art des Instrumentes bestimmte Beschränkungen bestehen.
899 Hierzu können beispielsweise der Xetra-Handel oder der Handel an der Eurex gezählt werden
(siehe dazu auch die Ausführungen in Abschnitt 8).
900 Zum Börsenhandel siehe die ausführliche Darstellung in Abschnitt 8.
10.3 Die möglichen Bereiche von Konditionenvereinbarungen 347
Der Verkauf von Forderungen z. B. ist grundsätzlich möglich. Hier gelten dann im Einzelnen die Regeln für die Abtretung von Forderungen gemäß den §§ 398-413 BGB.901 Mit
dem Gesetz zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken (Risikobegrenzungsgesetz) vom 12. August 2008 wurde u. a. der Verbraucherschutz gestärkt. So
muss nach § 492 Abs. 1a Satz 3 BGB bei Immobiliendarlehensverträgen der vom Darlehensnehmer zu unterzeichnende Vertrag einen deutlichen Hinweis enthalten, dass der Darlehensgeber das Darlehen abtreten darf, sofern im Darlehensvertrag die Abtretung nicht
ausgeschlossen oder an die Zustimmung des Darlehensnehmers gebunden ist. Nach dem
Risikobegrenzungsgesetz ist nach § 496 Abs. 2 BGB der Darlehensnehmer bei einer echten
Abtretung des Darlehens unverzüglich über die Abtretung zu unterrichten. Der Verkauf von
Forderungen kann generell durch vertragliche Vereinbarungen eingeschränkt werden.
Die Einschränkung kann dabei in einer Weise erfolgen, dass die Veräußerung an die ausdrückliche Zustimmung des Schuldners gebunden ist.
Die rechtlichen Möglichkeiten zum Weiterverkauf von Beteiligungstiteln sind sehr unterschiedlich. Eine wesentliche Rolle spielen hierbei die Rechtsform und der Gesellschaftsvertrag (bzw. die Satzung) der ausgebenden Unternehmung. So ist es möglich, dass eine Ver-
äußerung nur erlaubt ist mit Zustimmung
• aller anderen Anteilseigner (dies ist – sofern der Gesellschaftsvertrag keine anderen
Bestimmungen enthält – der Normalfall bei Personenhandelsgesellschaften902) oder
• der Mehrheit der Gesellschafter (dies stellt eine gesellschaftsvertragliche Alternative
für Personenhandelsgesellschaften dar) oder
• eines Organs der Gesellschaft (so bedarf beispielsweise die Übertragung vinkulierter
Namensaktien nach § 68 Abs. 2 AktG der Zustimmung des Vorstands oder – falls die
Satzung dies vorsieht – des Aufsichtsrats oder der Hauptversammlung).903
Es ist aber auch möglich, dass die Übertragung der Finanzierungsinstrumente keinen Beschränkungen unterliegt, der Kapitalgeber also völlig frei über den Verkauf entscheiden
kann. Beispiele hierfür sind Inhaberaktien sowie nicht-vinkulierte Namensaktien.904
10.3.9 Die Dauer der Kapitalbereitstellung
Nach der Dauer der Kapitalbereitstellung können die kurzfristige, die mittelfristige, die
langfristige und die unbefristete Kapitalbereitstellung unterschieden werden (siehe
Abbildung 103; Seite 348).905 Auch wenn Kapitalnehmer versuchen, den Zeitraum der
Bereitstellung der finanziellen Mittel dem Zeitraum ihres Finanzbedarfs anzupassen (fristenkongruente Finanzierung), können wegen mangelnder Voraussicht Anpassungen der
ursprünglichen Konditionenvereinbarungen durch Verlängerung der Kapitalüberlassungs-
901 Vgl. hierzu ausführlich Abschnitt 5.2.6.3.2.6.
902 Vgl. die Ausführungen in den Abschnitten 4.2.2.3 und 4.2.2.4.
903 Siehe hierzu die Ausführungen in Abschnitt 4.3.2.2.1.3.
904 Diese Finanzierungsinstrumente werden in den Abschnitten 4.3.2.2.1.1 und 4.3.2.2.1.2 dargestellt.
905 Siehe hierzu auch die Ausführungen in Abschnitt 3.4.
348 10 Konditionenvereinbarungen der Außenfinanzierung
dauer bzw. außerordentliche Kündigungen erforderlich werden. Die tatsächliche Laufzeit
der Finanzierungsinstrumente muss also nicht immer der formalen Laufzeit entsprechen.
Dauer der Kapitalbereitstellung
befristet unbefristet
kurzfristig mittelfristig langfristig
Abbildung 103: Systematisierung nach der Dauer der Kapitalbereitstellung
In diesem Zusammenhang soll kurz auf die in Theorie und Praxis geläufige Unterscheidung
von Geld- und Kapitalmarkt eingegangen werden. Zwar bestehen unterschiedliche Auffassungen darüber, aus welchen konkreten Geschäftsarten sich beide Finanzmarktsegmente im
Einzelnen zusammensetzen; es herrscht aber Einigkeit darüber, dass der Geldmarkt das
kurzfristige, der Kapitalmarkt das längerfristige Geschäft betrifft. Als kurzfristig sieht
man dabei Fristen bis zu einem Jahr an; doch kommt es auch vor, dass Geldmarktpapiere
mit Laufzeiten bis zu 24 Monaten gehandelt werden.906 Der Kapitalmarkt ist das Komplement zum Geldmarkt. Er umschließt somit den Handel in all denjenigen (längerfristigen)
Finanzierungsinstrumenten, die nicht dem Geldmarkt zugeordnet werden.
Eine unbefristete Kapitalbereitstellung ist vor allem bei Eigenfinanzierungsinstrumenten zu
finden. So erhält die Unternehmung das von den Eigenkapitalgebern zur Verfügung gestellte Kapital i. d. R. unbefristet. Allerdings ist es dem Anleger häufig möglich, sich im Wege
des Zweithandels von dem Eigenkapitaltitel zu trennen, ohne dass dies Auswirkungen auf
die Liquiditätssituation der Unternehmung hätte. Im Rahmen der Fremdfinanzierung ist die
Begebung von unbefristeten Finanzierungsinstrumenten zwar unüblich, dennoch sind mit
den sogenannten „Perpetuals“ Anleihen begeben worden, bei denen der Kapitalgeber von
der Schuldnerunternehmung unbefristet, also „ewig“ regelmäßige Zinszahlungen erhält, die
Tilgung der Anleihe jedoch unterbleibt.907
10.3.10 Die Verwendung des bereitgestellten Kapitals
Bei dem Konditionenbestandteil „Kapitalverwendung“ drückt sich eine unter Umständen
vorhandene Verwendungsbestimmung, die sich auf den Ort oder den Zweck der Kapital-
906 Dies kann beispielsweise bei Commercial Papers der Fall sein; vgl. Abschnitt 5.4.3.6.
907 Dies kann auch so interpretiert werden, dass die Tilgung erst nach einem „unendlich“ langen
Zeitraum (also nie) erfolgt.
10.3 Die möglichen Bereiche von Konditionenvereinbarungen 349
verwendung beziehen kann (vgl. dazu Abbildung 104), oft schon im Namen des Finanzierungsinstrumentes aus. Beispiele hierfür sind:
• Konsumkredite,
• Wohnungsbaukredite,
• Betriebsmittelkredite (Produktionskredite),
• Investitionskredite,
• Überbrückungskredite,
• Effektenkredite,
• Außenhandelskredite (Import-/Exportkredite),
• Agrarkredite,
• Kommunalkredite und
• Auslandskredite.
Häufig erfolgt die Kapitalbereitstellung ohne Bestimmung eines Verwendungszwecks
bzw. des Verwendungsorts. In diesem Fall kann der Empfänger der Zahlungsmittel über
diese nach Belieben verfügen.
Kapitalverwendung
ohne Verwendungsbestimmung
mit Verwendungsbestimmung
Ort Zweck
Abbildung 104: Systematisierung nach der Kapitalverwendung
10.3.11 Die Besicherung
Sicherheiten sollen den Kapitalgeber auch dann vor Vermögensverlusten schützen, falls der
Kapitalnehmer den Kapitaldienst für die Zins- und Tilgungszahlungen nicht mehr durch den
Leistungsprozess erwirtschaften kann; sie sind damit erkennbar nur für den Fremdkapitalgeber von Bedeutung (vgl. dazu Abbildung 105; Seite 350). Ein vollständiger, absolut
zweifelsfreier Schutz kann i. d. R. zwar nicht erreicht werden, jedoch steigt für den Kapital-
350 10 Konditionenvereinbarungen der Außenfinanzierung
geber in mehr oder minder großem Umfang durch jede Form der Besicherung die Chance,
das von ihm angestrebte Ziel zu erreichen.908 Es ist nun aber keineswegs so, dass sich die
Kapitalgeber bei jeder einzelnen Kapitalvergabe beliebig für eine oder mehrere Sicherheiten
entscheiden könnten. Welche Sicherungsform im Einzelnen geeignet und gegenüber dem
Schuldner durchsetzbar ist, hängt einerseits von der Art, dem Volumen sowie der Laufzeit
des Kapitals ab und wird andererseits auch von der Verhandlungsmacht des Kapitalgebers
bzw. Kapitalnehmers mitbestimmt. Insofern bleibt Kapitalgebern häufig nur die Wahl, den
Finanzkontrakt ohne Besicherung abzuschließen oder eine andere Kapitalanlagemöglichkeit zu suchen.
Erklärt sich der Kapitalnehmer zu einer Stellung von Sicherheiten bereit, so kommen als
Gegenstand der Besicherung neben der Sicherung von Kapital und Erfolg grundsätzlich
auch sonstige Konditionenbestandteile – z. B. die Kapitalverwendung909 – in Frage. Die
Form der Sicherheiten kann nach den rechtlichen Grundlagen in die schuldrechtliche und
die sachenrechtliche Sicherung eingeteilt werden.910
Besicherung
mit Besicherung ohne Besicherung
Gegenstand Form
Kapital Erfolg
sonstige
Konditionenbestandteile
schuldrechtliche
Sicherung
sachenrechtliche
Sicherung
Abbildung 105: Systematisierung nach der Besicherung der Kapitalvergabe
908 Zu den mit der Bestellung von Sicherheiten verfolgten Zielen des Kapitalgebers siehe Abschnitt 5.2.6.2.
909 So kann beispielsweise bei Immobiliendarlehen die Kreditfreigabe in Abhängigkeit vom Baufortschritt als Mittel zur Besicherung des Verwendungszwecks verstanden werden.
910 Diese beiden Formen der Besicherung werden in Abschnitt 5.2.6.3 ausführlich dargestellt.
10.3 Die möglichen Bereiche von Konditionenvereinbarungen 351
10.3.12 Die sonstigen Rechte und Pflichten der Kapitalgeber und Kapitalnehmer
10.3.12.1 Überblick
Neben den bisher beschriebenen Konditionenvereinbarungen können noch weitere Rechte
und Pflichten der Kapitalgeber und Kapitalnehmer Bestandteile von Konditionenvereinbarungen sein (vgl. Abbildung 106). Bei diesen sonstigen Rechten und Pflichten, die sich in
die Kategorien Haftung, Beteiligung am Liquidationserlös, Einflussnahme sowie Auskunft und Kontrolle untergliedern lassen, handelt es sich i. d. R. um besondere, fakultative
Vereinbarungen, die einzelne Aspekte eines Finanzierungskontrakts regeln. Sie können
jeweils voll, begrenzt oder gar nicht vorhanden sein.
Sonstige Rechte und Pflichten von Kapitalgebern und Kapitalnehmern
Haftung Beteiligung amLiquidationserlös Einflussnahme
Auskunft und
Kontrolle
voll
vorhanden
begrenzt
vorhanden
nicht
vorhanden
Abbildung 106: Systematisierung der sonstigen Rechte und Pflichten einer
Kapitalvergabe
10.3.12.2 Die Haftung
Im Rahmen der Haftung ist zwischen den Kapitalnehmern und den Kapitalgebern zu differenzieren. Die Kapitalnehmer haften den Kapitalgebern mit ihrem gesamten Vermögen für
ihre Zahlungsverpflichtungen. Bei Personenhandelsgesellschaften steht den Gläubigern
nicht nur das Gesellschaftsvermögen, sondern darüber hinaus auch das gesamte Privatvermögen der Gesellschafter als Haftungsmasse zur Verfügung.911 Bei Kapitalgesellschaften
haftet den Gläubigern das gesamte Gesellschaftsvermögen der schuldrechtlich verpflichteten Kapitalgesellschaft.
Neben dieser selbstverständlichen Haftung des Kapitalnehmers für seine Verbindlichkeiten
kann sich aus einem Finanzkontrakt auch eine Haftung der Kapitalgeber ergeben. So sind
die Kapitalgeber verpflichtet, dem Kapitalnehmer den vertraglich vereinbarten Geldbetrag
zur Verfügung zu stellen. Eine Haftung ergibt sich dabei lediglich solange, bis der Kapital-
911 Bei Kommanditgesellschaften haften die Kommanditisten – solange sie ihre Einlage noch nicht
voll erbracht haben – für die Resteinzahlung mit ihrem Privatvermögen (siehe Abschnitt 4.2.2.4).
352 10 Konditionenvereinbarungen der Außenfinanzierung
nehmer die Finanzmittel in der vereinbarten Höhe erhalten hat. Da die Kapitalbereitstellung
üblicherweise in unmittelbarer zeitlicher Nähe zum Vertragsabschluss erfolgt, erstreckt sich
die Haftung des Kapitalnehmers auf einen eng begrenzten Zeitraum. Es ist aber auch denkbar, dass der Kapitalnehmer den vereinbarten Kapitalbetrag nicht unmittelbar nach Vertragsabschluss (z. B. bei Termingeschäften) oder nicht in voller Höhe vom Kapitalgeber
erhält. In diesem Fall bleibt die Haftung des Kapitalgebers für den noch nicht geleisteten
Kapitalbetrag bestehen. Als Beispiel ist in diesem Zusammenhang insbesondere die Zahlungsverpflichtung des Aktionärs bei nur teilweise eingezahlten Aktien zu nennen. Die
Haftung des Aktionärs erstreckt sich dabei auf den noch nicht eingezahlten Teil des Nennwerts seiner Aktien.912
Neben dieser, von der Höhe der vereinbarten Kapitalhingabe abhängigen Haftung ist eine
Haftung der Kapitalgeber für darüber hinausgehende Kapitalbeträge denkbar. So beschränkt sich die Haftung der Mitglieder einer Genossenschaft i. d. R. nicht auf die von
ihnen übernommenen Geschäftsanteile. Sie haften oft darüber hinaus pro Geschäftsanteil für
eine in der Satzung bestimmte Summe, die Haftsumme. Die Haftsumme bezeichnet den
Betrag, bis zu dem die Mitglieder im Insolvenzfall des genossenschaftlichen Kreditinstituts
Nachschüsse zu leisten haben, wenn die Insolvenzmasse zur Befriedigung der Gläubiger
des Kreditinstituts nicht ausreicht. Hierbei ist zwischen der beschränkten und der unbeschränkten Nachschusspflicht zu unterscheiden. Im Falle der beschränkten Nachschusspflicht darf die Haftsumme nicht geringer als der Geschäftsanteil sein.913 Die Haftsumme
stellt somit nicht eingezahltes Haftungskapital für den Insolvenzfall dar.
10.3.12.3 Die Beteiligung am Liquidationserlös
Die Ansprüche, die sich im Rahmen der Beteiligung am Liquidationserlös einer Unternehmung ergeben, unterscheiden sich regelmäßig bei Fremdkapitalgebern und Eigenkapitalgebern.914 Da den Fremdkapitalgebern für ihre Forderungen das gesamte Vermögen der
Schuldnerunternehmung haftet, können sie sich vor den Eigenkapitalgebern aus dem Liquidationserlös befriedigen. Da der Liquidationserlös oftmals geringer als die Schulden der
Unternehmung ist, entscheidet die Reihenfolge, in der sich die Fremdkapitalgeber aus dem
Liquidationserlös befriedigen dürfen, häufig darüber, wie hoch der Bruchteil der Forderung
ist, den ein Gläubiger von der Schuldnerunternehmung zurück erhält. Die Reihenfolge der
Befriedigung aus dem Liquidationserlös kann im Rahmen der Konditionenvereinbarung
festgelegt werden. Dabei wird zwischen gleichrangigen und nachrangigen Forderungen
gegen die Schuldnerunternehmung unterschieden. Die nachrangigen Forderungen können
erst nach Befriedigung aller nicht nachrangigen Forderungen gegen die Unternehmung
befriedigt werden.
912 Damit die Aktiengesellschaft den Aktionär im Falle der Einforderung dieses von ihm noch nicht
eingezahlten Teils des Grundkapitals ausfindig machen kann, ist die Teileinzahlung nur bei Namensaktien erlaubt (siehe hierzu die Ausführungen in Abschnitt 4.3.2.2.1.2).
913 Vgl. § 119 GenG.
914 Ein Liquidationserlös ergibt sich im Zuge der Auflösung einer Unternehmung; er entspricht der
Summe der Veräußerungserlöse sämtlicher Vermögenswerte der Unternehmung.
10.3 Die möglichen Bereiche von Konditionenvereinbarungen 353
Unter den Eigenkapitalgebern ist derjenige Teil des Liquidationserlöses zu verteilen, der
nach Befriedigung aller gleichrangigen und nachrangigen Forderungen von Gläubigern
verbleibt.915 Dies setzt voraus, dass die Differenz aus dem Liquidationserlös und den Schulden der Unternehmung positiv ist.916 Innerhalb der verschiedenen Eigentümerpositionen ist
eine vorrangige bzw. nachrangige Befriedigung aus dem Liquidationserlös möglich.
Vorzugsaktien können dergestalt ausgestattet sein, dass sie eine – im Vergleich zu den
Stammaktien – bevorzugte Berücksichtigung bei der Verteilung des Liquidationserlöses
gewähren.917 Über die Reihenfolge der Befriedigung von mezzaninen Kapitalformen918
entscheiden die Regelungen innerhalb der jeweiligen Emissionsbedingungen.
10.3.12.4 Die Einflussnahme
Rechte und Pflichten im Rahmen der Einflussnahme ergeben sich grundsätzlich nur aus
Eigentümerpositionen, nicht jedoch aus Gläubigerpositionen.919 Allerdings ist es möglich,
dass ein Fremdkapitalgeber aufgrund einer starken Verhandlungsposition durchsetzen
kann, dass ihm bestimmte Mitwirkungsrechte eingeräumt werden.920 Eine starke Verhandlungsposition des Fremdkapitalgebers kann beispielsweise daraus resultieren, dass sich die
kapitalsuchende Unternehmung in einer angespannten, möglicherweise sogar existenzbedrohenden Liquiditätssituation befindet und daher eher bereit ist, dem Kapitalgeber weitgehende Zugeständnisse zu machen, um ihn zu einer Kapitalhingabe zu bewegen. Häufig ist
auch festzustellen, dass Fremdkapitalgebern, die die Unternehmung in hohem Maße finanziert haben, gewisse Mitwirkungsrechte eingeräumt werden, die über die Mitwirkungsrechte
anderer Gläubiger hinausgehen.921
Mitwirkungsrechte und -pflichten sind insbesondere für Eigenkapitalgeber typisch. So ist
mit der Erbringung des Eigenkapitals regelmäßig eine Einflussnahme auf die Geschäftsführung der Unternehmung verbunden. Bei Personenhandelsgesellschaften besteht eine direkte Einflussnahme der persönlich haftenden Gesellschafter auf die Geschäftsführung.
Diese sind nämlich zur Geschäftsführung berechtigt und verpflichtet.922 Kommanditisten,
die lediglich bis zur Höhe ihrer Einlage haften,923 sind hingegen nicht zur Geschäftsführung
berechtigt.924
915 Aus diesem Grund wird auch von einem Residualanspruch der Eigenkapitalgeber gesprochen (vgl.
Bieg, Hartmut: Betriebswirtschaftslehre 2: Finanzierung. Freiburg i. Br. 1991, S. 47).
916 Insofern wäre es präziser, in diesem Fall vom „Liquidationsüberschuss“ zu sprechen.
917 Siehe auch Abschnitt 4.3.2.2.2.2.
918 Vgl. hierzu Abschnitt 6.
919 Siehe zu diesem Themenbereich auch die Ausführungen in Abschnitt 5.1.1.
920 Ein Fremdkapitalgeber wird sich – da ihm hierdurch keine Nachteile entstehen – höchstens Mitwirkungsrechte, jedoch keine Mitwirkungspflichten einräumen lassen.
921 So ist bei deutschen Industrieunternehmungen deren Hausbank als größter Gläubiger oftmals im
Aufsichtsrat der Schuldnerunternehmung vertreten.
922 Vgl. § 114 Abs. 1 HGB.
923 Vgl. § 171 Abs. 1 HGB.
924 Vgl. § 164 Satz 1 Halbsatz 1 HGB.
354 10 Konditionenvereinbarungen der Außenfinanzierung
Bei Kapitalgesellschaften ist mit der Erbringung des Eigenkapitals lediglich eine indirekte
Einflussnahme auf die Geschäftsführung der Gesellschaft verbunden, da bei diesen Gesellschaften die Eigentümer nicht direkt zur Vertretung berechtigt sind. Sie können nur indirekt
über die Bestellung der Vertreter der Gesellschaft Einfluss auf die Geschäftsführung nehmen. Bei der Aktiengesellschaft geschieht dies indirekt über die Bestellung des Aufsichtsorgans (Aufsichtsrat) durch die Hauptversammlung,925 welches seinerseits die zur Vertretung der Gesellschaft berechtigten Personen (Vorstandsmitglieder926) bestellt.927 Bei der
GmbH erfolgt die Bestellung der zur Vertretung der Gesellschaft berechtigten Personen
(Geschäftsführer928) direkt durch die Gesellschafter bzw. durch den Gesellschaftsvertrag.929
Auch bei Genossenschaften sind nicht die Eigenkapitalgeber (also die Genossen, Mitglieder), sondern der Vorstand zur Vertretung der Genossenschaft berechtigt.930 Er wird von der
Generalversammlung gewählt, sofern das Statut nichts anderes bestimmt.931 Bei Genossenschaften mit bis zu 1.500 Mitgliedern erfolgt die Wahl direkt, d. h. durch alle Mitglieder.
Besitzt die Genossenschaft mehr als 1.500 Mitglieder, so kann das Statut bestimmen, dass
sich die Generalversammlung nicht aus allen Mitgliedern, sondern nur aus von allen Mitgliedern zu wählenden Vertretern (Vertreterversammlung) zusammensetzt,932 welche ihrerseits den Vorstand wählen. Insofern ist in diesem Falle nur eine indirekte Einflussnahme auf
die Geschäftsführung der Gesellschaft möglich.933
10.3.12.5 Die Auskunft und Kontrolle
Steht den Eigenkapitalgebern keine direkte Einflussnahme auf die Geschäftsführung der
Gesellschaft zu, so besitzen sie stattdessen anderweitige Rechte. Zu diesen zählen Auskunftsrechte und Kontrollrechte. Den Auskunfts- und Kontrollrechten der Aktionäre steht
die Pflicht des Vorstands gegenüber, Auskunft zu erteilen bzw. sich kontrollieren zu lassen.
Bei Aktiengesellschaften ist das Auskunftsrecht der Aktionäre in §§ 131-132 AktG festgelegt worden. So ist jedem Aktionär „auf Verlangen in der Hauptversammlung vom Vorstand
Auskunft über Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben, soweit sie zur sachgemäßen
Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich ist“.934 Dabei hat die Auskunft
„den Grundsätzen einer gewissenhaften und getreuen Rechenschaft zu entsprechen“.935
925 Vgl. § 101 Abs. 1 Satz 1 AktG.
926 Siehe hierzu § 76 Abs. 1 AktG.
927 Vgl. § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG.
928 Siehe hierzu § 35 Abs. 1 GmbHG.
929 Vgl. § 6 Abs. 3 Satz 2 GmbHG.
930 Vgl. § 24 Abs. 1 GenG.
931 Vgl. § 24 Abs. 2 GenG.
932 Vgl. § 43a Abs. 1 GenG.
933 Eine indirekte Einflussnahme ergibt sich auch dann, wenn das Statut eine andere Art der Bestellung des Vorstands (§ 24 Abs. 2 Satz 2 GenG), beispielsweise durch den von der Generalversammlung bzw. Vertreterversammlung zu wählenden Aufsichtsrat (§ 36 Abs. 1 Satz 1 GenG), vorsieht.
934 § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG.
935 § 131 Abs. 2 AktG.
10.3 Die möglichen Bereiche von Konditionenvereinbarungen 355
Allerdings steht dem Vorstand ein Auskunftsverweigerungsrecht zu, das er aber nur unter
genau festgelegten Bedingungen in Anspruch nehmen darf.936
Das Auskunftsrecht ist Voraussetzung für einen sinnvollen Einsatz des Kontrollrechts. So
stellt die Kontrolle die Überwachung der mit der Ausführung einer Aufgabe befassten Personen (in diesem Fall die Kapitalnehmer) dar, die sowohl präventiv als auch aufdeckend
wirken soll. Kontrollrecht und Auskunftsrecht sind insofern eng miteinander verknüpft, als
eine Kontrolle nur dann möglich ist, wenn die dazu erforderlichen Informationen den die
Kontrolle ausübenden Personen (hier: die Kapitalgeber) zur Verfügung stehen. Eine Kontrolle kann jedoch nur dann die gewünschte Wirkung auf die zu kontrollierenden Personen
ausüben, wenn diese damit rechnen müssen, aufgrund eines nicht vertragsgemäßen Verhaltens sanktioniert zu werden. Eine solche Sanktionsmöglichkeit kann den Kapitalgebern im
Rahmen der Konditionenvereinbarung eingeräumt werden937 oder ihnen aufgrund ihrer
Rechtsstellung zustehen.938
936 Diese Bedingungen sind in § 131 Abs. 3 AktG aufgeführt.
937 So besteht beispielsweise die Möglichkeit, dass die Fremdkapitalgeber über ein vorzeitiges Kündigungsrecht verfügen, von dem sie bei Eintritt bestimmter Sachverhalte Gebrauch machen können.
938 Hier ist insbesondere an das Recht der Eigenkapitalgeber von Kapitalgesellschaften zu denken, die
mit der Geschäftsführung beauftragten Personen bestellen und abberufen zu können.
11 Die Innenfinanzierung
11.1Überblick über die Innenfinanzierung
11.1.1 Die direkte Finanzierungswirkung von Zahlungsgrößen
Standen bei den Instrumenten der Außenfinanzierung939 konkrete Kapitalbeschaffungsmaßnahmen im Vordergrund, so gründen sich die Instrumente der Innenfinanzierung in der
Hauptsache auf den betrieblichen Umsatzprozess.
Folgende Voraussetzungen einer positiven Innenfinanzierungswirkung lassen sich zunächst festhalten:
(1) Der Unternehmung fließen in einer Periode liquide Mittel aus dem betrieblichen
Umsatzprozess (Verkauf von Waren oder Dienstleistungen innerhalb der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit bzw. davon abgeleitet durch Eingang oder Verkauf der entsprechenden Forderungen) oder aus Umsätzen außerhalb der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit (Verkauf nicht betriebsnotwendiger Vermögensgegenstände) zu
(Einzahlungen).
(2) Diesen Einzahlungen stehen in der gleichen Periode geringere Auszahlungen gegen-
über, die entweder durch die betriebliche Leistungserstellung und -verwertung bedingt
sind oder ihre Ursache außerhalb der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit haben.
Der Umfang einer positiven Innenfinanzierungswirkung hängt demnach zum einen von der
Höhe der aus den oben genannten Bereichen zufließenden liquiden Mittel (Einzahlungen),
zum anderen von der Höhe der aus diesen Bereichen abfließenden Mittel (Auszahlungen)
ab. Grundsätzlich verbessert sich die Liquiditätslage, wenn es der Unternehmungsleitung
gelingt, die Einzahlungen zu erhöhen und/oder die Auszahlungen zu vermindern (direkte
Finanzierungswirkung von Zahlungsgrößen).
11.1.2 Die indirekte Finanzierungswirkung von Erfolgsgrößen
Die Unternehmungsleitung hat bei der Disposition der liquiden Mittel neben dieser direkten
Finanzierungswirkung von Ein- und Auszahlungen aber auch mögliche indirekte Finanzierungswirkungen zu beachten, die von den mit diesen Zahlungsgrößen verbundenen Er-
939 Vgl. die Abschnitte 4 bis 7.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Nach einer allgemeinen Einordnung der Finanzierung von Unternehmen werden die einzelnen Instrumente der Außen- und Innenfinanzierung mit ihren theorie- und praxisrelevanten Merkmalen vorgestellt und mit zahlreichen Beispielen untermauert. Darüber hinaus wird auf Finanzinnovationen und Finanzderivate eingegangen.
Einführendes Lehrbuch in die Grundlagen der Unternehmensfinanzierung
Behandelt werden theoretische wie praxisrelevante Fragestellungen.
Grundprinzipien und Bestandteile der Finanzwirtschaft
Finanzierungstheorie
Finanzierungsarten
Außenfinanzierung durch Eigenkapital
Außenfinanzierung durch Fremdkapital
Derivative Finanzinstrumente
Innenfinanzierung^.
Prof. Dr. Hartmut Bieg ist Inhaber des Lehrstuhls für Bankbetriebslehre an der Universität des Saarlandes.
Professor Dr. Heinz Kußmaul ist Direktor des Betriebswirtschaftlichen Instituts für Steuerlehre und Entrepreneurship am Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, an der Universität des Saarlandes.
"Insgesamt betrachtet liegt hier ein beachtliches Nachschlagewerk zum Themenkomplex Investition und Finanzierung vor, das jede einschlägige Frage in ihren Grundzügen beantwortet… Angehenden Betriebswirten und Praktikern kann das Handbuch uneingeschränkt empfohlen werden."
Ingo Nautsch in "Die Bank" zur Vorauflage der Bände.
Für Studierende der Betriebswirtschaftslehre im Bachelor für das Fach Investition & Finanzierung an Universitäten, Fachhochschulen und Berufsakademien. Das Buch bietet aber auch Praktikern zahlreiche Anhaltspunkte zur Lösung von Finanzierungsproblemen.