7 Die Investitionsprogrammentscheidungen220
Zahlungsreihe nur einen einzigen Vorzeichenwechsel aufweist. Zweitens wird durch das
Deansche Verfahren bezüglich der Liquidität nur sichergestellt, dass die Zahlungsbereitschaft im Zeitpunkt t = 0 gewahrt wird. Für den Rest des Planungszeitraums kann hinsichtlich der Liquidität keine Aussage getroffen werden. Drittens – und damit der größte Mangel
des Modells von Dean – besteht jedoch die Gefahr einer möglichen Fehlentscheidung, und
zwar auch dann, wenn für die Projekte eindeutige interne Zinsfüße existieren und Zahlungsfähigkeit über den gesamten Planungszeitraum gewährleistet ist. Der Grund liegt in der
realitätsfremden Wiederanlageprämisse, wobei davon ausgegangen wird, dass zwischenzeitlich freiwerdende Mittel wieder zum internen Zinsfuß angelegt werden.
Die Ansätze der linearen Programmierung
7.3 Die Ansätze der linearen Programmierung zur simultanen
Investitions- und Finanzplanung
7.3.1 Die lineare Programmierung
Die bisher vorgestellten Modelle sind schon im Einperiodenfall nur begrenzt anwendbar.
Durch die einfache Darstellungsweise dienen sie in erster Linie als Erklärungsmodelle für
die Aufstellung eines gewinnoptimalen Kapitalbudgets. Für den Mehrperiodenfall und auch
zur Berücksichtigung anderer Interdependenzen als nur zwischen dem Investitions- und
Finanzierungsprogramm sind die klassischen kapitaltheoretischen Modelle völlig ungeeignet. Mit Hilfe der linearen Programmierung lässt sich immer eine optimale Lösung für das
Problem der simultanen Investitions- und Finanzplanung bestimmen; darüber hinaus ist es
möglich, weitere Restriktionen, beispielsweise aus dem Produktions- und Absatzbereich,
explizit zu berücksichtigen.
Kruschwitz erklärt den Begriff der linearen Programmierung wie folgt: „Unter linearer
Programmierung [versteht man, d.Verf.] eine Reihe von mathematischen Algorithmen, mit
denen eine lineare Zielfunktion unter Beachtung von endlich vielen linearen Nebenbedingungen maximiert (oder minimiert) [werden, d. Verf.] kann“.390 Aus dieser Beschreibung
lässt sich erkennen, dass ein Modell der linearen Programmierung (LP-Modell) generell
aus drei Elementen besteht:
(1) einer Zielfunktion, die den Beitrag der einzelnen Variablen zur Zielerreichung angibt
und mit deren Hilfe aus der Menge der zulässigen Lösungen die optimale bestimmt
werden kann;
(2) einer Menge von endlich vielen linearen Nebenbedingungen (Restriktionen), die die
Menge aller zulässigen Lösungen beschreiben;
(3) einem Satz von Bedingungen, die das Niveau der Variablen auf positive
– und somit ökonomisch zulässige –Werte beschränken.
Zur Lösung dieses Problems ist eine Reihe von Algorithmen entwickelt worden; der bekannteste Lösungsweg ist der Simplex-Algorithmus, ein iteratives Lösungsverfahren. Als Beispiele für Modelle der linearen Programmierung sollen das Modell von Albach (Ein-
390 Kruschwitz, Lutz: Investitionsrechnung. 12. Aufl., München 2009, S. 240.
7.3 Die Ansätze der linearen Programmierung 221
periodenmodell) sowie das Modell von Hax und Weingartner (Mehrperiodenmodell) vorgestellt werden.
7.3.2 Das Einperiodenmodell (Modell von Albach)
7.3.2.1 Die Modelldarstellung
Das Einperiodenmodell von Albach ist ein simultaner Planungsansatz, der die optimalen
Investitions- und Finanzierungsentscheidungen für die erste Planungsperiode ermittelt und
die Auswirkungen dieser Entscheidungen bis zum Planungshorizont betrachtet.
Ziel ist die Maximierung der Kapitalwerte der alternativen Investitions- und Finanzierungsprogramme für die Periode t = 1. Dabei muss eine Reihe von Nebenbedingungen beachtet
werden. Im Unterschied zu den klassischen kapitaltheoretischen Modellen werden im Modell von Albach Liquiditätsnebenbedingungen explizit berücksichtigt. Mit Hilfe dieser Liquiditätsnebenbedingungen wird das finanzielle Gleichgewicht für alle Planungsperioden
gewährleistet. Diese Nebenbedingungen besitzen eine besondere Relevanz, da „unabhängig
von der Rechtsform der Unternehmung Illiquidität einen Konkursgrund [seit 1999: Insolvenzgrund, d.Verf.] darstellt“.391 Bezüglich des Produktionsprogrammes – das bei Modellen
der simultanen Investitions- und Finanzplanung für die einzelnen Investitionsprojekte vorgegeben ist – wird die Einhaltung gewisser Produktions- bzw. Absatzgrenzen gefordert.
Für das Modell wird angenommen, dass alle Investitions- und Finanzierungsprojekte beliebig teilbar und bis zu einer bestimmten Obergrenze mehrmals durchgeführt werden können.
Ferner wird vorausgesetzt, dass die Zahlungsreihe einer Einheit bei allen Investitions- und
Finanzierungsprojekten nicht von der Anzahl der realisierten Einheiten abhängt.392
In mathematischer Darstellung lautet das Modell:393
(1) Zielfunktion:
J I
j j i i
j 1 i 1
c x v y max!
? ?
? ? ? ?? ?
Dies bedeutet, dass das angestrebte Ziel die Maximierung des Kapitalwerts des Investitions- und Finanzierungsprogramms ist. Der Wert der Zielfunktion setzt sich zusammen aus den Kapitalwerten der Investitionsprojekte (
J
j j
j 1
c x
?
?? ) und den Kapitalwerten der Finanzierungsprojekte (
I
i i
i 1
v y
?
?? ).
391 Büschgen, Hans E.: Betriebliche Finanzwirtschaft – Unternehmensinvestitionen. Frankfurt a. M.
1981, S. 146. Vgl. ebenso Albach, Horst: Investition und Liquidität. Wiesbaden 1962, S. 92-93.
392 Vgl. dazu Götze, Uwe: Investitionsrechnung. 5. Aufl., Berlin u.a. 2006, S. 303-310; zu den Prämissen und zum Anwendungsbereich vgl. auch Blohm, Hans/Lüder, Klaus/Schaefer, Christina:
Investition. 9. Aufl., München 2006, S. 294-295.
393 Modifiziert entnommen aus Götze, Uwe: Investitionsrechnung. 5. Aufl., Berlin u.a. 2006, S. 303-
306. Vgl. hierzu ebenfalls Albach, Horst: Investition und Liquidität. Wiesbaden 1962, S. 84-107.
7 Die Investitionsprogrammentscheidungen222
(2) Nebenbedingungen:
Liquiditätsbedingungen (finanzielles Gleichgewicht):
J t I t t
j j i i
j 1 0 i 1 0 0
a x b y e , für alle? ? ?
? ?? ? ?? ??
? ? ? ? ??? ?? ?
Damit wird für jeden Zeitpunkt t (t = 0 , ..., T) gewährleistet, dass die kumulierten Auszahlungsüberschüsse aus den Investitions- und Finanzierungsobjekten geringer sind
als die bis zum Zeitpunkt t angesammelten liquiden Mittel (einschließlich des anfänglichen Kassenbestandes).
Produktions- bzw. Absatzbeschränkungen:
J
jkt kt
j 1
z Z
?
??
Die Anzahl der produzierten Einheiten jeder Produktart k (k=1, ..., K) darf zu jedem
Zeitpunkt t (t=0, ..., T) höchstens so hoch sein wie die maximale Absatzmenge.
Projektbedingungen:
j j
i i
x X , für j 1, ... , J;
y Y , für i 1, ... , I
? ?
? ?
Durch diese Gleichungen wird die Anzahl der Projekteinheiten für die Investitionsund Finanzierungsprojekte nach oben beschränkt. Diese Einschränkungen sind notwendig, da es beispielsweise für ein Investitionsprojekt nicht sinnvoll ist, eine beliebige Anzahl von Einheiten zu realisieren. Eine zweckmäßige Nutzung der Investitionsobjekte wäre dann wohl nicht mehr gewährleistet.
(3) Nichtnegativitätsbedingungen:
Das Modell von Albach wird durch Nichtnegativitätsbedingungen abgerundet, die
festlegen, dass die ins Programm aufzunehmenden Investitions- und Finanzierungsvariablen größer oder zumindest gleich null sein müssen:
j
i
x 0, für j 1, ... , J;
y 0, für i 1, ... , I
? ?
? ?
Dabei haben die verwendeten Parameter die folgende Bedeutung:
xj: Anzahl der Einheiten des Investitionsprojektes j (j=1, ..., J);
yi: Umfang der Inanspruchnahme (in Geldeinheiten) des Finanzierungsprojektes i (i=1, ..., I);
cj: Kapitalwert je Einheit des Investitionsprojektes j;
vi: Kapitalwert je EUR aufgenommener Finanzmittel der Art i;
7.3 Die Ansätze der linearen Programmierung 223
aj?: Auszahlungsüberschuss je Einheit des Investitionsobjekts j im Zeitpunkt ?;
bi?: Auszahlungsüberschuss je Einheit des Finanzierungsobjekts i im Zeitpunkt ?;
e?: Menge der bis zum Zeitpunkt ? aufgelaufenen liquiden Mittel;
Xj: Anzahl der maximal realisierbaren Einheiten des Investitionsprojektes j;
Yi: Anzahl der maximal realisierbaren Einheiten des Finanzierungsprojektes i;
zikt: Menge des Produktes k (k=1, ..., K), das mit dem Investitionsprojekt j zum
Zeitpunkt t hergestellt wird;
Zkt: maximale Absatzmenge des Produktes k zum Zeitpunkt t.
Das Programm ist mit Hilfe der Simplex-Methode lösbar.
Beispiel:394
Die Riesling GmbH möchte für ihre beiden Sektionen „Rotwein (RW)“ und „Weißwein (WW)” das
Investitions- und Finanzierungsprogramm mit Hilfe des Modells von Albach simultan planen. Drei
Investitions- und Finanzierungsalternativen stehen der Riesling GmbH zur Verfügung. Der Planungszeitraum beläuft sich auf sechs Jahre. Der Kalkulationszinssatz beträgt 5 %. Folgende Daten
wurden ermittelt (vgl. dazu nochmals Abschnitt 4.2.7):
Investitionsobjekte:
A0 Z1 Z2 Z3 Z4 Z5 Z6 C0
Anlage
I ? 66.000 15.500 15.500 15.500 15.500 15.500 15.500 12.673,23
Anlage
II ? 75.000 17.500 20.000 20.000 16.000 16.000 14.000 13.230,68
Anlage
III ? 66.000 40.000 40.000 20.000 ? 5.000 ? 10.000 ? 20.000 ? 1.219,91
Finanzierungsobjekte:
Höchstgrenze Zinssatz (in %)
Kredit A 80.000 8
Kredit B 300.000 7,5
Kredit C 100.000 7
Bei den Finanzierungsprojekten erfolgt die Einzahlung in t = 0; die Tilgung der Kredite sowie Zinsund Zinseszinszahlungen sind erst im Zeitpunkt t = 6 fällig.
Mit den Anlagen I und III wird in der Sektion RW der Prädikatswein „Dornfelder” abgefüllt; Anlage II soll zur Abfüllung des Prädikatsweines „Kerner” in der Sektion WW eingesetzt werden. Dabei
sind die folgenden maximalen Abfüllmengen und Absatzgrenzen für die Produkte zu berücksichtigen:
394 Entnommen aus Kußmaul, Heinz: Investitionsprogrammentscheidungen. In: Der Steuerberater
1996, S. 191-192; bezüglich der Vorgehensweise vgl. u.a. Götze, Uwe: Investitionsrechnung.
5. Aufl., Berlin u.a. 2006, S. 306-310.
7 Die Investitionsprogrammentscheidungen224
Abfüllmenge
(Flaschen/Jahr) Produkt
Absatzgrenze für das
jeweilige Produkt
(Flaschen/Jahr)
Anlage I 9.500 Dornfelder (Rotwein) 65.000
Anlage III 8.000
Anlage II 10.000 Kerner (Weißwein) 80.000
Als weitere Restriktion ist zu beachten, dass das Investitionsobjekt I höchstens zweimal verwirklicht werden kann und nur ganze Einheiten von Investitionsobjekten realisiert werden können. Au-
ßerdem stehen in t = 0 Eigenmittel in Höhe von 30.000 EUR zur Verfügung.
Mit diesen Daten kann nun ein lineares Programm in Anlehnung an das Modell von Albach formuliert werden. Zur Aufstellung der Zielfunktion werden die Kapitalwerte der Investitions- und Finanzierungsprojekte benötigt. Dazu müssen zunächst noch die Kapitalwerte der Finanzierungsprojekte
berechnet werden. Die Kapitalwerte werden für jedes Finanzierungsprojekt auf einen in Anspruch
genommenen EUR bezogen. Erfolgt im Zeitpunkt t = 0 eine Einzahlung von einem EUR, so beträgt
die Auszahlung im Zeitpunkt t = 6 beispielsweise für Kredit A 1,086 EUR. Somit kann man den auf
einen EUR bezogenen Kapitalwert für Kredit A wie folgt berechnen:
6 6
0AC 1 1,08 1,05 0,18415?? ? ? ? ?
Analog ergibt sich für die Finanzierungsprojekte B und C:
6 6
0B
6 6
0C
C 1 1,075 1,05 0,151635
C 1 1,07 1,05 0,119868
?
?
? ? ? ? ?
? ? ? ? ?
Mit diesen Werten kann die Zielfunktion formuliert werden:
Zielfunktion:
1 2 3
1 2 3
12.673,23 x 13.230,68 x 1.219,91 x
0,18415 y 0,151635 y 0,119868 y max!
? ? ? ? ?
? ? ? ? ? ? ?
Liquiditätsbedingungen:
t = 0 : 1 2 3 1 2 366.000 x 75.000 x 66.000 x y y y 30.000? ? ? ? ? ? ? ? ?
t = 1 : 1 2 3 1 2 350.500 x 57.500 x 26.000 x y y y 30.000? ? ? ? ? ? ? ? ?
t = 2 : 1 2 3 1 2 335.000 x 37.500 x 14.000 x y y y 30.000? ? ? ? ? ? ? ? ?
t = 3 : 1 2 3 1 2 319.500 x 17.500 x 34.000 x y y y 30.000? ? ? ? ? ? ? ? ?
t = 4 : 1 2 3 1 2 34.000 x 1.500 x 29.000 x y y y 30.000? ? ? ? ? ? ? ? ?
t = 5 : 1 2 3 1 2 311.500 x 14.500 x 19.000 x y y y 30.000? ? ? ? ? ? ? ? ? ?
t = 6 :
Als weitere Nebenbedingungen sind die Produktions- bzw. Absatzgrenzen zu berücksichtigen:
1 3
2
9.500 x 8.000 x 65.000
10.000 x 80.000
? ? ? ?
? ?
1 2 3 1 2
3
27.000 x 28.500 x 1.000 x 0,5868743 y 0,5433015 y
0,5007304 y 30.000
? ? ? ? ? ? ? ? ? ?
? ? ?
7.3 Die Ansätze der linearen Programmierung 225
Durch die Beschränkung der Investitionsprojekte und der Finanzierungssummen ergeben sich die
folgenden Projektbedingungen:
1
1
2
3
x 2
y 80.000
y 300.000
y 100.000
?
?
?
?
Außerdem müssen die Nichtnegativitätsbedingungen beachtet werden:
j
i
x 0 für j 1, 2, 3
y 0 für i 1, 2, 3
? ?
? ?
Löst man das Modell mit Hilfe der Simplex-Methode, so ergibt sich die folgende Optimallösung:
1x 2? 1y 2.000?
2x 4? 2y 300.000?
3x 0? 3y 100.000?
Entscheidet sich die Riesling GmbH anhand des Modells von Albach, so würde sie zwei Einheiten
der Anlage I und vier Einheiten der Anlage II realisieren. Anlage III würde nicht in das Investitionsprogramm aufgenommen. Zur Finanzierung würden die Kredite A, B und C in einer jeweiligen
Höhe von 2.000, 300.000 und 100.000 EUR in Anspruch genommen werden. Mit diesem Investitions- und Finanzierungsprogramm würde ein optimaler Kapitalwert (Zielfunktionswert) von
20.423,58 EUR erzielt werden.
7.3.2.2 Die Modellbeurteilung
Gegenüber den klassischen Verfahren der simultanen Investitions- und Finanzplanung weist
das Modell von Albach den Vorteil der Einbeziehung der Bedingung des finanziellen
Gleichgewichts für alle Planperioden auf. Durch die Berücksichtigung von Absatzgrenzen
wird außerdem eine höhere Realitätsnähe erreicht. Der Aufwand für die Bestimmung der
Optimallösung steigt jedoch beträchtlich; schon bei einer geringen Anzahl von Investitionsund Finanzierungsalternativen ist der Einsatz von EDV für die Lösung des linearen Programms notwendig.
Weiterhin wird – wie schon bei den klassischen kapitaltheoretischen Modellen – unterstellt,
dass die Investitions- und Finanzierungsalternativen unabhängig voneinander sind. Diese
Unabhängigkeit ist in der Realität meist nicht gegeben (vgl. dazu auch Abschnitt 7.2.2.2).
Kritisch am Modell von Albach ist außerdem das Fehlen der Ganzzahligkeitsbedingung,
da man Realinvestitionen i.d.R. nur ganz oder gar nicht realisieren kann. Abschließend
muss dem Modell von Albach Inkonsistenz bezüglich der Annahme über die Anlage freiwerdender Mittel während des Planungszeitraums angelastet werden. Die Berücksichtigung
von Kapitalwerten in der Zielfunktion impliziert nämlich die Gültigkeit der Prämissen des
Kapitalwertmodells, d.h., Einzahlungsüberschüsse werden zum Kalkulationszinssatz wieder
angelegt. In den Liquiditätsnebenbedingungen wird dagegen unterstellt, dass die freiwerdenden Mittel unverzinslich in der Kasse gehalten werden (Zahlungen, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten anfallen, werden bei der Summenbildung gleich bewertet). Dieser
7 Die Investitionsprogrammentscheidungen226
modellimmanente Widerspruch zwischen den Annahmen, die bezüglich Zielfunktion und
Liquiditätsnebenbedingungen getroffen werden, wird beim Modell von Hax, das im nächsten Abschnitt vorgestellt wird, vermieden.395
7.3.3 Das Mehrperiodenmodell (Ansatz von Hax undWeingartner)
7.3.3.1 Die Modelldarstellung
Kennzeichnend für ein Mehrperiodenmodell – in diesem Abschnitt wird der Ansatz von Hax
und Weingartner vorgestellt – ist die mögliche Realisierung von Investitions- und Finanzierungsmöglichkeiten zu unterschiedlichen Zeitpunkten des Planungszeitraums.396 Für die
Rückflüsse wird also keine Verzinsung zum Kalkulationszinssatz mehr unterstellt, vielmehr
werden sie explizit reinvestiert. Finanzielle Mittel, die vor dem Ende des Planungszeitraums freigesetzt werden, können in unbeschränkter Höhe für jeweils eine Periode zu einem
vorgegebenen Zinssatz in Form einer unbeschränkten Finanzinvestition angelegt werden.
Der Zinssatz der unbeschränkten Finanzinvestition übernimmt die Aufgabe des Kalkulationszinssatzes als eine Art Mindestverzinsung, da nur Sachinvestitionen mit einer höheren
Rentabilität mit dieser Finanzinvestition konkurrieren können. Da jedoch nur Investitionsund Finanzierungsprojekte, die zu Beginn des Planungszeitraums bekannt sind, explizit
berücksichtigt werden können, muss der Planungszeitraum beschränkt werden. Auswirkungen der Investitions- und Finanzierungsprojekte, die über den Planungshorizont hinausgehen, müssen auf das Ende des Planungshorizontes diskontiert werden. Somit kann auch in
diesem Modell auf eine Diskontierung mit dem Kalkulationszinssatz nicht ganz verzichtet
werden.
Im Unterschied zum Modell von Albach werden die Investitions- und Finanzierungsprogramme für alle Teilperioden simultan geplant. Außerdem wird wieder unterstellt, dass
die Investitions- und Finanzierungsprojekte mehrfach durchgeführt werden können; die Zahl
der möglichen Realisationen wird nach oben beschränkt. Ebenso wie im Modell von Albach
wird angenommen, dass die Zahlungsreihen der Investitions- und Finanzierungsprojekte
nicht vom Ausmaß der Realisierung abhängen. Gesucht wird die Kombination von Investitions- und Finanzierungsmöglichkeiten, die den Vermögensendwert am Ende des Planungszeitraums unter Berücksichtigung der Nebenbedingungen maximiert. Zusätzlich wird in der
Zielfunktion eine gewisse, über alle Perioden des Planungszeitraums konstante Entnahme
berücksichtigt.
Die Nebenbedingungen des finanziellen Gleichgewichts sind durch die unterschiedliche
Gestaltung für die Anfangsperiode, die laufenden Perioden und die letzte Periode komplexer
als im Modell von Albach. Die übrigen Nebenbedingungen entsprechen den in den kapital-
395 Zur Modellbeurteilung vgl. Büschgen, Hans E.: Betriebliche Finanzwirtschaft – Unternehmensinvestitionen. Frankfurt a. M. 1981, S.146-147 sowie Götze, Uwe: Investitionsrechnung. 5. Aufl.,
Berlin u.a. 2006, S. 310.
396 Vgl. Hax, Herbert: Investitions- und Finanzplanung mit Hilfe der linearen Programmierung. In:
Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung 1964, S. 435-445 sowie Weingartner, Hans M.:
Mathematical Programming and the Analysis of Capital Budgeting Problems. Englewood Cliffs
1963, S. 139-157.
7.4 Zusammenfassende Kritik 227
theoretischen Modellen formulierten Bedingungen. Bei der Modellformulierung wird explizit auf die Möglichkeit, Ganzzahligkeitsbedingungen zu berücksichtigen, hingewiesen.
Auf die mathematische Darstellung soll an dieser Stelle verzichtet werden.397 Die Lösung
des Problems ist wieder mit dem Simplex-Algorithmus möglich (eventuell verbunden mit
einer Ganzzahligkeitsbedingung).
7.3.3.2 Die Modellbeurteilung
Die Vorteile des Ansatzes von Hax und Weingartner gegenüber dem Einperiodenfall von
Albach liegen zum einen im Verzicht auf den problematischen Kalkulationszinssatz, zum
anderen in der Darstellung eines Mehrperiodenmodells. Unrealistisch ist auch bei diesem
Modell die Voraussetzung, die Investitionsprojekte seien isolierbar und unabhängig, sowohl
untereinander als auch von den Finanzierungsmöglichkeiten. Durch die Einführung von
Ganzzahligkeitsbedingungen können allerdings gewisse Abhängigkeiten zwischen den
Investitionsprojekten dargestellt werden. Die weiteren dem Modell zugrunde gelegten Prämissen stimmen mit den Voraussetzungen der bisher betrachteten Modelle weitgehend
überein. So wird weiterhin unterstellt, dass das optimale Produktionsprogramm vorgegeben
ist; die Berücksichtigung des Absatzes erfolgt auch beim Modell von Hax und Weingartner
nur in Obergrenzen.398
Zusammenfassende Kritik
7.4 Zusammenfassende Kritik an den Modellen der simultanen
Unternehmungsplanung
7.4.1 Die grundsätzlichen Kritikpunkte bezüglich der Modelle zur
simultanen Unternehmungsplanung
7.4.1.1 Die Datenbeschaffungsprobleme
Die praktische Anwendbarkeit der Modelle zur simultanen Investitions- und Finanzplanung
wird bei den Mehrperiodenmodellen dadurch erschwert, dass nicht nur die zu Beginn des
Planungszeitraums anstehenden Investitions- und Finanzierungsmöglichkeiten und ihre zukünftigen Auswirkungen erfasst werden müssen, sondern auch sämtliche Daten der während
des gesamten Planungszeitraums zu treffenden Investitions- und Finanzierungsentscheidungen mit ihren entsprechenden Auswirkungen. Die Schwierigkeiten liegen dabei in der Vielzahl der Daten, die gerade bei sehr komplexen Modellen (vor allem bei Einbeziehung des
Produktionsplans) zu erheblichen Datenbeschaffungsproblemen führt. Erschwerend kommt
hinzu, dass die Daten nicht von einer zentralen Quelle in der Unternehmung bezogen werden können, sondern aus den einzelnen Abteilungen mühsam zusammengetragen werden
müssen.399 Die benötigten Daten sind zudem prognoseabhängig und mit zunehmender Län-
397 Das zum Modell gehörende Gleichungssystem findet sich beispielsweise bei Blohm, Hans/Lüder,
Klaus/Schaefer, Christina: Investition. 9. Aufl., München 2006, S. 290-294; Götze, Uwe: Investitionsrechnung. 5. Aufl., Berlin u.a. 2006, S. 311-322; Perridon, Louis/Steiner, Manfred: Finanzwirtschaft der Unternehmung. 14. Aufl., München 2007, S. 88-91.
398 Zur Kritik vgl. insbesondere Perridon, Louis/Steiner, Manfred: Finanzwirtschaft der Unternehmung. 14. Aufl., München 2007, S. 91.
399 Vgl. dazu Kruschwitz, Lutz: Investitionsrechnung. 12. Aufl., München 2009, S. 283.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Zu Beginn dieses Lehrbuches wird auf die grundlegenden Prinzipien und Bestandteile der Finanzwirtschaft eingegangen. Daran schließt sich die umfangreiche Auseinandersetzung mit der Investition (und hier vor allem mit den Verfahren der Investionsrechnung) an. Dabei werden alle theorie- und praxisrelevanten Facetten behandelt. Zur Veranschaulichung der Inhalte dient ein durchgehendes Beispiel. Im letzten Kapitel wird sich mit Fragen der Unternehmensbewertung (inkl. DCF-Verfahren) auseinandergesetzt.
- Einführendes Lehrbuch in die Verfahren der Investitionsrechnung
- Behandelt werden theoretische wie praxisrelevante Fragestellungen.
- Zusammenhänge und finanzwirtschaftliche Entscheidungskriterien
- Einordnung von Investitionsrechnung und Investitionsentscheidungen
- Statische und dynamische Verfahren der Investitionsrechnung
- Dynamische Verfahren der Investitionsrechung
- Bestimmung der optimalen Nutzungsdauer und des Ersatzzeitpunktes von Investitionen
- Unsicherheit bei Investitionsentscheidungen
- Investitionsprogrammentscheidungen
- Entscheidungen über Finanzinvestitionen
"Insgesamt betrachtet liegt hier ein beachtliches Nachschlagewerk zum Themenkomplex Investition und Finanzierung vor, das jede einschlägige Frage in ihren Grundzügen beantwortet… Angehenden Betriebswirten und Praktikern kann das Handbuch uneingeschränkt empfohlen werden."
Ingo Nautsch in "Die Bank" zur Vorauflage der Bände.
Prof. Dr. Hartmut Bieg ist Inhaber des Lehrstuhls für Bankbetriebslehre an der Universität des Saarlandes.
Professor Dr. Heinz Kußmaul ist Direktor des Betriebswirtschaftlichen Instituts für Steuerlehre und Entrepreneurship am Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, an der Universität des Saarlandes.
Für Studierende der Betriebswirtschaftslehre im Bachelor für das Fach Investition & Finanzierung an Universitäten, Fachhochschulen und Berufsakademien. Das Buch bietet aber auch Praktikern zahlreiche Anhaltspunkte zur Lösung von Investitionsproblemen.