5 Die Berücksichtigung der Steuern und Geldentwertung176
Ri : realer Kalkulationszinssatz.
Möchte man bei Prognose veränderlicher Geldentwertungsraten auch die Ertragsteuern mit
in die Investitionsrechnung einbeziehen, so ist analog zu verfahren. Dabei muss zunächst bei
den Ein- und Auszahlungen die Preisänderungsrate berücksichtigt werden, ehe anschließend
eine Berechnung des Diskontierungszinssatzes (realer Kalkulationszinssatz unter Berücksichtigung der Ertragsteuerwirkung) zu erfolgen hat. Danach kann eine Ermittlung des
Kapitalwerts der Investition unter Einbeziehung von Geldentwertung und Ertragsteuern bei
Realwertrechnung erfolgen.323
Beispiel zur Wirkung der Steuern und der Geldentwertung
5.5 Beispiel zur Wirkung der Steuern und der Geldentwertung auf
die Investitionsrechnung324
Die Ausgangsdaten des Fallbeispiels zur Wirkung der Steuern und der Geldentwertung auf
die Investitionsrechnung entsprechen denen des Beispiels zu den statischen und dynamischen Verfahren der Investitionsrechnung (vgl. dazu Abschnitt 3.6 und 4.2.7).
Zur besseren Anschaulichkeit der nachfolgenden Berechnungen erfolgt nochmals eine kurze
Darstellung der entscheidungsrelevanten Daten.
? Einzahlungsüberschüsse der alternativ zur Verfügung stehenden Anlagen:
A0 Z1 Z2 Z3 Z4 Z5 Z6
Anlage I ? 66.000 15.500 15.500 15.500 15.500 15.500 15.500
Anlage II ? 75.000 17.500 20.000 20.000 16.000 16.000 14.000
? Kalkulationszinssatz vor Steuern: i = 0,05;
? Nutzungsdauer: n=6 Jahre.
(6) Wie hoch ist der Kapitalwert der beiden Anlagen nach Ertragsteuern, wenn folgende
Daten zugrunde gelegt werden:
Liquidationserlös der Anlage I bzw. der Anlage II: LnI= 0 und LnII= 0;
Restbuchwert der beiden Anlagen am Ende der Nutzungsdauer: RBnI= 0 und
RBnII= 0;
Verteilung der Abschreibungsbeträge: linear über einen Zeitraum von 6 Jahren;
Körperschaftsteuersatz: 15 %;
gewerbesteuerlicher Hebesatz: 400 %;
der Solidaritätszuschlag wird nicht berücksichtigt.
323 Vgl. dazu mit ausführlichem Beispiel Busse von Colbe, Walther/Laßmann, Gert: Betriebswirtschaftstheorie. Band 3. 3. Aufl., Berlin 1990, S. 84-85.
324 Modifiziert entnommen aus Kußmaul, Heinz: Berücksichtigung der Steuern und Geldentwertung
in der Investitionsrechnung. In: Der Steuerberater 1996, S. 18-21.
5.5 Beispiel zur Wirkung der Steuern und der Geldentwertung 177
(7) Wie hoch ist der Kapitalwert der Anlage I unter Berücksichtigung der Geldentwertung
bei Realwertrechnung, wenn eine jährliche Geldentwertungsrate von 3 % prognostiziert wird?
Lösung:
(6) Da hier der Habenzinssatz (Eigenkapitalkostensatz) vor Steuern und der Sollzinssatz
(Fremdkapitalkostensatz) vor Steuern nicht voneinander abweichen und auch keine
projektbezogene Finanzierung über die Aufnahme einer bestimmten Fremdkapitalmenge unter Abzug eines Disagio erfolgt, kann zur Berechnung des Kapitalwerts der
beiden Anlagen nach Ertragsteuern das Standardmodell verwendet werden:
? ? ? ?
? ? ? ?
n
t
0s 0 t er t t s
t 1
n
n er n n s
C A Z s Z AfA 1 i
L s L RB 1 i
?
?
?
? ?? ? ? ? ? ? ? ?? ?
? ?? ? ? ? ? ?? ?
?
Wie aus dieser Gleichung ersichtlich ist, besteht zunächst das Erfordernis, den entscheidungsrelevanten Kalkulationszinssatz nach Ertragsteuern is festzulegen:
? ?s eri i 1 s? ? ?
mit er kst ges s s? ?
und ge ge ges m h? ?
Bei Zugrundelegung eines gewerbesteuerlichen Hebesatzes von 400 % ergibt sich ein
maßgeblicher Gewerbeertragsteuersatz sge in Höhe von 14 %.
Für den Ertragsteuersatz ser gilt dann Folgendes:
ers 0,15 0,14 0,29? ? ?
Als Kalkulationszinssatz nach Steuern is erhält man also folgenden Wert:
? ?si 1 0,29 0,05 0,0355? ? ? ?
Der Kalkulationszinssatz nach Steuern is in Höhe von 3,55 % ist als maßgeblicher Diskontierungsfaktor für die weitere Berechnung unter Steuereinfluss zugrunde zu legen.
Im Folgenden wird die Bestimmung der Kapitalwerte nach Ertragsteuern aus Gründen der Übersichtlichkeit anhand einer Tabelle veranschaulicht.
5 Die Berücksichtigung der Steuern und Geldentwertung178
Anlage I:
Zahlungszeitpunkt
t
Anschaffungsauszahlung
A0
Zahlungs-
überschüsse
(Zeitwert)
Zt
Abschreibungen
AfAt
Steuerzahlungen
ser ·
(Zt?AfAt)
Zahlungs-
überschüsse nach
Steuern
Zts
Barwert der
Zahlungs-
überschüsse
nach
Steuern
0 ? 66.000 ? 66.000,00
1 15.500 11.000 1.305 14.195 13.708,35
2 15.500 11.000 1.305 14.195 13.238,39
3 15.500 11.000 1.305 14.195 12.784,54
4 15.500 11.000 1.305 14.195 12.346,25
5 15.500 11.000 1.305 14.195 11.922,98
6 15.500 11.000 1.305 14.195 11.514,23
Kapitalwert nach Ertragsteuern C0S + 9.514,74
Anlage II:
Zahlungszeitpunkt
t
Anschaffungsauszahlung
A0
Zahlungs-
überschüsse
(Zeitwert)
Zt
Abschreibungen
AfAt
Steuerzahlungen
ser ·
(Zt?AfAt)
Zahlungs-
überschüsse nach
Steuern
Zts
Barwert der
Zahlungs-
überschüsse
nach
Steuern
0 ? 75.000 ? 75.000,00
1 17.500 12.500 1.450 16.050 15.499,76
2 20.000 12.500 2.175 17.825 16.623,76
3 20.000 12.500 2.175 17.825 16.053,85
4 16.000 12.500 1.015 14.985 13.033,36
5 16.000 12.500 1.015 14.985 12.586,54
6 14.000 12.500 435 13.565 11.003,20
Kapitalwert nach Ertragsteuern C0S + 9.800,47
Der Kapitalwert beider Anlagen unter Berücksichtigung der Ertragsteuern ist größer
als null, wodurch jede Anlage für sich gesehen vorteilhaft ist. Im direkten Vergleich
beider Anlagen erweist sich die Anlage II aufgrund des höheren Kapitalwerts vorteilhafter als die Anlage I.
(7) Die Ermittlung des Kapitalwerts eines Investitionsprojektes unter Berücksichtigung
der Geldentwertung vollzieht sich im Falle der Realwertrechnung nach folgender
Formel:
? ? ? ?
n ttR R
0 g t
t 0
C Z 1 g 1 i
??
?
? ? ? ? ??
Dazu ist die Bestimmung des realen Kalkulationszinssatzes iR notwendig:
5.5 Beispiel zur Wirkung der Steuern und der Geldentwertung 179
R 1 ii 1
1 g
?
? ?
?
wobei:
i: nominaler Kalkulationszinssatz;
Ri : realer Kalkulationszinssatz;
g: konstante jährliche Geldentwertungsrate.
Es ergibt sich also als realer Kalkulationszinssatz
R 1,05i 1 0,0194175
1,03
? ? ?
Der Kapitalwert der Anlage I unter Berücksichtigung der Geldentwertung kann demnach folgendermaßen bestimmt werden:
Zahlungszeitpunkt
t
Anschaffungsauszahlung
A0
Zahlungs-
überschüsse
(Zeitwert)
Zt
Deflationsfaktoren
(1+g)–t für
g=0,03
Zahlungs-
überschüsse
(deflationiert)
Barwert der
Zahlungs-
überschüsse
0 ? 66.000 1 ? 66.000,00
1 15.500 1,03 –1 15.048,54 14.761,90
2 15.500 1,03 –2 14.610,24 14.058,96
3 15.500 1,03 –3 14.184,70 13.389,49
4 15.500 1,03 –4 13.771,55 12.751,89
5 15.500 1,03 –5 13.370,44 12.144,66
6 15.500 1,03 –6 12.981,01 11.566,34
Kapitalwert unter Berücksichtigung der Geldentwertung C0g + 12.673,24
DieBerücksichtigungderUnsicherheit
6 Die Berücksichtigung der Unsicherheit bei
Investitionsentscheidungen
6.1 Die Formen der Unsicherheit
Investitionsentscheidungen werden in der Praxis regelmäßig in Unkenntnis der genauen
Zukunftsentwicklung getroffen. Jede im Investitionsproblem zu berücksichtigende Variable
kann abhängig von den später tatsächlich eintretenden Umweltkonstellationen mehrere
verschiedene Werte annehmen; man spricht dann von einer Zufallsvariablen. Diese Zufallsvariablen sind entweder unabhängig voneinander oder sie beeinflussen sich gegenseitig,
was unter anderem mathematisch-statistisch unterschiedliche Auswirkungen hat. Ist mindestens eine Variable des Investitionsproblems zufallsabhängig, so findet die Entscheidung
unter Unsicherheit statt. Dabei sind zwei verschiedene Typen von Unsicherheitssituationen
zu unterscheiden: Risikosituationen sind dadurch gekennzeichnet, dass der Entscheidungsträger dazu in der Lage ist, den möglichen Datenkonstellationen Eintrittswahrscheinlichkeiten zuzuordnen. Beruhen diese Wahrscheinlichkeiten auf statistischen Untersuchungen, so
dass man sie aus empirischen Häufigkeitsverteilungen der Ergebnisse gleichartiger Entscheidungssituationen ableiten kann, so sind die Wahrscheinlichkeiten objektiv. Subjektive
Wahrscheinlichkeiten werden dagegen auf der Basis subjektiver Erfahrungen und Überlegungen des Entscheidungsträgers gebildet.
Da in den Unternehmungen bei Investitionsentscheidungen aufgrund fehlender Erfahrungswerte die Ableitung objektiver Wahrscheinlichkeiten problematisch ist, wird in der Praxis –
wenn überhaupt – meist mit subjektiven Wahrscheinlichkeiten gerechnet. Ist der Entscheidungsträger nicht dazu imstande, für das Eintreten der möglichen Datenkonstellationen
objektive oder auch nur subjektive Wahrscheinlichkeiten anzugeben, so liegt eine Ungewissheitssituation vor.325
Die Begriffe Unsicherheit und Ungewissheit werden in der Literatur nicht einheitlich verwendet. So gliedern z.B. Busse von Colbe/Laßmann den Oberbegriff „Ungewissheit“ in
Risiko und Unsicherheit im engeren Sinne, wobei für Unsicherheit im engeren Sinne unterstellt wird, „der Investor habe keinerlei Kenntnisse über die Eintrittswahrscheinlichkeiten
der verschiedenen Datenkonstellationen”.326
325 Zu den Begriffsdefinitionen und der Systematisierung der Unsicherheit vgl. insbesondere Bamberg, Günter/Coenenberg, Adolf G./Krapp, Michael: Betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre.
14. Aufl., München 2008, S. 19; Bieg, Hartmut: Betriebswirtschaftslehre 1: Investition und Unternehmungsbewertung. 2. Aufl., Freiburg i. Br. 1997, S. 149; Kruschwitz, Lutz: Investitionsrechnung. 12. Aufl., München 2009, S. 293-294; Perridon, Louis/Steiner, Manfred: Finanzwirtschaft
der Unternehmung. 14. Aufl., München 2007, S. 93-132.
326 Busse von Colbe, Walther/Laßmann, Gert: Betriebswirtschaftstheorie. Band 3. 3. Aufl., Berlin
1990, S. 156; eine ähnliche Begriffsunterscheidung findet sich bei Schneeweiß, Hans: Entscheidungskriterien bei Risiko. Berlin/Heidelberg/New York 1967, S. 12.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Zu Beginn dieses Lehrbuches wird auf die grundlegenden Prinzipien und Bestandteile der Finanzwirtschaft eingegangen. Daran schließt sich die umfangreiche Auseinandersetzung mit der Investition (und hier vor allem mit den Verfahren der Investionsrechnung) an. Dabei werden alle theorie- und praxisrelevanten Facetten behandelt. Zur Veranschaulichung der Inhalte dient ein durchgehendes Beispiel. Im letzten Kapitel wird sich mit Fragen der Unternehmensbewertung (inkl. DCF-Verfahren) auseinandergesetzt.
- Einführendes Lehrbuch in die Verfahren der Investitionsrechnung
- Behandelt werden theoretische wie praxisrelevante Fragestellungen.
- Zusammenhänge und finanzwirtschaftliche Entscheidungskriterien
- Einordnung von Investitionsrechnung und Investitionsentscheidungen
- Statische und dynamische Verfahren der Investitionsrechnung
- Dynamische Verfahren der Investitionsrechung
- Bestimmung der optimalen Nutzungsdauer und des Ersatzzeitpunktes von Investitionen
- Unsicherheit bei Investitionsentscheidungen
- Investitionsprogrammentscheidungen
- Entscheidungen über Finanzinvestitionen
"Insgesamt betrachtet liegt hier ein beachtliches Nachschlagewerk zum Themenkomplex Investition und Finanzierung vor, das jede einschlägige Frage in ihren Grundzügen beantwortet… Angehenden Betriebswirten und Praktikern kann das Handbuch uneingeschränkt empfohlen werden."
Ingo Nautsch in "Die Bank" zur Vorauflage der Bände.
Prof. Dr. Hartmut Bieg ist Inhaber des Lehrstuhls für Bankbetriebslehre an der Universität des Saarlandes.
Professor Dr. Heinz Kußmaul ist Direktor des Betriebswirtschaftlichen Instituts für Steuerlehre und Entrepreneurship am Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, an der Universität des Saarlandes.
Für Studierende der Betriebswirtschaftslehre im Bachelor für das Fach Investition & Finanzierung an Universitäten, Fachhochschulen und Berufsakademien. Das Buch bietet aber auch Praktikern zahlreiche Anhaltspunkte zur Lösung von Investitionsproblemen.