DieBerücksichtigungderSteuernundGeldentwertung
5 Die Berücksichtigung der Steuern und Geldentwertung
in der Investitionsrechnung
Die Begründung für die Berücksichtigung von Steuern
5.1 Die Begründung für die Berücksichtigung von Steuern
Bei der allgemeinen Darstellung der oftmals stark vereinfachten Investitionsrechenverfahren
wird zumeist davon ausgegangen, dass der Investor in einer Welt lebt, in der keine Steuern
zu zahlen sind, bzw. dass die Steuern für die Entscheidung über Investitionen keine Rolle
spielen. In der Realität wirkt das Vorhandensein der Steuern auf die Vorteilhaftigkeit von
Investitionsprojekten sowohl hinsichtlich der absoluten Höhe als auch der zeitlichen Struktur der durch eine Investition bedingten Zahlungsströme.272 Um eine einigermaßen realitätsnahe Investitionsrechnung durchführen zu können, ist es daher erforderlich, die steuerlichen
Handlungsmöglichkeiten des Investors sowie die steuerlichen Folgen seines Handelns im
Investitionsrechnungsmodell explizit zu berücksichtigen.273
Andere Ansätze in der Literatur gehen dahin, sogenannte „steuersensitive“ von sogenannten „nichtsteuersensitiven“ Entscheidungssituationen abzugrenzen, um zu überprüfen, ob
bestimmte Investitionstypen oder bei Investitionsentscheidungen generell bestimmte Berei-
272 Vgl. Bieg, Hartmut: Betriebswirtschaftslehre 1: Investition und Unternehmungsbewertung.
2. Aufl., Freiburg i. Br. 1997, S. 101.
273 Vgl. dazu u.a. Georgi, Andreas A.: Analyse der Notwendigkeit einer Berücksichtigung von Steuern in der Investitionsplanung, In: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung 1985, S. 891-
911; Heurung, Rainer: Zum Einfluß marginaler Steuersatzänderungen auf Investitionsentscheidungen. In: Der Betrieb 1985, S. 661-670; Mellwig, Winfried: Besteuerung und Investitionsentscheidung – Steuerlast und Vorteilhaftigkeit von Investitionen. In: Das Wirtschaftsstudium 1989,
S. 231-232; Mellwig, Winfried: Kompendium für das Examen zum vBP/WP, Band 2: Betriebswirtschaft. 2. Aufl., Hamburg 1994, S. 206; Neus, Werner/Hinten, Peter von: Besteuerung und Investitionsvolumen bei unsicheren Erwartungen. In: Die Betriebswirtschaft 1992, S. 235-248;
Schneeloch, Dieter: Besteuerung und betriebliche Steuerpolitik. Band 2: Betriebliche Steuerpolitik. 2. Aufl., München 2002, S. 210; Schneider, Dieter: Investition, Finanzierung und Besteuerung.
7. Aufl., Wiesbaden 1992, S. 321; Schult, Eberhard: Betriebswirtschaftliche Steuerlehre. 4. Aufl.,
München/Wien 2002, S. 307-316; Wagner, Franz W.: Der Steuereinfluß in der Investitionsplanung
– Eine Quantité négligeable? In: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung 1981, S. 47-52;
Wagner, Franz W.: Die Integration der Besteuerung in die unternehmerische Planung. In: Der Betrieb 1980, S. 553; Wagner, Franz W./Dirrigl, Hans: Die Steuerplanung der Unternehmung. Stuttgart/New York 1980, S. 5.
5 Die Berücksichtigung der Steuern und Geldentwertung152
che existieren, bei denen es durch die Berücksichtigung der Steuerbelastungen nicht zu einer
Umkehrung der Vorteilhaftigkeit im Vergleich zum Nichtsteuerfall kommt.274
Bezüglich der Größe und Bedeutung derartiger steuersensitiver Bereiche bei Investitionsentscheidungen besteht in der Literatur Unstimmigkeit, die einerseits auf den unterschiedlichen Prämissen der verwendeten Modelle beruht und andererseits auf differenzierten
Meinungen dahingehend, welche Fallkonstellationen noch als typische Investitionen anzusehen sind oder inwieweit bereits Sonderfälle vorliegen.275
Da bei der Beurteilung über die Einstufung der Investition als „typisch“ oder „außergewöhnlich" ebenso wie bei der Beurteilung eines Fehlers infolge der Nichtberücksichtigung der
Steuern auf dessen Bedeutungsgrad immer subjektive Werturteile einfließen und da hinsichtlich der konkreten Bedeutung von Steuerwirkungen im Allgemeinen nur tendenzielle
Aussagen getroffen werden können, empfiehlt sich die Einbeziehung von Steuern in die
Entscheidungsmodelle der Investitionsrechnung.276 Allerdings ist das deutsche Steuerrecht
komplex; dies führt zu einem erheblichen Planungsaufwand, wenn man – auch unter Einbeziehung steuerlicher Gesichtspunkte – möglichst optimale Entscheidungen treffen möchte.
Beeinflusst wird durch Steuern in erster Linie die Auszahlungsseite einer Investition. Ist der
Investor allerdings imstande, die anfallenden Steuern gänzlich oder zumindest teilweise über
die Absatzpreise der durch den betrieblichen Prozess erstellten Leistungen auf die Abnehmer zu überwälzen, so wird auch die Einzahlungsseite berührt; es hat also eine Korrektur
der prognostizierten Umsatzerlöse zu erfolgen. Aus diesem Grunde müssen die überwälzten
Steuern nicht mehr gesondert als Komponente bei den Einzahlungen berücksichtigt werden.
Auf jeden Fall zu erfassen sind Steuerzahlungen dagegen im Rahmen der Auszahlungen,
die sich bei Realisierung eines bestimmten Investitionsprojektes ergeben. Hier spielen vor
allem
274 Vgl. dazu ausführlich Georgi, Andreas A.: Analyse der Notwendigkeit einer Berücksichtigung von
Steuern in der Investitionsplanung, In: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung 1985,
S. 891-911; Georgi, Andreas A.: Steuern in der Investitionsplanung – Eine Analyse der Entscheidungsrelevanz von Ertrag- und Substanzsteuern –. 2. Aufl., Hamburg 1994; Mellwig, Winfried:
Besteuerung und Investitionsentscheidung – Steuerlast und Vorteilhaftigkeit von Investitionen. In:
Das Wirtschaftsstudium 1989, S. 231-235; Mellwig, Winfried: Investition und Besteuerung. Wiesbaden 1985, S. 109-131; Mellwig, Winfried: Sensitivitätsanalyse des Steuereinflusses in der Investitionsplanung – Überlegungen zur praktischen Relevanz einer Berücksichtigung der Steuern bei
der Investitionsentscheidung. In: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung 1980, S. 16-39;
Steiner, Jürgen: Ertragsteuern in der Investitionsplanung. Zur Frage der Entscheidungsstabilität
bei der Vorteilhaftigkeitsanalyse von Einzelobjekten. In: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche
Forschung 1983, S. 280-291; Wagner, Franz W.: Der Steuereinfluß in der Investitionsplanung –
Eine Quantité négligeable? In: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung 1981, S. 47-52;
Wöhe, Günter/Bieg, Hartmut: Grundzüge der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre. 4. Aufl., München 1995, S. 353.
275 Vgl. dazu z.B. Georgi, Andreas A.: Analyse der Notwendigkeit einer Berücksichtigung von Steuern in der Investitionsplanung, In: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung 1985, S. 907-
910; Georgi, Andreas A.: Steuern in der Investitionsplanung – Eine Analyse der Entscheidungsrelevanz von Ertrag- und Substanzsteuern –. 2. Aufl., Hamburg 1994, S. 159-163, S. 184-185 und
S. 240-243; Mellwig, Winfried: Besteuerung und Investitionsentscheidung – Steuerlast und Vorteilhaftigkeit von Investitionen. In: Das Wirtschaftsstudium 1989, S. 235; Mellwig, Winfried: Investition und Besteuerung. Wiesbaden 1985, S. 109-116.
276 Vgl. Wöhe, Günter/Bieg, Hartmut: Grundzüge der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre. 4. Aufl.,
München 1995, S. 354.
5.2 Der Einfluss verschiedener Steuerarten auf die Investitionsentscheidung 153
? die im Anschaffungspreis für ein konkretes, investitionsbezogenes Wirtschaftsgut auf
die erwerbende Unternehmung überwälzten Steuern,
? die durch den Anschaffungsvorgang ausgelösten Steuern,
? Grund- und Kfz-Steuer auf das Investitionsobjekt sowie
? die vom jeweiligen Periodengewinn, der infolge des Investitionsprojektes entsteht, abhängigen Ertragsteuern (Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer) sowie der auf
Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer anfallende Solidaritätszuschlag
eine wesentliche, das Investitionsprojekt u.U. stark beeinflussende Rolle und dürfen daher
bei der Vorteilhaftigkeitsbetrachtung nicht vernachlässigt werden.277
Zu berücksichtigen ist aber, dass eine Erfassung des Steuereinflusses in Investitionsrechnungsmodellen nicht nur im Rahmen der Zahlungsgrößen zum Ausdruck kommt, sondern
auch über den Ansatzpunkt Kalkulationszinssatz; es muss konsequenterweise eine Korrektur des Kalkulationszinssatzes erfolgen.278
Der Einfluss verschiedener Steuerarten auf die Investitionsentscheidung
5.2 Der Einfluss verschiedener Steuerarten auf die Investitionsentscheidung
5.2.1 Die Ertragsteuern
Eine Berücksichtigung der vom Periodengewinn abhängigen Ertragsteuern in der Investitionsrechnung ist besonders problematisch, da
? die durch ein einzelnes Projekt ausgelöste Gewinnänderung zugrunde gelegt werden
muss;
? die der Steuer unterliegenden Periodengewinne im Allgemeinen nicht mit den Einzahlungsüberschüssen der einzelnen Perioden übereinstimmen;
? der einkommen- bzw. körperschaftsteuerpflichtige Gewinn aufgrund der gewerbesteuerlichen Hinzurechnungs- und Kürzungsvorschriften nicht mit dem gewerbesteuerpflichtigen Gewinn übereinstimmt;
? bei der Einkommensteuer zum einen wegen des progressiven Tarifs eine Abhängigkeit
der Steuerbelastung nicht nur vom Gewinn des untersuchten Investitionsprojekts gegeben ist, sondern auch vom Gesamtgewinn der Unternehmung, von dessen Aufteilung
auf die Kapitaleigner sowie von deren sonstigen Einkünften und von deren persönli-
277 Vgl. dazu u.a. Adam, Dietrich: Investitionscontrolling. 3. Aufl., München/Wien 2000, S. 163;
Bieg, Hartmut: Betriebswirtschaftslehre 1: Investition und Unternehmungsbewertung. 2. Aufl.,
Freiburg i. Br. 1997, S. 101; Busse von Colbe, Walther/Laßmann, Gert: Betriebswirtschaftstheorie.
Band 3. 3. Aufl., Berlin 1990, S. 65-66; Mellwig, Winfried: Die Erfassung der Steuern in der Investitionsrechnung – Grundprobleme und Modellvarianten. In: Das Wirtschaftsstudium 1989,
S. 35; Perridon, Louis/Steiner, Manfred: Finanzwirtschaft der Unternehmung. 14. Aufl., München
2007, S. 69.
278 Vgl. Bieg, Hartmut: Die Verfahren der Investitionsrechnung und ihre Verwendung in der Praxis.
In: Der Steuerberater 1985, S. 75.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Zu Beginn dieses Lehrbuches wird auf die grundlegenden Prinzipien und Bestandteile der Finanzwirtschaft eingegangen. Daran schließt sich die umfangreiche Auseinandersetzung mit der Investition (und hier vor allem mit den Verfahren der Investionsrechnung) an. Dabei werden alle theorie- und praxisrelevanten Facetten behandelt. Zur Veranschaulichung der Inhalte dient ein durchgehendes Beispiel. Im letzten Kapitel wird sich mit Fragen der Unternehmensbewertung (inkl. DCF-Verfahren) auseinandergesetzt.
- Einführendes Lehrbuch in die Verfahren der Investitionsrechnung
- Behandelt werden theoretische wie praxisrelevante Fragestellungen.
- Zusammenhänge und finanzwirtschaftliche Entscheidungskriterien
- Einordnung von Investitionsrechnung und Investitionsentscheidungen
- Statische und dynamische Verfahren der Investitionsrechnung
- Dynamische Verfahren der Investitionsrechung
- Bestimmung der optimalen Nutzungsdauer und des Ersatzzeitpunktes von Investitionen
- Unsicherheit bei Investitionsentscheidungen
- Investitionsprogrammentscheidungen
- Entscheidungen über Finanzinvestitionen
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Prof. Dr. Hartmut Bieg ist Inhaber des Lehrstuhls für Bankbetriebslehre an der Universität des Saarlandes.
Professor Dr. Heinz Kußmaul ist Direktor des Betriebswirtschaftlichen Instituts für Steuerlehre und Entrepreneurship am Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, an der Universität des Saarlandes.
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