B. Struktur und Systeme der Kosten- und Erlösrechnung
I. Komponenten von Kosten- und Erlösrechnungen
Die Kosten- und Erlösrechnung ist neben der handelsrechtlich vorgeschriebenen Finanzbuchhaltung das von Unternehmungen am intensivsten genutzte
Rechnungssystem. Dies ist wohl der Grund, dass sich für ihre Gestaltung ein
relativ einheitlicher Aufbau herausgebildet hat. Auch wenn es eine Vielzahl
von Systemen der Kosten- und Erlösrechnung gibt, enthalten sie weitgehend
übereinstimmende Komponenten.
1. Kosten-, Erlös- und Erfolgsrechnungen
Mit der Kosten- und Erlösrechnung will man den Erfolg einzelner
Perioden, Bereiche, Produkte bzw. Produkteinheiten oder anderer
Bezugsgrößen bestimmen.
Da Erfolge als Salden aus sachzielbezogenen bewerteten Güterentstehungen
und -verbräuchen berechnet werden, kommt man entsprechend Abbildung 1-20 zu drei Teilrechnungen, der Kosten-, der Erlös- und der Erfolgsrechnung. Diese Zusammensetzung ergibt sich damit aus dem Gegenstand
und den Rechnungszielen der Kosten- und Erlösrechnung.
Die Kostenrechnung erfasst die Inputseite des Erfolgs. In ihr wird der bewertete Güterverbrauch abgebildet. Dies bedeutet, dass in ihr der gesamte Produktionsprozess vom Bezug der Einsatzgüter bis zur Fertigstellung und
Verwertung der Ausbringungsgüter zu verfolgen ist. Kosten entstehen in allen Umlaufphasen des Realgüterprozesses von der Beschaffung über die Fertigung bis zum Absatz. Ferner fallen auch in den Nominalgüterprozessen der
Investition und Finanzierung Kosten an. Daher ist die Kostenrechnung die
am weitesten ausgebaute Teilrechnung.
Abb. 1-20: Kosten-, Erlös- und Erfolgsrechnungen
Die Erlösrechnung erfasst die Outputseite des Erfolgs. Deshalb bildet sie das
notwendige Gegenstück zur Kostenrechnung. Ihr wichtigster Bestandteil sind
die am Markt erzielten Erlöse. Da diese für den Verkauf der Produkte anfallen und ihnen vielfach mit geringeren Schwierigkeiten zurechenbar sind, hat
Erlösartenrechnung
Erlösstellenrechnung
Erlösträgerrechnung
Erfolgsrechnung
Kostenartenrechnung
Kostenstellenrechnung
Kostenträgerrechnung
- Kalkulation
(Stückrechnung)
- Zeitrechnung
Kostenprozeßrechnung
1. Kapitel: Funktion und Grundbausteine der KER48
man die Erlösrechnung nicht so intensiv untersucht und ausgebaut wie die
Kostenrechnung. Meist ging man davon aus, dass sich die Erlöse für die Erfolgsermittlung unmittelbar aus der Finanzbuchhaltung übernehmen ließen.
Erst mit der Zeit hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Outputseite
auch durch eine eigenständige Teilrechnung zu erfassen ist. Bei ihr tritt ebenfalls eine Reihe von Verrechnungsproblemen auf, die denjenigen der Inputseite entsprechen und darüber hinaus spezifische Aspekte aufweisen. Im
Hinblick auf die Unterstützung der Leistungsverwertung und des Marketing
kommt dem Ausbau der Erlösrechnung eine wachsende Bedeutung zu. Die
zunehmende Beachtung der Erlösseite lässt es gerechtfertigt erscheinen, von
Kosten- und Erlösrechnung zu sprechen, auch wenn beide Teilrechnungen in
der praktischen Anwendung i.d.R. nicht gleich stark ausgebaut sind.
Diese Bezeichnung umfasst mehr als die Abbildung der Input- sowie der
Outputseite. Beide Teile münden entsprechend Abbildung 1-20 in eine Erfolgsrechnung, weil das Rechnungsziel nicht nur in der Bestimmung von
Kosten- und Erlösinformationen, sondern ebenso in der Bereitstellung von
Informationen über Erfolgsgrößen besteht. Aus dem Zusammenspielen von
Erlös- und Kosteninformationen gelangt man zu Erfolgsgrößen, welche für
die verschiedenen Rechnungszwecke der Abbildung bzw. Dokumentation,
Planung und Verhaltenssteuerung verwendbar sein können.
Aus den Rechnungszwecken ergibt sich, für welche Entscheidungen Kosten,
Erlöse und/oder Erfolge zu ermitteln sind. Ein grundlegendes Merkmal liegt
in der Trennung von zeit(raum)- und stückbezogenen Rechnungen. Die erstgenannten haben als Periodenerfolgsrechnungen eine wichtige Bedeutung.
Sie werden in der Kosten- und Erlösrechnung üblicherweise für kürzere Zeiträume als in der Bilanzrechnung durchgeführt. Man ermittelt vor allem die in
einem Monat oder Vierteljahr erzielten Kosten, Erlöse und Erfolge. Dabei
handelt es sich im Allgemeinen um die Erfolge, welche für die in diesem Zeitraum abgesetzten Produkte entstanden sind. Hierzu ist zu bestimmen, welche Erlöse mit diesen Produkten erzielt wurden und welche Kosten ihre Erstellung sowie Verwertung verursacht haben. In zeitraumbezogenen Rechnungen schlagen sich im Allgemeinen verschiedenartige Entscheidungen z.B.
über die Produktion und den Absatz aller in einer Periode verkauften Produkte nieder. Sie haben daher einen globalen Charakter.
Durch stückbezogene Rechnungen bzw. Kalkulationen ermittelt man, welche
Kosten, Erlöse oder Erfolge einer Produkteinheit zurechenbar sind. Hierzu
sind aus den ggf. in verschiedenen Perioden anfallenden Beträgen diejenigen
zu bestimmen, die auf ein 'Stück' zu beziehen sind. Derartige Informationen
betreffen in hohem Maße einzelne Entscheidungstatbestände und werden für
eine Reihe von Entscheidungen zur Gestaltung des Produktionsprogramms,
des Produktionsprozesses, der Preispolitik o.ä. benötigt, die an der Produkteinheit anknüpfen.
In jeder Unternehmung ist eine Vielzahl von Entscheidungen zu treffen, in
denen neben den Produkteinheiten unterschiedliche Variablen festgelegt
werden. Für deren Planung und Steuerung ist es häufig notwendig oder
zweckmäßig, die Kosten, Erlöse bzw. Erfolge auf andere Größen zu beziehen.
Beispielsweise benötigt man für Losgrößenentscheidungen die auf-
B. Struktur und Systeme der KER 49
tragsbezogenen Kosten, für Verfahrensentscheidungen die Kosten je Fertigungsminute der Produktionsanlagen usw. Deshalb werden neben der Planungsperiode und der Produkteinheit weitere Bezugsgrößen für die Zurechnung von Kosten, Erlösen und Erfolgen relevant.
Abb. 1-21: Verknüpfung zwischen Komponenten der Kosten- und Erlösrechnung bei einer
Teilkostenrechnung auf Basis variabler Kosten in SAP R/355
Für die EDV-technische Abbildung eines Systems der Kosten- und Erlösrechnung müssen die Beziehungen zwischen den Kosten- und Erlöskomponenten
explizit definiert werden. Abbildung 1-21 gibt einen Überblick darüber, wie
diese Verknüpfungen beispielsweise für eine Teilkostenrechnung auf Basis
variabler Kosten56 in SAP R/3 hergestellt werden.57 Die primären Gemeinkosten werden soweit als möglich direkt bei der Buchung der entsprechenden
Aufwendungen im Finanzbuchhaltungsmodul (FI) auf die Kostenstellen verteilt. Hierbei handelt es sich um einen Fall von Datenintegration zwischen der
Finanzbuchhaltung und der Kosten- und Erlösrechnung.
Dann werden die primären Gemeinkosten der Vorkostenstellen in der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung auf die Endkostenstellen weiterverrechnet und damit zu sekundären Gemeinkosten. Da die innerbetriebliche Leistungsverrechnung über Leistungsarten der Vorkostenstellen erfolgt, sind bei
diesen entsprechende sekundäre Verrechnungskostenarten zu hinterlegen.
Die nach Abschluss der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung auf den
Endkostenstellen liegenden primären und sekundären Gemeinkosten bestehen aus einen variablen und einem fixen Anteil. Im Rahmen einer Teilkostenrechnung auf Basis variabler Kosten werden nur die variablen Anteile auf die
Kostenträger verrechnet. Hierfür werden im Rahmen der Kalkulation Entlastungskostenarten angelegt, mit deren Hilfe die Endkostenstellen von den variablen Kosten entlastet werden.
55 FRIEDL, G./HILZ, C./PEDELL, B. (2002), S. 152.
56 Vgl. Kapitel 3., Abschnitt D.I.1., S. 397 ff.
57 Vgl. FRIEDL, G./HILZ, C./PEDELL, B. (2002), S. 153 f.
Vorkostenstellen Endkostenstellen
var. prim. GK
var. prim. GK var. sek. GK
fixe prim. GK
fixe prim. GK fixe sek. GK
ibLV mit
Verrechnungskostenart
var. GK
GK-Verrechnung
mit Entlastungskostenart
ibLV mit
Verrechnungskostenart
MEK
über
Bewertungsklasse
im Materialstamm
FEK
über
Verrechnungskostenart
Var. SK
Funktionsintegration
mit Modul SD
Fixkosten
Umlagezyklen
mit Umlagekostenart
Kostenarten- Kostenstellen- Kostenträger- Ergebnisrechnung rechnung rechnung rechnung
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1. Kapitel: Funktion und Grundbausteine der KER50
Die Fertigungseinzelkosten werden über Arbeitspläne dem Kostenträger zugerechnet. Hierfür sind Arbeitsplätze mit entsprechenden Leistungsarten und
bei diesen hinterlegten Verrechnungskostenarten erforderlich. Die Materialeinzelkosten werden dagegen direkt über eine im Materialstammdatensatz
der Einsatzgüter hinterlegte, so genannte Bewertungsklasse in die Kalkulation der Fertigprodukte eingespielt. Die Bewertungsklasse sorgt dafür, dass
das System die Kosten den Materialeinzelkosten zuordnet. Hierfür ist es nicht
notwendig, eine eigene Verrechnungskostenart anzulegen. Die Erlöse sowie
die variablen Herstellkosten der Absatzmengen werden auf dem Wege der
Funktionsintegration in die Ergebnisrechnung übernommen, d.h., dass durch
einen informationstechnischen Vorgang automatisch ein anderer Vorgang
angestoßen wird. Auftragsabwicklung, Lieferung und Rechnungserstellung
werden über das Absatzmodul (SD - Sales and Delivery) von SAP R/3 abgewickelt. Durch die Fakturierung werden automatisch die entsprechenden Erlöse sowie die variablen Kosten, die im Materialstammdatensatz der Fertigprodukte hinterlegt sind, in die Ergebnisrechnung übernommen. Hierfür
sorgt eine Bewertungsklasse im Materialstammdatensatz der Fertigprodukte.
Die Verrechnung der Fixkosten von den Endkostenstellen in die Ergebnisrechnung erfolgt über so genannte Umlagezyklen mit entsprechenden Umlagekostenarten.
2. Arten-, Stellen-, Prozess- und Trägerrechnungen
Für die meisten Zwecke reicht es nicht aus, die in einer Periode anfallenden
Gesamtbeträge an Kosten, Erlösen und Erfolgen zu kennen. Zur Erfüllung
der verschiedenen Rechnungsziele müssen sie differenziert werden. Als
maßgebliche Kriterien haben sich hierfür die Gliederung nach Arten, Stellen,
Prozessen und Trägern herausgeschält. Dementsprechend findet man in vielen Systemen eine Kostenarten-, Kostenstellen-, Kostenprozess- und Kostenträgerrechnung.58 Grundsätzlich besteht auch die Möglichkeit, die Erlösseite
in derselben Weise aufzugliedern und zumindest Erfolge für Träger sowie
Stellen zu bestimmen. Insoweit handelt es sich um grundlegende Komponenten der Kosten- und Erlösrechnung.
Da die Produkte die zentralen Entscheidungs- bzw. Handlungsvariablen von
Unternehmungen darstellen, ist ein primäres Informationsbedürfnis darauf
gerichtet, deren Erfolge sowie die für sie maßgeblichen Erlöse und Kosten zu
ermitteln. Mit ihnen werden die Markterlöse erzielt, welche die Kosten decken müssen. Aus diesem Grund bilden die Produkte einer Unternehmung
ihre wichtigsten Kosten- und Erlösträger. Um die Kosten, Erlöse und Erfolge
der einzelnen Produkte zu bestimmen, richtet man eine Trägerrechnung ein.
In ihr sind Verfahren zu entwickeln, mit denen sich die Kosten bzw. Erlöse
auf die Produktgruppen, Produktarten, Produkteinheiten, Produktfunktionen, Produktkomponenten oder gar Produktmerkmale zurechnen und verteilen lassen. Sie können als zeitraum- oder stückbezogene Rechnungen
durchgeführt werden. Ein besonderes Gewicht liegt im Allgemeinen auf der
Kalkulation, in der man die Stückkosten sowie Stückerfolge für die ver-
58 Vgl. auch Abb. 1-20, S. 47.
B. Struktur und Systeme der KER 51
schiedenen Produkte berechnet. Die Zurechnung der Erlöse auf die Objekte,
für die sie sich direkt erfassen lassen, bildet den Gegenstand der Erlösträgerrechnung.
Nur bei äußerst homogenem Produktionsprogramm und einfachen Produktionsprozessen ist es zulässig, unmittelbar aus den Gesamtkosten die Stückkosten zu berechnen. Wenn in einer Unternehmung verschiedenartige Produkte
in unterschiedlichen Prozessen hergestellt werden, sind die Kosten zuerst
nach geeigneten Kriterien aufzuspalten. Um die für ihre Höhe bestimmenden
Zusammenhänge und einzelnen Prozesse zu erfassen, gliedert man die gesamte Unternehmung in einzelne Abrechnungsbezirke, die Kostenstellen, so
dass die in ihnen vollzogenen Prozesse einen höheren Grad an Homogenität
aufweisen. Außerdem lassen sich auch stellenübergreifende Prozesse mit
spezifischen Einflussgrößen (Kostentreiber, cost driver) definieren, die insbesondere im so genannten indirekten Leistungsbereich demselben Postulat
genügen sollen. Deshalb lassen sich in ihnen die Kosteneinflussgrößen sowie
deren Wirkung auf die Kosten besser abbilden als für die Gesamtunternehmung. Damit erhält man Ansatzpunkte für die Verteilung sowie die Planung
und Steuerung der Kosten. Entsprechende Überlegungen lassen sich für die
Abgrenzung von Erlösstellen nutzen.
Die Stellenrechnung ist daher ein wichtiges Verbindungsglied für eine präzise Trägerrechnung. In den Stellen werden die Entscheidungen und Handlungen vollzogen, durch die Güter verbraucht werden und neue Güter entstehen. Deshalb sind sie der Ort der Erlös- und Kostenverursachung. Die Planung, Steuerung und Kontrolle der Kosten und Erlöse muss sich auf einzelne
Stellen und deren Prozesse beziehen, um die für sie verantwortlichen Aufgabenträger zu erkennen und zu beeinflussen.
Um die Entstehung der Kosten insbesondere bei Verwaltungstätigkeiten genauer zu erfassen und zu planen, erweist sich vielfach eine Differenzierung
nach den Aktivitäten bzw. Prozessen als zweckmäßig. Damit gelangt man zu
einer Kostenprozessrechnung, durch welche die Beziehungen zwischen der
Kostenhöhe und ihren Einflussgrößen oder 'Kostentreibern' nicht nur innerhalb der Kostenstellen, sondern auch für übergreifende Prozesse abgebildet
werden. Sie wird zum verfeinerten Bindeglied zwischen Kostenarten- sowie
Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung.
Kosten entstehen durch den Verbrauch von Gütern, welche die Unternehmung von außen bezogen oder selbst geschaffen hat und in den Kostenstellen
einsetzt. Umgekehrt stellt eine Unternehmung Güter her, welche einerseits in
ihr selbst wiedereingesetzt werden, zu wesentlichen Teilen jedoch am Markt
abgesetzt werden. Die Gliederung der Kosten und Erlöse nach geeigneten
Merkmalen in der Artenrechnung bildet daher den Ausgangspunkt der
Rechnung. Ein wesentliches Merkmal ist hierbei die Art der eingesetzten
bzw. entstandenen Güter. Nach diesem lassen sich z.B. Personal- von Material-, Anlagen- oder Zinskosten bzw. Verkaufserlöse von Bestandserhöhungen,
Vermietungen oder Zinserlösen trennen. Ferner kann man die Abhängigkeit
von wichtigen Einflussgrößen oder die Zurechenbarkeit auf unterschiedliche
Bezugsgrößen untersuchen. Durch die artmäßige Zerlegung wird die Basis
für die weitere Zurechnung der Kosten und Erlöse gelegt. Aufgabe der Ar-
1. Kapitel: Funktion und Grundbausteine der KER52
tenrechnung ist des weiteren die Erfassung der Kosten und Erlöse. Je näher
am Ort ihrer Entstehung und je präziser sie vorgenommen wird, desto genauer lassen sich die einzelnen Kosten- bzw. Erlösbeträge für die unterschiedlichen Rechnungsziele weiterverrechnen. Die Durchführung der Rechnung vollzieht sich entsprechend Abbildung 1-22 auf der Kostenseite üblicherweise von der Kostenarten- über die Kostenstellen- bis zur Kostenträgerrechnung. Die Zweckmäßigkeit dieses Vorgehens ist darauf zurückzuführen,
dass viele Einsatzgüter wie z.B. Personal, Strom oder Wasser für die gesamte
Unternehmung bezogen und erst danach einzelnen Stellen zugeordnet bzw.
auf mehrere Stellen verteilt werden. In der Kostenartenrechnung werden die
Kosten über eine Messung der Verbrauchsmengen und ihre Bewertung erfasst.59 Die Kostenträgerrechnung bildet die letzte Komponente, weil die Zurechnung vieler Kostenarten auf die Träger nur über eine zwischengeschaltete Stellenrechnung relativ präzise erfolgen kann. Über die Kostenstellen- oder
-prozessrechnung werden die erfassten Kosten zuerst Stellen bzw. Prozessen
und dann Kostenträgern zugeordnet. In diesen Stufen findet also eine Kostenverteilung von Kostenarten auf Kostenstellen bzw. -prozesse, zwischen
Kostenstellen in der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung sowie von den
Endkostenstellen auf Kostenträger statt. Diese Vorgehensweise entspricht
dem Ablauf des Produktionsprozesses.
Abb. 1-22: Schematische Darstellung der Kostenermittlung
59 Vgl. Kapitel 1., Abschnitt A.II.2.a), S. 12 ff.
kosten
KOSTEN-
ARTEN-
RECHNUNG
KOSTEN-
STELLEN-
RECHNUNG/
KOSTEN-
PROZEß-
RECHNUNG
KOSTEN-
TRÄGER-
RECHNUNG
KOSTEN-
ERFASSUNG
KOSTENVERTEILUNG
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- von Kostenarten auf Kostenstellen
bzw. –prozesse
- von Kostenstellen auf andere
Kostenstellen
- Von Kostenstellen auf Kostenträger
Einzelkosten
Gemein
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B. Struktur und Systeme der KER 53
Den Ausgangspunkt für die Erlösrechnung bildet dagegen die Trägerrechnung, da Erlöse in der Regel für die erstellten und abgesetzten Güter bzw.
Produkte anfallen. Berücksichtigt man zusätzlich die Bestimmungsgrößen
dieser Erlöse, so kann der Erlösträgerrechnung noch eine Erlösquellenrechnung vorgeschaltet werden60. Die Erlöse lassen sich den Stellen ohne Schwierigkeiten zurechnen, in denen sie unmittelbar erbracht werden. Dies können
Vertriebsstellen für einzelne Produkte, Regionen und Kunden oder innerbetriebliche Erlösstellen für ein Kraftwerk, die Kantine o.ä. sein. Eine weitergehende Verrechnung beispielsweise auf die dem Vertrieb vorgelagerten Produktionsstellen führt zu schwierigen Problemen der Berechnung innerbetrieblicher Lenkungspreise61. Die Erlösartenrechnung bildet nicht das letzte
Glied in einer Verrechnung der Erlöse. Vielmehr kann die Differenzierung
nach geeigneten Erlösarten schon in Verbindung mit der Erlösträgerrechnung
erfolgen, ohne dass man eine Erlösstellenrechnung durchführt. Die Stellenrechnung ist hier im Unterschied zur Kostenseite nicht die Verbindung zwischen Arten- und Trägerrechnung.
3. Grund- und Auswertungsrechnungen
Mit dem Ausbau der EDV hat die schon von EUGEN SCHMALENBACH vorgeschlagene Trennung in Grund- und Auswertungsrechnungen neue Bedeutung erlangt62. Sie ist von PAUL RIEBEL aufgegriffen und mit dem Einsatz von
Datenbankkonzepten verbunden worden63. Ihr Grundgedanke beruht darauf,
dass man die regelmäßig erhobenen Daten und die laufend durchzuführenden Rechnungen als Grundrechnungen zusammenfasst. Die in ihnen enthaltenen Informationen können dann für einzelne Rechnungsziele mit Hilfe von
Auswertungsrechnungen herangezogen werden. Die Grundrechnungen beziehen sich auf die angefallenen und/oder geplanten Kosten sowie Erlöse. Sie
können zusätzlich Teilsysteme zur Erfassung der Ein- und Auszahlungen
und ggf. der Potentiale enthalten64.
In den Grundrechnungen werden die einzelnen Vorgänge urbelegnah und
mit den sie kennzeichnenden Merkmalen (Rechnungsbetrag, Kunde, Produktart, Produktmenge, Rabatt, Datum u.ä.) abgespeichert (dokumentiert).
Dadurch erhält man die Möglichkeit, sie für unterschiedliche Rechnungsziele
auszuwerten. Mit modernen Datenbanken lässt sich dies effizient durchführen. Besonders geeignet erscheinen relationale Datenbanken, da sie im Unterschied zu Hierarchie- und Netzwerkmodellen zugriffspfadunabhängig arbeiten. Mit ihnen verfügt man über flexible und im vorhinein nicht festzulegende, rechnungszielneutrale Auswertungsmöglichkeiten der gespeicherten
Kosten- und Erlösdaten. Mit Hilfe von Datenmanipulationssprachen bzw.
Algorithmen können aus ihnen beliebige Extraktionen und Verarbeitungen
60 Vgl. MÄNNEL, W. (Erlösrechnung), Sp. 566. ; SCHWEITZER, MARCUS (Erlösträgerrechnung), Sp. 475 ff.
61 Vgl. Kapitel 3., Abschnitt D.I.6., S. 471 ff., und Kapitel 4., Abschnitt B.II.3., S. 633 ff.
62 Vgl. SCHMALENBACH, E. (Wirtschaftslenkung), S. 66.
63 Vgl. RIEBEL, P. (Einzelkostenrechnung), S. 149 ff.; RIEBEL, P./SINZIG, W. (Datenbanken);
SINZIG, W. (Grundzüge).
64 Vgl. Kapitel 3., Abschnitt D.IV., S. 528 ff.
1. Kapitel: Funktion und Grundbausteine der KER54
von Daten vorgenommen werden65. Es bietet sich an, auch die laufend
durchzuführenden Abrechnungen als Teil der Grundrechnung zu verstehen,
obwohl in ihnen schon eine Auswertung der Ursprungsdaten erfolgt. Die
Grenzziehung zwischen Grund- und Auswertungsrechnungen hängt daher
vom verfolgten Zweck ab. Typische Auswertungsrechnungen beziehen sich
dann auf Informationsbedarfe für Einzelentscheidungen, wie sie beispielsweise bei der Kalkulation von neuen Produkten oder Sonderanfertigungen
auftreten.
Mit dem Ausbau dialoggestützter Berichtssysteme66 haben die Auswertungsrechnungen zunehmend an Bedeutung gewonnen. In derartigen Systemen kann der Informationsverwender die für seine Entscheidungen bzw.
Handlungen relevanten Daten selbständig aus dem Berichtssystem abrufen.
Wenn man ihm hierfür geeignete Auswertungsrechnungen zur Verfügung
stellt, steigen seine Möglichkeiten, die auf eine jeweilige Entscheidung zugeschnittene Rechnung z.B. in Form einer Kalkulation durchzuführen. Dies
spricht dafür, dass sich die Gliederung in die Komponenten der Grund- und
Auswertungsrechnungen immer mehr durchsetzt.
II. Prinzipien der Kosten- und Erlösrechnung
1. Prinzipien der Kosten- und Erlöserfassung
Die Kosten- bzw. die Erlöserfassung wird in der Kosten- bzw. der Erlösartenrechnung vorgenommen und bildet die Grundlage der betrieblichen Kostenrechnung. Hierzu sind einerseits die mengenmäßigen Güterverbräuche bzw. entstehungen zu messen und andererseits ihre jeweiligen Wertansätze zu
bestimmen.
Die grundlegende Anforderung an die Erfassung besteht in der Isomorphie
(Strukturgleichheit) zwischen den realen Gegebenheiten und den ermittelten
Kosten- bzw. Erlöszahlen. Als weitere grundsätzliche Bedingung tritt das
Prinzip der intersubjektiven Überprüfbarkeit hinzu. Entsprechend dieser
Forderung muss bei der Ermittlung von Kosten für viele fachkundige Personen die Möglichkeit bestehen, den Messvorgang nachzuprüfen. Für die Kostenerfassung bedeutet dies, dass die einzelnen Güterverbräuche sowie die
gezahlten Preise in der Regel durch Belege nachgewiesen werden müssen.
Während diese Prinzipien die Zuverlässigkeit der Zahlen gewährleisten sollen, sind die folgenden Anforderungen auf die Verwendbarkeit der Kostenund Erlösinformationen ausgerichtet. Hierzu gehören die Prinzipien der
Vollständigkeit, der Genauigkeit und der Aktualität der Kostenerfassung.
Bei diesen Anforderungen geht es vielfach jedoch nicht um eine höchstmögliche Erfüllung, weil die Kostenerfassung auch dem Prinzip der Wirtschaftlichkeit genügen soll. Der Grad an Vollständigkeit, Genauigkeit und Aktualität der Kostenerfassung ist von den Verwendungszwecken der Informationen
65 Vgl. WEDEKIND, H./ORTNER, E. (Datenbank), S. 534, RIEBEL, P./SINZIG, W. (Datenbanken), S. 110 ff., SCHEER, A.-W. (Datenbanksysteme), S. 500 ff.
66 Vgl. KÜPPER, H.-U. (Controlling), S. 155 f.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Dieses Standardwerk liefert Ihnen einen umfassenden Überblick über die Aufgaben, Techniken und Systeme der Kosten- und Erlösrechnung. Zunächst führt es in die Grundlagen ermittlungsorientierter Systeme ein. Dazu gehören die Kostenarten-, Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung, ein Spektrum, das in jeder Vorlesung zur Kostenrechnung gelehrt wird. Daran schließt sich die Darstellung planungs- und verhaltenssteuerungsorientierter Systeme an. Dabei handelt es sich um Methoden wie Prozesskosten-, Grenzplankosten- oder Deckungsbeitragsrechnungen und Target Costing, die im Alltag von höchster praktischer Relevanz sind. Abgeschlossen wird das Buch durch die Behandlung aktueller Weiterentwicklungen auf dem Gebiet der Kostenrechnung. Hierbei spielen insbesondere die Herausforderungen der Preisregulierung bei den Strom-, Gas- und Telekommunikationsmärkten eine große Rolle.
Die Autoren
Prof. Dr. Marcell Schweitzer lehrte Betriebswirtschaftslehre an der Universität Tübingen.
Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Ulrich Küpper ist Inhaber des Lehrstuhls für Produktionswirtschaft und Controlling an der LMU in München.