2. Kapitel: Ermittlungsorientierte Systeme der KER78
rechnung eine Zurechnung oder Verteilung auf die Perioden ihrer Nutzung
vorzunehmen. In diesem Fall schließt die artmäßige Gliederung die Zuordnung auf die Abrechnungsperioden ein.
II. Begriff und Systematik der Kostenarten
In der Kostenartenrechnung soll die Höhe der entstehenden Kosten möglichst strukturgleich und exakt erfasst werden. Außerdem
muss im Hinblick auf die verfolgten Rechnungsziele eine Klassifikation in unterschiedliche Kostenarten vorgenommen werden.
Hierzu kann man von mehreren Gliederungsmerkmalen ausgehen. Zu einer
speziellen Klasse von Kosten, d.h. einer Kostenart, gehören dann alle Kosten,
bei denen ein bestimmtes Merkmal in gleicher Weise ausgeprägt ist. Den
verwendeten Gliederungsmerkmalen entsprechend lässt sich eine Systematik
der Kostenarten entwickeln. Sie muss sowohl erfassungs- als auch verwendungsorientiert sein. Einerseits ist es zweckmäßig, die unterschiedenen Kostenarten getrennt zu erfassen. Andererseits bildet die Klassifikation in Kostenarten die Grundlage für die Verrechnung der Kosten auf Kostenstellen
und Kostenträger. Daher muss sie auf die Rechnungsziele ausgerichtet sein,
die man in der Kostenstellen- und der Kostenträgerrechnung erreichen will.
Als wesentliche Merkmale für eine Systematik der Kostenarten werden die
Einsatzgüterart und der Verbrauchscharakter der Güter, die Herkunft der
Einsatzgüter, die Zurechenbarkeit, das Verhalten bei Beschäftigungsänderungen sowie Kostenbereiche, Kostenstellen und Kostenträger herangezogen.
Kosten entstehen durch den sachzielorientierten Einsatz von Gütern im Unternehmensprozess. Daher wird die Art der Einsatzgüter als grundlegendes
Merkmal der Kostenartengliederung angesehen. Hierbei unterscheidet man
zwischen Real- und Nominalgütern. Zusätzlich sind die Verbrauchsursachen
von Bedeutung. Ist der Gütereinsatz bewusst geplant, so liegt ein willentlicher Güterverbrauch vor. Dagegen handelt es sich z.B. bei der Vernichtung
von Gütern durch Katastrophen oder bei staatlich-politischen Abgaben um
einen Zwangsverbrauch. Ein weiteres Verbrauchsmerkmal stellt die Fristigkeit bzw. Verwendungshäufigkeit dar. Mehrere Güterarten, zu denen insbesondere Rohstoffe sowie Arbeits- und Dienstleistungen gehören, werden in
der Regel durch einmalige Verwendung im Produktionsprozess vollständig
verbraucht. Dann liegt ein kurzfristiger Verbrauch vor. Hingegen werden
unbewegliche Sachgüter, wie beispielsweise Maschinen, über einen längeren
Zeitraum hinweg genutzt. Es handelt sich um einen längerfristigen Verbrauch, einen Gebrauch. Der Einsatz von Kapital in der Unternehmung führt
zu Kosten in Form von Zinsen. Diese beziehen sich auf einen zeitlichen Vorrätigkeitsverbrauch, d.h. die Nutzungsmöglichkeit von Kapital in der Zeit
wird verbraucht. Entsprechend den Merkmalen Einsatzgüterart und Verbrauchscharakter ergibt sich somit in Anlehnung an KOSIOL96 die in Abbildung 2-1 wiedergegebene Unterscheidung der Kostenarten. Für die Benen-
96 Vgl. KOSIOL, E. (Kostenrechnung), S. 133.
A. Kosten- und Erlösartenrechnung 79
nung der einzelnen Klassen sind die gebräuchlichen Bezeichnungen angegeben. Die Gesamtheit dieser Kostenarten nennt man vielfach 'natürliche Kosten'.
Art des Verbrauchs Kostenarten
I. Kurzfristiger Verbrauch
1. Verbrauch von materiellen (1) Material- bzw. Stoffkosten
Gütern (Sachgütern)
2. Verbrauch von immateriellen
Gütern
a) Verbrauch eigener (2) Personalkosten
Arbeitsleistungen (Lohn- und Gehaltskosten)
b) Verbrauch fremder (3) Kosten für Fremddienste
Dienstleistungen
c) Verbrauch von (4) Informationskosten
Informationen
d) Verbrauch von Gütern, (5) Kosten der Rechtsgüter
die auf Rechten beruhen
II. Langfristiger Verbrauch (6) Abschreibungen
(von Sachgütern und Gütern,
die auf Rechten beruhen)
III. Zwangsverbrauch
1. Technisch-ökonomische (7) Wagniskosten
Vernichtung
2. Staatlich-politische (8) Abgaben
Abgaben
IV. Zeitlicher Vorrätigkeits- (9) Zinsen
verbrauch
Abb. 2-1: Klassifikation von Kostenarten nach den Merkmalen Güterart und Verbrauchscharakter
Das Merkmal Herkunft der Einsatzgüter zielt darauf ab, ob Güter innerhalb
eines Abrechnungsbezirks hergestellt oder von außerhalb des Abrechnungsbezirks bezogen werden. Nach diesem Merkmal unterscheidet man primäre
und sekundäre Kosten. Diese Einteilung ergibt sich jeweils aus der Abgrenzung des Abrechnungsbezirks und entspricht der Unterscheidung von originären und derivativen Einsatzgütern. Die von außen in einen Abrechnungsbezirk hereinfließenden Güter stellen originäre Einsatzgüter dar und
führen zu primären Kosten. Werden Güter innerhalb eines Abrechnungsbezirks selbst erstellt und wiedereingesetzt, handelt es sich um derivative Einsatzgüter und damit um sekundäre Kosten. Betrachtet man die gesamte Unternehmung als einen Abrechnungsbezirk, so entstehen primäre Kostenarten
lediglich für die von anderen Wirtschaftseinheiten bezogenen Güter. Der
Verbrauch selbsterstellter Güter, zu denen beispielsweise eigengefertigte Maschinen oder Reparaturleistungen gehören können, ist zu den sekundären
Kostenarten zu rechnen.
Für die verursachungsgemäße Verteilung von Kosten in der Kostenstellenund Kostenträgerrechnung bildet die Klassifikation nach der Zurechenbarkeit in Einzel- und Gemeinkosten eine wesentliche Grundlage. Einzelkosten
2. Kapitel: Ermittlungsorientierte Systeme der KER80
sind die Kosten, die einer Bezugsgröße direkt zugerechnet werden können.
Die Kostenhöhe wird von der Ausprägung der Bezugsgröße direkt beeinflusst. Bezugsgrößen können einzelne Endprodukte als Kostenträger, Produktgruppen, Kostenstellen, Prozesse oder umfassendere Kostenbereiche
sein. Alle Kosten, welche der jeweiligen Bezugsgröße nicht direkt zurechenbar sind, werden als Gemeinkosten bezeichnet. Es hängt damit von der jeweils betrachteten Bezugsgröße ab, welche Kosten als Einzelkosten und welche als Gemeinkosten zu klassifizieren sind. Man kann dementsprechend
Einzelkosten und Gemeinkosten für Produkteinheiten, Produktgruppen, Kostenstellen, Prozesse sowie Kostenbereiche unterscheiden. Eine Kostenart wie
z.B. der bewertete Verbrauch an Betriebsstoffen in einer bestimmten Kostenstelle kann somit Kostenträgergemeinkosten und zugleich Kostenstelleneinzelkosten darstellen, wenn dieser Verbrauch der Kostenstelle, jedoch nicht
einem Kostenträger, direkt zurechenbar ist. Sofern die Bezugsgröße nicht explizit angegeben wird, handelt es sich in der Regel um Kostenträgereinzelbzw. -gemeinkosten.
Aus verfahrenstechnischen Gründen werden bestimmte Kosten häufig ausgesondert. Man nennt sie deshalb Sonderkosten. Dabei kann es sich um Sondereinzelkosten handeln, die vor allem für Sonderbetriebsmittel, Lizenzen,
Verpackung, Umsatzprovisionen und ggf. Umsatzsteuer entstehen. Sie sind
einem Kostenträger direkt zurechenbar und lassen sich weder zum Fertigungsmaterial noch zum Fertigungslohn rechnen. Sonderkosten können aber
auch als Sondergemeinkosten auftreten, wie sie etwa für Sonderwerkzeuge
anfallen, die für mehrere Produktarten gemeinsam angefertigt werden müssen97.
In der Kostentheorie wird die Beschäftigung als wichtige Kosteneinflussgröße hervorgehoben. Sie ist die realisierte bzw. zu realisierende Ausbringung (Leistung) der Unternehmung oder eines Teilbereiches während einer Produktionsperiode.
Als Maß der Beschäftigung bietet sich bei Einproduktfertigung die Zahl der
hergestellten Produkte an. Bei Mehrproduktfertigung ist es vielfach schwierig, einen geeigneten skalaren Maßstab der Beschäftigung zu finden. Als Ersatzmaßstäbe können z.B. Arbeitsstunden, Fertigungsstunden oder Maschinenlaufstunden verwendet werden98. Kosten, die bei der Variation einer Einflussgröße (hier der Beschäftigung) in ihrer Höhe konstant bleiben, nennt
man fixe Kosten (in Bezug auf diese Einflussgröße). Sind die Kosten bei alternativen Ausprägungen der Einflussgröße unterschiedlich hoch, spricht man
von variablen Kosten. Entsprechend dem Merkmal Verhalten bei Beschäftigungsänderungen gelangt man somit zu einer Gliederung in (beschäftigungs-)fixe und (beschäftigungs-)variable Kosten99.
Die Kostenarten lassen sich des weiteren nach den Bereichen und Stellen
klassifizieren, in welchen sie entstanden sind. Wählt man als Kostenbereiche
97 Vgl. MELLEROWICZ, K. (Kosten II, 1), S. 286 ff.
98 Vgl. SCHMALENBACH, E. (Kostenrechnung), S. 43.
99 Vgl. KÜPPER, H.-U. (Kosten, fixe und variable), Sp. 647.
A. Kosten- und Erlösartenrechnung 81
etwa die Phasen des Produktionsprozesses, gelangt man zu Kosten der Beschaffung, der Fertigung, der Lagerung, des Absatzes, der Finanzierung und
der Verwaltung. Entsprechend lassen sich die Kostenarten nach verschiedenen Kostenstellen oder nach Prozessen gliedern. Schließlich können Kostenarten nach den Kostenträgern oder einzelnen Produktgruppen der Unternehmung gebildet werden. Zum Beispiel lassen sich Fertigungslohn und Materialkosten nach den hergestellten Produkten und/oder Produktgruppen
unterteilen.
Abb. 2-2: Klassifikationsmöglichkeiten von Kostenarten
Abbildung 2-2 gibt zusammenfassend einen Überblick über die möglichen
Klassifikationsmerkmale zur Bildung von Kostenarten. Die Verwendung aller
genannten Kriterien führt zu einer umfangreichen Gliederung. Für eine konkrete Unternehmung ist jeweils die Kostenartengliederung zu wählen, welche
eine geeignete Grundlage für die Rechnungsziele ihrer Kostenrechnung liefert. Dabei ist die Berücksichtigung der Merkmale Einsatzgüterart und Verbrauchscharakter sowie Ort der Kostenentstehung insbesondere für die Kostenerfassung von Bedeutung. Hingegen ist eine Gliederung nach der Zurechenbarkeit, dem Verhalten bei Beschäftigungsänderungen (Veränderlichkeit)
sowie nach Kostenbereichen, Kostenstellen, Prozessen und Kostenträgern von
der Ausgestaltung der Kostenstellen-, Kostenprozess- und Kostenträgerrechnung abhängig.
III. Begriff und Systematik der Erlösarten
Erlöse sind definiert als sachzielbezogene bewertete Güterentstehung100.
Über diese drei Begriffsmerkmale lassen sie sich gegenüber den anderen out-
100 Vgl. Kapitel 1., Abschnitt A.II.3.a), S. 20.
Merkmal Ausprägung
Einsatzgüterart und - Materialkosten
Verbrauchscharakter - Personalkosten
- Abschreibungen(Natürliche Kostenarten)
- Zinsen
- Fremddienste
- Informationskosten, ...
Herkunft der Einsatzgüter - Primäre Kosten
- Sekundäre Kosten
Zurechenbarkeit - Einzelkosten
- Gemeinkosten
Veränderlichkeit - Variable Kosten
- Fixe Kosten
Kostenbereich - Beschaffungskosten
- Fertigungskosten
- Verwaltungskosten
- Vertriebskosten
Kostenstelle - KS 110, KS 111, ...
Kostenprozeß - KP 12, KP 13, ...
Kostenträger - Produkt A, Produkt B, ...
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Dieses Standardwerk liefert Ihnen einen umfassenden Überblick über die Aufgaben, Techniken und Systeme der Kosten- und Erlösrechnung. Zunächst führt es in die Grundlagen ermittlungsorientierter Systeme ein. Dazu gehören die Kostenarten-, Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung, ein Spektrum, das in jeder Vorlesung zur Kostenrechnung gelehrt wird. Daran schließt sich die Darstellung planungs- und verhaltenssteuerungsorientierter Systeme an. Dabei handelt es sich um Methoden wie Prozesskosten-, Grenzplankosten- oder Deckungsbeitragsrechnungen und Target Costing, die im Alltag von höchster praktischer Relevanz sind. Abgeschlossen wird das Buch durch die Behandlung aktueller Weiterentwicklungen auf dem Gebiet der Kostenrechnung. Hierbei spielen insbesondere die Herausforderungen der Preisregulierung bei den Strom-, Gas- und Telekommunikationsmärkten eine große Rolle.
Die Autoren
Prof. Dr. Marcell Schweitzer lehrte Betriebswirtschaftslehre an der Universität Tübingen.
Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Ulrich Küpper ist Inhaber des Lehrstuhls für Produktionswirtschaft und Controlling an der LMU in München.