1.2 Theoretische Grundlagen der Kommunikationspolitik 37
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• innovativer,
• integrativer
ausgerichtet wird.
Dabei wird es immer stärker darauf ankommen, dass die Unternehmen ein eigenständiges, konsistentes und vor allem einzigartiges kommunikatives Bild von der
beworbenen Marke in den Köpfen der Zielpersonen verankern. Vorrangiges Ziel
der Unternehmen hat daher die Realisierung einer Unique Communication Proposition (UCP) im Sinne eines strategischen Kommunikationsvorteils zu sein, die als
Bestimmungsfaktor für den Markterfolg zunehmend an Bedeutung gewinnt und
ein Überleben im Kommunikationswettbewerb sicherstellt.
1.2 Theoretische Grundlagen der Kommunikationspolitik
Bis zum Zweiten Weltkrieg wurden keine wesentlichen forscherischen Aktivitäten im Bereich der unternehmerischen Kommunikationspolitik durchgeführt.
Die Ausrichtung kommunikativer Aktivitäten folgte dem intuitiven Gespür oder
der Erfahrung des Kommunikators. Erst das Ende des Zweiten Weltkrieges markierte den Beginn einer gezielten Kommunikationsforschung (Clark/Brock/Stewart
1994). Die Vielzahl der zu verschiedenen Themenbereichen der Kommunikation
durchgeführten Studien zeigt, dass sich die Kommunikationsforschung seitdem
in unterschiedliche Richtungen entwickelt hat (vgl. Schaubild 1-8).
Im absatzpolitischen Kontext sind vor allem die Studien zur Wirkung von Produkt-,
Marken- und Servicewerbung sowie mit Einschränkungen die Untersuchungen
zur werbeinduzierten Änderung der öffentlichen Meinung von Bedeutung.
Die Kommunikationsforschung ist grundsätzlich interdisziplinär ausgerichtet
(Frey 1985; Trommsdorff 2011). Diese Interdisziplinarität kann aus zwei unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden:
• Zum einen beschäftigen sich Wissenschaftsdisziplinen wie die Verhaltenswissenschaften (z. B. Psychologie, Soziologie) mit kommunikativen Fragestellungen
in ihrem jeweiligen Kontext. Hierbei werden Überlegungen der Wirtschaftswissenschaften mit einbezogen (z. B. Wirtschaftspsychologie, Konsumsoziologie).
• Zum anderen ist die unternehmerische Kommunikationspolitik Erkenntnisobjekt der Wirtschaftswissenschaften, insbesondere der Betriebswirtschaftslehre
und der Marketingforschung. Auch hierbei lassen sich im Rahmen der Erkenntnisgewinnung Ansätze aus anderen Disziplinen (z. B. Volkswirtschaftslehre, Psychologie, Soziologie) heranziehen.
Um den eigenen Erkenntnisfortschritt zu fördern, bedient sich die Kommunikationsforschung also zahlreicher Ansatzpunkte aus verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen. Werden in diesem Zusammenhang die letzten 50 Jahre als Betrachtungszeitraum zugrunde gelegt, so lassen sich vier zentrale Strömungen in der
Kommunikations-(Werbe-)forschung ausmachen:
(1) Kommunikationsökonomie,
(2) Kommunikationspsychologie,
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(3) Kommunikationssoziologie
(4) Kommunikationsneurologie.
(1) Kommunikationsökonomie
Die Kommunikationsökonomie (vor allem die Werbeökonomie) war in den
1950er und 1960er Jahren die zentrale Ansatzrichtung in der betriebswirtschaftlichen Auseinandersetzung bezüglich Fragen der Werbung oder anderer Kommunikationsinstrumente. Ursprung ökonomischer Überlegungen im
Rahmen der unternehmerischen Kommunikationspolitik ist insbesondere das
volkswirtschaftliche bzw. mikroökonomische Gedankengut, durch dessen Weiterentwicklung im Rahmen der neuen Institutionenökonomik mittlerweile auch
kommunikative Fragestellungen einer ökonomischen Betrachtungsweise zugänglich sind (Gümbel/Woratschek 1995). Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Entwicklung der Neueren Ökonomischen Theorie der Werbung in
Verbindung mit informa tions ökonomischen Überlegungen (vgl. vertiefend Spence
1974; Nelson 1974; Gutenberg 1976; Kaas 1990; Kuhn/Maurer 1993; Tolle 1994; Bruhn/
Janßen 1998).
Studien über
Propaganda,
Gehirnwäsche
und psychologische
Kriegsführung
Studien über die
Diffusion neuer
Produkte, Ideen
und Praktiken
Studien über
Produkt-, Markenund Servicewerbung
Kommunikationsforschung
Studien über die
Verbreitung von
Nachrichten und
Gerüchten
Studien über
mitarbeitergerichtete
Kommunikation
Studien über Wahlkampfkampagnen
und Wählerverhalten
Studien zur
öffentlichen
Meinung
Schaubild 1-8: Forschungsrichtungen der Kommunikation
(in Anlehnung an Clark/Brock/Stewart 1994, S. 44)
1.2 Theoretische Grundlagen der Kommunikationspolitik 39
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Vorrangige Zielsetzung kommunikationsökonomischer Überlegungen ist die
Offenlegung des Zusammenhangs zwischen kommunikativen Aktivitäten und
der Veränderung ökonomischer Größen, insbesondere zwischen der Höhe des
Kommunikationsbudgets und dem Absatz- und/oder Umsatzvolumen. Dieses
Denken in (ökonomischen) Marktreaktionsfunktionen äußert sich im Rahmen der
Kommunikationsökonomie vor allem in dem Gedanken, die Kommunikation als
Instrument zur Erreichung ökonomischer Ziele einzusetzen. Ein zentraler Grund
für die Entstehung dieses Gedankens ist in den gleichgerichteten Überlegungen im
Rahmen der Preispolitik zu sehen. In diesem Zusammenhang bot es sich an, den
Kerngedanken der Preis-Absatz-Funktionen auf kommunikationspolitische Fragestellungen zu übertragen. Die Leistungsfähigkeit der Kommunikationsökonomie
zur Erklärung kommunikativer Zusammenhänge wird vor allem durch die Vielzahl dieser Forschungsrichtung innewohnender Ceteris-Paribus-Annahmen eingeschränkt. Dadurch wird die Möglichkeit einer Erkenntnisvertiefung, z. B. durch
das Heranziehen verhaltenswissenschaftlichen Gedankengutes, ausgeschlossen.
Insbesondere durch die Nicht-Verfügbarkeit verhaltenswissenschaftlicher Konstrukte gerieten kommunikationsökonomisch erklärte Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge Ende der 1960er Jahre zunehmend in die Kritik von Wissenschaft und
Praxis.
(2) Kommunikationspsychologie
Im Zuge dieser Kritik trug die Einbeziehung verhaltenswissenschaftlicher Erkenntnisse, insbesondere durch die Kommunikationspsychologie, in immer stärkerem
Maße zum Erkenntnisfortschritt bezüglich kommunikativer Ursache-Wirkungs-
Beziehungen bei (Behrens 1991). Seit den 1970er Jahren bedient sich die Kommunikationsforschung psychologischer Erkenntnisse und Verfahrensweisen, um das
kommunikationsinduzierte Verhalten von Individuen zu erklären. Zielsetzung
dieser Forschungsaktivitäten ist die Beantwortung der Frage, wie das Konsumverhalten vor dem Hintergrund einer Vielzahl von Einflussgrößen im Sinne der
Kommunikationsziele durch den Einsatz der Kommunikationspolitik gesteuert
werden kann. Erkenntnisobjekt der allgemeinen Psychologie ist das System des
„autonomen Individuums“ (Trommsdorff 2011). Die Vielzahl durchgeführter Studien
in den Teilgebieten der Motivation, der Wahrnehmung, des Lernens, des Denkens,
des Gedächtnisses und der Persönlichkeit haben dabei in erheblichem Maße zur
theoretischen und empirischen Fundierung des Konsumentenverhaltens beigetragen. Wird der einschlägigen Einordnung in verschiedene Schulen gefolgt, so
ist festzuhalten, dass insbesondere die Lernpsychologie, die Psychophysik, die
Gestaltpsychologie sowie die kognitive Psychologie den Erkenntnisfortschritt bezüglich kommunikativer Zusammenhänge vorangetrieben haben (Kroeber-Riel/
Weinberg/Gröppel-Klein 2009).
(3) Kommunikationssoziologie
Ähnlich fruchtbar für die Beantwortung kommunikativer Fragestellungen wie die
Kommunikationspsychologie ist die Kommunikationssoziologie (vgl. vertiefend
Hartfield 1994; Bottomore 1987; Wiswede 1998; Bahrdt 2003; Stark 2006). Angesichts
der Vielzahl soziologischer Untersuchungen im Bereich der Kommunikation, insbesondere der Mediawerbung, erscheint es sinnvoll, das Spektrum der Soziologie
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nach dem Untersuchungsbereich weiter zu untergliedern. Dabei sind zwei Teilbereiche zu unterscheiden (Kroeber-Riel/Weinberg/Gröppel-Klein 2009):
• Mikrosoziologie,
• Makrosoziologie.
Die Mikrosoziologie beschäftigt sich in Bezug auf kommunikationspolitische Fragestellungen mit den kommunikationsinduzierten Veränderungen in kleineren
sozialen Einheiten, z. B. mit konsumrelevanten Verhaltensweisen in Familien oder
Jugendgruppen.
Die Makrosoziologie versucht hingegen, kommunikationsgestützte Veränderungen in größeren sozialen Gebilden, z. B. Verbänden, Parteien, Umweltschutzorganisationen usw., zu erklären. Hierzu gehört insbesondere die Offenlegung des
kommunikativen Einflusses auf gesamtgesellschaftliche Erscheinungen sowie des
Einflusses der gesellschaftlichen Normen auf die Wahrnehmung der unternehmerischen Kommunikationspolitik und auf das Konsumentenverhalten.
Durch den vielfach komplementären Einsatz von psychologischen und soziologischen Erkenntnissen zur Erklärung kommunikativer Zusammenhänge wird die
Sozialpsychologie von vielen Autoren als eigenständige Forschungsrichtung im
Kommunikationsbereich angesehen. Aufgrund des mangelnden originären Gehaltes – es handelt sich um derivative Inhalte aus der Soziologie und Psychologie
– sowie der großen bereichsspezifischen Überschneidungen mit der Mikrosoziologie kann dieser Auffassung nur bedingt gefolgt werden. Der Sozialpsychologie
mit explizitem Verweis auf die Kommunikationspsychologie und -soziologie jeglichen Beitrag zum Erkenntnisfortschritt abzusprechen, wäre sicherlich verfehlt.
Insbesondere unter Integrationsaspekten, z. B. bei der Erklärung der Integration
des Menschen in seine soziale Umgebung, steht ihr Erkenntnisbeitrag außer Frage.
(4) Kommunikationsneurologie
Die relativ junge Disziplin des Neuromarketing (und in diesem Rahmen die so genannte Kommunikationsneurologie) erlebte innerhalb der vergangenen fünf Jahre
einen rasanten Aufschwung. Die Neurowissenschaften liefern wertvolle Konzepte und Techniken, die bei traditionellen, betriebswirtschaftlichen Überlegungen
bisher fast vollständig außer Acht gelassen wurden. Dies gilt insbesondere auch
für die Rolle der Gefühle und Emotionen der Konsumenten im Kommunikationsprozess. Aufbauend auf einer induktiven Vorgehensweise werden Erkenntnisse und Verfahren aus den Neurowissenschaften, der Kognitionswissenschaft
und der Marktforschung im Rahmen von kommunikationsrelevanten Themen
integriert und verknüpft. Im Mittelpunkt der Kommunikationsneurologie steht
die Erforschung kognitiver Fähigkeiten wie Denken, Wahrnehmung, Motorik,
Sprache und Lernen. Es geht darum, wie Konsumenten nach einer Konfrontation
mit Kommunikationsmaßnahmen Entscheidungen und Urteile treffen sowie um
die Identifikation der wahren Beweggründe des Konsumentenverhaltens, die sich
durch Befragungen nur schwer ermitteln lassen (Bruhn/Köhler 2010).
Die Ökonomie, Psychologie, Soziologie und Medizin haben der unternehmerischen
Kommunikationspolitik wichtige Impulse und weiterführende Erkenntnisse gegeben. Durch die Unterschiedlichkeit dieser Wissenschaftsdisziplinen verwundert
es nicht, dass auch völlig anders geartete Theorieansätze bei der theoretischen
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und empirischen Durchdringung kommunikationspolitischer Fragestellungen
herangezogen wurden. Neben der Theorievielfalt ist auch die Methodenpluralität
ein kennzeichnendes Merkmal der Kommunikationsforschung. In diesem Zusammenhang sind es insbesondere systemorientierte, ökonomische, verhaltenswissenschaftliche und entscheidungsorientierte Ansätze, die für die Kommunikationspolitik nutzbar gemacht wurden.
1.2.1 Systemorientierte Ansätze
Wie bereits im Rahmen der funktionsorientierten Betrachtungsweise der Kommunikation festgestellt, sind drei Gesichtspunkte bei der Ausrichtung der unternehmerischen Kommunikationspolitik von besonderer Bedeutung: Information,
Beeinflussung und Bestätigung (Haseloff 1970a; Meffert 2007). Ziel ist demnach die
Erzeugung bestimmter Nachrichten, um diese als Mittel der Verhaltenssteuerung
einzusetzen.
Die Grundstruktur eines Kommunikationssystems geht auf Lasswell zurück, der
die Elemente des Kommunikationsprozesses anhand der Fragestellung „Wer sagt
was zu wem auf welchem Kanal mit welcher Wirkung?“ beschrieben hat (Lasswell
1967, S. 178). Zur gedanklichen Durchdringung der komplexen Zusammenhänge im
Rahmen der Kommunikationspolitik ist es jedoch notwendig, diesem Paradigma
ein erweitertes Denkschema zugrunde zu legen, das durch folgende Fragestellungen gekennzeichnet ist (in Anlehnung an McQuail 2010; Moriarty/Mitchell/Wells
2011; Meffert/Burmann/Kirchgeorg 2012):
• Wer (Unternehmen, Kommunikationstreibender)
• sagt was (Kommunikationsbotschaft)
• unter welchen Bedingungen (situationale Gegebenheiten)
• über welche Kanäle (Medien, Kommunikationsträger)
• zu wem (Zielperson, Kommunikationsempfänger)
• in welchem Gebiet (Einzugsgebiet)
• mit welchen Kosten (Kommunikationsaufwand)
• mit welchen Konsequenzen (Kommunikationserfolg)?
Die Beantwortung sämtlicher Fragen gibt Aufschluss über die konkrete Ausgestaltung des Kommunikationssystems. Dabei stellen Sender, Botschaft und Empfänger die Minimalelemente eines Kommunikationssystems dar. Das Vorhandensein
dieser Elemente ist notwendige Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit eines
Kommunikationssystems.
Anhand der Art der empfangenen Informationen durch den Adressaten sind zwei
Grundtypen von Kommunikationssystemen zu unterscheiden:
(1) Originäre, einstufige Kommunikationssysteme,
(2) Derivative, mehrstufige Kommunikationssysteme.
(1) Originäre, einstufige Kommunikationssysteme
Bei originären, einstufigen Kommunikationssystemen besteht zwischen Sender
und Empfänger eine unmittelbare Beziehung. Der Kommunikationsadressat erhält die Informationen unmittelbar und in unmodifizierter Form (originär) vom
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Kommunikationssender. Die überwiegende Mehrheit kommunikativer Vorgänge
im Kontext der kommerziellen Kommunikation sind diesem Grundtyp zu subsumieren.
Schaubild 1-9 zeigt eine kommunikationstheoretische Interpretation eines originären, einstufigen Kommunikationssystems. Das Kommunikationssystem beruht
auf Informationsquellen, deren Nutzung zu einer Entwicklung der Nachricht bzw.
zur Kommunikationsbotschaft führt. Hier wird über die Ausrichtung sämtlicher
Facetten bzw. Elemente des Kommunikationssystems entschieden, d. h. über die
einzusetzende Strategie, die Gesamtheit der Kommunikationsmaßnahmen, die
Wahl der Kommunikationskanäle und über die anzusprechenden Adressaten der
Kommunikation.
Die Nachricht, d. h. die zu übermittelnde Kommunikationsbotschaft, geht an einen
Sender, der die Kommunikationsbotschaft in ein verschlüsseltes Signal übersetzt
(Meffert 1986). Im Falle der Wirtschaftswerbung wird beispielsweise eine Werbebotschaft verschlüsselt, indem sie in Modalitäten (Text, Bild, Ton usw.) gefasst wird
und entsprechend als Anzeige gedruckt oder als Spot verfilmt wird. Die Verschlüsselung einer Kommunikationsbotschaft wird im kommerziellen Kontext sowohl
unternehmensintern von den entsprechenden Kommunikationsfachabteilungen
und/oder unternehmensextern von Kommunikationsagenturen vorgenommen.
Zum Transport des verschlüsselten Signals wird sich vielfach einem oder mehrerer
Kanäle, z. B. der Medien, bedient, deren Einsatz zum Ziel hat, eine entsprechende
Kommunikationsdistribution sicherzustellen.
Kommunikationsbetreiber
Messung des ökonomischen
Kommunikationserfolges
Messung der außerwirtschaftlichen Wirkung
Kommunikationskonzepte
Verschlüsselung
der Kommunikationsbotschaft
Ton
Bild
Text
Störung
Kommunikationsträger
Rückkoppelung
Kanal
Sender Empfänger
Ton
Bild
Text
Gesendetes
Signal
Empfangenes
Signal
(Kommunikationsabteilung oder
-agentur)
Sinne des
Kommunikationssubjektes
Reaktion
Verarbeitung,
Interpretation
Schaubild 1-9: Originäres, einstufiges Kommunikationssystem
(in Anlehnung an Meffert 1986, S. 447)
1.2 Theoretische Grundlagen der Kommunikationspolitik 43
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Die Entschlüsselung (Decodierung) des Signals durch den Empfänger bzw. die
dadurch ausgelöste Wirkung braucht nicht unbedingt mit der vom Kommunikationssender beabsichtigten Wirkung übereinzustimmen. Dies liegt vornehmlich
daran, dass der Kommunikationsadressat das Signal nicht im Sinne des Kommunikationssenders entschlüsselt, sondern die Übersetzung und Interpretation
der Kommunikationsbotschaft im Hinblick auf die eigenen Wertvorstellungen,
Erfahrungen und Bedürfnisse vornimmt. Zielsetzung des Kommunikationssenders hat es daher zu sein, diese auftretenden Störungen zu minimieren, indem er
seine Kommunikationsimpulse so verschlüsselt, dass sie vom Kommunikationsempfänger weitgehend in dem von ihm beabsichtigten Sinne verstanden werden.
Häufig liegen die Gründe für auftretende Störungen in der Realität auch in entsprechenden Konkurrenzaktivitäten oder in der Veränderung umweltsituationaler
Faktoren, die der Auslösung beabsichtigter Wirkungen entgegenstehen. Konkurrenzinduzierte Störungen treten beispielsweise in besonderem Maße bei vergleichender Werbung auf, im Rahmen derer die Kommunikationssender vorrangig das
Ziel verfolgen, die Auslösung der vom jeweiligen Konkurrenzsender beabsichtigten
Wirkungen zu verhindern. Ein bekanntes Beispiel für umweltinduzierte Störungen
stellt der Misserfolg eines Slogans des amerikanischen Telekommunikationsanbieters AT&T dar. Der Slogan „We hear you“ schien auch aufgrund vorliegender
Testergebnisse gut geeignet, Kundennähe zu demonstrieren. Die Interpretation
durch die Kommunikationsadressaten änderte sich jedoch unmittelbar durch die
Watergate-Affäre, nach der dieser Slogan nur noch als „Wir hören Ihre Gespräche
ab“ interpretiert wurde.
Weitere Störungen können durch Unstimmigkeiten oder Missverständnisse zwischen Unternehmen und Kommunikationsagenturen sowie durch die Übermittlung von Botschaften mit Hilfe von Kommunikationsträgern auftreten (Schweiger/
Schrattenecker 2009). Diese Übermittlungsstörungen sind technischer Art und/oder
kommen dadurch zustande, dass die medienbezogene Einstellung (z. B. Glaubwürdigkeit einer Zeitschrift oder eines Privatsenders) die Interpretation der Botschaft
beeinflusst.
Der Kommunikationssender hat durch das Rückkoppelungselement im Kommunikationssystem die Möglichkeit, den Informationsempfang, das Verständnis und
die Reaktionen der Kommunikationsempfänger zu überprüfen. Dazu stehen dem
Kommunikationssender eine Vielzahl verschiedener Methoden zur Verfügung.
Im kommerziellen Kontext liefert die Marktforschung dem kommunikationstreibenden Unternehmen vielfältige Informationen zur Kontrolle der zielorientierten
Funktion des Kommunikationssystems. Führt der Kommunikationsprozess nicht
zu den angestrebten Zielen, so sind Korrekturmaßnahmen im Rahmen des Kommunikationssystems notwendig.
(2) Derivative, mehrstufige Kommunikationssysteme
Derivative, mehrstufige Kommunikationssysteme sind dadurch gekennzeichnet,
dass zwischen Kommunikationssender und -empfänger keine unmittelbare Beziehung besteht. Wie Schaubild 1-10 zeigt, sind in diesen Systemen Elemente (z. B.
Meinungsführer) mehrstufig zwischengeschaltet. Der Kommunikationsempfänger
erhält die Informationen nicht direkt, sondern derivativ und gegebenenfalls in
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modifizierter Form vom Kommunikationssender. Sämtliche Vorgänge im Rahmen interpersoneller Verbreitungseffekte einer Information, z. B. der Distribution
einer Information auf Dinner-Partys oder auf dem Weg zum Arbeitsplatz, sind
diesem Grundtyp von Kommunikationssystemen zuzuordnen (Berger 1995). Die
zwischengeschalteten Elemente werden auch „Induktoren“ genannt, da sie in hohem Maße für die Interpretation der jeweiligen Kommunikationsimpulse seitens
der Konsumenten als Kommunikationsadressaten mitverantwortlich sind. Sie weisen vielfach weniger ein spezifisches Interesse gegenüber dem kommunikativ zu
unterstützenden Gegenstand als vielmehr generell aufgeschlossene Einstellungen
zu sämtlichen Neuerungen auf (z. B. Konsumpioniere, Modeführer). Häufig ist bei
ihnen ein ausgeprägter Hang zur „Konsumdemonstration“ beobachtbar. Diese
Personen werden zu aktiven Verteilern der Kommunikationsbotschaft und können
so zu einer erheblichen Modifikation in der Interpretation der Kommunikationsbotschaft bei den anvisierten Kommunikationsempfängern beitragen. Dies kann
sich sowohl in auftretenden Verstärkungs- als auch in Abschwächungseffekten
äußern. Dadurch wird jedoch vor allem die Kontrolle des Kommunikationserfolges
erheblich erschwert. Dies wird durch das zeitlich verzögerte Feedback im Rahmen
der derivativen Kommunikation noch verstärkt (Meffert 2007).
Bei einer kritischen Würdigung der systemorientierten Ansätze der Kommunikation ist festzuhalten, dass es sich hierbei lediglich um rein formale Annäherungen zur Abbildung von Systemstrukturen sowie der darin ablaufenden Prozesse
handelt (Meffert 1971; 1992). Dabei werden vereinfachte Abbilder der Realität geschaffen, die zwar hilfreich für die Identifizierung und Beschreibung auftretender
Beziehungen zwischen Elementen eines Kommunikationssystems sind, jedoch
Sender
1. Stufe 2. Stufe
Kommunikationsbetreibender
Kommunikationsbotschaft
Kontaktbotschaft
Verbraucher
Konsumdemonstration
Kommunikationssubjekte
Signal Empfänger
Rückkoppelung
Rückkoppelung
Schaubild 1-10: Derivatives, mehrstufiges Kommunikationssystem
(in Anlehnung an Haseloff 1970a, S. 175)
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über keine originäre Erklärungskraft bezüglich ablaufender Prozesse verfügen.
Systemorientierte Ansätze sind demnach lediglich dazu geeignet, zu erklärende Zusammenhänge im Rahmen des Ablaufes von Kommunikationsprozessen
zu strukturieren bzw. zu systematisieren. Es wäre jedoch verfehlt, dem systemorientierten Ansatz jegliche Leistungsfähigkeit zur Erklärung kommunikativer
Zusammenhänge abzusprechen, denn die Durchführung systemtheoretischer
Überlegungen ist als gedanklich-strukturelle Vorarbeit notwendig, damit es zu
einer Erklärung relevanter Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge kommt.
1.2.2 Ökonomische Ansätze
Die ökonomische Theorie, insbesondere die mikroökonomische Haushaltstheorie,
bot zu Beginn wenig Ansatzpunkte für eine wirklichkeitsnahe Erklärung kommunikationsinduzierter Konsequenzen (Kaas 1990). Im Verlauf der Jahre hat die
mikroökonomische Theorie jedoch große Fortschritte, insbesondere in der Analyse
von Informationsprozessen, erzielt (vgl. vertiefend Hopf 1983).
Der ökonomische Ansatz geht bei der Erklärung kommunikationsinduzierter Konsequenzen von einem aktiven Konsumenten aus, der das jeweils bereitgestellte
Informationsangebot annimmt oder ablehnt.
Im Rahmen des ökonomischen Ansatzes wird das Verhalten von Konsumenten
gegenüber kommunikativen Stimuli in ein ökonomisches Allokationsmodell überführt. Dabei wird angenommen, dass der Konsument sowohl im Hinblick auf
sämtliche durchführbare Aktivitäten im Allgemeinen als auch auf den Kommunikationskonsum im Speziellen Wahlentscheidungen zu treffen hat. Diese Wahlentscheidungen erstrecken sich simultan auf zwei Dimensionen und werden durch
informationsökonomische Kosten-Nutzen-Überlegungen gesteuert:
• Interbereichsbezogene Entscheidungen,
• Intrabereichsbezogene Entscheidungen.
Bei den interbereichsbezogenen Entscheidungen wird die Beschäftigung mit
kommunikativen Stimuli, z. B. der Konsum eines Werbespots, gegenüber anderen Tätigkeiten, z. B. dem Einkommenserwerb, abgewogen. Gleichzeitig trifft der
Konsument intrabereichsbezogene Entscheidungen, indem er im Rahmen der Informationsaufnahme zwischen einzelnen Kommunikationsangeboten eine Auswahl
trifft – dies ist insbesondere vor dem Hintergrund der zunehmenden Informationsflut notwendig. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Aufnahme kommunikativer Stimuli – wie jede andere Tätigkeit auch – Zeit kostet, eine Ressource, die
nur in begrenztem Ausmaß zur Verfügung steht. Wie oben bereits angedeutet,
hängt es von den Nutzenerwartungen des jeweiligen Konsumenten im Hinblick
auf die Reizaufnahme ab, ob und wie viel Zeit für den Konsum kommunikativer
Stimuli verwendet wird. Gestützt auf die Arbeiten von Becker zur Zeitallokation
und Haushaltsproduktion lässt sich ein informationsökonomisches Modell der
Kommunikation wie folgt ableiten (Kaas 1990, S. 493; Becker 1993, S. 97 ff.; Bruhn/
Janßen 1998):
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Maximiert wird die Zielfunktion:
(1)
=
? +?
n
i i r r
i 1
X U U (T )
unter den Nebenbedingungen:
(2)
=
? + =?
n
i i r
i 1
X t T T
(3) Xi = 1, wenn der Kommunikationsappell i aufgenommen wird,
0, sonst.
Darin gilt:
Ui = Nutzen des Kommunikationsappells i für den Konsumenten,
ti = Zeit, die der Konsument für die Aufnahme des Kommunikationsappells i
verwendet,
n = Zahl der Werbeappelle,
Tr = Zeit, die der Konsument auf alle anderen Tätigkeiten verwendet (Restzeit),
Ur = Nutzen, der aus der Verwendung der Restzeit resultiert,
T = Gesamtes Zeitbudget des Konsumenten.
Die Lösung dieses Allokationsproblems lautet:
(4) ?i
i
U dUr
t dTr
Es werden demnach alle Kommunikationsappelle aufgenommen, deren Grenznutzen pro Zeiteinheit größer ist als der Grenznutzen der Restzeit.
Das Modell ist in der Lage, informationsökonomische Erklärungen kommunikationsbezogener Verhaltensweisen in Abhängigkeit von der Entsendung verschiedener Arten von Kommunikationsreizen sowie von personenspezifischen Unterschieden zu geben. So ist beispielsweise die erhöhte Nachfrage nach bildbetonter
Kommunikation (Kommunikationsart) informationsökonomisch dadurch zu erklären, dass die Konsumenten für die Aufnahme und Verarbeitung bildverschlüsselter
Informationen erheblich weniger Zeit benötigen als für dieselben textverschlüsselten Informationen. Mithin widmen die Konsumenten bildbetonter Kommunikation
mehr Zeit, da sie in kürzerer Zeit denselben Nutzen bzw. in der gleichen Zeit einen
höheren Nutzen stiftet.
Aber auch personenspezifische Unterschiede in der Rezeption von Kommunikationsreizen werden durch den informationsökonomischen Ansatz erklärt. So ist beispielsweise empirisch abgesichert, dass Empfänger höherer Einkommen erheblich
weniger Zeit für den Werbekonsum verwenden als Empfänger niedrigerer Einkommen. Die ökonomische Erklärung dieses Phänomens knüpft an die Vermutung an,
dass diesen Menschen durch den Einkommenserwerb ein hoher Nutzen gestiftet
wird und dementsprechend die Verwendung von Zeit auf alternative Tätigkeiten,
z. B. den Konsum eines Werbespots, ein hoher Nutzenentgang hervorruft (Opportunitätskosten alternativer Tätigkeiten). Diese Menschen konsumieren daher
nur wenige Werbereize. Umgekehrt ist der Nutzen aus Einkommenserwerb für
Empfänger niedriger Einkommen als relativ gering einzustufen, so dass der entsprechende Nutzenentgang durch den Konsum kommunikativer Reize (geringe
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Zeit- bzw. Informationskosten) ebenfalls gering ist (vgl. vertiefend Becker 1993). Neben den geringen Informationskosten ist gleichzeitig auch davon auszugehen, dass
der informationsorientierte Nutzen des Kommunikationskonsums höher ausfallen
dürfte als bei Besserverdienenden, so dass die Empfänger niedriger Einkommen
angesichts eines besseren Kosten-Nutzen-Verhältnisses mehr Zeit für den Konsum
kommunikativer Stimuli aufwenden.
Bei einer kritischen Würdigung des ökonomischen Ansatzes zur Erklärung der
Kommunikationswirkung ist zunächst auf seine Stärken hinzuweisen. Der (informations-)ökonomische Ansatz ist in der Lage, mit nur zwei Variablen (Nutzen
und Zeit- bzw. Informationskosten) Kommunikationswirkungen zu erklären. Sie
genügen jedoch, um Aussagen abzuleiten, die verhaltenswissenschaftliche Erklärungsansätze nicht oder nur in sehr eingeschränktem Maße gewinnen. In der Einfachheit, mit der der ökonomische Ansatz Kommunikationswirkungen zu erklären
vermag, liegt vielleicht sein größter Reiz.
Die Schwäche des ökonomischen Ansatzes liegt darin, dass er kaum in detaillierte
Analysen psychologischer Verhaltensweisen in Abhängigkeit von verschiedenen
inhaltlichen und formalen Gestaltungen kommunikativer Reize vorstößt. An diesen Punkt setzen die verhaltenswissenschaftlichen Ansätze an.
1.2.3 Verhaltenswissenschaftliche Ansätze
Verhaltenswissenschaftliche Ansätze zur Erklärung von Kommunikationsprozessen stützen sich auf verschiedene Reiz-Reaktions-Schemata. Erklärungsgegenstand
ist dabei immer die Art ausgelöster Konsumentenreaktionen (Response) infolge
entsendeter Kommunikationsreize (Stimuli). Bausteine der verhaltenswissenschaftlichen Theorie sind somit Wenn-Dann-Aussagen, durch deren Verknüpfungen untereinander eine umfassende und differenzierte Erklärung des Konsumentenverhaltens erfolgt (Trommsdorff 2011). Im Zuge fortschreitender Erkenntnisse
in der Verhaltensforschung sind mittlerweile zwei Paradigmen zu unterscheiden:
(1) Stimulus-Response-Paradigma (S-R-Paradigma),
(2) Stimulus-Organismus-Response-Paradigma (S-O-R-Paradigma).
(1) Stimulus-Response-Paradigma
Das S-R-Paradigma spiegelt die behavioristische Auffassung über die Ausrichtung
ablaufender Reiz-Reaktions-Schemata wider. Zur Erklärung des Konsumentenverhaltens werden ausschließlich beobachtbare Größen zugelassen. Beobachtbar
sind zum einen die entsendeten Kommunikationsreize, die auf einen Organismus
(Mensch, Tier) einwirken, zum anderen die dadurch ausgelösten Reaktionen. So
wird beispielsweise gemäß der behavioristischen Theorien das Lernen dadurch
erklärt, dass gesetzmäßige Beziehungen zwischen entsendeten Kommunikationsreizen und ausgelösten Reaktionen in Form konditionierter (beobachtbarer)
Verhaltensweisen existieren (vgl. vertiefend Haseloff 1970b; Kroeber-Riel/Weinberg/
Gröppel-Klein 2009). Es wird deutlich, dass der Konsument im Rahmen des S-R-
Paradigmas als „Black Box“ angesehen wird. Dies ist jedoch gleichzeitig der Hauptkritikpunkt am S-R-Paradigma, weil dadurch implizit unterstellt wird, dass der
entsendete Kommunikationsreiz allein für die jeweilige Konsumentenreaktion
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ausschlaggebend ist und dass gleiche Stimuli auch gleiche Wirkungen bedingen.
Davon kann aber nicht ausgegangen werden. Vielmehr ist festzuhalten, dass der
jeweilige Stimulus nur einen Einflussfaktor darstellt und das (beobachtbare) Konsumentenverhalten von einer Vielzahl weiterer situationaler und persönlichkeitsbezogener Größen determiniert wird.
(2) Stimulus-Organismus-Response-Paradigma
Im Gegensatz zum S-R-Paradigma greift das neobehavioristische S-O-R-Paradigma
zur Erklärung von Kommunikationsprozessen daher explizit auf nicht beobachtbare Verhaltensweisen im Inneren des menschlichen Organismus (O) zurück (vgl.
Schaubild 1-11). Im Organismus wirkt demnach eine Reihe von intervenierenden
Variablen, die letztlich bestimmen, wie ein Stimulus wirkt. So sind gemäß dieser
Auffassung zwischen die beobachtbaren Kommunikationsreize und Reaktionen
interne Größen, wie z. B. Erinnerungen oder Einstellungen, geschaltet. Die (beobachtbaren) Reaktionen folgen also nicht (immer) unmittelbar auf einen Reiz. Bei
der Ausstrahlung eines Werbespots beispielsweise laufen zwischen dem beobachtbaren Reiz und der entsprechenden Reaktionen, z. B. Markenkauf, oftmals eine
Vielzahl innerer Vorgänge, wie z. B. die Wahrnehmung des Reizes, die Erinnerung
an den Reiz oder die Einstellung gegenüber dem Reiz (so genannte intervenierende Variablen) ab. Bei den inneren Vorgängen lassen sich kognitive und affektive
Wirkungen unterscheiden. Unter kognitiven Wirkungen werden Prozesse verstanden, die mit dem Lernen von Werbeinhalten und -botschaften zusammenhängen.
Affektive Wirkungen beschreiben die durch Kommunikationsreize ausgelöste
oder beeinflusste Gefühlslage oder Einstellung zum umworbenen Objekt. Eine
Herausforderung im Hinblick auf das S-O-R-Paradigma stellt dabei oftmals die
Operationalisierung und Messung theoretischer Begriffe und insbesondere das
Aufdecken der intern ablaufenden psychischen Prozesse dar.
Es wird deutlich, dass das Spektrum möglicher kommunikationsinduzierter Konsequenzen sehr groß ist. Anders als bei S-R-Modellen wird bei S-O-R- Modellen
die Reaktion nicht als direkte Funktion eines Reizes angesehen, sondern als indirekte Folge von inneren Vorgängen im Vorfeld der Kaufhandlung. Mit anderen
Worten: Die Wirkung einer Kommunikationsmaßnahme entwickelt sich in der
Aufeinanderfolge mehrerer Stufen. In dem Bemühen, Werbewirkung bzw. Kaufverhalten in Abhängigkeit verschiedener Einflussgrößen schlüssig zu erklären,
sind im Rahmen des S-O-R-Paradigmas so genannte Hierarchiemodelle entwickelt
worden, die kommunikationsinduzierte Konsequenzen als Folge eines sukzessiven
Entstehungsprozesses erklären. Dabei sind drei Typen von Hierarchiemodellen zu
unterscheiden:
(1) Lernmodell: Wahrnehmung – Einstellung – Verhalten,
(2) Low-Involvement-Modell: Wahrnehmung – Verhalten – Einstellung,
(3) Dissonanzmodell: Verhalten – Einstellung – Wahrnehmung.
(1) Das Lernmodell (auch High-Involvement-Modell) geht davon aus, dass das (reizgesteuerte) Konsumentenverhalten ein permanenter Prozess der Erfahrungsbzw. einer damit verbundenen Einstellungsbildung ist, dessen Resultat finales
Verhalten darstellt (Kaas 2001; Kroeber-Riel/Weinberg/Gröppel-Klein 2009). Am
Anfang steht die Erfassung der menschlichen Wahrnehmung, wobei es darum
1.2 Theoretische Grundlagen der Kommunikationspolitik 49
Vahlens Handbücher – Bruhn – Kommunikationspolitik 7. Aufl. Herstellung: Frau Deuringer
25.10.2012 Druckdaten Seite 48
Vahlens Handbücher – Bruhn – Kommunikationspolitik 7. Aufl. Herstellung: Frau Deuringer
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geht, wie Konsumenten Stimuli wahrnehmen, wie groß ihre Aufmerksamkeit
gegenüber den Stimuli ist und in welchem Ausmaß sie sich um Informationen
bemühen. Im Rahmen des Lernbereichs ist dann zu klären, wie Konsumenten die Stimuli verarbeiten bzw. welche Einstellungen sich gegenüber dem
kommunikativ zu unterstützenden Gegenstand herausbilden. Schließlich ist
der Einfluss der ausgelösten Einstellungen auf finale Verhaltensweisen der
Konsumenten offen zu legen. Das lerntheoretische Modell findet immer dann
empirische Bestätigung, wenn die Ich-Beteiligung des jeweiligen Konsumenten
im Hinblick auf den kommunikativ zu unterstützenden Gegenstand hoch ist
(High Involvement). Denn in diesem Fall ist das Individuum bereit, einen hohen
kognitiven Aufwand zu betreiben, um über erlernte bzw. gefestigte Einstellungen das finale Verhalten kognitiv abzusichern.
(2) Das Low-Involvement-Modell geht hingegen von einem ganz anderen Ablauf
ausgelöster kommunikativer Konsequenzen beim Individuum aus. Zwar steht
auch hier die Wahrnehmung am Anfang der Wirkungskette. Anders als beim
lerntheoretischen Modell kommt es jedoch unmittelbar im Anschluss an die
im Regelfall bruchstückhafte Wahrnehmung des Kommunikationsreizes zu
finalem Verhalten, z. B. in Form eines Produktkaufs. Erst nachdem der Konsu-
Reizdarbietung bzw. Kontakt
mit KommunikationsmittelS
O
Kognitive Reaktionen
• Aufmerksamkeit
• Kenntnis von Marken und Produkten
• Wissen über Produkte u.a.m.
Affektive Reaktionen
Konative Reaktion
(Verhaltensabsicht bzw. Verhalten)R
• Interesse
• Einstellung
• Emotionales Erleben u.a.m.
Schaubild 1-11: Stimulus-Organismus-Response-Modell
1 Gegenstandsbereich und Theorien der Kommunikationspolitik50
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ment finale Verhaltensweisen gezeigt hat, kommt es bei ihm, z. B. aufgrund gewonnener Erfahrungen mit dem Produkt, zu Einstellungen bzw. Einstellungsveränderungen hinsichtlich des kommunikativ unterstützten Gegenstandes.
Empirische Unterstützung für diesen Ablauf kommunikativer Konsequenzen
sind insbesondere unter Low-Involvement-Bedingungen zu finden, d. h., bei
geringer innerer Beteiligung des Konsumenten am Willensbildungsprozess
(Kroeber-Riel/Weinberg/Gröppel-Klein 2009). In dieser Situation ist eine positive
Einstellung zu einer finalen Verhaltensweise nicht die Voraussetzung, sondern
allenfalls das Ergebnis dieser Verhaltensweise (die Einstellung kann auch negativ ausfallen, z. B. wenn der Konsument mit dem gekauften Produkt unzufrieden ist).
(3) Anders als bei den beiden bereits erwähnten Hierarchiemodellen bezieht sich
der Erklärungsgegenstand des Dissonanzmodells auf kommunikative Konsequenzen, die sich erst nach finalen Verhaltensweisen vollziehen. Es wird
demnach vorausgesetzt, dass finales Verhalten des Individuums bereits erfolgt
ist. Dieses finale Verhalten ruft kognitive Dissonanzen hervor, durch die sich
bestimmte Einstellungen formieren. Kognitive Dissonanzen sind z. B. dann zu
erwarten, wenn „starke“ Raucher auf das Rauchen als Hauptursache des Lungenkrebses hingewiesen werden. Dissonanzen als empfundene Widersprüche
zwischen Wahrnehmungen und (bisherigen) Überzeugungselementen (Kognitionen) haben vielfältige Ursachen (in Anlehnung an Silberer 2001):
• Die schmerzliche Erkenntnis, auf die Vorteile einer nicht gewählten Handlungsalternative zu verzichten.
• Enttäuschungen im Hinblick auf die gewählte Handlungsalternative, z. B.
schlechte Erfahrungen mit dem gekauften Produkt.
• Kritische Kommentare oder Hinweise von (glaubwürdigen und als kompetent eingeschätzten) Dritten in Bezug auf die gewählte Handlungsalternative.
• Kommunikative Unterstützung von anderen Handlungsalternativen, z. B.
werbliche Unterstützung eines Konkurrenzproduktes.
Die dissonanzinduzierten Einstellungsänderungen führen hierbei zu einem
veränderten Wahrnehmungsverhalten, d. h., bereitgestellte Informationen werden anders aufgenommen und verarbeitet (Rossiter/Percy 1997, S. 19). Dies äußert
sich sowohl in der aktiven und passiven Aufnahme von Reizeindrücken als
auch in der Selektivität der Informationsaufnahme und -verarbeitung, um das
Verhalten nachträglich vor sich selbst zu rechtfertigen (vgl. vertiefend Hajos
1973; Kroeber-Riel/Weinberg/Gröppel-Klein 2009).
Beispiel: Verändertes Wahrnehmungsverhalten der Konsumenten
Schlechte Erfahrungen (Dissonanzen) mit einer Automarke rufen negative Einstellungen gegenüber der Marke bei dem jeweiligen Konsumenten hervor. Ausgesendete
Kommunikationsreize der entsprechenden Marke gelangen daher nicht bzw. nur
noch sehr schwer in den Wahrnehmungsraum dieses Konsumenten. Die Wahrscheinlichkeit der Ausselektierung ist hoch.
Angesichts der Vielfalt möglicher Einflussgrößen auf das Konsumentenverhalten
ist in den letzten Jahren eine Vielzahl theoretischer und empirischer Studien zu
Konsumentenreaktionen auf kommunikative Stimuli durchgeführt worden. Je
nach Betonung zugrunde liegender situationaler und persönlichkeitsbezogener
1.2 Theoretische Grundlagen der Kommunikationspolitik 51
Vahlens Handbücher – Bruhn – Kommunikationspolitik 7. Aufl. Herstellung: Frau Deuringer
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Einflussgrößen haben verschiedene Autoren unterschiedliche Stufen der Kommunikationswirkung herausgearbeitet. Die verschiedenen Stufenmodelle der Kommunikationswirkung zeigt Schaubild 1-12 im Überblick.
Die Kritik am verhaltenswissenschaftlichen Ansatz resultiert vor allem aus der
Verwendung theoretischer Konstrukte zur Erklärung innerer Denkprozesse. Dabei
ist vor allem auf vier Problemkreise des verhaltenswissenschaftlichen Ansatzes in
Verbindung mit der Arbeit von Konstrukten hinzuweisen:
• Definitorische Probleme,
• Operationalisierungsprobleme,
• Messtechnische Probleme,
• Multikausalitätsprobleme,
• Informationsprobleme.
Im Rahmen verhaltenswissenschaftlicher Erklärungen kommunikationsorientierter Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge wird auf eine Vielzahl verschiedener Begriffe (theoretische Konstrukte, wie z. B. Aufmerksamkeit, Interesse, Präferenzen,
Kaufabsichten) zurückgegriffen, um bestimmte Sachverhalte zu kennzeichnen.
Durch die in der Literatur oftmals inkonsistente Verwendung von Begriffen wird
Stufe 1 Stufe 2 Stufe 3 Stufe 4 Stufe 5 Stufe 6
Lavidge/Steiner
Lewis (AIDA-Regel)
Autor
Bewusstheit Wissen Zuneigung Bevorzugung Überzeugung
Attention Interest Desire Action
Stufen der Kommunikationswirkung (Kommunikationszielinhalte)
Kauf
Colley Bewusstsein Einsicht Überzeugung Handlung
Fischerkoesen Bekanntheit Image
Nutzen
(erwartet) Präferenz Handlung
Seyffert Sinneswirkung
Aufmerksamkeitswirkung
Vorstellungswirkung
Gefühlswirkung
Gefühlswirkung
Willenswirkung
Kroeber-Riel Aufmerksam-keit
Affektive
Handlung
Rationale
Beurteilung Kaufabsicht Kauf
DAGMAR-Regel
nach Batra et al. Unaware Aware
Comprehension
and Image Attitude Action
McGuire Aufmerksam-keit
Kenntnis Einverständnis
mit der Schlussfolgerung
Behalten der
neuen
Einstellung
Verhalten auf
Basis der neuen
Einstellung
Steffenhagen Wahrnehmungs-wirkung
Emotionswirkung
Invormationswirkung
Gedächtniswirkung
Verhaltenswirkung
Einstellungswirkung
Kotler Bekanntheit Wissen Empnden Präferenz KaufÜberzeugung
Schaubild 1-12: Stufenmodelle der Kommunikationswirkung
(in Anlehnung an Rogge 2004, S. 61; Schweiger/Schrattenecker 2009, S. 171)
1 Gegenstandsbereich und Theorien der Kommunikationspolitik52
Vahlens Handbücher – Bruhn – Kommunikationspolitik 7. Aufl. Herstellung: Frau Deuringer
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das Verständnis bestimmter Sachverhalte jedoch erheblich erschwert. Definitorische Probleme treten demnach immer dann auf, wenn mit unklaren, abstrakten
und mehrdeutigen Konstrukten gearbeitet wird. In diesem Fall ist es nur schwer
möglich, eine eindeutige Zuordnung von Sachverhalten und Begriffen vorzunehmen.
Des Weiteren treten eine Vielzahl von Operationalisierungsproblemen bei der Erklärung theoretischer Konstrukte auf. Sofern die verwendeten Begriffe eindeutig
definiert sind, ist nach Operationen zu suchen, mit deren Hilfe eine realitätsgetreue
Erklärung des gemeinten Sachverhaltes erfolgen kann. Aufgrund der nicht direkt
erfassbaren Phänomene im Inneren des Menschen, z. B. eine Meinungsbeeinflussung oder eine Verhaltensabsicht, ist dazu auf Indikatoren als unmittelbar messbare Sachverhalte zurückzugreifen, die Aufschluss über das Vorhandensein des
zu erklärenden Sachverhaltes geben (Müller-Hagedorn 1994; Kroeber-Riel/Weinberg/
Gröppel-Klein 2009). Ein Indikator für eine kommunikationsinduzierte Meinungsbeeinflussung ist beispielsweise die Äußerung einer Person, sie habe ihre Einstellung
zum kommunikationsunterstützten Gegenstand, z. B. zu einem Produkt, geändert.
Dies ist in vielen Fällen jedoch problematisch, weil die eingesetzten Indikatoren
nicht immer in hohem Maße ursächlich für die zu erklärenden Sachverhalte sind
und oftmals nur gewisse Aspekte des theoretisch Gemeinten wiedergeben. Beispielsweise wird der Begriff des „sozialen Status“ selbst erst durch eine Mehrzahl
von Indikatoren, wie Einkommen, Beruf, Wohngegend usw., empirisch greifbar.
Darüber hinaus ist auf eine Vielzahl messtechnischer Probleme hinzuweisen.
Denn nachdem ein Konstrukt begrifflich definiert und operationalisiert ist, stellt
sich die Frage nach der einzusetzenden Messtechnik und ob beispielsweise die
Einstellungsmessung schriftlich, mündlich oder telefonisch zu erfolgen hat. Dies
ist von großer Bedeutung, da Einigkeit darüber besteht, dass die einzusetzende
Messtechnik in hohem Maße dafür verantwortlich ist, wie realitätsgetreu ablaufende Gedächtnisprozesse beim Konsumenten erklärt werden. Unklar ist jedoch
weiterhin, unter welchen Bedingungen welche Messtechnik am besten zur Erklärung dieser Sachverhalte geeignet ist.
Ferner wirken bei den vielfach vorhandenen multikausalen Beziehungen mehrere
Auslöser (Ursachen) zusammen oder nebeneinander zur gleichen Zeit. Bei diesen
Multikausalitätsbeziehungen werden die Beziehungen zwischen den Ursachen
und deren Wirkungen wesentlich komplexer und erschweren eine eindeutige Zuordnung. Beispielsweise ist es oftmals schwierig zu entscheiden, welcher Reiz für
welche Konsumentenreaktion verantwortlich ist.
Schließlich ist auf die erheblichen Informationsprobleme sowie den Erhebungsaufwand im Rahmen der empirischen Fundierung der Erklärung theoretischer
Konstrukte des Konsumentenverhaltens hinzuweisen (Foxall 1996). Zum einen
können gewisse gedankliche Sachverhalte nur schwer offen gelegt werden, z. B.
bestimmte erotische Phantasien. Zum anderen ist eine umfassende empirische
Fundierung des kommunikationsinduzierten Konsumentenverhaltens aufgrund
charakterlicher Unterschiede sowie der Vielzahl auf den Konsumenten einwirkender Umfeldgrößen mit einem großen Erhebungsaufwand verbunden.
1.2 Theoretische Grundlagen der Kommunikationspolitik 53
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1.2.4 Entscheidungsorientierte Ansätze
Der entscheidungsorientierte Ansatz versucht im Rahmen der Marketingtheorie
als Theorie des Entscheidungsverhaltens den Ablauf von Entscheidungsprozessen
zu erklären und Verhaltensempfehlungen bzw. Entscheidungshilfen für die Träger
von Marketingentscheidungen bereitzustellen (Heinen 1971). Im kommunikativen
Kontext stellt er einen leistungsfähigen Ansatz zur Erklärung und Verbesserung
kommunikationspolitischer Entscheidungen dar. Hierbei ist zwischen Ziel- und
Mittelentscheidungen zu unterscheiden, deren aufeinander abgestimmtes Zusammenwirken einen Entscheidungsprozess der Kommunikationspolitik begründen.
Konstitutive Elemente dieses Entscheidungsprozesses sind dabei die Erfassung der
Handlungssituation, die (operationale) Formulierung von Kommunikationszielen,
die Auswahl der einzusetzenden Mittel (Einsatz der Kommunikationsinstrumente)
sowie die Abbildung eines Entscheidungsfeldes, in dem alle von der Entscheidung
betroffenen Sachen und Personen erfasst werden (Meffert 2001).
Zur Sicherstellung sinnvoller Entscheidungen im Umfeld vielfältiger und komplexer Kommunikationsprozesse ist es – ähnlich wie bei anderen Marketinginstrumenten – notwendig, dem (unternehmerischen) Entscheidungsverhalten
planerische Überlegungen voranzustellen. Die Entscheidungen über den Einsatz
sämtlicher Kommunikationsaktivitäten orientieren sich hierbei am entscheidungsorientierten Ansatz des Marketing, im Rahmen dessen eine bestimmte Planungssystematik für den Ablauf von Teilentscheidungen zugrunde gelegt wird. Die Kommunikationspolitik wird also einem Planungsprozess unterworfen, der die Abfolge
einzelner Planungsaktivitäten bzw. der daraus resultierenden Teilentscheidungen
wiedergibt. Schaubild 1-13 zeigt einen idealtypischen und integrativ ausgerichteten
Planungsprozess der Marktkommunikation mit den folgenden Phasen:
• Ausgehend von einer umfassenden und differenzierten Situationsanalyse sind
die Kommunikationsziele zu planen und verbindlich festzulegen. Sie sind dem
weiteren kommunikativen Vorgehen als Richtschnur voranzustellen.
• Im nächsten Schritt sind relevante Zielgruppen der Kommunikation zu identifizieren, zu beschreiben und deren Erreichbarkeit, z. B. über Kommunikationsträger, zu ermitteln.
• Im Mittelpunkt der Kommunikationspolitik steht die Festlegung der Kommunikationsstrategie, die die Schwerpunkte kommunikativer Unternehmensaktivitäten definiert.
• Auf der Basis dieser Strategie ist das Kommunikationsbudget festzulegen, der
Einsatz von Kommunikationsinstrumenten zu planen sowie eine Maßnahmenplanung in Form der Planung der Kommunikationsbotschaft und der Mediaplanung durchzuführen.
• Sämtliche Entscheidungen im Planungsprozess der Marktkommunikation sind
mit den übrigen Entscheidungen im Marketingmix abzustimmen und gegebenenfalls anzupassen, sodass eine integrierte Ausrichtung aller Marketinginstrumente sichergestellt ist.
• Am Ende des Planungsprozesses steht die kommunikative Erfolgskontrolle.
Analysen von Kommunikationswirkungen ermöglichen es, Hinweise zur Ver-
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Situationsanalyse
Festlegung der
Kommunikationsziele
Zielgruppenplanung
Festlegung der
Kommunikationsstrategie
Kalkulation des
Kommunikationsbudgets
Einsatz von Kommunikationsinstrumenten
Maßnahmenplanung
Erfolgskontrolle der
Kommunikation
Integration in d
en M
arketingm
ix
Schaubild 1-13: Planungsprozess der Kommunikationspolitik
1.2 Theoretische Grundlagen der Kommunikationspolitik 55
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besserungen der einzelnen Teilentscheidungen des Planungsprozesses, z. B. auf
etwaige Ziel- und Maßnahmenkorrekturen, zu gewinnen.
Es wird deutlich, dass sich der Planungsprozess der Kommunikationspolitik an der
Grundstruktur eines Kommunikationssystems orientiert. Der „Kommunikationskreislauf“ zwischen Sender und Empfänger als Kernelemente eines geschlossenen
Kommunikationssystems ruft eine Reihe von kommunikativen Entscheidungstatbeständen hervor, deren sinnvolle Bearbeitung wiederum den Einsatz vieler
spezifischer Planungsaktivitäten, insbesondere den Einsatz von Planungsverfahren, erfordert. Bei der Kommunikationsplanung sind insbesondere die Interdependenzen zwischen den einzelnen Teilentscheidungen der Kommunikation zu
berücksichtigen, um einen integrativ ausgerichteten Einsatz dieses Marketinginstrumentes sicherzustellen.
Bei einer kritischen Würdigung des entscheidungsorientierten Ansatzes ist festzuhalten, dass seine Stärken, insbesondere im Vergleich zum verhaltenswissenschaftlichen Ansatz, zum einen in der systematischen Offenlegung des Entscheidungsspektrums der Kommunikation liegen. Zum anderen resultiert aus dem
Einsatz von Optimierungsmodellen im Rahmen des entscheidungsorientierten
Ansatzes die Bereitstellung von Entscheidungshilfen, deren Nutzung systematisches Entscheidungsverhalten in der Kommunikation hervorruft (Kommunikation
als Managementfunktion) und somit in entscheidendem Maße zur marktorientierten Unternehmensführung beiträgt. Die Leistungsfähigkeit des entscheidungsorientierten Ansatzes ist jedoch im Vergleich zum verhaltenswissenschaftlichen
Ansatz deutlich eingeschränkt, wenn die Genauigkeit und Tiefgründigkeit, mit
der die jeweiligen Ansätze Konsumentenreaktionen theoretisch erklären können,
als Beurteilungskriterium herangezogen wird.
In dem vorliegenden Lehrbuch wird davon ausgegangen, dass Kommunikationspolitik primär eine Managementfunktion darstellt, deren Erfüllung in der Verantwortung der Unternehmensleitung und den Fachabteilungen liegt. Deshalb stellt
der in Schaubild 1-15 wiedergegebene Planungsprozess der Marktkommunikation
auch die Grundlage zur Strukturierung ab Kapitel 4 dieses Buches dar.
1.2.5 Integration der Ansätze
Wie aus den Ausführungen hervorgeht, weist jeder der bisher vorgestellten theoretischen Ansätze in verschiedenen Teilbereichen bestimmte Schwächen auf. Die
Wahl eines einzelnen Ansatzes als theoretische Grundlage für die Ausrichtung der
Kommunikationspolitik erscheint daher unter forschungsökonomischen Aspekten
wenig sinnvoll. Vielmehr ist vor diesem Hintergrund eine Integration vorgestellter
Ansätze vorzunehmen, um durch die Verbindung der Stärken der jeweiligen Ansätze in unterschiedlichen Teilbereichen die Erkenntnisse über Marktreaktionen
in Abhängigkeit kommunikationspolitischer Entscheidungen zu vertiefen und so
das unternehmerische Kommunikationsverhalten zu verbessern.
Auf Basis der Grundstruktur eines Kommunikationssystems (systemorientierter
Ansatz) bietet es sich an, die Integration des verhaltenswissenschaftlichen, ökonomischen und entscheidungsorientierten Ansatzes anhand des S-O-R-Paradigmas
1 Gegenstandsbereich und Theorien der Kommunikationspolitik56
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vorzunehmen. Denn während der verhaltenswissenschaftliche und ökonomische
Ansatz in besonderem Maße dazu geeignet ist, Konsumentenreaktionen (also das
O und das R) in Hinblick auf verschiedene Kommunikationsimpulse zu erklären,
ist der entscheidungsorientierte Ansatz vor allem in der Lage, das kommunikative
Entscheidungsverhalten (also das S) zu verbessern. Ziel der Integration ist es, damit
die eigenen kommunikativen Entscheidungen so auszurichten, dass die daraus
resultierenden Reaktionen der anvisierten Konsumenten weitgehend im Sinne des
kommunikationstreibenden Unternehmens sind. Im systemtheoretischen Kontext
bedeutet dies den Versuch, über die Integration der Ansätze die Störungen zwischen Kommunikationssender und -empfänger zu minimieren.
Bei der Integration werden zwei Integrationsansätze unterschieden:
(1) Funktionsorientierte Integration,
(2) Entscheidungsorientierte Integration.
(1) Funktionsorientierte Integration
Bei der funktionsorientierten Integration geht es im kommunikativen Kontext um
die Beantwortung der Frage, welche Kommunikationstechniken welche Funktionen übernehmen. Dabei kann die funktionsorientierte Integration sowohl für
kommerzielle als auch für die institutionelle und private Kommunikation erfolgen.
So sind beispielsweise bestimmten individuellen Verhaltensweisen im privaten
Bereich spezielle kommunikative Funktionen zugeordnet. Das Hochreißen eines
Armes in Verbindung mit der Bildung einer Faust hat beispielsweise die kommunikative Funktion, individuelle Glücksgefühle bzw. den persönlichen Erfolg zu
dokumentieren.
Im kommerziellen Kontext geht es im Rahmen der funktionsorientierten Integration darum, den einzelnen Kommunikationsinstrumenten zielorientierte Funktionen zuzuordnen, um daraus Entscheidungshilfen für die Ausrichtung der Kommunikationsarbeit abzuleiten. Dabei kann auf eine Vielzahl verschiedener Funktionen
zurückgegriffen werden. Im Einzelfall geht es für das kommunikationstreibende Unternehmen in einem ersten Schritt darum, aus der Fülle kommunikativer
Funktionen diejenigen Funktionen herauszufiltern, die im Hinblick auf die Kommunikationsziele prioritär zu erfüllen sind. In einem zweiten Schritt erfolgt eine
Eignungsbeurteilung der zur Verfügung stehenden Kommunikationsinstrumente,
d. h., es ist der Frage nach der Güte der Funktionserfüllung durch die einzelnen
Kommunikationsinstrumente nachzugehen. Das Ergebnis der Integration ist eine
Funktionenmatrix der Kommunikationsinstrumente, wie sie durch Schaubild 1-14
wiedergegeben wird.
Bei einer kritischen Würdigung des funktionsorientierten Ansatzes ist vor allem
auf die Oberflächlichkeit dieses Ansatzes hinzuweisen, da er kommunikative Zusammenhänge nur sehr eingeschränkt und undifferenziert kennzeichnet. Durch
seine überwiegend heuristische Ausrichtung sind zwar erste Tendenzaussagen,
aber darüber hinaus kaum fundierte Entscheidungshilfen zur zielführenden Gestaltung der unternehmerischen Kommunikationspolitik abzuleiten.
(2) Entscheidungsorientierte Integration
Grundlage des entscheidungsorientierten Integrationsansatzes ist das „Denken in
stufenweisen Marktreaktionen“. Ausgangspunkt ist dabei der Managementprozess
1.2 Theoretische Grundlagen der Kommunikationspolitik 57
Vahlens Handbücher – Bruhn – Kommunikationspolitik 7. Aufl. Herstellung: Frau Deuringer
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Vahlens Handbücher – Bruhn – Kommunikationspolitik 7. Aufl. Herstellung: Frau Deuringer
25.10.2012 Druckdaten Seite 57
des entscheidungsorientierten Ansatzes, im Rahmen dessen eine Vielzahl kommunikativer Entscheidungen getroffen werden, die sich in Form kommunikativer
Stimuli (S) äußern. Die Aussendung dieser Stimuli bzw. der Kontakt der Konsumenten mit den Reizen führt bei ihnen sowohl zu inneren, nicht beobachtbaren
Reaktionen (O), als auch zu äußeren, beobachtbaren Reaktionen (R), deren Facetten
durch den verhaltenswissenschaftlichen und ökonomischen Ansatz erklärt werden
(vgl. Schaubild 1-15).
Die Gestaltung entsendeter kommunikativer Stimuli (S) sowie die daraus resultierenden Wirkungen im Inneren des Konsumenten (O) sind durch entscheidungsorientierte bzw. verhaltenswissenschaftliche Ansätze zu erklären. Um allerdings
das gesamte Spektrum kommunikativer Konsequenzen (R), also auch entstehende
Kommunikationskosten sowie finale Verhaltenswirkungen, theoretisch durchdringen zu können, ist eine Integration verhaltenswissenschaftlicher, entscheidungsorientierter sowie ökonomischer Ansätze notwendig.
Um ein systematisches und differenziertes Verständnis kommunikativ relevanter
Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge herzustellen ist es notwendig, eine Kategorisierung auftretender Marktreaktionen vorzunehmen. Wie Schaubild 1-16 zeigt,
werden dabei vier Marktreaktionstypen unterschieden, wobei der Kommunikationsmarkt in diesem Zusammenhang den „relevanten Markt“ darstellt.
Da die Fülle an unternehmensinternen und -externen Einflussgrößen im Rahmen von Marktreaktionsfunktionen nur schwer umfassend berücksichtigt werden
• Stimulierung
• Überzeugung
• Wiedergutmachung
• Fehlerkorrektur
• Abverkauf Endabnehmer
• Hineinverkauf Handel
• Unternehmensdarstellung
• Image/Markenführung
• Bekanntmachung von Produkten
• Cross Buying
• Weiterempfehlung
• Wiederkauf
Kommunikationsinstrumente
Kundenrückgewinnung
Wirkungsintensitäten: überdurchschnittliche geringe/keine
Kundenbindung
Kundenakquisition
Funktionen
Mediawerbung
Verkaufsförderung
Messen/
Ausstellungen
Direct
Marketing
Sponsoring
Social
Media-
Kommunikation
Event
Marketing
Persönliche
Kommunikation
Public
Relations
mittlere
Schaubild 1-14: Funktionenmatrix der Kommunikationsinstrumente
1 Gegenstandsbereich und Theorien der Kommunikationspolitik58
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25.10.2012 Druckdaten Seite 58
Vahlens Handbücher – Bruhn – Kommunikationspolitik 7. Aufl. Herstellung: Frau Deuringer
25.10.2012 Druckdaten Seite 59
Situationsanalyse
Ziele und Zielgruppen
Festlegung der
Kommunikationsstrategie
Kommunikationserfolgskontrolle
Ökonomische und
Maßnahmenentscheidungen
S
O
R
Entscheidungsorientierter
Ansatz
Verhaltenswissenschaftlicher
Ansatz
Kognitive Wirkungen
Affektive Wirkungen
Konative Wirkungen
Integration
entscheidungsorientierter,
verhaltenswissenschaftlicher und
ökonomischer
Ansätze
Integration in d
en M
arketingm
ix
Budget
Quadrant II
Quadrant III
Quadrant I
Quadrant IV
Psychologische
Wirkungen
Ökonomische
Wirkungen
Aktivitätenniveau
Kontakt
Wirkung
Schaubild 1-15: Entscheidungsorientierte Integration theoretischer Ansätze
der Kommunikation
1.2 Theoretische Grundlagen der Kommunikationspolitik 59
Vahlens Handbücher – Bruhn – Kommunikationspolitik 7. Aufl. Herstellung: Frau Deuringer
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Vahlens Handbücher – Bruhn – Kommunikationspolitik 7. Aufl. Herstellung: Frau Deuringer
25.10.2012 Druckdaten Seite 59
kann, ist es notwendig, Annahmen über die Konsumentenreaktionen bzw. auftretende Kosten in Abhängigkeit verschiedener Aktivitätsniveaus zu treffen. Dabei ist
darauf zu achten, dass die getroffenen Annahmen die zu erklärenden Sachverhalte
wirklichkeitsnah widerspiegeln. Je nach Art der getroffenen Annahmen bzw. Operationalisierung der abhängigen und unabhängigen Variablen, sind verschiedene
Funktionstypen heranzuziehen, um den jeweiligen funktionalen Zusammenhang
zwischen der unabhängigen Variable und der abhängigen Variable formal exakt
wiederzugeben:
• Linearer Funktionstyp,
• Exponentielle Funktion (konkaver Kurvenverlauf),
• Degressive Funktion (konvexer Kurvenverlauf),
• Logistische Funktion (s-förmiger Kurvenverlauf).
Marktreaktionsfunktion Typ I
Mit Marktreaktionsfunktionen des Typs I (Quadrant I) wird versucht, den Zusammenhang zwischen dem Aktivitätsniveau, z. B. der Anzahl geschalteter Wer-
Budget
S-förmige Funktion
Degressive Funktion
Exponentielle Funktion
Quadrant II
Quadrant III
Quadrant I
Quadrant IV
Psychologische
Wirkungen
Ökonomische
Wirkungen
Aktivitätenniveau
Schaubild 1-16: Spektrum kommunikationsinduzierter Marktreaktionen
(in Anlehnung an Schmalen 1992, S. 49)
1 Gegenstandsbereich und Theorien der Kommunikationspolitik60
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25.10.2012 Druckdaten Seite 61
bespots oder Anzeigen, und den daraus resultierenden psychologischen (nicht
beobachtbaren) Wirkungen theoretisch zu erklären und empirisch zu fundieren.
Das zentrale Problem stellt die realitätsgetreue Formalisierung des funktionalen
Zusammenhangs dar, weil der Funktionsverlauf im Einzelfall von einer Vielzahl
situationaler und persönlichkeitsbezogener Einflussgrößen, z. B. den zugrunde liegenden, gruppendynamischen Effekten oder den Wertvorstellungen des jeweiligen
Konsumenten, beeinflusst wird. Da die Fülle an Einflussgrößen im Rahmen von
Marktreaktionsfunktionen nur schwer umfassend berücksichtigt werden kann, ist
es notwendig, Annahmen über die Konsumentenreaktionen in Abhängigkeit verschiedener Aktivitätsniveaus zu treffen. Dabei ist darauf zu achten, dass die getroffenen Annahmen die zu erklärenden Sachverhalte wirklichkeitsnah widerspiegeln.
Dies betrifft sowohl Annahmen über persönlichkeitsbezogene Eigenschaften der
betrachteten Konsumenten als auch Annahmen bezüglich situationaler Faktoren.
Je nach Art der getroffenen Annahmen bzw. Operationalisierung der abhängigen
und unabhängigen Variablen sind verschiedene Funktionstypen heranzuziehen,
um den Zusammenhang zwischen dem Aktivitätsniveau (unabhängige Variable)
und den psychologischen Wirkungen (abhängige Variable) formal exakt wiederzugeben.
Die Wahl eines exponentiellen Funktionstyps (konkaver Funktionsverlauf) basiert
auf der Annahme, dass die psychologischen Wirkungen ab einem bestimmten Aktivitätsniveau exponentiell ansteigen. Dieser Fall ist beispielsweise denkbar, wenn
das Aktivitätsniveau durch die Anzahl von TV-Spots und die psychologischen
Wirkungen mit auftretenden (inneren) Ablehnungshaltungen operationalisiert
wird.
Beispiel: Verärgerung eines Konsumenten
Die Verärgerung eines Konsumenten, der ohnehin negative Einstellungen gegen-
über der Werbung aufweist, steigt mit zunehmender Konfrontation mit TV-Spots
überproportional an. Der Konsument steigert sich in seine Verärgerung hinein,
wodurch es zu strikten Ablehnungshaltungen gegenüber der Werbung und auch
gegenüber Produkten kommt.
Mit der Wahl eines degressiven Funktionstyps (konvexer Funktionsverlauf) ist die
Annahme verbunden, dass die psychologischen Wirkungen mit steigendem Aktivitätsniveau zunächst ansteigen, ab einer bestimmten Höhe des Aktivitätsniveaus jedoch Sättigungserscheinungen auftreten und sich die psychologischen Wirkungen
nur noch marginal erhöhen. Ein solcher Fall ist beispielsweise denkbar, wenn das
Aktivitätsniveau durch die Anzahl geschalteter Anzeigen und die psychologischen
Wirkungen über die Markenbekanntheit definiert werden.
Beispiel: Bekanntheitsgrad der Marke Coca-Cola
Coca-Cola war im Jahr 2011 die wertvollste Getränkemarke der Welt und liegt mit
ca. 71,9 Mrd. US-Dollar weltweit auf Platz eins der teuersten Marken. Laut Interbrand (2011) gilt sie damit als erfolgreichste Marke weltweit. Insofern ist es nicht
verwunderlich, dass die Marke Coca-Cola seit Jahren über einen Bekanntheitsgrad
in der Weltbevölkerung verfügt, der über 90 Prozent liegt. Die weitere Erhöhung
des Bekanntheitsgrades ist jedoch aufgrund auftretender Sättigungserscheinungen,
z. B. durch die mangelnde kommunikative Erreichbarkeit bestimmter Konsumenten,
nicht oder nur mit erheblichem Aufwand zu realisieren.
1.2 Theoretische Grundlagen der Kommunikationspolitik 61
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Beim logistischen Funktionstyp (s-förmiger Funktionsverlauf) wird von den
Annahmen ausgegangen, dass die psychologischen Wirkungen mit steigendem
Aktivitätsniveau zunächst unterproportional ansteigen. Ab einem bestimmten
Aktivitätsniveau führt eine weitere Steigerung kommunikativer Aktivitäten zu
einer überproportionalen Erhöhung der psychologischen Wirkungen. Schließlich
erreichen die kommunikativen Aktivitäten auch hier ein Niveau, bei dem die psychologischen Wirkungen Sättigungserscheinungen unterlegen sind. Ein derartiger
Wirkungszusammenhang ist beispielsweise denkbar, wenn die Operationalisierung des Aktivitätsniveaus durch die Anzahl persönlicher Gespräche mit Konsumenten und den psychologischen Wirkungen durch (positive) Einstellungen zum
kommunikativ unterstützten Gegenstand, z. B. einem neuen Produkt, erfolgt.
Beispiel: Einstellungsveränderung
Ein Hersteller entschloss sich, im Rahmen der Einführung eines neuen Produktes
vorrangig auf persönliche Gespräche mit relevanten Kunden zurückzugreifen, um die
Einstellungen der Zielpersonen im Hinblick auf das Produkt im Sinne der Kommunikationsziele zu beeinflussen. Dabei stellte er fest, dass die ersten Gespräche aufgrund
des anfänglichen Misstrauens gegenüber dem neuen Produkt die Einstellungen nur
geringfügig verändert haben. Mit zunehmender Anzahl geführter Gespräche wurde
dieses Misstrauen aber abgebaut, wobei gleichzeitig die Einstellungen gegenüber
dem Produkt in hohem Maße positiv beeinflusst wurden. Schließlich stellte der Hersteller fest, dass nach einer bestimmten Anzahl von geführten Gesprächen jedes
weitere Gespräch keine nennenswerten Einstellungsveränderungen mehr hervorrief.
Bei der empirischen Fundierung von Marktreaktionsfunktionen des Typs I ist vorrangig auf Befragungen zurückzugreifen, da die Veränderung von Gedächtnisinhalten nur über entsprechende Angaben von Konsumenten in Erfahrung gebracht
werden kann.
Marktreaktionsfunktion Typ II
Marktreaktionsfunktionen des Typs II (Quadrant II) versuchen, den Ursache-Wirkungs-Zusammenhang zwischen psychologischen Wirkungen als unabhängige
Variable und ökonomischen Wirkungen als abhängige Variable theoretisch zu erklären bzw. empirisch zu fundieren. Der Grundgedanke besteht darin, dass das
äußere (beobachtbare) Verhalten der Kommunikationsadressaten, das sich in der
Realisierung ökonomischer Wirkungen, z. B. erreichtem Absatz- oder Umsatzvolumen, niederschlägt, von der Höhe erzielter psychologischer Wirkungen beeinflusst
wird. Zur Operationalisierung der abhängigen und unabhängigen Variablen im
Rahmen der näheren Spezifizierung psychologischer und ökonomischer Wirkungen kann eine Vielzahl verschiedener Dimensionen aus dem Konsumentenverhalten herangezogen werden. So werden psychologische Wirkungen (unabhängige
Variable) durch die Dimensionen Markenbekanntheit, Image, Kaufbereitschaften
usw. näher gekennzeichnet, während die Operationalisierung ökonomischer Wirkungen beispielsweise in Form von Absatz- oder Umsatzdaten erfolgt.
Zur näheren Spezifizierung des jeweiligen funktionalen Zusammenhangs ist vor
allem auf die Erkenntnisse der verhaltenswissenschaftlichen und ökonomischen
Theorie im Hinblick auf die kommunikationsinduzierte Ausrichtung menschlicher Verhaltensweisen zurückzugreifen. Hier bieten sich beispielsweise die bereits vorgestellten Stufenmodelle der Kommunikationswirkung an. Aufgrund
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der Vielfältigkeit bestehender Einflussgrößen auf das Zusammenspiel zwischen
ökonomischen und psychologischen Wirkungen ist jedoch festzuhalten, dass hier
kein theoretisch stringentes Konzept zur Operationalisierung des jeweils zugrunde
liegenden funktionalen Zusammenhangs existiert. Vielmehr sind in Abhängigkeit
der gewählten Indikatoren zur Operationalisierung psychologischer und ökonomischer Wirkungen verschiedenartige Kurvenverläufe denkbar, die den funktionalen Zusammenhang im Einzelfall näherungsweise realitätskonform wiedergeben. Schaubild 1-15 (II. Quadrant) zeigt exponentielle, degressive und logistische
Kurvenverläufe als Beispiele für mögliche Funktionstypen.
Das grundsätzliche Problem bei der theoretischen und empirischen Fundierung
des Zusammenhangs zwischen psychologischen und ökonomischen Wirkungen
besteht in den Schwierigkeiten, den verhaltenssteuernden Beitrag einzelner psychologischer Wirkungen zu isolieren und in seiner Höhe zu spezifizieren. Die
Interpretation des finalen Verhaltens, insbesondere des Kaufverhaltens – dessen
Aggregation über alle Kommunikationsadressaten zu ökonomischen Wirkungen,
z. B. Absatz, führt – als (alleinige) Konsequenz der Realisierung einzelner psychologischer Wirkungen in einer bestimmten Höhe, ist zweifellos ein theoretisch
gewagter und fragwürdiger Schritt. Die Lösung dieses Problems ist im Einzelfall
umso schwieriger, je weniger sensibel das finale Verhalten auf die Realisierung
psychologischer Wirkungen reagiert.
Beispiel: Kauf geringwertiger Konsumgüter
Der Kauf geringwertiger Konsumgüter, z. B. Kaugummis, unterliegt vielfach allenfalls
einer geringen gedanklichen Kontrolle. In einem solchen Fall wird das finale Verhalten weniger durch die beim Konsumenten erzielten psychologischen Wirkungen, z. B.
Einstellungen, determiniert, als vielmehr durch verschiedene Umfeldeinflüsse, z. B.
die unmittelbare Verfügbarkeit von Kaugummis an den Kassen einer Einkaufsstätte.
Es wird deutlich, dass das entstehende Validitätsproblem nicht etwa ein Problem
der validen Messung psychologischer und ökonomischer Wirkungen ist – hierzu
stehen vielfältige Messinstrumente zur Verfügung –, sondern vielmehr ein Problem
der „Zurechnungsvalidität“ (Steffenhagen 2000). Insbesondere das Kaufverhalten als
eine Dimension des finalen Verhaltens ist oftmals nicht allein von den erzielten
psychologischen Wirkungen, sondern von einer Vielzahl weiterer Einflussgrößen,
z. B. Preis, Verfügbarkeit usw., abhängig.
Marktreaktionsfunktion Typ IV
Bei Marktreaktionsfunktionen des Typs IV (Quadrant IV) erfolgt eine Abbildung funktionaler Zusammenhänge durch eine Maßnahmen(Aktivitätsniveau)-
Kosten(Budget)-Kalkulation in dem Medienmarkt. Untersuchungsgegenstand ist
die Veränderung der Kommunikationskosten in Abhängigkeit von der Variation
des kommunikativen Aktivitätenniveaus. Im kommerziellen Kontext wird also
der Frage nach den instrumentellen Kosten, z. B. den Schaltkosten für eine Werbekampagne, des Einsatzes der Verkaufsförderung usw., nachgegangen. Dabei
sind im Einzelfall verschiedene situationsadäquate Funktionsverläufe denkbar.
Sind beispielsweise strukturelle Veränderungen in den kommunikativen Rahmenbedingungen als ein zentraler Einflussfaktor zu berücksichtigen, so ist auch ein
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– zumindest temporär – überproportionaler Anstieg der Kommunikationskosten
im Sinne eines logistischen Funktionstyps (s-förmiger Kurvenverlauf) denkbar.
Beispiel: Kompetenzverlust
Der Wechsel von Kommunikationsagenturen oder das „Insourcing“ kommunikativer
Aufgaben ist im Regelfall zumindest vorübergehend mit einem mehr oder weniger
großen Kompetenzverlust durch den Verzicht auf das „professionelle Know-how“
der bislang mit kommunikativen Aufgaben betrauten Agentur verbunden.
Auch ein linearer Funktionstyp kann unter bestimmten Voraussetzungen geeignet sein, um die Beziehung zwischen der Höhe des Aktivitätenniveaus und den
entstehenden Kosten freizulegen. Dies ist immer dann der Fall, wenn das Aktivitätsniveau in der Form operationalisiert wird, dass eine Variation konstante
Veränderungen in bestimmten Bereichen der Kostensituation, z. B. im Bereich der
Personalkosten, hervorruft.
Beispiel: Persönliche Gespräche mit Kunden und Personalaufstockung
Ein kommunikationstreibendes Unternehmen entschließt sich, die Anzahl der zu
führenden persönlichen Gespräche mit ausgewählten Kunden (Aktivitätenniveau)
zu erhöhen, um die Kundenloyalität zum Unternehmen zu steigern. Dazu werden
zusätzliche Mitarbeitende eingestellt, um die entsprechenden personellen Kapazitäten herzustellen. Im Zuge dieser Personalaufstockung stellt das Unternehmen
einen (näherungsweise) linearen Anstieg der (kommunikationsinduzierten) Personalkosten fest.
Im Regelfall ist es aber der degressive Funktionstyp, der die Entwicklung der Kostensituation in Abhängigkeit von Variationen in der Höhe des Aktivitätsniveau am
besten wiedergibt. Hierbei sind mit zunehmendem Aktivitätsniveau abnehmende
Kostenzuwachsraten zu beobachten, beispielsweise aufgrund sinkender Schaltkosten (Rabatte). Der Hintergrund dieser Entwicklung kann zum anderen aber auch
in der Produktion liegen, wie empirische Untersuchungen der Boston Consulting
Group nahe legen, wonach die Stückkosten eines Produkts bei einer Verdoppelung
der kumulierten Produktionsmenge real um 20 bis 30 Prozent sinken (Henderson
1984; Rupp 1988). Diese Erkenntnis stützt sich vor allem auf den Verlauf der bereits
während des Zweiten Weltkrieges erkannten „Lernkurve“, die den Rückgang des
Zeitbedarfs für einzelne Arbeitsgänge – aufgrund zunehmender Übung und Erfahrung – darstellt. Der Erfahrungseffekt – oftmals auch als „Boston-Effekt“ bezeichnet
– ist dabei nicht allein auf produktionsorientierte Vorgänge beschränkt, sondern
kann auf eine Vielzahl betriebswirtschaftlicher Vorgänge übertragen werden. Auch
im kommunikativen Kontext sind vielfach sinkende Zuwachsraten der Kommunikationskosten bei zunehmendem Aktivitätsniveau (Kostendegressionseffekte)
zu beobachten. Im Rahmen der Kommunikation von Unternehmen liegen abnehmenden Kostenzuwachsraten zwei Ursachenbereiche zugrunde:
• Know-how-Zuwachs,
• Größen- und Mengeneffekte.
Aus einem zunehmenden Aktivitätsniveau in der Kommunikation resultiert in
vielen Bereichen ein Know-how-Zuwachs, der unmittelbar mit dem Erfahrungseffekt verknüpft ist. So resultieren beispielsweise aus einer Intensivierung der
persönlichen Kommunikation bessere Kundenkontakte, aus einer Verstärkung
der Marktforschungsaktivitäten verbesserte Kenntnisse der Kundenbedürfnis-
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se und Kaufentscheidungsmerkmale oder aus langjährigen Erfahrungen mit der
Erstellung von Mediaplänen eine zielgerichtetere und effizientere Belegung der
Kommunikationsträger.
Mit einer Intensivierung der Kommunikationsaktivitäten werden aber auch Größenund Mengeneffekte realisiert. Dies erfolgt zum einen durch eine verbesserte Auslastung kommunikativer Kapazitäten, z. B. in den Bereichen Personal und Verwaltung.
Zum anderen können insbesondere beim instrumentellen Einsatz der Kommunikation – hier vorrangig im Einsatz der Mediawerbung und der Verkaufsförderung
– bei einer Zusammenarbeit mit unternehmensexternen Kommunikationsträgern
verbesserte Konditionen in Anspruch genommen werden (Mengeneffekte). So werden dem kommunikationstreibenden Unternehmen beispielsweise mit steigender
Anzahl geschalteter Werbespots in einem Fernsehsender im Regelfall zunehmend
verbesserte Konditionen für die Schaltung zusätzlicher Spots eingeräumt.
Marktreaktionsfunktion Typ III
Marktreaktionsfunktionen des Typs III (Quadrant III) versuchen, die Funktionsverläufe in den Quadranten I, II und IV zusammenzuführen, indem eine funktionale Beziehung zwischen der Höhe entstehender Kommunikationskosten (Budget)
und dem Ausmaß der Realisierung ökonomischer Wirkungen hergestellt wird. Sie
stellen das eigentliche Ergebnis der Integration theoretischer Ansätze dar. Auf der
Grundlage gewonnener theoretischer Erkenntnisse sowie empirischer Ergebnisse im Rahmen der Ermittlung der Marktreaktionsfunktionen der Typen I und II
( S-O-R-Analysen) sind Marktreaktionsfunktionen des Typs III (S-R-Analysen) relativ einfach, z. B. durch Regressionsanalysen, zu ermitteln. Es erfolgt also eine
Integration verhaltenswissenschaftlicher und ökonomischer Analysen, die in erster
Linie unter ökonomischen Aspekten wünschenswert ist, da sie letztlich Aufschluss
über den Beitrag der Kommunikation zum Unternehmenserfolg in Form von Absatz, Umsatz, Gewinn usw. geben.
Dieser Funktionstyp findet daher vor allem in der Mediawerbung im Zusammenhang mit der Werbebudgetierung Anwendung und wird auch in der einschlägigen
Fachliteratur ausführlich diskutiert, weil die Mediawerbung in vielen Unternehmen einen großen kommunikativen Ausgabenbereich darstellt (Little 1979; Lilien/
Kotler/Moorthy 1992). Dabei geht es in erster Linie um die Prognose des werbeinduzierten Absatzvolumens. Bei der näheren Kennzeichnung dieses Funktionstyps
wird neben der Operationalisierung ausgewählter Dimensionen der abhängigen
und unabhängigen Variablen insbesondere die Abbildung des jeweils zugrunde
liegenden funktionalen Zusammenhangs zwischen Kommunikationskosten und
den daraus resultierenden ökonomischen Wirkungen kontrovers diskutiert (Lilien/
Kotler/Moorthy 1992). Dabei hat sich aus logischen Überlegungen herausgestellt,
dass sowohl lineare als auch exponentielle Kurvenverläufe für die Abbildung
funktionaler Zusammenhänge nicht geeignet sind – daher ist in Schaubild 1-15 im
dritten Quadranten auch keine exponentielle und lineare Funktion eingezeichnet.
Bei einem linearen Kurvenverlauf würde die optimale Höhe des Kommunikationsbudgets je nach gewählter Steigung der Funktion entweder Null (bei einer Steigung
größer 1) oder unendlich (bei einer Steigung kleiner 1) sein. Der exponentielle
Funktionsverlauf würde unendlich hohe Kommunikationskosten implizieren. Die
am häufigsten diskutierten und empirisch getesteten Funktionsverläufe zur forma-
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len Abbildung des Zusammenhangs zwischen Kommunikationskosten und ökonomischen Wirkungen sind der logistische und degressive Kurvenverlauf. Dabei
hat sich gezeigt, dass die Realität in den meisten Fällen durch einen degressiven
Kurvenverlauf besser abgebildet wird (vgl. vertiefend Lambin 1976; Simon/Arndt
1980; Aaker/Carman 1982). Im Allgemeinen ist demnach davon auszugehen, dass der
Grenzzuwachs ökonomischer Wirkungen mit steigenden Kommunikationskosten
immer mehr abnimmt.
Der Marktreaktionsfunktionstyp III ist in besonderem Maße dazu geeignet, hohe
Kommunikationsbudgets zu rechtfertigen, da er den Entscheidungsträgern aufgrund der ihm innewohnenden Vielzahl an Freiheitsgraden das Gefühl vermittelt, hohe Kommunikationskosten seien modelltheoretisch abgesichert. Dabei sind
zunächst die Beziehungen zwischen der Höhe des kommunikativen Aktivitätsniveaus und den daraus resultierenden psychologischen Wirkungen (Marktreaktionsfunktionen des Typs I) sowie zwischen diesen und den damit verbundenen
ökonomischen Wirkungen (Marktreaktionsfunktionen des Typs II) freizulegen
– unter Berücksichtigung des Kostenverlaufs des Funktionstyps IV –, um den
Funktionstyp III besser zu fundieren. Die Ergebnisse dieser Ursache-Wirkungs-
Beziehungen sind bei der näheren Spezifizierung des Funktionstyps III zu berücksichtigen, damit eine validitätsorientierte Abbildung funktionaler Zusammenhänge
sichergestellt werden kann. Bei der Vielzahl intervenierender Variablen sind bei der
datenanalytischen Spezifizierung des funktionalen Zusammenhangs, damit diese
realitätsgetreu wiedergegeben werden können, multivariate Verfahren, z. B. die Regressionsanalyse, einzusetzen. Dabei ist insbesondere die Kausalanalyse geeignet,
Zusammenhänge zwischen den abhängigen Variablen der Funktionstypen I, II und
IV untereinander sowie zwischen diesen und situationalen Einflussgrößen formal
offen zu legen und in den Funktionstyp III einfließen zu lassen.
Im Rahmen einer kritischen Würdigung ist festzuhalten, dass die Integration verschiedener theoretischer Ansätze der Kommunikation das Ergebnis eines idealtypischen Denkens in Marktreaktionsfunktionen darstellt. Es ist immer anzustreben, weil es zu einer entscheidungsorientierten Denkweise im Hinblick auf die
Lösung kommunikativer Problemstellungen führt. Das Denken in stufenweisen
Marktreaktionen sowie die Bündelung theoretischer Erklärungsansätze trägt in
entscheidendem Maße zur Verbesserung der Transparenz kommunikativer Prozesse bei und stellt somit eine wichtige Entscheidungshilfe bei der zielorientierten
Ausrichtung der Kommunikation dar. Allerdings hat sich die Integration nicht in
der bloßen Skizzierung des Vier-Felder-Schemas sowie in einer willkürlichen Operationalisierung der abhängigen und unabhängigen Variablen sowie der zugrunde
liegenden Beziehungen zu erschöpfen. Vielmehr wird es im Einzelfall das Anliegen
des Entscheidungsträgers sein, eine unternehmens- und marktspezifische Wahl der
Achsenbezeichnungen vorzunehmen und die jeweils zugrunde liegenden funktionalen Zusammenhänge durch Marktforschungsaktivitäten empirisch zu fundieren.
In diesem Zusammenhang ist jedoch bei dem hier dargestellten Integrationsansatz das grundsätzliche Problem der Komplexität nicht zu übersehen. Hier sind es
insbesondere die Spezifizierungen und Nachweise der Marktreaktionsfunktionen
des Typs I bis III, die angesichts vielfältiger, im Einzelfall zu berücksichtigender
Einflussgrößen zentrale Herausforderungen darstellen.
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2
Inhaltsverzeichnis
2.1 Notwendigkeit, Begriff und Charakteristika der Kommunikations
planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
2.2 Planungsprozesse auf unterschiedlichen Ebenen der
Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
2.2.1 Kommunikationsplanung auf Ebene der Gesamt kommunikation . . . 71
2.2.1.2 Phasen des Planungsprozesses. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
2.2.1.3 Träger der Kommunikationsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
2.2.2 Kommunikationsplanung auf Ebene der Kommunikations
instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
2.2.2.2 Phasen des Planungsprozesses. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
2.2.2.3 Träger der Kommunikationsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
2.3 Zusammenführung der Planungsprozesse in einen ganzheitlichen
Planungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
Planungsprozesse der
Kommunikationspolitik
2 Planungsprozesse der Kommunikationspolitik
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Beste Kommunikation
Das Handbuch zeigt auf, wie Sie systematisch die verschiedenen Kommunikationsinstrumente gezielt einsetzen. Die Schwerpunkte liegen auf folgenden Aspekten:
– Konzeptionelle und theoretische Grundlagen der Kommunikationspolitik
– Entscheidungstatbestände und Planungsprozesse der Kommunikationspolitik
– Integrierte Kommunikation als strategisches Kommunikationskonzept
– Planung von unterschiedlichen Kommunikationsinstrumenten
– Aktuelle Entwicklungen und Zukunftsperspektiven der Kommunikationspolitik.
Neu in der 7. Auflage
Insbesondere alles zum Thema »Social Media« als Kommunikationsmedium wurde wesentlich erweitert. Neue Praxisbeispiele zeigen den »State of the Art« der Kommunikationspolitik.
Der Kommunikations-Turbo für
Studenten, Wissenschaftler und Praktiker im Management, Werbung und Vertrieb.
»Ein Werk, das auf dem Gebiet der Kommunikationspolitik derzeit konkurrenzlos ist.«
In: Studium SS 2011, zur Vorauflage