Kapitel A: Die Grenznutzenanalyse 73
3. Teil: Die Theorie der Nachfrage
Kapitel A: Die Grenznutzenanalyse
3. Teil
Die Theorie der Nachfrage
Nachdem im 2. Teil die wichtigsten Determinanten der Güternachfrage von
Haushalten genannt worden sind und nachdem erste Aussagen bezüglich ihrer
Wirkungsrichtung und der Messung der Stärke ihres Einflusses gemacht worden
sind, gilt es nunmehr, genauer auf die Nachfragekurve einzugehen. Als Nachfragekurve war im 2. Teil das graphische Abbild der Nachfragefunktion i. e. S. (2.3)
bezeichnet worden, in der die Nachfragemenge des Gutes X in Abhängigkeit vom
Preis des Gutes X dargestellt wird.
Dieses genauere Eingehen erfolgt im Rahmen der Theorie der Nachfrage. Wie im
1. Teil dargelegt, ist es die zentrale Aufgabe der ökonomischen Theorie, das Wirtschaftsgeschehen zu erklären (explikative Theorie). Ziel der Nachfragetheorie
muss es demgemäss sein, die Lage und den Verlauf der Nachfragekurve zu begründen, d. h. den Einfluss des Preises und der übrigen Nachfragedeterminanten
präzise aufzuzeigen. Es gilt also zu erklären, warum die Nachfrager bei alternativen Preisen des Gutes X ganz bestimmte Mengen des Gutes X nachfragen.
Im 1. Teil wurde aber noch eine zweite Aufgabe der ökonomischen Theorie angesprochen. Neben dem Anliegen, die Realität zu erklären, sieht sie ihre Aufgabe
auch darin, Bedingungskonstellationen für das Eintreten besonders günstiger
ökonomischer Wirkungen zu formulieren (Bedingungstheorie). Bezüglich der
Theorie der Nachfrage bedeutet dies, dass sie den Haushalten Handlungsanweisungen gibt, wie diese ihren Nutzen beim Kauf von Gütern maximieren können.
Das Befolgen dieser Handlungsanweisungen erfordert dann natürlich, dass die
Haushalte sich rational verhalten.
Weite Teile der nunmehr zu behandelnden Nachfragetheorie verstehen sich in
erster Linie als Bedingungstheorie. Erst wenn man Grund zu der Annahme hat,
das die Nachfrager die Handlungsanweisungen der Theorie auch befolgen, kann
man sagen, dass die Theorie auch ihre erste Aufgabe erfüllt, d. h. dass sie reales
Nachfragerverhalten erklärt.
In den beiden folgenden Kapiteln werden zwei alternative Ansätze der Nachfragetheorie behandelt, in Kapitel A die Grenznutzenanalyse und in Kapitel B die
Indifferenzkurvenanalyse. In Kapitel C erfolgt eine Kritik der beiden Ansätze.
Dabei wird auf die soeben angesprochenen beiden Aufgaben der Nachfragetheorie nochmals eingegangen.
74 3. Teil: Die Theorie der Nachfrage
A. Die Grenznutzenanalyse
I. Prämissen der Analyse und Nutzenkonzept
1. Prämissen der Analyse
Die Grenznutzenanalyse ist in den 1870er Jahren entwickelt worden. Zentrale
Bausteine der Analyse sind noch älter und gehen insbesondere auf Hermann
Heinrich Gossen (1854) zurück.
Im Sinne einer Bedingungstheorie stellt die Grenznutzenanalyse die Frage, wie
ein Haushalt sich verhalten muss, wenn er seinen Nutzen beim Kauf von Konsumgütern maximieren möchte. Zentrale Prämisse der Analyse ist also die Annahme, dass die Haushalte ihren Nutzen maximieren wollen. Das Handeln gemäß
den Anweisungen der Theorie erfordert als zweite Prämisse, dass sich die Haushalte rational verhalten. Zumindest diese ersten beiden Prämissen und möglicherweise auch noch die folgende dritte Prämisse führen zu dem im 1. Teil erwähnten Konzept des homo oeconomicus. Zur Kritik am homo oeconomicus vgl.
später das Kapitel C. Drittens erfordert die Analyse, dass die Haushalte vollkommene Kenntnis über die zu erwerbenden Güter und ihre Preise, aber auch
über die ihnen zur Verfügung stehende Konsumsumme (ihr Einkommen) haben.
Wie zuvor angedeutet, wird viertens davon ausgegangen, dass die Haushalte die
Preise der Güter nicht beeinflussen können.
Die Kenntnis über die zu erwerbenden Güter impliziert weiterhin, dass den
Haushalten die Qualität der Güter und damit auch der Nutzen, den diese ihnen
zu stiften vermögen, bekannt ist. Die Kenntnis des Nutzens setzt wiederum voraus, dass man in der Lage ist, den Nutzen zu messen, d. h. ihn in Quantitäten, also
in Zahlenwerten (möglichst in Geldeinheiten) auszudrücken. Der Haushalt möge
also beispielsweise sagen können, dass ein Kilo Vollkornbrot ihm 2,50 Euro wert
ist, dass es ihm einen Nutzen in dieser Höhe stiftet. Diese Fähigkeit, den Nutzen
in Zahlenwerten bzw. in Geldeinheiten auszudrücken, wird als kardinale Nutzenschätzung bezeichnet und sie ist ebenfalls eine zentrale Prämisse der Grenznutzenanalyse. Auf weitere Prämissen, etwa auf die der Teilbarkeit der Güter, soll
erst später in Kapitel C eingegangen werden.
2. Gesamtnutzen und Grenznutzen
Als Nutzen bezeichnet die Ökonomik den subjektiven Ge- oder Verbrauchswert eines Gutes für einen Haushalt in einem bestimmten Zeitraum, wobei die Grenznutzenanalyse davon ausgeht, dass der Haushalt in der Lage ist, diesen Nutzen kardinal
in Geldeinheiten anzugeben. Wenn der Haushalt den Nutzen in Geldeinheiten ausdrückt („das Brot ist mir 2,50 Euro wert“), dann bedeutet dies, dass er bereit ist, diesen Geldbetrag für den Kauf des Gutes aufzuwenden. Der Nutzen des Gutes schlägt
sich also in einer entsprechenden Zahlungsbereitschaft des Haushaltes nieder.
Der so beschriebene Nutzen ist zunächst der Gesamtnutzen (Ux) einer beliebigen
Menge des jeweiligen Gutes. Wenn der Haushalt aber in der Lage ist, den Ge-
Kapitel A: Die Grenznutzenanalyse 75
samtnutzen jeder beliebigen Menge des Gutes anzugeben, dann kann er auch sagen, um wie viel sein Nutzen steigt, wenn er zusätzliche Mengeneinheiten des
Gutes konsumiert. Die Nutzensteigerung, die durch den Konsum zusätzlicher
Mengeneinheiten eines Gutes entsteht, bezeichnet man als den Grenznutzen des
Gutes. Man verwendet für den Grenznutzen das Symbol Ux? = ?Ux/qx, wobei
?Ux den Nutzenzuwachs und ?qx (i. d. R. gleich Eins angenommen) die Mengensteigerung ausdrücken. Gibt der Haushalt beispielsweise an, dass ihm ein erstes
Hemd sehr nützlich und daher 60 Euro wert ist, dass ihm zwei Hemden 110 Euro
und drei Hemden 150 Euro wert sind (jeweils der Gesamtnutzen der verschiedenen Gütermengen), dann ist der Nutzenzuwachs durch den Besitz des ersten
Hemdes Ux? = 60 Euro, der des zweiten Hemdes Ux? = 50 Euro und der des dritten Hemdes Ux? = 40 Euro. D. h., dass der Haushalt offensichtlich bereit wäre,
diese Geldbeträge beim Erwerb der verschiedenen Mengeneinheiten auszugeben.
Da sich vor jeder Kaufentscheidung immer die Frage stellt, welchen Nutzenzuwachs eine zusätzliche Mengeneinheit des Gutes erbringt, geht es also darum, eine sog. Marginalanalyse durchzuführen, d. h. in Grenzbegriffen, in Steigerungsraten, in diesem Fall in Grenznutzengrößen zu denken.
Das soeben verwendete Beispiel deutete bereits die für die Ökonomik äußerst
wichtige Hypothese an, dass der Gesamtnutzen und damit auch der Grenznutzen
mengenabhängig ist. Es gilt also
(3.1) Ux/t = f(qx/t) sowie
(3.2) Ux?/t = f?(qx/t).
Die Art dieser Abhängigkeit soll nunmehr mit einem einfachen ersten Zahlenbeispiel verdeutlicht werden. Ein Haushalt möge seine Nutzenempfindungen
beim Konsum eines Gutes X (z. B. Bier) wie folgt angeben. Vgl. Tabelle 3.1.
Tab. 3.1.
qx Ux Ux?
0 0 0
1 5 5
2 9 4
3 12 3
4 14 2
5 15 1
6 15 0
7 14 –1
Verfügt der Haushalt z. B. über die Gütermenge qx = 1, so beträgt sein Gesamtnutzen Ux = 5 Euro, verfügt er über die Menge qx = 2, so beträgt sein Gesamtnutzen
Ux = 9 Euro. Erhöht sich die Menge von qx = 1 auf qx = 2, so steigt der Nutzen um
4 Euro, d. h. der Grenznutzen der zweiten Mengeneinheit ist Ux? = 4 Euro.
Der Gesamtnutzen- und der Grenznutzenverlauf gemäß Tabelle 3.1. können graphisch durch die Abb. 3.1. veranschaulicht werden. Dabei drückt die Lage der
Kurven das Ausmaß an genereller Wertschätzung des Gutes aus. Die einzelnen
Punkte auf den Kurven drücken das mengenabhängige aktuelle Ausmaß an Bedürfnisbefriedigung aus.
76 3. Teil: Die Theorie der Nachfrage
Abb. 3.1.
Die Grenznutzenfunktion ist die erste Ableitung der Gesamtnutzenfunktion. Aus
Vereinfachungsgründen wurde (mathematisch nicht ganz korrekt) das Nutzenmaximum bei qx = 6 (statt 5,5) festgelegt. Auch die angegebenen Grenznutzenwerte liegen genaugenommen bei 0,5; 1,5; usw.
II. Gossensche Gesetze und Haushaltsgleichgewicht
1. Die Gossenschen Gesetze
In Tab. 3.1. und Abb. 3.1. wurde nicht nur die Abhängigkeit des Nutzens von der
Menge unterstellt, sondern eine ganz bestimmte Art der Mengenabhängigkeit. Es
wurde unterstellt, dass der Gesamtnutzen des Gutes mit zunehmender Menge pro
Zeiteinheit nur unterproportional (degressiv) ansteigt, woraus folgt, dass der
Grenznutzen des Gutes mit steigender Konsummenge pro Zeiteinheit fällt (und in
diesem Fall sogar negativ wird). Dieser Sachverhalt wurde bereits 1854 von
H. H. Gossen vorgetragen, und er wird in der Nachfragetheorie als erstes Gossensches Gesetz bezeichnet. Es basiert auf dem beobachtbaren Tatbestand, dass die
Menschen ein Gut um so mehr schätzen, je weniger ihnen davon zur Verfügung
steht, und dass sie es um so geringer schätzen, je mehr sie davon konsumieren.
Schließlich ist auch zu beobachten, dass mit steigender Konsummenge pro Zeiteinheit irgendwann ein Sättigungszustand erreicht wird (in Abb. 3.1. bei qx = 6).
H. H. Gossen hatte formuliert: Die Größe eines und desselben Genusses nimmt,
Kapitel A: Die Grenznutzenanalyse 77
wenn wir mit Bereitung des Genusses ununterbrochen fortfahren, fortwährend ab,
bis zuletzt Sättigung eintritt. Demgemäß erklärt sich auch die Bezeichnung Sättigungsgesetz.
Im zuvor angesprochenen Beispiel des Konsums des Gutes Bier scheint der unterstellte Grenznutzenverlauf offenkundig zu sein. So dürfte das erste Glas Bier
nach einem arbeitsreichen Tag oder nach einer langen Wanderung den höchsten
Nutzenzuwachs bringen, weil es den größten Durst löscht. Weitere Gläser sind
auch noch nützlich, aber mit abnehmender Intensität, weil der Durst immer geringer wird. Sättigung und sogar negative Nutzenentwicklungen infolge Trunkenheit liegen ebenfalls im menschlichen Erfahrungsbereich.
Die häufige Illustration des Sättigungsgesetzes mit Hilfe des Gutes Bier oder mit
Hilfe von anderen Nahrungsmitteln, bei denen der eintretende Sättigungseffekt
offenkundig ist, wirft die Frage nach der generellen Gültigkeit des ersten Gossenschen Gesetzes auf. Diese dürfte aber wohl auch bei langlebigen Konsumgütern
gegeben sein. So ist ein erster Wintermantel in Mitteleuropa im Winter möglicherweise lebensnotwendig, ein zweiter und dritter noch ganz nützlich, weil man
dann nicht immer den gleichen anziehen muss, aber ein vierter, fünfter, zehnter
nur noch lästig, weil der Platz im Schrank fehlt. Das Beispiel zeigt andererseits,
dass die jeweils konsumrelevante Zeitperiode bedeutsam ist. Bei Nahrungsmitteln
sind das wenige Stunden, bei Wintermänteln eine ganze Wintersaison. Fälle, in
denen das erste Gossensche Gesetz nicht zu gelten scheint, lassen sich möglicherweise vereinzelt beobachten, insbesondere sind es die Fälle der Sucht und der
Sammelleidenschaft. Sie verstoßen andererseits wohl aber gegen die Eingangsprämisse des Rationalverhaltens.
Das Sättigungsgesetz stellt eine nomologische Hypothese über das menschliche
Nutzenempfinden, also eine falsifizierbare Aussage über die Wirklichkeit dar. Es
liefert selbst noch keine Anweisung für ökonomisches Handeln. Eine derartige
Anweisung im Sinne einer Verhaltensvorschrift hat H. H. Gossen mit seiner
zweiten wichtigen Aussage geliefert. Diese Regel wird als zweites Gossensches
Gesetz bezeichnet und lautet in moderner Formulierung: Wer bei gegebener Bedürfnisstruktur seinen Nutzen maximieren will, ohne alle Bedürfnisse voll befriedigen zu können, muss seine Mittel so verteilen, dass er bei jedem Bedürfnis den
gleichen Grenznutzen erreicht.
Mit dieser Verhaltensregel, die auch als Grenznutzenausgleichsgesetz oder
Equimarginalprinzip bezeichnet wird, wird an dem zweifellos zutreffenden Sachverhalt angeknüpft, dass Haushalte üblicherweise nicht nur ein Gut kaufen wollen, sondern dass sie vor der Frage stehen, wie viele Mengeneinheiten verschiedener Güter sie aus einer gegebenen, beschränkten Konsumsumme erwerben sollen.
Nach Gossen erreichen sie das Nutzenmaximum, wenn sie die Regel
(3.3) U1? = U2? = . . . = Un? (allgemeine Maximierungsbedingung)
befolgen, wobei U1?, U2? usw. die Grenznutzen der einzelnen Güter darstellen.
Die allgemeine Maximierungsbedingung des zweiten Gossenschen Gesetzes
scheint auf den ersten Blick die für die Herleitung von Nachfragekurven relevante
Frage nach den richtigen Nachfragemengen der Güter bei alternativen Preisen
78 3. Teil: Die Theorie der Nachfrage
noch nicht zu beantworten, da sie nur den Ausgleich der Grenznutzen der verschiedenen Güter fordert. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich allerdings, dass sie
diese Frage tatsächlich beantwortet und dass es nur einer kleinen Umformulierung von (3.3.) bedarf, um das deutlich zu machen.
Vor die Frage gestellt, wie viele Mengeneinheiten des Gutes X ein Haushalt auf
der Grundlage der vorliegenden Grenznutzenfunktion kaufen soll, wird er berücksichtigen müssen, dass ihm beim Erwerb des Gutes nicht nur ein Nutzenzuwachs (der Grenznutzen), sondern auch ein Schaden entsteht. Dieser Schaden
tritt in Form des zu zahlenden Preises und des damit verbundenen Verzichts auf
den Kauf anderer Güter ein. Der Preis px des zu erwerbenden Gutes X ist also
Ausdruck des entgangenen Grenznutzens anderer Güter, auf deren Kauf man
verzichtet, wenn man das Gut X kauft. Die allgemeine Maximierungsbedingung
(3.3.) des zweiten Gossenschen Gesetzes kann bezüglich der Kaufentscheidung
für jedes einzelne Gut daher auch in der Schreibweise
(3.4.) Ux? = px (spezielle Maximierungsbedingung)
formuliert werden, denn px steht für die Hergabe von Geld und damit für die
Höhe der entgangenen Grenznutzen anderer Güter. Solange der Grenznutzen des
Gutes X höher ist als der Preis des Gutes X (der entgangene Grenznutzen anderer
Güter), lohnt sich der Kauf weiterer Mengeneinheiten des Gutes X. Das durch
die Preisbeschränkung gekennzeichnete Nutzenmaximum, das heißt das Haushaltsgleichgewicht, ist erreicht, wenn Grenznutzen und Preis des zu kaufenden
Gutes übereinstimmen.
2. Das Haushaltsgleichgewicht
Die Lage des Haushaltsgleichgewichtes gemäß der Verhaltensregel des zweiten
Gossenschen Gesetzes soll nunmehr mit einem zweiten Zahlenbeispiel verdeutlicht werden. In einem Zwei-Güter-Modell soll unterstellt werden, dass
die Grenznutzen der beiden Güter X1 (z. B. Wurst) und X2 (z. B. Käse) den in
Tab. 3.2. und Abb. 3.2. beschriebenen Verlauf haben. Die Lage der beiden Kurven
zeigt, dass die generelle Wertschätzung des Haushaltes für Wurst etwas höher
liegt als für Käse (er mag Wurst etwas lieber als Käse), aber das mengenabhängige
aktuelle Ausmaß an Bedürfnisbefriedigung folgt bei beiden Gütern dem ersten
Gossenschen Gesetz.
Tab. 3.2.
Abb. 3.2.
Kapitel A: Die Grenznutzenanalyse 79
Es sei ferner angenommen, dass die zum Kauf der beiden Güter verfügbare Konsumsumme 9 Euro beträgt und dass beide Güter jeweils zum Preis von 1 Euro
angeboten werden (also p1 = 1 und p2 = 1), so dass insgesamt 9 Mengeneinheiten
gekauft werden können. Wie man Tab. 3.2. bzw. Abb. 3.2. entnehmen kann, ist
das Nutzenmaximum erreicht, wenn 5 Mengeneinheiten Wurst (q1 = 5) und
4 Mengeneinheiten Käse (q2 = 4) erworben werden. Als Gesamtnutzen ergibt sich
U = 25, zu errechnen aus
+U1 = 5 + 4 + 3 + 2 + 1 = 15
+U2 = 4 + 3 + 2 + 1 = 10
+U = 25.
Jede andere Kombination wäre schlechter, z. B. ergäbe q1 = 6 und q2 = 3 nur den
Gesamtnutzen U = 24.
Dieses sehr einfache und fast schon intuitiv zu erfassende Ergebnis zeigt, dass im
Nutzenmaximum das zweite Gossensche Gesetz sowohl in seiner allgemeinen als
auch in seiner speziellen Formulierung erfüllt ist. Der Grenznutzen der fünften
Mengeneinheit Wurst beträgt U1? = 1, der Grenznutzen der vierten Mengeneinheit Käse beträgt U2? = 1, d. h. das zweite Gossensche Gesetz in der Formulierung
(3.3) ist erfüllt. Darüber hinaus ist es aber auch in der Formulierung (3.4) erfüllt,
denn bei den zu wählenden Mengen entsprechen die Grenznutzen beider Güter
den Preisen der Güter (p1 = U1? = 1 und p2 = U2? = 1).
III. Die Lage der Nachfragekurve
1. Die Nachfragekurve bei Preisrestriktion
Mit den beschriebenen Maximierungsbedingungen (3.3) und (3.4) sind alle zur
Herleitung der Nachfragekurve erforderlichen Bausteine geliefert. Der Vergleich
von Grenznutzen und Preis gemäß (3.4.) hat die Konsequenz, dass die fallende
Grenznutzenkurve zur Nachfragekurve wird. Gemäß dem ersten Zahlenbeispiel (Tabelle 3.1. und Abb. 3.1.) lässt sich das wie folgt zeigen (vgl. auch die neue
Abb. 3.3.). Ist der Preis des Gutes 2 Euro, dann lohnt es sich, die erste, die zweite,
p
= N
U
U
q
p = 4
p = 3
p = 2
p = 1
2 4 63 51
x
x
x
x
x
Abb. 3.3.
80 3. Teil: Die Theorie der Nachfrage
die dritte und gerade noch die vierte Mengeneinheit des Gutes zu kaufen. Bei den
ersten drei Mengeneinheiten entsteht sogar die günstige Situation, dass sie dem
Haushalt mehr wert sind als er dafür bezahlen muss. Ökonomen sprechen von
der sog. Konsumentenrente. Der Kauf der fünften Mengeneinheit hat keinen
Sinn mehr, denn sie kostet den Haushalt mehr als sie ihm wert ist. Daraus folgt,
dass der Haushalt beim Preis px = 5 nur eine Mengeneinheit nachfragt, beim Preis
px = 4 sind es zwei, bei px = 3 sind es drei, bei px = 2 sind es vier, bei px = 1 sind es
fünf Mengeneinheiten und beim Preis px = 0 (ein freies Gut) fragt der Haushalt
seine Sättigungsmenge von sechs Einheiten nach. Bei alternativen Preisen bewegt
er sich demnach entlang seiner Grenznutzenkurve.
Die Grenznutzenkurve ist also identisch mit der Nachfragekurve. Der Haushalt
ist nur dann bereit, zusätzliche Mengen des Gutes zu kaufen, wenn der Preis fällt.
Die Ursache hierfür liegt im ersten Gossenschen Gesetz, nach welchem der
Grenznutzen mit zunehmender Menge zurückgeht. Aus dem ersten Gossenschen
Gesetz in der Form
(3.2) Ux? = f(qx) mit Ux? < 0 (= fallender Grenznutzen)
und der Maximierungsbedingung px = Ux? des zweiten Gossenschen Gesetzes
resultiert die fallende Nachfragefunktion
(2.3) Nx = f(px).
Graphisch wird dies dadurch ausgedrückt, dass man in Abb. 3.1. bzw. Abb. 3.2.
an der Ordinate nicht nur den Grenznutzen, sondern auch den Preis abträgt (die
im Haushaltsgleichgewicht gleich sein müssen). Vgl. Abb. 3.3.
Die Herleitung dieses Sachverhaltes lässt sich noch einmal wie folgt skizzieren
(vgl. Übersicht 3.1.):
(1) Der Grenznutzen Ux? ist eine Funktion der Menge qx.
(2) Die Maximierungsbedingung lautet Ux? = px.
(3) Die Nachfragemenge Nx ist eine Funktion des Preises px.
(4) Die Grenznutzenkurve wird zur Nachfragekurve.
Übersicht 3.1.
Aus dem 1. Gossenschen Gesetz (1) Ux? = f (qx)
und dem 2. Gossenschen Gesetz (2) px = Ux?
wird die Nachfragefunktion (3) Nx = f(px)
(4)
Damit kann gezeigt werden, dass die Nachfragekurve der Haushalte sich aus
Nutzenüberlegungen (genauer: Grenznutzenüberlegungen) herleitet. Die im
2. Teil ausgesprochene Vermutung, dass der Nutzen eine maßgebliche Nachfragedeterminante darstellt, hat sich bestätigt. Der Grenznutzen bestimmt Lage und
Verlauf der Nachfragekurve. Steigt der Grenznutzen eines Gutes (Verschiebung
Kapitel A: Die Grenznutzenanalyse 81
der U?-Kurve nach oben), so verschiebt sich die Nachfragekurve nach rechts. Wegen der gestiegenen Nutzenempfindungen wird dann bei jedem denkbaren Preis
eine größere Menge des Gutes gewünscht.
2. Die Nachfragekurve bei Preis- und Einkommensrestriktion
Die Gleichheit von Grenznutzen- und Nachfragekurve ist allerdings nur dann
gegeben, wenn die zur Verfügung stehende Konsumsumme (das Einkommen) genügend groß ist. Dies wurde in den bisherigen Zahlenbeispielen unterstellt.
– Würde die Konsumsumme in Abb. 3.1. bzw. Abb. 3.3. z. B. nur E = 4 betragen,
so könnte der Haushalt beim Preis px = 1 nicht die Menge qx = 5, sondern nur
qx = 4 nachfragen, beim Preis px = 2 nicht qx = 4, sondern qx = 2.
– Würde die Konsumsumme in Abb. 3.2. nicht E = 9, sondern nur E = 7 betragen, so könnte der Haushalt beim Preis p = 1 nicht die Mengen q1 = 5 und
q2 = 4, sondern nur die Mengen q1 = 4 und q2 = 3 nachfragen. Der erreichbare
Gesamtnutzen wäre nicht mehr U = 25, sondern nur noch U = 23.
Besteht also nicht nur eine Preisrestriktion, die sich darin äußert, dass die Güter
einen Preis haben (also knapp sind), sondern auch eine Einkommensrestriktion,
dann kann die spezielle Maximierungsbedingung nicht mehr erfüllt werden, d. h.
Preis und Grenznutzen stimmen nicht mehr überein, die Nachfragekurve liegt
links von der Grenznutzenkurve (vgl. Abb. 3.4.).
Abb. 3.4.
Die allgemeine Maximierungsbedingung bleibt im Mehr-Güter-Fall (Abb. 3.2.)
aber erfüllt, denn die Grenznutzen der letzten Mengeneinheiten beider Güter
sind weiterhin gleich. Sie sind U1? = 2 und U2? = 2.
Liegt im Übrigen keine Preisrestriktion vor (freie Güter mit p = 0), so schadet
auch die Existenz einer Einkommensrestriktion nicht. Der Sättigungspunkt mit
U? = 0 ist demnach in jedem Fall ein Punkt der Nachfragekurve (vgl. Abb. 3.4.).
Die Berücksichtigung der Einkommensrestriktion hat die Bedeutung der Nutzenempfindungen für die Lage der Nachfragekurve keineswegs aufgehoben. Die
Grenznutzenkurve bildet in jedem Fall die äußerste rechte Begrenzung für die
Nachfragekurve. Darüber hinaus konnte eine weitere im 2. Teil geäußerte Vermutung bestätigt werden: eine zunehmende Einkommensrestriktion (d. h. ein sin-
82 3. Teil: Die Theorie der Nachfrage
kendes Einkommen) verschiebt die Nachfragekurve nach links, eine abnehmende
Einkommensrestriktion verschiebt sie (maximal bis zur Grenznutzenkurve) nach
rechts.
Eine letzte Bemerkung bezieht sich noch einmal auf das zweite Gossensche Gesetz. Im zweiten Zahlenbeispiel (Tab. 3.2. und der Abb. 3.2.) wurde unterstellt,
dass die beiden Güter den gleichen Preis haben, ein in der Realität eher unwahrscheinlicher Fall. Haben die Güter verschiedene Preise, so müssen die nutzenstiftenden Gütermengen gleichnamig gemacht werden. Dies geschieht durch die
Bildung sog. realer oder gewogener Grenznutzen bzw. des sog. Grenznutzens der
Geldausgabe.
Tab. 3.3. Tab. 3.4.
Der Sachverhalt sei mit einem dritten Zahlenbeispiel erläutert. Wenn weiterhin
die in Tab. 3.2. unterstellten Grenznutzenverläufe gelten, der Wurstpreis aber bei
p1 = 2, der Käsepreis weiter bei p2 = 1 und das Einkommen bei E = 7 liegen, so
ergibt sich folgende Überlegung. Bei p1 = 2 erhält man für einen Euro nur eine
halbe Mengeneinheit Wurst mit entsprechend halbem Grenznutzen. Nimmt man
in eine neue Tab. 3.3. nur diejenigen Mengen beider Güter auf, die für einen Euro
zu erhalten sind (halbe Mengen Wurst und ganze Mengen Käse), so ergeben sich
die in Tab. 3.3. ausgewiesenen Werte der Grenznutzen. Bei E = 7 ist die zu kaufende Wurstmenge dann q1 = 2 (vgl. auch Abb. 3.4.) und die zu kaufende Käsemenge q2 = 3. Der Grenznutzen der Geldausgabe (des einen Euro) ist dann bei
beiden Gütern gleich. Der Gesamtnutzen ist jetzt nicht mehr U = 23, sondern nur
noch U = 18.
Der beschriebene Sachverhalt kann alternativ wie folgt ausgedrückt werden: Der
Grenznutzen eines Euro ist beim Wurstkauf nur halb so hoch wie zuvor, er
betrüge bei p1 = 3 nur ein Drittel, bei p1 = 4 nur ein Viertel des ursprünglichen
Wertes. Der Grenznutzen ist demnach durch den Preis zu dividieren. Die so gebildeten gewogenen Grenznutzen bei p1 = 2 finden sich in Tab. 3.4. Im Nutzenmaximum sind die gewogenen Grenznutzen beider Güter gleich. Es gilt wiederum
das zweite Gossensche Gesetz in der Formulierung
(3.5) 11 2 1
1 2 2 2
pU ´ U ´ U ´
bzw. .
p p U ´ p
= =
Es besagt, dass die gewogenen Grenznutzen beider (aller) Güter übereinstimmen
bzw. dass das Grenznutzenverhältnis gleich dem Verhältnis der Güterpreise ist.
Die Bedingung (3.5) ist im Übrigen nur die Verallgemeinerung von (3.3), da dort
der Spezialfall erscheint, in dem alle Preise gleich Eins sind.
Kapitel B: Die Indifferenzkurvenanalyse 83
Kapitel B: Die Indifferenzkurvenanalyse
B. Die Indifferenzkurvenanalyse
I. Prämissen der Analyse und Indifferenzkurve
1. Prämissen der Analyse
Seit der Vorstellung der Grenznutzenanalyse ist immer wieder die Frage aufgeworfen worden, ob Haushalte tatsächlich in der Lage sind, ihre Nutzenempfindungen in Zahlenwerten bzw. Geldeinheiten präzise anzugeben. Zu Beginn des
20. Jahrhunderts (durch Pareto 1906) konnte jedoch gezeigt werden, dass die Fähigkeit zur kardinalen Nutzenschätzung keine zwingende Voraussetzung für eine
nutzentheoretische Fundierung der Nachfragefunktion bildet. Auch wenn der
Haushalt nur zu einer sog. ordinalen Nutzenschätzung in der Lage ist, kann die
Nachfragekurve logisch hergeleitet werden.
Ordinale Nutzenschätzung bedeutet, dass der Haushalt anzugeben vermag, ob er
ein Güterbündel A einem Bündel B vorzieht (A > B), ob er B gegenüber A präferiert (A < B) oder ob er die beiden Bündel gleichsetzt (A = B), ihnen gegenüber
also indifferent ist. Der Haushalt muss also nicht wissen, um wie viel er A gegen-
über B vorzieht, er muss lediglich wissen, ob er es vorzieht oder nicht. Allerdings
verlangt das Konzept, dass die Bedürfnisstruktur des Haushalts logisch widerspruchsfrei ist, d. h.
– es darf immer nur eine Beziehung gelten, entweder A > B oder A < B oder
A = B (Konsistenzbedingung), und
– wenn A > B und B > C, so folgt daraus A > C (Transitivitätsbedingung).
Dies bedeutet, dass kardinal gemessene Nutzen und Grenznutzen in der Indifferenzkurvenanalyse nicht mehr erscheinen. Das Nutzen- wie auch das Grenznutzenkonzept bleiben aber – wie noch zu zeigen sein wird – implizit Grundlage der
Analyse. Kern der Analyse sind die sog. Indifferenzkurven, auf die bereits im
1. Teil bei der Darstellung der Knappheitsproblematik kurz eingegangen wurde
(vgl. Abb. 1.4.). Im Übrigen entsprechen Zielsetzung und Prämissen der Analyse
denen der Grenznutzenanalyse. Auch die Indifferenzkurvenanalyse stellt die Frage, wie ein Haushalt sich verhalten muss, wenn er seinen Nutzen maximieren
möchte (Bedingungstheorie). Zentrale Prämissen der Analyse sind also wie zuvor
Nutzenmaximierung als Zielsetzung der Haushalte, Rationalverhalten, vollkommene Kenntnis aller für das Nachfrageverhalten notwendigen Größen sowie die
fehlende Möglichkeit, die Preise zu beeinflussen. Auf der Basis dieser Prämissen
leitet die Indifferenzkurvenanalyse aus der Bedürfnisstruktur des Haushalts (U),
seinem Einkommen (E) und den Preisen der Güter (p1, p2, . . ., pn) die Nachfragefunktion (2.3) her. Aus Gründen der Darstellung wird üblicherweise mit einem
Zwei-Güter-Modell gearbeitet, dessen Ergebnisse aber auch für den n-Güter-Fall
gelten.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Mikroökonomie leicht und verständlich
Dieses Lehrbuch bietet eine verständliche Darstellung eines zentralen Teilgebiets der Ökonomik. Da Inhalt und Aussagewert der Mikroökonomik häufig dadurch unklar bleiben, dass die Studenten zuviel rechnen müssen und dabei nicht mehr genügend zum Denken kommen, wird die Algebra in nur sparsamer Dosierung eingesetzt. Dafür stellt das Buch die grundlegenden Fragestellungen und Modelle umso klarer und lesefreundlicher dar und unterstützt das Lernen mit zahlreichen Kontrollfragen.
* Grundlagen
* Einführung in die Nachfrage- und Angebotstheorie
* Theorie der Nachfrage
* Theorie des Angebots
* Theorie des Marktgleichgewichts
* Theorie der Marktprozesse
Das Lehrbuch beantwortet unter anderem folgende Fragen:
* Warum und in welcher Menge fragen Haushalte bestimmte Güter nach?
* Welche Ziele verfolgen Unternehmen?
* Wann ist ein Marktpreis stabil?
* Welche Marktform ist effizient?
* Fördert Wettbewerb den technischen Fortschritt?
Die Autoren
Prof. Dr. Klaus Herdzina ist Professor an der Universität Hohenheim.
Prof. Dr. Stephan Seiter ist Professor an der ESB Business School an der Hochschule Reutlingen.