102 3. Teil: Die Theorie der Nachfrage
Ein anderes Problem wirft der Prestigeeffekt auf. Sind der tatsächliche Preis und
der Preis, den Nichtkäufer vermuten, identisch, so bewirkt eine Änderung dieses
Preises nicht eine Verschiebung der Nachfragekurve, sondern eine Bewegung auf
der Kurve. Diese Bewegung setzt allerdings den bisher unterstellten Normalverlauf zumindest für einzelne Nachfrager außer Kraft: die nachgefragte Menge
steigt mit steigendem Preis. Erneut zeigt sich, dass die Nachfragedeterminanten
Preis und Nutzen nicht in jedem Fall voneinander unabhängig sind. Steigt der
Preis, so erhöht sich dadurch der Prestigenutzen.
Die Erweiterung der Nachfragetheorie durch die Berücksichtigung verschiedener
Formen von sozialabhängigem Verhalten hat die Eignung der Theorie als explikative Theorie erheblich gesteigert. Zu beachten ist allerdings, dass es nicht genügen
kann, diese weiteren Nachfragedeterminanten nur zu nennen und ihre Wirkungsrichtung aufzuzeigen. Es ist vielmehr genauer zu untersuchen, unter welchen
Umständen und in welchem Ausmaß die beschriebenen Effekte wirksam werden.
Da es sich teilweise um sozialpsychologische und soziologische Phänomene handelt, ist die Ökonomik in ihrem Streben nach Erklärung auf die Hilfe der Psychologie und der Soziologie angewiesen.
Kontrollfragen zum 3. Teil
1. Erläutern Sie die beiden zentralen Aufgaben der Nachfragetheorie.
2. Welche Hauptansätze innerhalb der Nachfragetheorie lassen sich unterscheiden, wie lassen sie sich historisch einordnen und auf welchen alternativen
Nutzenschätzungskonzepten beruhen sie?
3. Auf welchen Prämissen beruht die Grenznutzenanalyse?
4. Definieren Sie die Begriffe Gesamtnutzen und Grenznutzen.
5. Formulieren Sie in eigenen Worten das erste und das zweite Gossensche Gesetz.
6. Welches der beiden Gossenschen Gesetze stellt eine Hypothese dar, welches
stellt eine Verhaltensregel für Haushalte auf?
7. Gilt das erste Gossensche Gesetz auch für langlebige Gebrauchsgüter, gilt es
bei Sucht und Sammelleidenschaft? Welche Bedeutung hat die Zeitdimension
im Zusammenhang mit diesem Gesetz?
8. Welche durch die sog. spezielle Maximierungsbedingung festgehaltene Überlegung stellen Sie an, wenn Sie in einem Schaufenster eine wunderschöne
Bluse/ein wunderschönes Hemd zum Preis von 120 Euro ausgestellt sehen?
9. Inwiefern werden auch die durch die sog. allgemeine Maximierungsbedingung ausgedrückten Überlegungen für Ihre Kaufentscheidung von Bedeutung
sein?
10. Wo liegt die Nachfragekurve eines nutzenmaximierenden Haushaltes, wenn
(1) nur eine Preisbeschränkung, (2) auch eine Einkommensbeschränkung besteht?
11. Handeln Sie eigentlich unökonomisch, wenn Sie im Falle starken Durstes Bier
statt Mineralwasser trinken, obwohl das Mineralwasser billiger ist?
Kapitel C: Kritik und Erweiterungen der Theorie der Nachfrage 103
12. In welcher Weise werden Güter, welche unterschiedliche Preise haben, zur
Erfüllung des zweiten Gossenschen Gesetzes „gleichnamig“ gemacht?
13. Was versteht man unter einer Indifferenzkurve?
14. Wie verlaufen Indifferenzkurven bei vollkommen substitutiven, bei vollkommen komplementären Gütern bzw. in den dazwischen liegenden sonstigen
Fällen? Nennen Sie Beispiele und erläutern Sie diese.
15. Warum können sich Indifferenzkurven nicht schneiden?
16. Wie lässt sich die normal verlaufende, links gekrümmte Indifferenzkurve nutzentheoretisch begründen? Erläutern Sie in diesem Zusammenhang das Gesetz von der abnehmenden Grenzrate der Substitution und seinen Bezug zu
den Grenznutzen der beiden Güter.
17. Erläutern Sie das Konzept der Budgetlinie. Wovon hängen die Lage bzw. die
Steigung der Budgetlinie ab?
18. Wovon hängt es ab, welches Nutzenniveau ein Haushalt erreichen kann? Erläutern Sie in diesem Zusammenhang den Begriff des Haushaltsgleichgewichtes und seine mathematischen Bedingungen. Inwiefern ist auch hier das zweite
Gossensche Gesetz relevant?
19. Erläutern Sie die Begriffe Preis-Konsum-Kurve und Nachfragekurve. Zeigen
Sie verbal und graphisch, wie sich die Nachfragekurve aus der Preis-Konsum-
Kurve herleiten lässt.
20. Inwiefern kann die Steigerung des Wurstpreises zu einem Nachfragerückgang
beim Substitutionsgut Käse führen? Erläutern Sie in diesem Zusammenhang
den Substitutions- und den Realeinkommenseffekt.
21. Zeigen Sie mit Hilfe der Indifferenzkurvenanalyse auf, welche Nachfrageeffekte Änderungen der Bedürfnisstruktur und des Einkommens haben.
22. Inwieweit kann ein Haushalt die von der Nachfragetheorie formulierten Nutzenmaximierungsbedingungen in der Realität anwenden, inwieweit kann er es
nicht?
23. Diskutieren Sie die Frage der empirischen Überprüfbarkeit der Nachfragetheorie. Ist es leichter, Nachfragekurven aus Nutzenfunktionen oder Nutzenfunktionen aus dem tatsächlichen Nachfragerverhalten herzuleiten?
24. Erörtern Sie die These, dass einem Impuls- und einem Gewohnheitsverhalten
irrationale Elemente anhaften.
25. Erläutern Sie verschiedene Formen von sozialabhängigem Konsumverhalten
und zeigen Sie auf, wie ein derartiges Verhalten die üblichen Annahmen über
die Gesetzmäßigkeiten der Nachfrage revidiert.
Kapitel A: Die Produktions- und Kostenanalyse 105
4. Teil: Die Theorie des Angebotes
Kapitel A: Die Produktions- und Kostenanalyse
4. Teil
Die Theorie des Angebotes
Im 2. Teil sind die wichtigsten Determinanten des Güterangebotes von Unternehmungen genannt worden. Ferner wurden erste Aussagen über ihre Wirkungsrichtung und über die Stärke ihres Einflusses gemacht. Als Angebotskurve wurde
dabei das graphische Abbild der Angebotsfunktion i. e. S. (2.11) bezeichnet, in der
die angebotene Menge des Gutes X in Abhängigkeit vom Preis des Gutes X dargestellt wird.
Im Rahmen einer Theorie des Angebotes, deren zentrale Aufgabe es sein soll, reales
Anbieterverhalten zu erklären, gilt es nunmehr, die Lage und den Verlauf der Angebotskurve zu begründen, d. h. den Einfluss des Preises und der übrigen Angebotsdeterminanten präzise aufzuzeigen. Es ist also zu erklären, warum die Anbieter
bei alternativen Preisen des Gutes X ganz bestimmte Mengen dieses Gutes anbieten.
Wie schon bei der Nachfragetheorie dargelegt, ist eine zweite Aufgabe der Theorie darin zu sehen, dass sie Bedingungskonstellationen für das Eintreten besonders günstiger ökonomischer Wirkungen formuliert. Auch weite Teile der nunmehr zu behandelnden Angebotstheorie verstehen sich primär als Bedingungstheorie, indem sie Handlungsanweisungen für Unternehmen geben. Erst wenn
Grund zu der Annahme besteht, dass die Anbieter diesen Handlungsanweisungen
folgen, kann man sagen, dass die Theorie reales Anbieterverhalten erklärt.
Die Theorie des Angebotes stellt also zunächst die Frage, wie sich eine Unternehmung verhalten muss, wenn sie ihr erklärtes Ziel erreichen möchte. Zu diesem
Zweck muss sie von einigen Prämissen ausgehen, welche die Gegebenheiten der
Realität offensichtlich nicht perfekt abbilden. Wie in der Nachfragetheorie bereits
geschehen, werden diese Prämissen später in Kapitel C wieder aufgegriffen und
diskutiert. Zunächst wird aber angenommen, dass die einzelne Unternehmung
vollkommene Kenntnis aller Produktions- und Marktgegebenheiten hat und dass
sie sich bezüglich der Erreichung ihres Zieles rational verhält. Was dieses Ziel betrifft, so wird Gewinnmaximierung unterstellt. Vollkommene Kenntnis, insbesondere aber Gewinnmaximierung als eindeutige Zielsetzung und Rationalverhalten
sind erneut Kennzeichen des Akteurs als homo oeconomicus, dem es darum gehen
muss, die Handlungsanweisungen zur Erreichung seiner Zielsetzung genau zu befolgen. Wie zuvor angedeutet, wird ferner davon ausgegangen, dass die einzelne
Unternehmung die Preise der Güter nicht beeinflussen kann. Auf weitere, insbesondere produktionstechnische Prämissen ist im Folgenden noch einzugehen.
Unterstellt man Gewinnstreben in der Form der Gewinnmaximierung als Ziel der
Unternehmung, so ist der logische Ablauf der Untersuchung vorgeprägt. Da Gewinne definiert sind als Differenz zwischen Erlösen und Kosten, wird im folgenden Kapitel A mit der Produktions- und Kostenanalyse begonnen. In Kapitel B
schließt sich die Erlösanalyse an, die unter Einschluss der Kostenanalyse sofort in
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Mikroökonomie leicht und verständlich
Dieses Lehrbuch bietet eine verständliche Darstellung eines zentralen Teilgebiets der Ökonomik. Da Inhalt und Aussagewert der Mikroökonomik häufig dadurch unklar bleiben, dass die Studenten zuviel rechnen müssen und dabei nicht mehr genügend zum Denken kommen, wird die Algebra in nur sparsamer Dosierung eingesetzt. Dafür stellt das Buch die grundlegenden Fragestellungen und Modelle umso klarer und lesefreundlicher dar und unterstützt das Lernen mit zahlreichen Kontrollfragen.
* Grundlagen
* Einführung in die Nachfrage- und Angebotstheorie
* Theorie der Nachfrage
* Theorie des Angebots
* Theorie des Marktgleichgewichts
* Theorie der Marktprozesse
Das Lehrbuch beantwortet unter anderem folgende Fragen:
* Warum und in welcher Menge fragen Haushalte bestimmte Güter nach?
* Welche Ziele verfolgen Unternehmen?
* Wann ist ein Marktpreis stabil?
* Welche Marktform ist effizient?
* Fördert Wettbewerb den technischen Fortschritt?
Die Autoren
Prof. Dr. Klaus Herdzina ist Professor an der Universität Hohenheim.
Prof. Dr. Stephan Seiter ist Professor an der ESB Business School an der Hochschule Reutlingen.