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Abb. 1: Prinzipdarstellung der Cooke-Methode: (1) Auswahl geeigneter Seeds; (2) Beantwortung der Seeds durch jeden Experten; (3)
Errechnung eines Gewichtungsfaktors aus den
Antworten auf die Seeds für jeden Experten;
(4) Schätzung jedes Experten zum untersuchten Sachverhalt (hier durch wahrscheinlichsten Wert mit Konfidenzintervall); (5) Errechnung des aggregierten Ergebnisses auf Basis
der Gewichtungsfaktoren und der abgegebenen Expertenschätzungen.
Cooke-Methode
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Einordnung und Beschreibung
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Manager stehen regelmäßig vor der Aufgabe, Entscheidungen unter Unsicherheit
zu treffen. Hierzu greifen sie auf Informationen des Controllings zurück. Zur
Einschätzung von Eintrittswahrscheinlichkeiten zukünftiger Ereignisse werden
Expertenbefragungen genutzt, die zum
Instrumentarium des strategischen und
des Risikocontrollings zählen. Beispielsweise kann es sich um Fehlerhäufigkeitsschätzungen bei betriebsnotwendigen
Systemen handeln. Da die Tragweite dieser Entscheidungen gravierend sein kann,
wird häufig nicht nur auf die Einschätzung eines einzelnen Experten vertraut,
sondern es werden mehrere Experten befragt, so dass auch unterschiedliche Erfahrungshintergründe, extreme Einschätzungen und Minderheitenmeinungen berücksichtigt werden. Bei Befragung mehrerer Experten ist in der Regel kein einstimmiges Bild zu erwarten. Insbesondere bei hochkomplexen und außergewöhnlichen Sachverhalten können die
Meinungen stark divergieren. Deshalb
werden die verschiedenen Experteneinschätzungen häufig aggregiert. Auch erhofft sich das Management von der Aggregation mehrerer Schätzungen eine
bessere Entscheidungsunterstützung.
Die von Cooke vorgeschlagene Methode
(vgl. Cooke, 1991, von ihm „Classical Model“ genannt) ist eine Expertenbefragung
für quantifizierbare Größen, welche ein
Aggregationsverfahren für divergierende
Wahrscheinlichkeitsverteilungen bzw. für
divergierende Punktwert- und Intervallschätzungen enthält. Dabei wird angenommen, dass die Experten ihre Einschätzung durch die Angabe von Eintrittswahrscheinlichkeiten (Wahrscheinlichkeitsverteilung) oder Angabe des
wahrscheinlichsten Wertes mit zugehörigem Konfidenzintervall ausdrücken können. Die Besonderheit der Cooke-Methode liegt in der Verwendung sogenannter
Seeds oder Kalibrierungsfragen, die das
Wissen und Können der Experten prüfen
und der eigentlichen Befragung vorgeschaltet werden, um jeden einzelnen Experten zu bewerten. Die Seeds stammen
aus demselben oder einem ähnlichen
Themengebiet wie die zu analysierende
Fragestellung. Sie beziehen sich auf gesichertes Wissen, bspw. über vergangene
Ereignisse, oder lassen sich vom Moderator des Verfahrens nach der Erhebung der
Antworten überprüfen. Basierend auf der
Antwortqualität zu den Seeds wird jede
von den Experten unabhängig abgegebene Schätzung zum untersuchten Sachverhalt mit einem Gewichtungsfaktor versehen, um daraus einen gewogenen Durchschnitt als Gesamtergebnis zu bilden (vgl.
Abb. 1; zu methodischen Einzelheiten
vgl. Cooke, 1991, S. 187–198; Cooke/Goossens, 2008, S. 660–662; EXCALIBUR, ein
Softwarepaket für die Berechnung, findet
sich unter http://risk2.ewi.tudelft.nl). Die
Cooke-Methode zielt darauf ab, einen aggregierten Schätzwert zu erzeugen und
die damit verbundene Unsicherheit zu
quantifizieren. Eine Diskussion oder ein
andersartiger Austausch der Experten
über ihre persönlichen Einschätzungen
zur Konsensfindung ist bei der Cooke-
Methode nicht notwendig. Die einzelnen
Expertenschätzungen inkl. zugehöriger
Gewichtung können jedoch während der
Befragung oder danach aufgedeckt werden.
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Vorteile und Einschränkungen
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Die Anwendung der Cooke-Methode für
Schätzungen von mehreren Experten bietet Vorteile, unterliegt jedoch auch Einschränkungen (vgl. im Folgenden Aspinall, 2010, S. 294; Cooke/Goossens, 2008,
S. 661 f. und S. 667; Cooke/Goossens,
2000, S. 305):
Da mehrere Experten einer Disziplin befragt werden, besteht nicht die Gefahr,
einer groben Fehleinschätzung eines einzelnen Experten zu folgen. Sowohl das
Ansehen als auch die möglicherweise
übersteigerte Überzeugung eines Experten in seine eigenen Fähigkeiten werden
nicht als Indikatoren für die Qualität seiner Einschätzung künftiger Ereignisse
herangezogen. Weiter muss keiner der involvierten Experten befürchten, alleine
für eine Fehleinschätzung verantwortlich
zu sein bzw. gemacht zu werden. Da keine Kommunikation der Experten untereinander zur Konsensfindung vorgesehen
ist, sondern ein mathematisches Verfahren zur „Konsenserrechnung“ eingesetzt
wird, ist die Cooke-Methode frei von Politik und Taktik („rational consensus“).
Es ist keine Tendenz zum mittleren
Schätzergebnis oder die schlichte Zustimmung von Außenseitern zur herrschenden Meinung zu erwarten; beides sind
278 CONTROLLING-LEXIKON
CONTROLLING – ZEITSCHRIFT FÜR ERFOLGSORIENTIERTE UNTERNEHMENSSTEUERUNG
Kritikpunkte an der bekannteren Delphi-
Methode. Die Experten werden ihre Einschätzung eher entsprechend ihrer Überzeugung äußern. Das Verfahren ist in hohem Maße transparent. Die Durchführung ist für alle Beteiligten nachvollziehbar, so dass damit eine hohe Akzeptanz
einhergeht. Auch Experten mit einer persönlichen Einschätzung, die deutlich von
dem errechneten Gesamtergebnis abweicht, akzeptieren das Ergebnis üblicherweise aufgrund der Transparenz.
Eingeschränkt wird die Anwendung der
Cooke-Methode durch die erforderlichen
Merkmale des zu analysierenden Sachverhalts: Die abgefragten Variablen müssen
quantifizierbar sein, und die Experten
müssen ihre persönliche Einschätzung
zur Wahrscheinlichkeit bestimmter Ausprägungen dieser Variablen abgeben können. Das Formulieren geeigneter Seeds ist
ein zentraler Schritt im Ablauf der Cooke-Methode, weshalb diesem durch Pretests besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden sollte. Die Qualität der aggregierten Expertenschätzung hängt ganz
wesentlich davon ab, ob die Antwortqualität zu den Seeds ein gutes Kriterium für
die Gewichtung der einzelnen Expertenschätzungen ist und ob ein Zusammenhang zwischen den Seeds und dem untersuchten Sachverhalt besteht. Beide Faktoren haben starken Einfluss auf die Ergebnisqualität der Cooke-Methode. Da jedoch zukünftige und damit unsichere Variablenausprägungen betrachtet werden,
besteht auch bei der Cooke-Methode
letztlich kein zuverlässiger Schutz vor
größeren Fehleinschätzungen.
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Anwendungsbeispiele
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Die Anwendung der Cooke-Methode
wurde bereits für unterschiedliche Problemstellungen dokumentiert. Beispielhaft können folgende Experteneinschätzungen genannt werden: die Auswirkung
der Feinstaubkonzentration auf die
Sterblichkeit (vgl. Tuomisto et al., 2008),
die geschätzte Zeit bis zum Ausbruch
eines Vulkans oder Bruch eines Damms
(Time-to-failure-Schätzungen), Eröffnungskurse bestimmter Wertpapiere, das
operationelle Risiko bei Banken gemäß
Basel II und die Entwicklung von Büromietpreisen (vgl. die Analyse einer Datenbank zu mehreren Anwendungen der
Methode bei Cooke/Goossens, 2008).
Literatur
Cooke, R. M., Experts in Uncertainty, Oxford
1991.
Cooke, R. M./Goossens, L. H. J., Procedures
Guide for Structured Expert Judgement in
Accident Consequence Modelling, in: Radiation Protection Dosimetry, Vol. 90 (2000),
No. 3, S. 303–309.
Cooke, R. M./Goossens, L. H. J., TU Delft expert judgment data base, in: Reliability Engineering and System Safety, Vol. 93 (2008),
No. 5, S. 657–674.
Aspinall, W., A route to more tractable expert
advice, in: Nature, Vol. 463 (2010), No. 7279,
S. 293–294.
Toumisto, J. T./Wilson, A./Evans, J. S./Tainio,
M., Uncertainty in mortality response to airborne fine particulate matter: Combining
European air pollution experts, in: Reliability
Engineering and System Safety, Vol. 93
(2008), No. 5, S. 732–744.
Dipl.-Wirtsch.-Inform. Kevin Tappe,
Stuttgart
Cooke-Methode 279
24. Jahrgang 2012, Heft 4/5
Neubesetzung des Herausgeberbeirats
der Zeitschrift Controlling
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Dr. Stefan Asenkerschbaumer
Geschäftsführer der Robert Bosch
GmbH
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Dr. Stefan Asenkerschbaumer studierte an
der Universität Erlangen-Nürnberg. Er
schloss 1982 sein Diplom-Studium der
Wirtschaftspädagogik und 1984 das der
Betriebswirtschaftslehre ab. Anschlie-
ßend promovierte er mit einem Thema
zum betrieblichen Innovationsmanagement 1986 zum Dr. rer. pol.
Dr. Stefan Asenkerschbaumer trat 1987 bei
der Robert Bosch GmbH ein. Nach verschiedenen Leitungsfunktionen im Inund Ausland u. a. als Werksleiter, kaufmännischer Geschäftsleiter und Arbeitsdirektor im Geschäftsbereich Car Multimedia, Leiter Konzerncontrolling, Planung und Mergers & Acquisitions sowie
Vorsitzender des Bereichsvorstandes im
Geschäftsbereich Starter und Generatoren, wurde Dr. Stefan Asenkerschbaumer
am 1. Juli 2010 in die Geschäftsführung
der Robert Bosch GmbH berufen. Sein
Verantwortungsbereich umfasst folgende
Ressorts: Finanzen und Bilanzen, Planung und Controlling sowie Internes
Rechnungswesen und Organisation. Dr.
Asenkerschbaumer ist zudem Mitglied in
den Aufsichtsräten von Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH, Bosch Rexroth
AG, Robert Bosch Multimedia GmbH,
Bosch Thermotechnik GmbH, Bosch Solar
Energy AG.
Veröffentlichungen von Dr. Asenkerschbaumer beschäftigen sich mit Innovationsmanagement, Strategischem Controlling, FuE-Controlling, Gestaltung von
Wertschöpfungsketten sowie Qualitätsmanagement bei Bilanzierung und Reporting.
280 IN EIGENER SACHE
CONTROLLING – ZEITSCHRIFT FÜR ERFOLGSORIENTIERTE UNTERNEHMENSSTEUERUNG
Chapter Preview
References
Abstract
Month by month, Controlling - Zeitschrift für erfolgsorientierte Unternehmenssteuerung publishes peer-reviewed, applied research contributions for business management, accounting and reporting. Key elements of succesful corporate controlling are presented in an analytic, well-structured manner.
Language: German.
For more information for authors and subscribers, see www.zeitschrift-controlling.de.
Zusammenfassung
Die Controlling - Zeitschrift für erfolgsorientierte Unternehmenssteuerung liefert Monat für Monat fundierte und anwendungsorientierte Fachbeiträge für das Management sowie das Finanz- und Rechnungswesen in Unternehmen. Klar gegliedert und strukturiert werden für alle Controlling-Bereiche die Faktoren für eine erfolgreiche Unternehmenssteuerung aufgezeigt.
Weitere Informationen für Autoren und Abonnenten finden Sie unter www.zeitschrift-controlling.de.