0Wahrscheinlichkeitsdichte
Erwartungswert der
Vermögensänderung μ
Į = 1 - Konfidenzniveau
VaR als Abweichung von Null
VaR als Abweichung vom Erwartungswert
Abb. 1: Normalverteilte Renditeerwartung einer Risikoposition (vgl. in Anlehnung an Homburg/
Stephan, 2004, S. 314)
Risikoorientierte Performancemaße
Roy Tondock
Sowohl vor dem Hintergrund wachsender gesetzlicher Anforderungen an Risikomanagementsysteme als auch zur Risiko-Rentabilitäts-Steuerung rücken risikoorientierte Performancemaße immer
stärker in den Fokus von vielen Unternehmen. Risikoorientierte Performancemaße stellen Instrumente des Risikocontrollings dar, welches wiederum dem Risikomanagement zuzurechnen ist. Risikocontrolling besitzt eine entscheidungsvorbereitende und -unterstützende Aufgabe im Rahmen des Risikomanagements
und verfolgt das Ziel, Information zur
Risikosituation des Unternehmens aufzubereiten, um die Unternehmensführung
bei der Steuerung der Risiken zu unterstützen. In diesem Zusammenhang kommen risikoorientierte Performancemaße
bei der Messung von Risiken und insbesondere bei der Abbildung von Ertrags-
Risiko Relationen zum Einsatz (vgl. Burger/Buchhart, 2002, S. 12 ff.). Dabei können absolute Kennzahlen, die die Ausprägung einer Größe anzeigen, und relative
Kennzahlen, die eine Relation mehrerer
Größen abbilden, unterschieden werden.
Im Rahmen der Risikomessung wird
einem Untersuchungsobjekt bzw. einer
Risikoposition ein in Geldeinheiten ausgedrücktes Risiko zugeschrieben, zunächst ohne die entsprechende Ertragschance zu berücksichtigen. Im Vordergrund steht dabei die Frage, inwieweit
Verluste aus eingetretenen Risiken von
Unternehmen getragen werden können.
Dazu werden mittels absoluter Kennzahlen Risiken quantifiziert und den Deckungspotentialen der Unternehmungen
gegenübergestellt. Somit wird die Risikotragfähigkeit bestimmt. Besonders relevant ist die Risikotragfähigkeitsbestimmung für Banken und Finanzdienstleister, an die besondere Anforderungen in
Form von bestimmten Eigenkapitalausstattungen durch Basel II-Richtlinien gestellt werden. Im nächsten Schritt werden
den quantifizierten Risiken nun entsprechende Chancen gegenübergestellt und
diese ins Verhältnis zueinander gesetzt.
Diese relativen Kennzahlen oder Verhältniskennzahlen spiegeln dann die Risiko-
Chancen-Relation der betrachteten Risikoposition wider. Neben der Risikokomponente kommt hier im Gegensatz zum
Bereich der absoluten Kennzahlen eine
Ertragskomponente hinzu. Entsprechend
diesen Kennzahlen sollten Risiken nur
dann eingegangen werden, wenn ihnen
eine entsprechende Ertragschance gegenübersteht (vgl. Schierenbeck et al.,
2008, S. 15 ff.).
........................................................
Absolute risikoorientierte
Performancemaße
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Das Konzept des Value at Risk (VaR)
stammt aus dem Banken- und Finanzdienstleistungsbereich und diente ursprünglich der Bewertung von Marktund Preisrisiken (vgl. im Folgenden
Schierenbeck et al., 2008, S. 16 ff. und Fricke, 2006, S. 7 ff.). Zunehmend ist eine
Übertragung dieses Konzepts auf andere
Branchen und auch auf andere Risikoarten zu beobachten. Der VaR leitet aus der
Wahrscheinlichkeitsverteilung der Rendite einer Risikoposition den maximalen,
in Geldeinheiten bewerteten Verlust ab,
der in einem festzulegenden Zeitraum
mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit
(Konfidenzintervall 1 – α) nicht überschritten wird. Umgekehrt zeigt das α-
Quantil die Wahrscheinlichkeit an, mit
der ein größerer Verlust eintritt, als mit
dem VaR bestimmt wurde.
Abb. 1 zeigt diese Zusammenhänge an
einer normalverteilten Risikoposition.
388 CONTROLLING-COMPACT
CONTROLLING – ZEITSCHRIFT FÜR ERFOLGSORIENTIERTE UNTERNEHMENSSTEUERUNG
Demnach ist der VaR ein Maß für downside risk und sollte nicht als maximal
möglicher Verlust interpretiert werden.
Im Rahmen der Bemessung des VaR können verschiedene Ausgangspunkte gewählt werden. Entweder wird vom Erwartungswert der Vermögensänderung
ausgegangen und es wird dabei vom relativen VaR gesprochen, oder den Ausgangspunkt des absoluten VaR bildet die
Rendite von Null (vgl. Abb. 1). Da in der
Regel kurze Zeiträume von einem Tag bis
zu einem Monat betrachtet werden, ist
der Unterschied zwischen Erwartungswert der Risikoposition und Nullrendite
meist gering. Die Volatilität der Risikoposition dominiert in diesem Fall über
den Erwartungswert der Risikoposition
(vgl. Stephan, 2006, S. 176). Formal lässt
sich der VaR durch die Integration der
entsprechenden Intervalle der Dichtefunktion der Risikoposition darstellen.
Bei Verwendung des VaR ist das Konfidenzniveau zu wählen, welches sich in
den meisten Fällen zwischen 95 % und
99 % bewegt und welches unmittelbaren
Einfluss auf die Aussagekraft des bestimmten VaR besitzt. Größere Konfidenzniveaus schmälern die Wahrscheinlichkeit, dass die Verluste größer ausfallen
als durch den VaR prognostiziert.
Für die Berechnung des VaR muss die
Wahrscheinlichkeitsverteilung der Ausprägung der zugrundeliegenden Risikoposition bekannt sein, die sich durch die
Parameter Erwartungswert und Streuung
bilden lässt. Zu deren Bestimmung haben
sich die vier folgenden Verfahren etabliert
(vgl. Burger/Buchhart, 2002, S. 124 ff.
und Stephan, 2006, S. 181 ff.):
Im Rahmen der Szenario Methode
werden keine Wahrscheinlichkeitsverteilungen für einzelne Parameter ermittelt, sondern Szenarien gebildet, die
mit Wahrscheinlichkeitsschätzungen
für die Parameter unterlegt werden.
Die Aussagekraft dieser sehr einfachen
Methode, die über den betrachteten
Zeitraum eine gewisse Stabilität der
Risikofaktoren erfordert, hängt maßgeblich von den gebildeten Szenarien
ab.
Die Historische Methode bedient sich
vergangenheitsbezogener Renditeverteilungen von Risikopositionen, um
zukünftige Wahrscheinlichkeitsverteilungen zu prognostizieren. Die Vorteilhaftigkeit dieser Methode liegt in ihrer
einfachen Umsetzung, wobei veränderten Rahmenbedingungen keine Rechnung getragen wird.
Die Methode der Stochastischen Simulation bzw. Monte Carlo Simulation beruht auf einer Generierung von
Zufallsdaten, aus der Wahrscheinlichkeitsverteilungen von Risikopositionen
gebildet werden. Im Rahmen der mit
hohem Rechenaufwand, aber vielseitig
einsetzbaren Monte Carlo Simulation
werden Verteilungen von Risikofaktoren angenommen, von denen die Aussagekraft der Simulationen wesentlich
abhängen.
Unter der Annahme normalverteilter
Risikofaktoren können im Rahmen der
Varianz-Kovarianz Methode Volatilitäten und Korrelationen der Risikofaktoren mittels Kovarianzmatrix stochastisch abgeleitet werden und damit der
VaR bestimmt werden. Ein geringer
Aufwand bei gleichzeitig strengen Annahmen kennzeichnet diese Methode.
Die Risikodeckungsmasse, die mittels
VaR bei der Risikotragfähigkeitsanalyse
bestimmt wird und die als Puffer zum
Auffangen von Risiken zu verstehen ist,
wird als ökonomisches Kapital oder Risikokapital bezeichnet. Der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht (Basel II) sieht
für die Bestimmung der Eigenkapitalanforderungen eine Berechnung auf Basis
des VaR für den Bankbereich vor.
Der VaR ist aufgrund seiner kurzfristigen
Orientierung und aufgrund seiner Ausrichtung auf Markt- und Preisrisiken für
Industrieunternehmen, deren Unternehmensrisiken über beobachtbare Markwertänderungen von Finanzinstrumenten hinausgehen, nur begrenzt zu verwenden. Im Vordergrund von Handelsund Industrieunternehmen stehen Risiken, die über den Wertschöpfungsprozess
von Beschaffung, Produktion und Vertrieb entstehen und deren Marktwert
nicht unmittelbar ableitbar ist. Für den
Bereich der Wertpapier-, Fremdwährungs- und Rohstoffbestände gilt dies
nicht, da hier täglich aktualisierte Marktpreise verfügbar sind. Ansonsten sollten
bei der Risikomessung von Handels- und
Industrieunternehmen andere Kennzahlen zur Anwendung kommen. Als eine
der wesentlichen Steuerungsgrößen stellt
der Cash Flow in Handel- und Industrieunternehmen eine mit Risiko behaftete
Zielgröße dar, die sich in Anlehnung an
den VaR-Ansatz zur Erweiterung zum
Cash Flow at Risk (CFaR) anbietet. Entsprechend dem VaR-Ansatz wird für
einen bestimmten Zeitraum eine maximale negative Abweichung vom Erwartungswert des Cash Flows (relativer
CFaR) oder von Null (absoluter CFaR)
ermittelt, die mit einer bestimmten
Wahrscheinlichkeit nicht überschritten
wird. Vor allem für eine wertorientierte
Unternehmensführung bietet sich die
Verwendung des CFaR als Risikobeurteilungsgröße an, da der Cash Flow als finanzieller Überschuss in diesem Zusammenhang eine zentrale Zielgröße darstellt, die eine längerfristige und mehrperiodige Orientierung mit Beobachtungszeiträumen von einigen Monaten bis
mehreren Jahren erlaubt. Entsprechend
dem VaR-Ansatz kann der CFaR anhand
von Verteilungsannahmen der zugrundeliegenden Cash Flows bestimmt werden.
Für Handels- und Industrieunternehme
ist neben dem CFaR vor allem der Earnings at Risk (EaR) als weitere absolute
risikoorientierte Kennzahl relevant. Wiederum auf Basis des VaR zeigt der EaR
die Abweichung von einer Ergebnisgröße
an, die mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit und über einen bestimmten Zeitraum nicht überschritten wird
(vgl. Stephan, 2006, 176 ff.).
........................................................
Relative risikoorientierte
Performancemaße
........................................................
Nachdem Verfahren zur quantitativen
Messung von Risiken vorgestellt worden
sind, werden nun auf dieser Basis relative
Kennzahlen zur Darstellung der Risiko-
Chancen Relation aufgezeigt, die eine risikoangepasste Ergebnismessung zulassen und die auf dem Konzept des VaR
aufbauen (vgl. im Folgenden Schierenbeck
et al., 2008, S. 44 ff. und Stephan, 2006,
S. 215 ff.). Dabei wird das Ziel verfolgt,
den Zusammenhang zwischen erwartetem Erfolg und dazu eingegangenem Risiko herzustellen, um Risikopositionen ex
ante oder ex post bewerten zu können.
Zu den etabliertesten Vertretern dieser
Risk Adjusted Performance Measures
(RAPM) sind der RORAC und der RA-
ROC zu zählen, die wie der VaR ursprünglich aus dem Bankbereich stammen.
Vor dem Hintergrund, dass jedem eingegangenen Risiko ein eingesetztes (Risiko-)Kapital zugrundeliegt, wird der Re-
Risikoorientierte Performancemaße 389
22. Jahrgang 2010, Heft 7
VaR | Risikokapital
Erwarteter Überschuss
Ziel-RORAC
Risikoposition B
Risikoposition A
Abb. 2: Ziel-RORAC (vgl. Stephan, 2006, S. 217)
turn on Risk Adjusted Capital (RORAC)
gebildet, indem Periodenüberschuss und
damit verbundenes Risikokapital ins Verhältnis gesetzt werden.
RORAC =
Nettoergebnis aus Risikokapital
Risikokapital
=
erwarteter Überschuss
VaR
Die Bildung des Zählers, Nettoergebnis
aus Risikokapital, wird beim RORAC ohne Risikoanpassung durchgeführt. Das Risikokapital, bei dem es sich um das Risikodeckungspotential handelt, wird mit
Hilfe des VaR bestimmt. Ein Performancevergleich verschiedener Risikopositionen
oder auch verschiedener Unternehmensteile, die unterschiedliche Risikostrukturen aufweisen, ist mittels RORAC und
auch RAROC durch eine einheitliche Bezugsbasis, dem Risikokapital, möglich.
Um Vergleichbarkeit herzustellen, ist es
bei der Bestimmung des Risikokapitals
durch den VaR zwingend erforderlich,
einheitliche Konfidenzintervalle und Betrachtungszeiträume zu wählen. Erst dann
ist ein Performancevergleich möglich.
Zur risikoorientierten Unternehmenssteuerung sollte ein Ziel-RORAC (Hurdle
Rate) installiert werden, der die Renditeanforderung an die Risikoposition widerspiegelt und Bereiche definiert, in denen
die zugrundeliegende Risikoposition entweder eingenommen oder nicht eingenommen wird. In Abb. 2 weist Risikoposition A im Gegensatz zu Risikoposition B
einen RORAC auf, der über dem Ziel-RO-
RAC liegt und somit einen höheren als
den mindestens geforderten Überschuss
pro Risikoeinheit liefert. Falls Risikopositionen schon eingenommen sind, dienen
Hurdle Rates der Kontrolle und Steuerung
sowie dem Vergleich verschiedener Risikopositionen. Dabei ist wiederum wichtig,
dass sich die Konfidenzniveaus und Zeiträume der VaRs entsprechen.
Der Risk Adjusted Return On Capital
(RAROC) setzt das risikoadjustiertes
Nettoergebnis und Risikokapital zueinander ins Verhältnis.
RAROC =
Risikoadjustierter Ergebnisbeitrag
Risikokapital
Demnach unterscheidet sich der RAROC
vom RORAC, indem beim RAROC das
Risiko nicht nur im Nenner berücksichtigt wird, sondern auch eine Risikoadjustierung im Zähler durchgeführt wird. Die
Risikoadjustierung des Ergebnisbetrags
kann entweder durch Abzug eines risikoadjustierten Ziel-Ergebnisbetrages, der
aus dem Verzinsungsanspruch der Eigenkapitalgeber gewonnen wird, oder durch
Abzug sogenannter Standardrisikokosten
geschehen, die durch Schätzmethode und
aus Erfahrungswerten ermittelt werden.
Somit müsste eigentlich vom Risk Adjusted Return On Risk Adjusted Capital
gesprochen werden, was sich in der Praxis allerdings nicht durchgesetzt hat. Im
Unterschied zum RORAC ist ein positiver
RAROC aufgrund der integrierten Renditeforderungen unmittelbar mit der
Vorteilhaftigkeit der Risikoposition verbunden. Zum Vergleich verschiedener Risikopositionen ist wieder eine einheitliche Bezugsbasis erforderlich.
Parallel zur vorangegangenen Beschreibung der Beschränkungen des VaR für
Handels- und Industrieunternehmen sind
auch die Konzepte des RORAC und des
RAROC nicht uneingeschränkt für diese
Unternehmen einsetzbar. Eine Alternative
bietet sich durch den Corporate Value On
Discounted Risk Value (CVODRV) an,
der einemehrperiodige und langfristig orientierte Performancegröße darstellt. Hierbei wird der CVODRV als Quotient aus
dem cashflowbasierten Wert einer Risikoposition, z. B. einem Projekt oder einem
Unternehmensteil, und der Unsicherheit
über diese zukünftigen Cash Flows (Discounted Risk Value) repräsentiert.
CVODRV =
Wert Risikoposition
Discounted Risk Value
=
Σ Discounted Cash Flows
Σ Discounted CFaR
Die Unsicherheit über zukünftige Cash
Flows, derNenner des CVODRV,wird über
die Summierung der diskontierten CFAR
der Perioden des Betrachtungszeitraums
abgebildet. Neben der Beurteilung des Ertrags-Risiko-Verhältnisses, das durch den
Einsatz eines Ziel-CVODRV erweitert werden kann, ist auch die Verwendung des
CVODRV als Indikator eines Frühwarnsystems im Sinne des KonTraG denkbar.
Literatur
Burger, A./Buchhart, A., Risiko-Controlling,
München 2002.
Fricke, J., Value-at-Risk Ansätze zur Abschätzung von Marktrisiken, Wiesbaden 2006.
Homburg, C./Stephan, J., Kennzahlenbasiertes Risikocontrolling in Industrie- und Handelsunternehmen, in: Zeitschrift für Controlling & Management, 48. Jg. (2004) H. 5/2004,
S. 313–325.
Schierenbeck, H./Lister, M./Kirmße, S., Ertragsorientiertes Bankmanagement, Band 2:
Risiko-Controlling und integrierte Rendite-/
Risikosteuerung, 9. Aufl., Wiesbaden 2008.
Stephan, J., Finanzielle Kennzahlen für Industrie- und Handelsunternehmen, Wiesbaden 2006.
Dipl.-Kfm. techn. Roy Tondock ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl
Controlling der Universität Stuttgart.
390 CONTROLLING-COMPACT
CONTROLLING – ZEITSCHRIFT FÜR ERFOLGSORIENTIERTE UNTERNEHMENSSTEUERUNG
Chapter Preview
References
Abstract
Month by month, Controlling - Zeitschrift für erfolgsorientierte Unternehmenssteuerung publishes peer-reviewed, applied research contributions for business management, accounting and reporting. Key elements of succesful corporate controlling are presented in an analytic, well-structured manner.
Language: German.
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Zusammenfassung
Die Controlling - Zeitschrift für erfolgsorientierte Unternehmenssteuerung liefert Monat für Monat fundierte und anwendungsorientierte Fachbeiträge für das Management sowie das Finanz- und Rechnungswesen in Unternehmen. Klar gegliedert und strukturiert werden für alle Controlling-Bereiche die Faktoren für eine erfolgreiche Unternehmenssteuerung aufgezeigt.
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