Abb. 1: Übersicht Risikomanagement-Prozesse (vgl. Kutsch/Hall, 2009)
Risikoorientiertes Projektcontrolling
Peter Rötzel
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1. Relevanz des Risikoaspektes
für das Projektcontrolling
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Das Projektcontrolling ist fester Bestandteil eines erfolgreichen Projektmanagements geworden (vgl. Schreckenender,
2010). Selbst bei kleineren Einzelprojekten, für die kein eigener Projektcontroller
zur Verfügung steht, werden die mit dem
Projektcontrolling verbunden Aufgaben
oftmals vom Projektmanager selbst
wahrgenommen. Dies zeigt, wie hoch die
Bedeutung eines erfolgreichen Projektcontrollings für den Gesamterfolg des
Projektes ist.
Da in der Vergangenheit oftmals die Tendenz bestand und teilweise noch besteht,
das Projektcontrolling auf die Finanzperspektive zu beschränken, wurden weitere
Elemente in das Instrumentarium des
Projektcontrollings aufgenommen. Eines
der wichtigsten neuen Elemente ist das
Controlling von Projektrisiken. In empirischen Studien wurde nachgewiesen,
dass Projektmanager teilweise dazu neigen, Risiken kategorisch zu unterschätzen
oder zu ignorieren (vgl. Kutsch/Hall,
2010). Darüber hinaus haben Projektmanager oftmals das Problem der Rechtfertigung von Vermeidungskosten für Projektrisiken und das Problem der Bestimmung der Kosten (vgl. Kutsch/Hall,
2009), so dass das systematische Controlling von Projektrisiken zunehmend an
Bedeutung gewinnt. Hierbei erfüllt das
Projektcontrolling neben der Sicherung
der Ergebnis-, Finanz- und Strategietransparenz auch die Sicherung der Risikotransparenz (vgl. Schreckenender,
2010).
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2. Risiken in Projekten
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Die Begriffe „Risiko“ und „Risikocontrolling“ sind in der Fachliteratur nicht eindeutig definiert (vgl. Kutsch/Hall, 2010).
Im Lichte des Projektcontrollings liegt es
nahe, einen finanz- und zielbezogenen Risikobegriff zu wählen, der Verlustgefahr
abbildet, welche durch die Projektrisiken
verursacht wird. Dabei sollten sowohl für
die mit dem Projekt verbundenen Erträge
als auch Vermögensrisiken berücksichtigt
werden. Risikocontrolling ist ein Bestandteil des Risikomanagements. In Projekten
ergänzt es dabei oftmals die Koordinierungsfunktion des Projektcontrollings um
den Risikoaspekt, und zwar auf der einen
Seite in der risikoorientierten Zielausrichtung und auf der anderen Seite in der Koordination des Planungs-, Informationsund Kontrollsystems für Projektrisiken
(vgl.Wolke, 2008, S. 239).
Projektrisiken können grundsätzlich von
verschiedenen Risikoarten ausgehen (in
Anlehnung an die Projektrisikoklassifizierung der IPMA, siehe grundlegend
Schelle/Ottmann/Pfeiffer, 2008):
(Innere) Kaufmännische Risiken: Unter diese Risikoart fallen alle betrieblichen Risiken, wie Kalkulationsrisiken, Finanzierungsrisiken, Leistungsrisiken, Haftungsrisiken und Gewährleistungsrisiken. Beispiel: Der Auftraggeber gerät während des Projektes in
Zahlungsschwierigkeiten und kann
den vertraglich vereinbarten Zahlungsverpflichtungen nicht zeitgerecht
nachkommen;
Technische Risiken,
Terminrisiken,
Ressourcenrisiken,
Politische Risiken.
Zwischen diesen Risikoarten bestehen oft
Abhängigkeiten. So kann es beispielsweise bei kurzfristig auftretenden technischen Problemen (=Technisches Risiko)
durch die Kompensation mit einem teureren Material zu deutlichen Kostenüberschreitungen (=Kaufmännisches Risiko)
kommen.
Diese Risiken lassen sich mithilfe von
quantitativen und qualitativen Verfahren
im Sinne des risikoorientierten Projektcontrollings messen. Während das unternehmensweite Risikocontrolling eher auf
diejenigen Risiken eingeht, die mit Unternehmenszielen verbunden sind, muss
das risikoorientierte Projektcontrolling
nur die kurz- und mittelfristigen Risiken
des Projektes identifizieren, messen und
steuern.
687CONTROLLING-COMPACT
22. Jahrgang 2010, Heft 12
Abb. 2: Risikomaße für das Projektcontrolling (in Anlehnung an Wolke, 2008)
Im internationalen Vergleich zeigt sich,
dass die Einteilung der Handhabung von
Risiken in vier Schritte, die dem PDCA-
Management-Kreislauf (Plan-Do-Check-
Act) nachempfunden sind, in allen Systemen ähnlich verläuft. Eine Übersicht der
Risikocontrolling-Ansätze wird in Abb. 1
dargestellt. Entweder wird die Rolle des
risikoorientierten Projektcontrollings als
jeden Prozessschritt begleitendes Instrument gesehen (PMI, OGC, APM) oder
nur als abschließender Bestandteil des
Prozesses (vgl.Wolke, 2008).
Risikomaße und Kennzahlen für das
Projektcontrolling
Nach der Identifikation der Risiken (siehe weiterführend zur Risikoidentifikation: Brühwiler/Romeike, 2010; Wolke,
2008) können diese mithilfe von Kennzahlen gemessen und gesteuert werden.
Grundsätzlich lassen sich quantitative
und qualitative Risikomaße unterscheiden (siehe Abb. 2). Die quantitativen Risikomaße beruhen auf vorhandenen oder
berechenbaren Datensätzen, wie Mengen
oder Preisen. Hierbei wird zwischen einfachen, aufwandsarmen Risikomaßen
(z. B. Maximalverlust) und komplexen
Risikomaßen wie dem Operational Value
at Risk (siehe weiterführend Cruz, 2005).
Der Operational Value at Risk (OVaR) ist
ein verlustorientiertes Risikomaß und
eine Maßzahl für die Erfassung von Betriebsrisiken, die mit dem Projekt verbunden sind. Darüber hinaus können
auch Szenario-Analysen für die Bestimmung quantitativer Risikomaße herangezogen werden (siehe weiterführend Brühwiler/Romeike, 2010). Liegen quantitative
Daten nicht vor oder sind sie nicht aussagekräftig genug, kann auf qualitative Risikomaße zurückgegriffen werden. Qualitative Risikomaße haben allerdings den
Nachteil, dass ihre Determinierung oft
sehr aufwendig ist. Ein Beispiel für diese
Art von Maßen sind Scoring-Modelle
oder Evaluations-Modelle (siehe weiterführendWolke, 2008).
Scoring-Modelle in Projekten sind aus
den Bereichen der Finanzwirtschaft und
des unternehmensweiten Risikomanagements entstanden. Sie sind Entscheidungsmodelle, bei denen projektbezogene Zielsetzungen gewichtet und in verschiedenen Kombinationen verglichen
werden. Dazu werden skalierte Punktwerte verwendet. Ein Vorteil ist, dass man
auf diese Weise auch nicht-monetäre Aspekte und Projektziele abbilden kann. In
Projekten erweisen qualitative Risikoma-
ße sich meist erst ab einer bestimmten
Größe und Komplexität als nützlich, da
ggf. sonst der Aufwand den Nutzen übersteigt. Die projektbezogenen Scoring-
Modelle haben den Vorteil, sowohl quantitative als auch qualitative Einflussfaktoren von Risiken zu berücksichtigen und
subjektiv vergleichbar zu machen. Doch
gerade die Subjektivität stößt auf Kritik,
da sie die Vergleichbarkeit einschränkt
(vgl. Cruz, 2005).
Analyse und Bewertung der Risikomaße
in Projekten
Nach der Messung der Risikomaße und
ihrer Darstellung in Kennzahlen ist es
zweckmäßig, die Kennzahlen in drei Kategorien einzuteilen, um daraus abgeleitet die Priorisierung für Follow-Ups im
Projektmanagement abzuleiten. Da sowohl die identifizierten Risiken als auch
die Projekte sehr heterogen sein können,
sollten konkrete Grenzwerte unternehmens- oder sogar projektindividuell festgelegt werden. Dies sollte von der Projektleitung, dem Projektcontrolling und
dem Lenkungsausschuss in der Unternehmensspitze gemeinsam gemacht werden (vgl. Schelle/Ottmann/Pfeiffer, 2008).
Als Risikokategorien bieten sich drei Stufen an:
Kritische Projektrisiken (rot): Projektrisiken dieser Kategorie können zu
einer ernsthaften und unmittelbaren
Gefährdung des Projektes oder zu dessen vorzeitiger Beendigung führen;
Bedeutende Projektrisiken (gelb):
Diese Kategorie beschreibt Projektrisiken, die zwar keine unmittelbaren Gefährdung des Projektes darstellen, aber
wesentliche Ressourcen (z. B. personell, materiell, monetär) binden können oder mit höherer Priorität behandelt werden müssen;
Unwichtige Projektrisiken (grün):
Solche Projektrisiken können ohne bedeutenden zusätzlichen Aufwand aus
dem laufenden Projektbetrieb bewältigt werden.
Einhergehend mit einer Analyse und Bewertung der Projektrisiken ist eine Stakeholder-orientierte Kommunikation ratsam, z. B. in Form von Projektrisiko-Reports oder Risiko-Workshops (siehe weiterführend Schelle/Ottmann/Pfeiffer,
2008;Wolke, 2008).
Risikostrategien für das Projektcontrolling
Im Anschluss an die Messung und Bewertung von Projektrisiken gilt es, geeignete Strategien für die Steuerung dieser
Risiken festzulegen. Dieser Prozess erfordert eine intensive Koordination des Projektcontrollings mit der Projektleitung
und den für das Projektrisiko wesentlichen Stakeholdern (vgl. APM, 2005).
Grundsätzlich wird zwischen vier verschiedene Strategien für die Steuerung
von Projektrisiken unterschieden (vgl.
Schelle/Ottmann/Pfeiffer, 2008):
688 CONTROLLING-COMPACT
CONTROLLING – ZEITSCHRIFT FÜR ERFOLGSORIENTIERTE UNTERNEHMENSSTEUERUNG
Abb. 3: Projektrisikoportfolio
Akzeptanz: Nicht alle Projektrisiken
müssen vermieden, vermindert oder
verlagert werden. Bei Projektrisiken
mit niedriger Eintrittswahrscheinlichkeit und niedrigem (monetären) Schaden für das Projekt kann eine sinnvolle
Strategie die Akzeptanz dieser Projektrisiken sein. Dennoch ist es oftmals erforderlich, akzeptierte Projektrisiken
weiterhin zu überwachen, um frühzeitig reagieren zu können, falls sie in
Eintrittswahrscheinlichkeit oder potenzieller Schadenshöhe steigen.
Verminderung: Die Risikoverminderung zielt darauf ab, die Eintrittswahrscheinlichkeit des Projektrisikos oder
den potenziellen Schaden zu reduzieren. Beispiele können hierbei die Substitution fixer durch variable Kosten
oder die redundante Auslegung von
Ressourcen sein.
Verlagerung: Die Risikoverlagerung
begegnet Projektrisiken durch die Verlagerung des Risikos auf Dritte, z. B.
Versicherungen oder externe Dienstleister (Outsourcing).
Vermeidung/Begrenzung: Die Risikovermeidung ist das stärkste Instrument
im Controlling von Projektrisiken, da
es in der ursprünglichen Form den
Verzicht, z. B. auf eine mit dem Risiko
verbundene Investition darstellt und
sich stattdessen einer risikoärmeren
Alternativinvestition zuwendet oder
die Vermeidung eines Geschäftsabschlusses mit einem Lieferanten, da
dieser eine schlechte Termintreue aufweist, die Qualität nicht den Erwartungen entspricht oder es vormals zu
Ausfällen gekommen ist. Eine abgestufte Variante der Risikovermeidung
ist die Risikobegrenzung, bei der das
Risiko nur im reduzierten Maß eingegangen wird.
Die einzelnen Risikostrategien sind abhängig von Eintrittswahrscheinlichkeit
des Risikos und des unterstellten, meist
monetär geschätzten, Schadens für das
Projekt. Zur Visualisierung und Einordnung von Risiken ist es zweckmäßig, diese über ein Projektrisikoportfolio darzustellen (siehe Abb. 3).
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3. Fazit
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Die Steuerung von Projektrisiken hat für
das Projektcontrolling in der Vergangenheit immer mehr Bedeutung gewonnen.
Dies ist zum einen durch einen intensiver
werdenden Kostendruck in Projekten begründet, zum anderen ergibt sich aus
dem stärker gewordenen Risikobewusstsein eine stärkere Nachfrage an Risikotransparenz (vgl. Kutsch/Hall, 2010). Dabei werden große Teile des unternehmensweiten Instrumentariums des Risikocontrollings auf das Projektcontrolling
übertragen.
Das Projektcontrolling kann darüber hinaus einen weiteren Beitrag zu einem erfolgreichen Projektmanagement leisten,
indem es neben einer allgemeinen Projektrisikotransparenz auch die mit diesen
Risiken verbundenen Kosten (Schadenskosten und Vermeidungskosten) bestimmt und damit in diesem Bereich eine
Finanz- und Kostentransparenz ermöglicht.
Die dargestellten Möglichkeiten im risikoorientierten Projektcontrolling bilden
die Chance, durch Risikocontrolling in
Projekten bislang Ineffizienzen zu verringern und so Wettbewerbsvorteile zu generieren. Das unternehmensweite Risikocontrolling ist bereits in vielen Unternehmen gängige Praxis, was die Grundlage
dafür bildet, dass diese Entwicklung auch
im Bereich von Risikocontrolling in Projekten immer mehr Akzeptanz und Anwendung findet.
Literatur
APM Association for Project Management,
Project Management, London 2005.
Brühwiler, B./Romeike, F., Praxisleitfaden
Risikomanagement: ISO 31000 und ONR
49000 sicher anwenden, Berlin 2010.
Cruz, M. G., Modeling, Measuring and Hedging Operational Risk, Chichester 2005.
Junginger, M., Operational Value at Risk und
Management von IT-Risiken, in: Das Wirtschaftsstudium, Bd. 32 (2003), 3, S. 356–364.
Kutsch, E./Hall, M., Deliberate Ignorance in
Project Risk Management, in: International
Journal of Project Management, Vol. 28
(2010), S. 245–255.
Kutsch, E./Hall, M., The Rational Choice of
Not Applying Project Risk Management in
Information Technology Projects, in: Project
Management Journal, Vol. 40 (2009), S. 72–
81.
OGV Office of Government Commerce,
Management of Risk: Guidance for Practinioners, London 2007.
PMI Project Management Institute, A Guide
to the Project Management Body of Knowledge, Pennsylvania 2004.
Schelle, H./Ottmann, R./Pfeiffer, A., Projektmanager, Nürnberg 2008.
Schreckenender, B. C., Projektcontrolling,
3. Aufl., Freiburg 2010.
Wolke, T., Risikomanagement, 2. Aufl.,
München 2008.
Dr. Peter Rötzel ist wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl Controlling der
Universität Stuttgart. Des Weiteren ist er
stellvertretender Abteilungsleiter Controlling im Luftwaffenamt in Köln und
Senior Projekt Manager für Controlling-
Projekte in der Luftwaffe.
Risikoorientiertes Projektcontrolling 689
22. Jahrgang 2010, Heft 12
Chapter Preview
References
Abstract
Month by month, Controlling - Zeitschrift für erfolgsorientierte Unternehmenssteuerung publishes peer-reviewed, applied research contributions for business management, accounting and reporting. Key elements of succesful corporate controlling are presented in an analytic, well-structured manner.
Language: German.
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Zusammenfassung
Die Controlling - Zeitschrift für erfolgsorientierte Unternehmenssteuerung liefert Monat für Monat fundierte und anwendungsorientierte Fachbeiträge für das Management sowie das Finanz- und Rechnungswesen in Unternehmen. Klar gegliedert und strukturiert werden für alle Controlling-Bereiche die Faktoren für eine erfolgreiche Unternehmenssteuerung aufgezeigt.
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